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überkochen – Teilhabe durch Kochen

Das Start-Up überkochen trägt mit seinem mobilen Kochwagen zur Umwelt- und Ernährungsbildung, aber auch zur Integration und Inklusion im Klassenzimmer bei.

Eifrig stecken die Schülerinnen und Schüler des Werner-von-Siemens-Gymnasiums in München ihre Köpfe über den Rezeptkarten zusammen. Schon werden die Aufgaben verteilt, Schneidebretter und Messer aus den Schubladen gezogen, Wasser aufgesetzt – kurz nachgefragt: „Was heißt denn ‚siedendes Wasser‘?“ – und nach den nächsten Schritten geschaut. Nach kürzester Zeit riecht es im Klassenzimmer nach leckerem Essen, es wird gelacht, sich beraten und konzentriert zugeschaut. Am Ende dieser zwei Schulstunden wird gemeinsam gegessen – ganz ohne Besteck und ohne „Das kenne ich nicht. Das mag ich nicht“, – wird alles mal probiert. Die Gründer von überkochen sind zufrieden – Lehrer und Klasse auch. So hatten sie sich das vorgestellt.

Englisches Porridge – hört sich für die Schüler*innen doch irgendwie besser an als Haferschleim.

Biologie, Mathe, Geschichte und Integration – Kochen und Essen kann so viel mehr sein als bloße Nahrungszubereitung und -aufnahme. Dies zu vermitteln und Zusammenhänge zu den Lebenswelten der Schüler*innen herzustellen, hat sich der Münchner Verein überkochen e.V. zur Aufgabe gemacht.

Inklusion durch Kochen

Entstanden ist die Idee während des ersten Mastersemesters von Constanze Buckenlei und Marco Kellhammer am Lehrstuhl für Industrial Design der TU München. In Kooperation mit der Hans Sauer Stiftung wurde unter dem Thema „Schule designen“ an der Südschule in Bad Tölz recherchiert. Zu diesem Zeitpunkt gab es an der Schule zwei Willkommensklassen, die aus Geflüchteten bestanden und nur wenig Kontakt zu den einheimischen Schüler*innen hatten. Die Gruppe von Constanze und Marco beschäftigte sich mit dem Thema Ernährung und entwickelte ein Konzept, wie man durch Essen Integration und Inklusion schaffen kann: gemeinsam kochen. „In der Schule ist die Pause und das Essen immer der Zeitrahmen für die Schüler, in dem sie ihre Freunde treffen, wo sie Verbindungen schaffen und sich austauschen. Genau dieses Erlebnis wollten wir auch im Unterricht erzielen“, sagt Constanze.

Statt dem klassischen Frontalunterricht, sollte ihr Konzept offener und partizipativer werden. Daher entwickelten sie eine mobile, unabhängige Kochstelle, die in jeder Klasse genutzt werden kann. Am Ende des Semesters entstand der erste selbst gebaute Prototyp. Dass das Projekt weiter verfolgt werden konnte, lag vor allem auch an dem Interesse der Stiftung und des Referats für Bildung und Sport der Stadt München. So entwickelten Constanze und Marco die Idee im zweiten Semester weiter und konnten es auch unter unternehmerischen Gesichtspunkten ausarbeiten.

Das Team von überkochen (von li nach re): Marco, Constanze und Vasiliki   (c) Christoph Eipert

Damit der Kochwagen auch ohne große Anleitung genutzt werden kann, erdachten sich Constanze und Marco ein Kartenset mit Rezepten, Aufgabenverteilung, Informationen über Nahrungsmittel und Aktionskarten, die sie in Kooperation mit der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und dem Studiengang Lebensmittel, Ernährung und Hygiene entwickelten. Die dritte im Bunde, Vasiliki Mitropoulou, Lehrerin für Informatik und Wirtschaft, hatte das Projekt als Mitarbeiterin der Hans Sauer Stiftung in der Entstehung beobachtet und stieg in das Projekt ein, als es an die Entwicklung einer Modellphase mit der Stadt München ging. Sie unterstützte bei dem didaktischen Teil der Entwicklung des Kartensets und ergänzender Workshops. So hat sich der Kochwagen von überkochen weiterentwickelt, von einem Integrations- und Inklusionsmittel zu einem Unterrichtstool, das in jedem Fach miteingebunden werden kann.

Die verwendeten Materialen für den Kochwagen sind robust, funktional und einfach wiederzubeschaffen. Gefertigt wird in der Justizvollzugsanstalt in Niederschönenfeld.  „Wir haben von Anfang an gesagt, dass sie in einer sozialen Einrichtung gefertigt werden sollen und das hat schließlich auch funktioniert. Trotz kleiner Herausforderungen, ist es insgesamt sehr positiv und wir erfahren eine umfangreiche Unterstützung seitens der Werkstätten“, sagt Marco.

Vielseitige Einsatzmöglichkeiten

Auch eine Entscheidung zum Thema Unternehmensgründung mussten die drei treffen – eine Form, die mehr der ideellen Idee als der eines Business entsprechen sollte und außerdem wenig Investitionskosten fordert. So wurde im März 2018 mit vier weiteren Freunden der überkochen e.V. gegründet. Damit stand den weiteren Plänen nichts mehr im Wege. Nach einem Stadtratsbeschluss Münchens gab es eine öffentliche Ausschreibung eines Ernährungskonzepts – den Zuschlag bekam überkochen und somit zehn weitere Schulen die Möglichkeit, sich für die Kochwagen zu bewerben, die nun jedes Jahr rotieren sollen. Dementsprechend gefragt war das Team Anfang September an den Schulen, um Einführungsworkshops an Gymnasien, Grund-, Mittel-, Real- und Berufsschulen zu halten. Die Wägen werden vielseitig eingesetzt, zum Beispiel als erste Möglichkeit der Interaktion in Grundschulen mit vielen fremdsprachigen Kindern oder fachspezifisch an den höheren Schulen – die Lehrer sind jedenfalls hoch motiviert und arbeiten auch unabhängig von den Lernkarten.

Der Wagen von überkochen ist mit allem ausgestattet, das man zum Kochen braucht.

Nicht nur das Angebot, sondern auch das Team von überkochen hat sich erweitert. Neben den unterstützenden Vereinsmitgliedern, gibt es nun zwei Ökotrophologinnen  – darunter auch eine mit der Zusatzausbildung zur Stressbewältigung – die das Workshopangebot ergänzen.

2018 – das Jahr der Auszeichnungen

Mit ihrer Idee haben sie sich außerdem bei vielen Wettbewerben für Social Entrepreneure beworben und waren mehr als erfolgreich: 1. Preis beim Social Business Wettbewerb der Joblinge und Hogan Lovells, eine Auszeichnung als Kultur- und Kreativpiloten der Bundesregierung mit umfangreichen Workshopprogramm und Einladung ins Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, sowie unter den 100 Stipendiaten des Start Social Programms. Die Preise machten auch einige Organisationen auf überkochen aufmerksam, wie die Sarah Wiener Stiftung, die sich den Wagen von überkochen nach Berlin für ein Projekt auslieh.

Bisher war überkochen – wie der Name schon sagt – mehr auf das Bindeglied Kochen fokussiert und wie dadurch etwas vermittelt werden kann. Durch die Arbeit an den Schulen hat das Team aber gemerkt, dass der Wagen noch viel mehr Möglichkeiten bietet. Der Fachraummangel an Schulen könnte so zum Beispiel durch spezielle Chemie- und Physikwagen teilweise abgefangen werden. Ideen gibt es noch viele – und langweilig wird dem überkochen-Team auch 2019 definitiv nicht.


(c) Alle Bilder überkochen

Experience Design Kolumne – Folge 3

Öffentlichkeitsarbeit

Nils Enders-Brenner ist Designer und hat einen Kommunikationshelfer entwickelt, der vor allem hörgeschädigte Menschen in der Kommunikation mit hörenden Personen unterstützen soll. Für relaio schreibt er über seine Erfahrungen, seine Projekte und die Herausforderungen, auf die er bei seiner Arbeit stößt.

Dies ist meine erste Kolumne seit Sommer 2018 und auch die erste in diesem Jahr. Letztes Jahr hat sich leider nicht sehr viel getan, da ich meistens mit anderen Projekten beschäftigt war. Doch in den letzten zwei Monaten, Dezember und Januar hat sich unglaublich viel ereignet.

Die eigentliche Geschichte fängt allerdings im Oktober 2018 an, wo ich eine E-Mail von einem ERGO-Angestellten bekommen habe. Er hat sich sehr für meinen Störer interessiert, da sie auf der Suche nach möglichen Teilnehmern für den #DeinWeg-Award 2018 waren. Diese Ausschreibung fand zum 5. Mal statt und dabei werden Preisgelder an die Gewinner ausgelobt. Der ganze Wettbewerb endete am 24. Januar und mein Störer bekam dafür 379 Stimmen und landete unter den ersten 10 von 20 Projekten in der Endrunde.

Ich bin zwar nicht auf dem ersten Platz gelandet, aber ich konnte sehr viel über Marketing lernen und dabei konnte ich unglaublich viele Meinungen anderer einholen. Gleichzeitig bekam ich auch harsche Kritik, mit der ich umgehen musste, aber auch viele Komplimente und motivierende Worte. Für diesen Wettbewerb habe ich zusammen mit meiner Frau im Herbst ein Video gemacht, das ihr jederzeit mit deutschen und englischen Untertiteln auf vimeo.com anschauen könnt. Selbstverständlich würde ich mich über weitere Unterstützung von euch freuen.

Zudem habe ich auch einen weiteren Artikel über den Störer schreiben müssen, um die Leute zu überzeugen, damit sie für mich abstimmen können. Den Artikel könnt ihr auf meiner Webseite sehen oder auch eine ähnliche Fassung auf #DeinWeg-Award.

Insgesamt bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden, und ich bin mir sicher, dass der Störer beim nächsten Mal noch einen größeren Erfolg erzielt. Und er muss natürlich auch weiter verbessert werden.

Die nächste Geschichte beginnt kurz vor Weihnachten, wo ich von einem gehörlosen Reporter der DGZ – Deutsche Gehörlosenzeitung – angeschrieben wurde. Er war an meinen Designprojekten sehr interessiert und wollte ein Porträt über einen gehörlosen Produktdesigner schreiben. Das Porträt trägt den Titel: “Design für das Dazwischen”.

Es zeigt, wie ich die Designherausforderungen trotz des Vollzeitjobs bewältige. Es mag zwar sehr anstrengend klingen, aber es macht mir unglaublich viel Spaß, Probleme zu finden und diese zu reduzieren. Design ist meine Leidenschaft, und damit kann ich vielen Menschen helfen. Deswegen habe ich auch den Störer entworfen, um die Kommunikationsbarrieren durch das Stören zu reduzieren. Außerdem erzähle ich im Artikel, wie ich mit meinen Produkten Erfahrungen ermögliche mithilfe von Experience Design. Der Artikel ist schon seit dem 20. Januar 2019 veröffentlicht. Ihr findet die DGZ entweder auf den Zeitungsständen oder ihr könnt die gedruckte oder die digitale Version auf der DGZ-Webseite bestellen.

Einige von euch können sich noch bestimmt an meine letzte Kolumne erinnern, wo ich erwähnt habe, dass ihr jetzt den Namen des Störers erfahrt. Ich muss zugeben, dass ich den Namen schon ungefähr Ende des vergangenen Sommers gefunden habe.

Nils Enders-Brenner recherchiert immer nach neuen Problemen, die es zu lösen gilt.

Es ist mir bei der abendlichen Laufrunde eingefallen, dass ich den Störer „Poltergeist“ nennen könnte. Das ist mir eingefallen, weil ich am Abend zuvor eine Star Trek Serie, die Neue Generation (4. Staffel, 25. Episode – “In Theory”) angeschaut habe. Dort erwähnte der Schiffskapitän Jean-Luc Picard eine Poltergeist gegenüber seinen Sicherheitsoffizier, als die Gegenstände in seinem Büro ohne Vorwarnung von einer unsichtbaren Kraft umgeworfen worden sind. Diese ähnliche Methode verfolgt der Störer auch, er bringt den Sprecher ohne Vorwarnung aus der Fassung. Der Störer agiert wie ein Poltergeist. Es mag nicht unsichtbar sein, aber es wirkt, wegen seiner unauffälligen runden Form, auf den ersten Blick harmlos.

Gleichzeitig musste ich mich immer wieder ertappen, dass ich so gut wie nie von Poltergeist spreche, wenn ich über den Störer rede. Der Name Störer klingt für mich interessanter und es weckt auch die Aufmerksamkeit anderer, die gleiche Wirkung erzielt das Wort Kommunikationsstörer auch. Ich weiß bis jetzt immer noch nicht, ob ich den Störer „Störer“ oder „Poltergeist“ nennen soll. Vielleicht könnt ihr mir in dieser verzwickten Lage helfen, indem ihr mir eure Meinung äußert.

Wann die nächste Kolumne erscheint, weiß ich noch nicht. Es kann entweder sehr bald kommen oder wieder ein halbes Jahr dauern. Auf jeden Fall möchte ich mich für eure Unterstützung beim Lesen dieser Kolumne herzlich bedanken! Wir sehen uns bei der nächsten Kolumne.


(c) Alle Bilder: Daria Stakhovska 

werkraum – Ort der Begegnung

Durch gemeinsames Arbeiten mit Holz Begegnung und Austausch schaffen: Ein Konzept, das aufgeht.

„Bum, Bum, Bum – Raspel, Raspel – Sssssccccchhhhhh“ – verschiedenste Geräusche von klopfenden Hämmern auf Nägel, von Schleifpapier auf Holz und einer Säge dröhnen durch den Raum. Jeder ist konzentriert bei der Sache. Markus Rupprecht, Schreiner und Diplom-Ingenieur für Innenarchitektur, schaut den einzelnen Personen immer wieder über die Schulter und hilft, wenn etwas nicht funktioniert. Es könnte eine normale Situation in einer Schreinerei sein – ist es aber nicht. Der werkraum ist viel mehr. Er bietet Geflüchteten, Langzeitarbeitslosen, aber auch Senioren und Jugendlichen die Möglichkeit, selber aktiv zu werden, etwas für sich selbst oder für die Gemeinschaft zu bauen, etwas über das Handwerk zu lernen und sich mit den ausgebildeten Organisatoren, aber auch untereinander, auszutauschen. Über zwei Jahre gibt es das Projekt nun. Seitdem hat es sich immer wieder verändert.

Im Frühjahr 2016, nach einem Workshop über den Design-Build-Ansatz im Rahmen der Social Design Elevation Days und dem Selbstbau von Möbeln in Flüchtlingsunterkünften, wurde es mit dem Pilotprojekt konkret. „Richtig Schwung kam in die Sache, als wir die Ideen in einer  Flüchtlingsunterkunft, die es heute nicht mehr gibt, umsetzen konnten. Zeitweise waren dort 900 bis 1.000 Menschen untergebracht. Dort haben wir dann jeden Samstag gemeinsam mit den Geflüchteten gearbeitet“, sagte Markus.

Neben der Hans Sauer Stiftung unterstützen das Projekt anfangs die Akademie der bildenden Künste München, die Stadt München und der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising – mittlerweile beteiligt sich nur noch die Stiftung und in Teilen Condrobs e.V. Gemeinsam entstanden so große Möbelstücke für die Gemeinschaftsbereiche. Als niedrigschwelliges Beschäftigungsangebot und Möglichkeit, sich auch mit anderen Menschen auszutauschen, wurde das Möbelbauen gut angenommen. „Zuerst waren es kleine Grüppchen, nach Nationen aufgeteilt. Über mehrere Wochen hat sich daraus eine Gruppe von etwa acht Leuten verschiedener Nationalitäten herausgebildet, die immer wieder da waren und auch untereinander unabhängig von uns Kontakt hatten. Das zu sehen, war ein wahnsinnig schöner Moment“, sagte Markus. Der werkraum wurde so zum Ort des interkulturellen Austausches, der auch Geschlechterrollen überwand. „Da gab es beispielswiese einige junge, pakistanische Frauen, die immer wieder gekommen sind. Für manche Männer, wie dem Syrer Muhammad, war das eigentlich eine sehr männliche Arbeit. Aber die Frauen haben sich nicht abschütteln lassen und wurden dann auch von ihm akzeptiert“, erzählt Markus.

Der Werkraum in der Hofmannstraße.

Ende 2016 war dann aber fürs erste Schluss. Die Flüchtlingsunterkunft wurde geschlossen und somit verlor auch der werkraum seinen angestammten Platz. Gleichzeitig war das eine Gelegenheit, weiter zu denken und das Projekt auf eine neue Stufe zu stellen. Neben Überlegungen, ob man aus dem Projekt ein mobiles macht, das umherfährt, wurde die Idee, den werkraum zu verstetigen immer konkreter. Im Januar 2017 war dann klar: Der werkraum bekamt für mindestens zwei Jahre feste Räumlichkeiten in der Flüchtlingsunterkunft in der Hofmannstraße in München-Sendling. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten Markus Rupprecht, sowie Barbara Lersch von der Hans Sauer Stiftung mit an dem Projekt. Neu hinzu kam der irische Social Designer Conor Trawinski und Ende 2017 machte der Schreiner und Designer Stefan Kiesel das werkraum-Team komplett. „Während meiner Zeit in Holland haben wir eine Nachbarschaftsmöbelfabrik gegründet. Ähnlich wie beim werkraum haben wir dort mit Ehrenamtlichen Möbel gebaut. Es ging aber nicht per se um Geflüchtete, sondern auch um die Reintegration von Arbeitslosen“, sagte Conor. In der Hofmannstraße gab es ein regelmäßiges Angebot, freitags von 15 bis 17 Uhr, an dem jeder Interessierte in der Werkstatt bauen kann. Nachdem man mindestens vier Mal dabei war, wurde ein Teilnahme-Zertifikat ausgestellt. Das Angebot kam gut an und manch einer schaute selbst nachdem er in eine andere Unterkunft umgezogen ist, wieder zum Arbeiten vorbei.

„Am ersten Tag waren etwa 13 Leute da, am zweiten Tag acht und dann kamen regelmäßig etwa fünf bis acht Personen zum Bauen. Zu Beginn haben sie viel für sich selbst gebaut und Kontakte geknüpft und sind dann eben teilweise auch nicht mehr gekommen. Die haben ihren Mehrwert durch den werkraum bereits bekommen“, sagte Conor. Während der Arbeit würden sie nicht nur etwas über das Arbeiten mit Holz lernen, sondern auch wie die Deutschen – oder in seinem Fall vielleicht eher wie die Europäer – so ticken und wie die Dinge ablaufen.

Das werkraum-Team (v.li.n.re): Conor, Markus und Stefan.

Neben der festen Werkstatt werden aber auch Angebote in anderen Unterkünften gemacht. Dann bereitet das Team vom werkraum die grundlegenden Sachen vor – wie Bretter zuschneiden und größere, gröbere Arbeiten – und quartieren sich für drei Abende in anderen Einrichtungen ein und bauen dort mit den Geflüchteten. Es gibt aber auch größere Projekte, wie die Zusammenarbeit mit wirWerk, den Freiraumsommer 2018 in München-Obersendling oder das „Über den Tellerrand“-Café. Für alle hat der werkraum, gemeinsam mit dem Netzwerk des jeweiligen Projektes, Möbel gefertigt. So können sie sich auch besser und langfristiger finanzieren. Denn bisher kamen die Gelder vor allem von der Hans Sauer Stiftung und die Räumlichkeiten wurden kostenlos zur Verfügung gestellt. „Die Stiftung hat auch eine Basis an Werkzeugen finanziert – trotzdem bringen wir drei unsere eigenen Werkzeuge immer mit. Sonst würde das gar nicht reichen“, sagte Markus.

Durch die Stiftung wurde der werkraum auch Teil von zwei weiteren Projekten. Zum einen bauten sie im Zuge von „Schule macht sich“ gemeinsam mit 25 Personen, darunter Kinder, Eltern, Hausmeister, Lehrer und Geflüchteten die Möbel für drei Klassenzimmer in der Südschule in Bad Tölz. Hier wurden nicht die klassischen Tische mit Stühlen gebaut, sondern Stehtische und variable Hocker als Alternativen.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich auf dem Boden zu setzen oder sich in ein Lernzelt zurückzuziehen. Zum anderen arbeitet das werkraum-Team gerade an einem Projekt von HOME NOT SHELTER in Stuttgart, in dem es darum geht in einem partizipativen Prozess Möbel für einen Lernraum in  einer Flüchtlingsunterkunft zu entwickeln. Die Planung dafür ist im vollen Gange. Im Laufe der kommenden Monate sollen die Möbel dann während eines Events gemeinsam gebaut werden.

Während also der werkraum so richtig Fahrt aufnimmt, musste sich sein Team parallel zum Jahreswechsel 2018/2019 nach neuen Räumlichkeiten umsehen, denn die Flüchtlingsunterkunft soll einem anderen Bauprojekt weichen. Glücklicherweise gab es dann gleich zwei Angebote – das Kreativquartier und die alte Färberei in München. Am Ende ging es in Letzteres und innerhalb kürzester Zeit wurde umgezogen. Der Umzug bedeutet eine Veränderung – in mehrerer Hinsicht. Der werkraum öffnet sich beispielsweise mehr anderen Interessenten und ist nicht mehr so fokussiert auf Geflüchtete. Es soll immer noch einen offenen werkraum-Nachmittag geben, aber vielleicht auch thematische Kurse, und das zusätzlich zu der mittlerweile projektbezogenen Arbeit. Treue und bewährte Helfer, wie der Geflüchtete Alpha, sind natürlich immer noch Teil des Teams und willkommene Freunde und Helfer. „Zufällig habe ich in der U-Bahn einen Geflüchteten getroffen, der vor einem Jahr oft dabei war, aber dann nicht mehr gekommen ist. Er hatte gleich richtig Lust wieder mitzuhelfen und war beim Umzug in die alte Färberei dabei“, erzählte Conor. „Wir haben eine Mini-Crew an Leuten, die immer wieder zurückkommen.“ Die positive Assoziation mit dem werkraum bleibt den Menschen, die dort waren, und das hinterlässt auch bei Markus, Conor und dem restlichen Team ein gutes Gefühl.


(c) Alle Bilder Conor Trawinski

Social-Bee – Integration durch soziale Zeitarbeit

Ein Sozialunternehmen beweist, dass Zeitarbeit nicht zwangsläufig Ausbeutung, sondern erfolgreiche Integration bedeuten kann.

In seinem Heimatland war Hamid (Name von der Redaktion geändert) ITler, doch die Umstände zwangen ihn zur Flucht. In Deutschland angekommen, suchte er drei Jahre lang einen passenden Job – vergebens. Das änderte sich jedoch, als er auf die soziale Zeitarbeitsfirma Social-Bee gestoßen ist. Dort bekam er eine Anstellung und wurde zunächst für einige Monate als Hilfsarbeiter in einem Münchner Unternehmen beschäftigt. Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Das Team von Social-Bee nutze diese Zeit um Hamid weiter beruflich zu fördern, was ihm letztlich eine Festanstellung in einem IT-Unternehmen einbrachte. Die Idee, dass Integration durch so etwas wie Zeitarbeit möglich ist, scheint also aufzugehen.

Das in Deutschland bisher einzigartige Projekt versteht sich hauptsächlich als Integrationskonzept für Geflüchtete: Während ihres Einsatzes in verschiedenen Partnerunternehmen werden die Geflüchteten sozialpädagogisch begleitet, machen Sprachkurse und nehmen an Personalentwicklungsmaßnahmen teil. Das Ziel ist die Vermittlung in eine qualifizierte Festanstellung oder Ausbildung nach spätestens eineinhalb Jahren.       

Zarah Bruhn und Max Felsner haben Social-Bee 2016 ins Leben gerufen. (c) Frank Bluemler

Zarah Bruhn und Maximilian Felsner, das Gründerteam von Social-Bee, kennen sich aus Studienzeiten. Maximilian hat Volkswirtschaftslehre studiert und sich schon damals nebenbei sozial engagiert. Die Betriebswirtin Zarah wurde durch eine Freundin mit Fluchthintergrund mit den Themen Flucht und Migration konfrontiert. Nachdem sie sich mehrere Monate ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig war, ging sie mit der Idee, eine eigene Initiative zu gründen, auf Maximilian zu. Gemeinsam entwickelten sie das Konzept von Social-Bee. Was dann folgte, war vor allem eines: harte Arbeit. Beide kündigten ihre Jobs, nahmen ein Darlehen auf und tüftelten weiter an ihrem Konzept im Entrepreneurship Center der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das hat sich ausgezahlt: Seit der Gründung 2016 ist das Team auf etwa 30 Personen angewachsen, und neben den Standorten in München und Stuttgart kommen gerade neue Büros in Hamburg und Köln dazu. Zu dem Erfolg gehören auch etwa 100 Flüchtlinge, die in Zeitarbeit beschäftigt sind und somit eine Möglichkeit zum Broterwerb gefunden haben. Das selbst gesteckte Ziel erfolgreicher „Integrationsdienstleister“ zu sein, ist also geglückt. Das wissen die Social-Entrepreneure auch aus persönlicher Erfahrung. „Wir bekommen ziemlich oft emotionale Danksagungen, Ehemaliger, in denen es heißt: Danke, dass ihr mir geholfen habt, ohne euch hätte ich es nicht geschafft!“, weiß Maximilian zu berichten.

Die Einsatzgebiete der angestellten Flüchtlinge sind insbesondere die Lagerlogistik- und Produktionsbranche. Bei diesen eher niedrigqualifizierten Tätigkeiten sind die Einstiegshürden, gerade für Flüchtlinge ohne jegliche Ausbildung, geringer. Gleichzeitig stehen Weiterbildungsmaßnahmen, wie etwa Sprachkurse und EDV-Schulungen, zur Verfügung. Die Hürden für Social-Bee selbst scheinen jedoch dagegen höher zu werden. „Tendenziell sind die politischen Rahmenbedingungen schlechter geworden, etwa bei der Vergabe von Arbeitserlaubnissen – da gab es früher weniger Probleme. Zudem sind die gestellten Anforderungen an die geflüchteten Arbeitssuchenden völlig überzogen, während gleichzeitig benötigte Fachkräfte grundlos abgeschoben werden. Das heißt, Politik geht dann doch oft am eigentlichen Ziel vorbei“, erzählt Maximilian.

Etwa 100 Flüchtlinge werden momentan über Zeitarbeit beschäftigt. (c) Frank Bluemler

Aber es bleibt dabei – nicht die Flexibilität der Unternehmen steht im Mittelpunkt, sondern die Begleitung der Geflüchteten auf dem Weg ihrer Integration. Unternehmen verpflichten sich zum Beispiel von Vornherein, Social-Bee-Zeitarbeiter für mindestens neun bis zwölf Monate zu beschäftigen. Trotzdem arbeiten Unternehmen gerne mit Social-Bee zusammen. Denn einer der Vorteile ist die Vermittlung von sehr motivierten und gut betreuten Mitarbeitern, die sie im Anschluss an das Social-Bee Programm fest übernehmen können. Und das letztlich mit einer Erfolgsquote von 70 Prozent. Zudem ist diese Variante der Zeitarbeit eine Möglichkeit für Unternehmen, sich über eine Dienstleistung sozial zu engagieren, die sie ohnehin in Anspruch nehmen. All das zahlt sich auch für die Gründerin Zarah schon jetzt aus: „Alle Mitarbeiter, die bei uns waren, haben sich sehr entwickelt und ich freue mich drauf, wenn wir sie in 20 Jahren sehen und sie mir sagen, dass Social-Bee ihnen wirklich etwas gebracht hat. Dafür haben wir jetzt die Verantwortung. Die Mitarbeiter vertrauen uns genauso wie wir ihnen, dem muss man auch gerecht werden.“


(c) Titelbild: Photogenika

Grüne Pause – Wie ein Bauernhof für Bildung sorgt

Über ein Thema gibt es mehr Unklarheit als gedacht: ökologischer Landbau. Grund genug, sich ein Projekt anzusehen, das genau das ändern will.

Ob über die Gefahr von Pestiziden wie Glyphosat oder über die Überzüchtung und die schlechten Lebensbedingungen in der Massentierhaltung – geht es um das Thema Landwirtschaft, gibt es einiges zu diskutieren. Unbestritten ist jedoch: sollen zukünftige Generationen von einer lebenswerten Tier- und Umwelt profitieren, ist ein verantwortungsbewusster und ressourcenschonender Umgang mit ihnen unausweichlich. Konkret gehört dazu etwa der Verzicht von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln sowie eine artgerechte Tierhaltung mit Auslauf statt Käfig und Vielfalt statt Billigfleisch. Für solch einen ökologischen Landbau braucht es ein Bewusstsein, ein Umdenken in der Gesellschaft. Leichter gesagt als getan, denn schon die jüngsten unter uns wissen oftmals nicht, wo das Schnitzel auf ihrem Teller eigentlich herkommt.

Genau dagegen wollen Daniel Wack und Marius Bastuck etwas unternehmen und haben dafür den gemeinnützigen Verein „Grüne Pause“ ins Leben gerufen. Die Gründer haben es sich dabei zur Aufgabe gemacht, mithilfe von erlebnispädagogisch begleiteten Freizeitangeboten, ein größeres Bewusstsein für die Entstehung von Lebensmitteln, Natur- und Umweltschutz entstehen zu lassen – kurzum: einen nachhaltigen Lebensstil zu vermitteln. Dafür bietet der Verein für Kindergartengruppen und Schulklassen mitunter ein Angebot aus Ferienprogrammen, Übernachtungen im Zeltlager und tiergestützter Pädagogik an und die sollen vor allem eines sein: Mitmachprogramme. „Es wichtig, dass wir nicht nur zeigen, wie eine Kuh aussieht und wie sie Milch gibt, sondern dass die Kinder wirklich die Abläufe, die auf dem Bauernhof passieren, auch selbst ausprobieren, miterleben und erfahren können“, erklärt Daniel.

Die Gründer von Grüne Pause: Marius Bastuck (links) und Daniel Wack (rechts). (c) Christoph Eipert

Meist im Rahmen von schulischen Wander- und Projekttagen heißt es dann für die Kinder bereits morgens um sieben Uhr: mit anpacken im Stall. Dabei werden sie von mindestens zwei Teammitgliedern pädagogisch begleitet. Dazu gehört auch das ganze Team vom Biolandhof Wack. Die von Daniel zusammen mit seinen Eltern und Bruder geführte Hofgemeinschaft, liegt inmitten des saarländischen Bliesgau und wird seit 1984 nach Bioland-Richtlinien geführt. Dort hat auch Grüne Pause seit seiner Gründung eine Heimat gefunden. Das war im Jahr 2016, nach ein paar beruflichen Umwegen von Daniel und Marius.

Denn ursprünglich wollte Daniel Kinder -und Jugendpastor werden, merkte aber bereits am Ende des dafür notwendigen Theologiestudiums, dass ein Leben als kirchlicher „Schäfchenhüter“ nicht zu ihm passt. Der Wunsch mit Kindern- und Jugendlichen zu arbeiten aber blieb und führte ihn für ein weiteres Studium der Sozialen Arbeit nach München. Da aber ebenso klar war, danach zum Bauernhof der Familie zurückzukehren, lag es nahe, einen Weg zu finden, pädagogische Arbeit mit der Arbeit auf dem Hof zu verbinden. Die Idee um Grüne Pause war geboren. Bis zur konkreten Gründung vergingen aber nochmals zwei Jahre, bis dahin lief ein erstes Angebot unter dem Namen des Familienbetriebs. Auch Marius – Daniels bester Freund – kam über Umwege zum Projekt. Der gelernte Polizist war jedoch von Beginn an von Daniels Idee begeistert, was ihm letztlich zur Mitgründung bewegt hat. Mittlerweile hat er dafür eine zusätzliche Ausbildung zum Natur- und Wildnispädagogen absolviert.

Ob auf dem Hof oder im Zeltlager — die Programme sollen vor allem zum Mitmachen animieren. (c) Grüne Pause

Auch sonst ist seitdem ist viel passiert, denn das zweite Jahr nach der Gründung des Vereins war gleichzeitig auch das bisher erfolgreichste. Ein Grund dafür ist, dass es bundesweit zwar einige ähnliche Projekte gibt, im Saarland sowie im benachbarten Rheinland-Pfalz man nach ihnen jedoch fast vergeblich sucht. Für Grüne Pause bedeutet das Fluch und Segen zugleich, denn einerseits ist das Projekt so explosionsartig bekannt geworden, anderseits ist die Nachfrage, vor allem als kleiner Verein, kaum zu managen. Ein weiterer Grund für den Erfolg des Projekts ist: es kommt gut an. „Die Erfahrung, die die Kinder machen, ist durchweg positiv. Ich kann mich an keine Gruppe erinnern, die aus irgendeinem Grund unzufrieden oder unglücklich war“ lautet Daniels Antwort auf die Frage der Resonanz ihrer Arbeit. Dass ihre Arbeit aber nur ein Anfang sein kann, weiß er auch: „Wenn ich Kinder auf dem Hof habe, die nicht einmal wissen, warum ein Huhn ein Ei legt, dann brauche ich nichts von den Grundsätzen ökologischer Landwirtschaft erzählen, das wäre zwei Schritte zu weit. Was wir auf dem Hof machen, ist erstmal Basics zu schaffen. Die Kinder nehmen auch was davon mit, aber ich habe nicht die Illusion, dass sie dann alle plötzlich überzeugte Bio-Konsumenten sind.“

Neben Grüne Pause will Daniel auch in Zukunft weiterhin andere Aufgabe am Familienhof übernehmen. (c) Christoph Eipert

Um das Projekt zu finanzieren erhält der Verein, neben den Einnahmen der Gruppen, Fördergelder einer Stiftung. Diese Geldern bieten zudem den Vorteil, die Preise so niedrig wie möglich zu halten um so auch zugänglich für Kinder aus Familien zu bleiben, die sich einen Aufenthalt nicht leisten können oder wollen. Vom Projekt allein leben, kann aber noch keines der Teammitglieder. Was Daniel angeht, ist das auch nicht das Ziel. Für ihn ist die gleiche Aufteilung zwischen den Aufgaben bei Grüne Pause und den laufenden Aufgaben am Hof genau richtig. Ausschließen will er jedoch nicht, dass etwa Marius noch stärker in die Arbeit involviert und Grüne Pause noch intensiver betrieben wird. Langweilig wird es in Zukunft jedenfalls nicht. So sind Daniel und Marius gerade auf der Suche nach einem Zirkuszelt, sozusagen als mobile Räumlichkeit für die Grüne Pause. „Das ist einfach die sinnvollste Lösung für uns – so ein Zelt macht optisch viel her, ist stabil und wir können damit Aufwand und Kosten am niedrigsten halten“, sagt Daniel. Geplant ist außerdem der Aufbau einer eigenen Website. Die war aufgrund des bisherigen Erfolgs noch gar nicht nötig. Wer kann das schon von sich behaupten?


Titelbild: (c) Grüne Pause

ProjectTogether – gemeinsam Ideen verwirklichen

Pro­ject­To­ge­ther hilft Men­schen ihre Ideen zur Lö­sung ge­sell­schaft­li­che­r Pro­ble­me in die Tat um­zu­set­zen

Probleme und Ideen zu ihrer Lösung gibt es viele. Doch ein großer Teil wird nie umgesetzt. Vielleicht, weil man nicht weiß, wo man anfangen soll, weil einem als Start-Up das Geld fehlt oder man es sich alleine nicht zutraut. Genau hier setzt ProjectTogether an. „Für uns ist jede Idee wertvoll“, sagt Maximilian Schlereth, Mitgründer und ehrenamtlicher Mitarbeiter von ProjectTogether.

Daher ist der Weg Unterstützung von ProjectTogether zu bekommen auch sehr niedrigschwellig: Es bedarf keinem zehn Seiten langen Antrag, sondern einfach zwei Klicks und einer kurze Beschreibung zur Idee auf ihrer Webseite. Anschließend wird überlegt, welche Unterstützung sinnvoll ist und dem Projekt wird ein passender Coach zur Seite gestellt. Diese Phase läuft mittlerweile automatisiert ab. Mithilfe eines Logarithmus und der Abfrage nach Interesse und Herausforderungen der Gründer, werden diese mit einem passenden Coach gematcht. Das spart dem größtenteils ehrenamtlichen Team von ProjectTogether viel Arbeitszeit, die sie so ins Coaching oder ins Akquirieren neuer Partner stecken können.  Nicht zwangsläufig ist der Coach jemand, der inhaltlich etwas mit dem Thema zu tun hat, sondern er soll jemand sein, der Struktur gibt, die richtigen Fragen stellt und auch immer wieder nachhakt, wie es voran geht – das geht auch oft über Telefon.

Motivation und Struktur

Die Coaches sind ganz unterschiedlich – vom Studenten, über Professoren, bis hin zum CEO eines Unternehmens. Bevor diese Personen aber selber coachen dürfen, durchlaufen sie ein methodisches Seminar, in dem sie vor allem lernen, dass sie keine Berater sind, die Lösungen anbieten, sondern den Hilfesuchenden strukturell anleiten. „Wir sagen ihnen immer wieder: Ihr gebt Struktur, ihr gebt Motivation und dabei ist es wichtig, dass ihr die Ideen spiegelt und nicht die Lösungen entwerft“, erklärt Maximilian.

Mitgründer von ProjectTogether Maximilian Schlereth. (c) Caroline Deidenbach

Die Idee, anderen bei der Verwirklichung ihrer Projekte zu helfen, begleitet den Jurastudenten schon lange. Bereits mit 17 Jahren ging er mit einem Stipendium an das United World College in die USA, um sein IB, ein International Baccalaureate Diploma (Weltabitur) zu machen. Bereits hier lernte er Probleme systemisch zu betrachten und Community-Projekte umzusetzen. Anschließend ging er an das University College London (UCL) um englisches und deutsches Recht zu studieren.

Als Mitglied der German Society lernte er Philipp von der Wippel, seinen Mitgründer, kennen, der als Schüler in Oxford auch bei der German Society war. Beide haben die Erfahrung gemacht, dass ihnen viele Möglichkeiten in ihrem Leben gegeben wurden, ihre eigenen Ideen umzusetzen. Gleichzeitig haben sie gesehen, dass für andere die Hürden manchmal sehr hoch sind und daher gute Ideen nicht realisiert werden. Mit der Gründung von ProjectTogether 2014 wollten sie das ändern.

Jede Idee hat ihre Berechtigung

Mittlerweile haben sie über 700 Projekte, Initiativen und Start-Ups begleitet – eins davon ist der Aias e.V., ein von Studierenden gegründeter Verein in München, der Mitstudierende dazu anregt, sich als potenzielle Stammzellenspender registrieren zu lassen. Sie haben es geschafft, dass sich 2.300 Menschen an der Hochschule in München registrierten und wollten die Idee auch in anderen Städten und Universitäten umsetzen. Da haben sie sich an ProjectTogether gewandt und mit ihrer Hilfe sind sie nun in 28 deutschen Städten vertreten und haben 30.000 potenzielle Spender registriert. Maximilian gefiel das Projekt persönlich so gut, dass er sich bis heute für den Verein engagiert. Neben solchen Non-Profit-Ideen, werden auch andere Projekte unterstützt wie die App SitEinander, die es Eltern ermöglichen soll sich das Babysitten mit Freunden oder Arbeitskollegen kostenlos zu teilen. Oder ein Student, der die Noten eines verstorbenen Komponisten digitalisieren wollte. Dabei ging es nur darum, diese Musik der Nachwelt zugänglich zu machen – ein Geschäftsmodell spielte hier natürlich keine Rolle. Es gibt keine Idee, die für ProjectTogether wertlos wäre oder, die sie nicht ernsthaft prüfen. Denn jeder soll die Möglichkeit und die Unterstützung bekommen, seine Ideen umsetzten, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht sinnvoll oder lebensfähig erscheinen.

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Viele Projekte und Anfragen bedeuten viel Arbeit – finanziert wird das Start-Up von Stiftungen und öffentlichen Geldern. Bezahlt werden davon vier Vollzeitangestellte. 25 weitere aus dem Team und auch die 400 Coaches, Mentoren und Experten, arbeiten ehrenamtlich. Um in Zukunft noch mehr Unterstützung leisten – auch finanziell – schließt sich ProjectTogether mit größeren Partnern zusammen. So zum Beispiel in 2018 mit dem Automobilhersteller Mini Deutschland zum Thema Urbanität. Fortgeschrittenen Gründern soll so die Möglichkeit gegeben werden, die nächste Entwicklungsstufe zu erreichen. Dabei könnte ProjectTogether den Weg eines Inkubator einschlagen, denn es geht vor allem auch darum, das Wissen und die Ideen dieser Projekte zu bündeln und für Veränderung zu nutzen – politisch, wie wirtschaftlich.  Der Gewinn des Europäischen Unternehmerförderpreises 2018 der Europäischen Kommission, lenkte auf jeden Fall einiges an Aufmerksamkeit auf sie. „Wir sehen uns als Schnittstelle“, sagt Maximilian: „Engagement ist für mich die neue Form der Demokratie. Wir müssen anpacken und nicht die Schuld auf das System abwälzen – sondern das System durch gesellschaftliche Partizipation umwandeln.“

180 Degrees Consulting – studentische Beratung

Bei der Beratungsagentur entwickeln Studierende innovative und nachhaltige Strategien für soziale Unternehmen.

Eine Telefonseelsorgeeinrichtung, die erfolgreich Heranwachsende berät, aber durch steigende Kosten und sinkende Einnahmen in ihrer Existenz bedroht ist. Ein Start-Up, das nachhaltiges Toilettenpapier produziert, aber nicht genügend Kunden erreicht, um das Konzept zu etablieren. Eine Klimaschutzorganisation, die eine neue Strategie sucht, um Privatpersonen zu CO2 Einsparungen zu animieren, aber deren Mitarbeiter schon komplett ausgelastet sind.

Sozialunternehmen, gemeinnützige Organisationen und Initiativen leisten einen wichtigen Beitrag dazu, anderen Menschen zu helfen, die Umwelt zu schützen und die Welt zu einem etwas besseren Ort zu machen. Aber wer unterstützt sie, wenn bei ihnen selbst mal nicht alles nach Plan läuft? Der Australier Nat Ware hat dafür 2007 die Beratungsagentur 180 Degrees Consulting (180 DC) gegründet. Durch anspruchsvolle, aber kostengünstige Beratung möchte er sozial verantwortungsbewusste Projekte darin unterstützen, ihr volles Potential bei der Lösung ihres eigentlichen Aufgabengebietes zu entfalten. Sein Konzept: Die Beratung wird nicht von hauptberuflichen Unternehmensberatern übernommen, sondern von Studierenden. Diese arbeiten ehrenamtlich ein Semester lang neben dem Studium bei einem Beratungsprojekt mit und können so wertvolle Erfahrung sammeln. Die Projektpartner zahlen dadurch nur einen Unkostenbeitrag.

Der Ansatz hat sich bewährt: Mittlerweile haben sich an 87 Hochschulstandorten in 35 Länder unabhängig agierende Ortsgruppen von 180 DC gegründet – so auch in München. Dieses Semester hat der Münchner Standort unter anderem für die Telefonseelsorgeeinrichtung verschiedene Finanzierungsoptionen erarbeitet und eine Kooperation mit lokalen Unternehmen vorgeschlagen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollen. Für den Toilettenpapierhersteller wurde eine Endkundenanalyse durchgeführt und die verstärkte Zusammenarbeit mit etablierten Einzelhandelsketten empfohlen. Und für die Klimaschutzorganisation wurde ein skalierbares Programm entwickelt, in dem engagierte Klimaschützer in einer ersten Stufe als Mentoren in ihrem Freundeskreis auftreten. Wir haben mit Elias Steiner, dem Vice President des als Verein organisierten Münchner Standorts von 180 Degrees Consulting gesprochen. Darüber wie so eine Beratung funktioniert, woher ihre Expertise stammt und welchen Mehrwert die Studierenden von ihrer Arbeit haben.

Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung, studentische Beratung: Was macht eine Beratungsagentur aus und wie unterscheidet ihr euch davon?

Elias: Was jede Beratung ausmacht, ist der Blick von außen in eine Organisation hinein, der sehr wertvoll ist. Egal ob wachsendes Start-Up, etabliertes Unternehmen oder gemeinnützige Initiative – mit der Zeit verstetigen sich Prozesse und man hängt oft in den eigenen Strukturen fest. Eine Beratungsagentur unterzieht diese Strukturen einem kritischen Blick, kann frischen Wind hineinbringen, alte Muster neu denken und so eine Organisation unterstützen.
Den Projektpartnern, die wir beraten, fehlen ganz oft Ressourcen, um das Potential, das sie haben, zu entfalten. Sie haben dadurch häufig keine Zeit mehr, wichtige Themen wie beispielsweise Marketing, oder die Finanzierung von Projekten von Grund auf zu durchdenken und strategische Entscheidungen, die eigentlich wichtig wären, werden im Alltag oft von operativen Themen verdrängt. Eine konventionelle Beratung kommt für diese Organisationen aufgrund des Preises aber nicht in Frage. 
Wenn man konventionelle Beratung hört, denkt man meist an die großen Unternehmensberatungen. Die können auf riesige Ressourcen weltweit zurückgreifen und auf Expertise in den verschiedensten Bereichen. Da können wir nicht mithalten, aber das wollen wir auch gar nicht. Entscheidend für uns ist es jeden Ansatz, jeden Projektpartner neu zu denken. Unsere Berater sind junge Studierende, die im Normalfall ein Semester lang beraten und dabei ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus dem Studium und ganz viel Leidenschaft mit einbringen. Wir gehen mit Sicherheit unerfahrener an die Dinge heran als eine große Unternehmensberatung. Aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch, sondern ist sogar wertvoll für unsere Arbeit, weil dadurch kreative, innovative Ideen entstehen können. Damit können wir einen ganz großen Mehrwert leisten.

Wie sieht denn eure Arbeit aus, innerhalb eines Semesters? 

Elias: Vor dem Semesterbeginn startet bei uns die einmonatige Bewerbungsphase, in der sich engagierte Studierende als Berater bewerben können. Wir entscheiden uns dann nach einem intensiven Auswahlprozess für die Bewerber, von denen wir überzeugt sind, dass sie am besten in eines unserer Projektteams und zu unseren Werten passen. Direkt danach trifft sich jedes Projektteam mit dem Projektpartner, lernt sich kennen und stellt offene Fragen. Das ist ganz wichtig am Anfang, um die Projekte in eine klare gemeinsame Richtung zu lenken. Deswegen sollen die Projektteams vertieft herausfinden, was die Ausgangslage ist und mit welchen Herausforderungen sie es überhaupt zu tun haben.
Während des Semesters arbeiten die Teams dann eigenverantwortlich an einer individuell zugeschnittenen Strategie für den Projektpartner. Unterstützung bekommen die Teams dabei von einem unserer drei erfahrenen Consulting Director, deren Aufgabe es in erster Linie ist, die Arbeit der Beraterteams hin und wieder auf den Prüfstand zu stellen. Außerdem haben wir immer wieder Feedbackrunden, in denen explizite Fragestellungen bearbeitet werden können und auf einer Mid-Term-Präsentation werden die Zwischenergebnisse vorgestellt. So stellen wir sicher, dass alle auf dem richtigen Weg sind. Am Ende des Semesters steht das Abschlussevent, bei dem in einem öffentlichen Rahmen das ganze Projekt anschaulich präsentiert wird. In den letzten Wochen findet dann noch die finale Abschlusspräsentation beim Projektpartner statt, bei der im Detail vorgestellt wird, was gemacht wurde, zu welchem Ergebnis man gekommen ist und welche Empfehlungen und Handlungsstrategien erarbeitet wurden. Parallel zu den Projekten läuft natürlich viel Organisatorisches im Hintergrund. Wir müssen schon vor dem Semesterstart die richtigen Projekte auswählen, das entsprechende Marketing betreiben, die richtigen Studierenden ansprechen und die Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern vorantreiben.

Bei 180 Degrees Consulting arbeiten Studierende ehrenamtlich bei einem Beratungsprojekt mit und können so wertvolle Erfahrung sammeln. (Fotocredit: 180 Degrees Consulting Munich e.V.)

Woher kommen eure Projektpartner, wie akquiriert ihr sie?

Elias: Am Anfang – uns gibt es seit 2015 in München – lief es meistens über persönliche Beziehungen. Jemand kannte etwa jemanden von den SOS Kinderdörfern. Man hat dann zusammen ein super Projekt durchgeführt – aber eben überwiegend über Beziehungen. Mittlerweile haben wir über Jahre konstant zufriedene Projektpartner und das spricht sich rum, gerade im sozialen Umfeld. Deswegen haben wir keine Probleme mehr Projekte zu finden. Im Gegenteil, wir müssen auswählen, welche Projekte wir wirklich machen wollen und müssen entscheiden, wo wir am meisten Wirkung haben, wo wir uns am besten weiterentwickeln können und wo wir am meisten Input geben können. Mit einigen Organisationen haben wir auch Folgeprojekte durchgeführt. Und natürlich haben wir gewisse Anforderungen an unsere Projektpartner und an uns. Beispielsweise achten wir auf hohe Diversität der Projekte, und so kommt meist auch ein kleiner Teil unserer Projekte aus Kaltakquise.

Woher kommt eure Expertise in der Beratung eurer Projektpartnern in fachspezifischen Themen?

Elias: Das macht Beratung gewissermaßen auch in einem professionellen Umfeld aus. Man beschäftigt sich sehr oft mit Themen, mit denen man sich davor noch nie beschäftigt hat. Aber man hat einfach schlaue und motivierte Köpfe, die sich von außen neuen Themen annehmen und diese von Grund auf aufarbeiten. Genauso sind auch wir nicht in allen Bereichen, in denen wir arbeiten, von Anfang an Experten. Aber wir bauen uns das auf. Wir arbeiten in schwierigen Projektphasen mit externen Mentoren, Experten und erfahrenen Unternehmensberatern zusammen. Zu Beginn und während des Semesters organisieren wir Workshops, bei denen wir den Beratern Wissen und Methoden vermitteln. Mit unseren Kooperationspartnern, den Beratungsunternehmen Oliver Wyman und CGI führen wir jedes Semester thematisch wechselnde Workshops durch. Und wir organisieren auch den ein oder anderen Impuls. Dieses Semester hatten wir zum Beispiel Verena von dem Ökostromanbieter Polarstern da, die einen Workshop über Arbeit mit Sinn gegeben hat, oder Frank von der Nachhaltigkeitsberatung fors, der schon mehrmals einen Nachhaltigkeitsimpuls gegeben hat. Wir entwickeln uns so Semester für Semester weiter – damit aber auch die nachfolgenden Berater auf dieser Expertise aufbauen können, bauen wir gerade ein standortübergreifendes Wissensmanagement auf. Wir sammeln für jedes Projekt die relevanten Daten und überlegen, was wir sinnvoll für zukünftige Projekte verwenden können. Ein Steckenpferd von uns, Impact Measurement, haben wir inzwischen in vier Projekten durchgeführt und die Expertise, die wir uns da aufgebaut haben, erfolgreich an folgende Projektteams weitergegeben.

In Workshops werden den Studierenden durch externe Mentoren und erfahrene Unternehmensberater Wissen und Methoden vermittelt. (Fotocredit: 180 Degrees Consulting Munich e.V.)

Was haben die Studierenden von ihrer Tätigkeit bei 180 DC?

Elias: Man kann anwenden, was man im Studium lernt, sich durch die Teamarbeit Fähigkeiten aneignen und durch den Input weiterbilden – und dabei kann man sich sozial engagieren. Ich glaube diese Kombination ist relativ einzigartig in München und deswegen eine großartige Möglichkeit. Außerdem kommt der Spaß bei uns nie zu kurz und man lernt super viele Leute kennen, die ähnliche Werte haben oder entwickeln. Das ist eine tolle Gemeinschaft, aus der neben engen Freundschaften auch ein spannendes Netzwerk entsteht.

Für viele eurer Bewerber stellt 180 DC mit Sicherheit auch die erste Gelegenheit dar, einmal als Berater oder Consultant zu arbeiten. Hast du das Gefühl, dass viele eurer Bewerber dies als Trittbrett sehen, um später mal bei einer großen Unternehmensberatung zu arbeiten?

Elias: Es ist mit Sicherheit so, dass Unternehmensberatungen auch Leute suchen, die sich neben ihrem Studium engagiert haben und die auch mal über den Tellerrand hinausgeschaut haben. Wir bieten unseren Beratern praxisorientierte Strategieprojekte, man lernt das Feingefühl für den Kunden und nebenbei leben wir eine stark ausgeprägte Feedbackkultur, die für die richtige Teamdynamik extrem wichtig ist. Insofern ja, 180 DC kann eine gute Vorbereitung sein, wenn man einmal in eine große Beratung will, auch wegen der guten Kontakte, die man hier knüpfen kann. Aber gleichzeitig sind hier genauso viele Leute dabei, die beruflich in eine komplett andere Richtung gehen wollen. Unsere Berater haben ganz unterschiedliche fachliche Hintergründe und Ziele, das ist wirklich ein bunter Mix. Klar haben wir viele Wirtschaftswissenschaftler hier. Aber von Management sozialer Innovationen über Tourismusmanagement, Medizin, Ethnologie, Soziologie, Psychologie, Ingenieurswissenschaft und Physik bis hin zu Theologie war alles schon vertreten. Viele die bei uns beraten, gehen später in den Non-Profit- oder Social-Bereich und wir haben auch Alumni, die selbst im sozialen Bereich gegründet haben. Wir haben Leute, die um die Welt tingeln und solche, die an den großen Universitäten promovieren, oder bei Konzernen arbeiten. Und klar haben wir auch welche dabei, die irgendwann bei den großen Strategieberatungen arbeiten. Teil unserer Mission ist es, verantwortungsbewusste Führungskräfte mit einem entsprechenden Werteverständnis auszubilden. Wenn wir das in viele verschiedene Organisationen tragen können, ist das umso schöner. Diese Vielfalt zeichnet uns aus und macht es so aufregend mitzuarbeiten.


(c) Fotocredit: 180 Degrees Consulting Munich e.V./ Beitragsbild: Sebastian Preiß

Experience Design Kolumne – Folge 2

Prototypen

Nils Enders-Brenner ist Designer und hat einen Kommunikationshelfer entwickelt, der vor allem hörgeschädigte Menschen in der Kommunikation mit hörenden Personen unterstützen soll. Für relaio schreibt er über seine Erfahrungen, seine Projekte und die Herausforderungen, auf die er bei seiner Arbeit stößt.

In letzter Zeit habe ich mich sehr wenig mit dem Kommunikationshelfer beschäftigt. Das passiert, wenn man einen Vollzeitjob, freiberufliche Arbeiten und zusätzlich noch einige Projekte am Laufen hat. Trotzdem werde ich euch berichten, was ich bis jetzt mit dem Kommunikationshelfer gemacht habe. Außerdem habe ich mit dem Gerät schon einiges erreichen können. 

Der Kommunikationshelfer, oder auch „Kommunikationsstörer“ genannt, ist ein Gerät, das die Kommunikation zwischen den Menschen verbessern soll. Es sendet immer wieder ein Feedback, welches den Menschen an einfache Kommunikationsregeln erinnern soll. Das war ein Masterprojekt an der Technischen Universität München beim Lehrstuhl Industrial Design. Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, dann könnt ihr bei der ersten Kolumne einiges darüber lesen.

Seit der ersten Kolumne habe ich den zweiten Prototyp stabiler gemacht, damit ich ihn einer Testgruppe zur Verfügung stellen kann. Die Testgruppe befindet sich an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut. Sie ist bereit, das Gerät für einen längeren Zeitraum zu testen. Sie werden das Gerät überwiegend in Besprechungen und Vorlesungen einsetzen und auf die Funktionalität überprüfen. Es wird ebenfalls beobachtet, welche Auswirkung das Gerät auf die Gesprächsteilnehmer hat. Sie werden den zweiten Prototyp so lange testen, bis ich den dritten genauer und besser ausgearbeitet habe.

Welche Pläne habe ich nun mit dem dritten Prototyp?

Der dritte Prototyp sollte auf jeden Fall dem Benutzer die Möglichkeit geben, die Einstellungen direkt am Gerät vorzunehmen. Damit kann der Benutzer das Gerät so genau wie möglich einstellen, bis es ziemlich perfektioniert ist. Das heißt, das Gerät muss bestimmte Kommunikationsfehlverhalten erkennen, bevor es ein Feedback abgeben darf. Ich versuchte das damals schon im zweiten Störer einzubauen, aber da fehlten mir die Zeit und Erfahrungen. Jetzt werde ich dafür sorgen, dass ich es schaffe.

Gleichzeitig mache ich auch weitere Recherchearbeit. Ich bin gerade dabei herauszufinden, welche Art von Filter für den Störer am bestens geeignet ist, um unerwünschte Geräusche, wie Echos, herauszufiltern. Zudem bin ich auf der Suche nach einem feineren Mikrofon und auch nach einem geeigneten Programmierer, der sich in Kleinelektronik auskennt und C-Dialekt beherrscht. Natürlich könnte ich auch selbst programmieren, aber das dauert bei mir zu lange. Der Code muss allgemein genauer, effektiver und effizienter sein, wenn das Gerät auf dem Markt kommen soll. Solltet ihr Leser jemanden kennen, der sich mit sowas auskennt, meldet euch bei mir! Ich würde mich sehr freuen!

Ich habe mir inzwischen gebrauchte gute Lötkolben gekauft, da ich keinen Zugang zu den Werkstätten mehr habe, die ich damals als Student der TU München immer und gerne besucht habe. Jetzt löte ich ab und zu mal abends, wenn ich von der Arbeit heimkomme, an dem Mikrokontroller und seinen Bauelementen in der Wohnung. Während meiner Arbeiten habe ich es sogar höchstwahrscheinlich geschafft, den Mikrokontroller kaputt zu machen. Ich bezeichne es nicht als ein herber Rückschlag, sondern als einen kleinen Fortschritt, weil ich aus Fehlern lerne.

Erinnert ihr euch noch, dass ich in der vorigen Kolumne geschrieben habe, dass ich immer noch keinen Namen für den Störer gefunden habe, welches aber noch Zeit bis zur endgültigen Marktreife hat? Ende Mai ist mir ein Geistesblitz gekommen, und habe den Namen gefunden. Doch das werde ich euch noch nicht verraten, da ich noch nicht 100-prozentig sicher bin, ob es überhaupt klappt! Den Namen werdet ihr erst in der nächsten oder übernächsten Kolumne erfahren.

Dafür werde ich euch jetzt eine gute Nachricht überbringen. In der vorigen Kolumne habe ich ebenfalls erwähnt, dass der Störer einen Auftritt bei der Munich Creative Business Week, MCBW 2018 im Oskar-von-Miller-Forum hatte. Dort war gleichzeitig auch ein Wettbewerb von Universal Design, wo ich auch das Gerät vor der Jury und den Besuchern präsentiert beziehungsweise vorgestellt habe. Anfang Mai bekam ich eine E-Mail von dem Universal Design Institut, dass ich mit meiner Einreichung erfolgreich war. Einige Wochen später hat T. Bade, der Geschäftsführer des Universal Design Instituts, mir ein Zertifikat im Lehrstuhl Industrial Design überreicht. Ich war sehr begeistert von dem Zertifikat, das zwei Siegel von Universal Design Winner Consumer 2018 und Expert 2018 trägt. Es ist das erste Mal, dass eins meiner Designprodukte eine Auszeichnung erhielt. Zwar bin ich nicht der Gold Winner, aber das ist nur der Anfang meiner Designkarriere. Mit der Auszeichnung habe ich bewiesen, dass ich es geschafft habe Design, für alle zu kreieren, da der Kommunikationshelfer bei jeder Diskussion der versteckte Mittelpunkt ist und den Menschen hilft.

Jetzt, liebe Leser, endet die schriftliche Kommunikation langsam. Hoffentlich hat euch die Kolumne gefallen! Zudem möchte ich mich herzlich bei allen Mitwirkenden für die Unterstützung meiner Masterarbeit und der Realisierung des Gerätes bedanken! Falls ihr irgendwelche Anregungen habt oder an einer Zusammenarbeit interessiert seid, könnt ihr mich sehr gerne anschreiben!


(c) Alle Bilder: Daria Stakhovska 

Experience Design Kolumne – Folge 1

Kommunikationshelfer

Nils Enders-Brenner ist Designer und hat einen Kommunikationshelfer entwickelt, der vor allem hörgeschädigte Menschen in der Kommunikation mit hörenden Personen unterstützen soll. Für relaio schreibt er über seine Erfahrungen, seine Projekte und die Herausforderungen, auf die er bei seiner Arbeit stößt.

Jedes Mal, wenn ich den Störer präsentieren will, fange ich mit den zwei Fragen an: „Können Sie mich hören? Können Sie mich sehen?” Sobald die Zuhörer und Zuschauer zweimal bejaht haben, schließe ich dann mit: „Wunderbar, das ist Kommunikation und die funktioniert, weil wir uns verstehen können.” In dieser Kolumne könnt ihr mich aber nicht hören, sondern nur lesen. Also muss ich in diesem Fall folgendes schreiben: „Können Sie mich lesen?” Hoffentlich habt ihr es verstehen können, ich weiß es nicht, da ich eure Reaktion nicht sehen kann. Ihr seht, wie hochkompliziert die Kommunikation ist, denn sie ist immer mit Störungen verbunden. Diese sind sehr vielfältig:

Es gibt technische Störungen, zum Beispiel wenn wir uns in einem Funkloch befinden und unser Taschentelefon kein Empfang mehr hat. Dann können wir nicht kommunizieren. Es passiert ebenfalls, wenn wir von Informationen überflutet werden, sodass wir nicht mehr zwischen wichtigen und unwichtigen unterscheiden können. Natürlich gibt es auch die Störung durch die Sprache, das kann passieren, wenn die Menschen keinen gemeinsamen Sprachcode haben, wie beispielsweise ein Gespräch zwischen einem Norddeutschen und einem Bayern.

Als ich noch ein Masterstudent der Technische Universität München am Lehrstuhl Industriedesign war, habe ich das Thema Kommunikation ausgesucht, da ich mich damit sehr gut auskenne. Erstens habe ich mich in meiner Bachelorarbeit intensiv mit Kommunikation beschäftigt. Zweitens bin ich von Geburt an hochgradig schwerhörig, das heißt, dass ich so gut wie taub bin. Und drittens musste ich während meiner ganzen Lebenszeit  mit unterschiedlichen Kommunikationsbarrieren zurechtkommen, diesen ausweichen oder sie vermeiden.

Bei meiner Masterarbeit ist mir bei der Recherche aufgefallen, dass die meisten, wenn nicht alle, hörgeschädigten Studierende in ganz Deutschland vom Staat unzureichend gefördert werden. Der Staat unterschätzt nicht die wirklichen Probleme der Hörschädigung. Es ist ein großes Thema und darüber wird noch viel diskutiert.

Hörschädigung ist eine unsichtbare “Behinderung” (manche sprechen gar nicht von einer Behinderung, weil sie ein Teil der Gehörlosenkultur mit ihrer eigenen Sprache, der Gebärdensprache ist). Die Bürger können die Hörschädigung nicht sehen im Vergleich zu einem Rollstuhlfahrer oder einem Blinden. Diese Art von Behinderungen sind sichtbar und ihnen wird sofort Aufmerksamkeit geschenkt. Doch diese Aufmerksamkeit erhalten die Hörgeschädigten nicht, obwohl sie besonders viel davon brauchen, wenn sie sich in der Gesellschaft wohl fühlen wollen.

Bei meiner Masterarbeit habe ich versucht, die Kommunikation zwischen den hörenden und hörgeschädigten Studierende an den deutschen Universitäten wieder auf Augenhöhe zu bringen. Dabei habe ich die Methoden der Designforschung verwendet. Das heißt, ich habe zuerst viel über die Gehörlosenkultur und Schwierigkeiten der Hörschädigung in der hörenden Gesellschaft recherchiert. Erst als ich das erweiterte Grundwissen erlangt habe, habe ich 14 betroffene Studierende aus München und Hamburg interviewt. Nebenbei machte ich auch zwei Workshops mit insgesamt 30 Teilnehmern in Bayern. Am Ende ist durch intensive Recherche ein „Kommunikationsstörer“ entstanden.

Die Masterarbeit hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und ich habe jeden Tag ungefähr zehn Stunden über sechs Monate hinweg dafür gearbeitet. Ich habe recherchiert, dokumentiert und am Ende einen Prototypen gebaut. Jetzt fragt ihr bestimmt, was ein Störer ist und was er macht?

Bei der Recherche habe ich herausgefunden, dass die meisten der hörgeschädigten Studierenden oft lieber alleine lernen oder zu zweit, da sie die Diskussionen mehrerer Kommilitonen nicht verfolgen können. Zudem sind die meisten der Universitätsleute sehr schlecht über Gehörlosigkeit aufgeklärt.

Außerdem habe ich auch noch die interessante Sache herausgefunden, dass es sich oft nicht lohnt, das Problem einfach weiterzuverfolgen. Am Ende entsteht zwar eine Lösung, aber mit neuen  Problemen. Also habe ich mich dann in die entgegensetze Richtung bewegt, indem ich die Kommunikationsstörungen nicht reduziere, sondern sie verstärke. Ihr wisst ja, dass die Störungen nicht zu vermeiden, sondern nur reduzierbar sind. Auf diese Weise bleibt das Problem nicht nur an einem Hörgeschädigten hängen, sondern das Problem wird allen in der Gruppe bewusst.

Und wie funktioniert nun eigentlich der Störer?

Er funktioniert folgendermaßen: Das Gerät liegt unauffällig auf dem Tisch, während die Studenten ihre Gruppenarbeit machen. Der Störer kommt erst zum Einsatz, sobald einer der Gesprächspartner zu laut oder zu schnell spricht. Er stört den Sprecher durch ein lautes Feedback mit einem hohen primitiven Pfeifton. Das passiert ebenfalls, wenn die Sprecher sich gegenseitig unterbrechen. In diesem Fall muss der Hörgeschädigte den anderen nicht andauernd bitten, langsamer oder deutlicher zu sprechen. Das muss er nun nicht mehr machen, sondern das macht der Störer, der nun im Mittelpunkt steht und nicht der Mensch. Eine erfolgreiche Kommunikation funktioniert nur, wenn sie alle gegenseitig Rücksicht nehmen.

Ich erzähle den anderen gerne, dass die Menschen sich an den Störer anpassen müssen, wenn sie sich unterhalten wollen. Ihr wisst ja, dass die meisten Gegenstände so entworfen sind, dass sie sich an den Benutzer anpassen müssen.

Der Störer kann aber auch für andere Menschen sehr interessant sein. Es gibt unglaublich viele Anwendungsgebiete, wo das Gerät eingesetzt werden kann. Seine Hauptaufgabe ist, den Menschen wieder qualitatives Kommunizieren beizubringen. Er kann bei der Sprachtherapie eingesetzt werden, um den Menschen gegen das Stottern zu helfen, oder um eine Fremdsprache noch fließender zu beherrschen mit dem richtigen Rhythmus. Auch beim Präsentationstraining kann er verwendet werden, da er den Sprecher dazu erzieht, dass dieser im richtigen Sprechtempo und und der richtigen Lautstärke spricht. Das Gerät hat einen weiteren  Pluspunkt, der heute immer wichtiger wird: Es sammelt keine Daten und es funktioniert in Eigenregie, das heißt, es wird kein Internetanschluss benötigt.

Ich habe zu diesem Thema bereits mehrere Präsentationen gehalten, wie ich am Anfang schon erwähnt habe. Bei einem Vortrag an der HAW Landshut wollten die Zuschauer mir gleich den  Prototyp abkaufen wollten. Das ging leider nicht, da der Störer sich  noch einem Entwicklungsstatus befindet und noch etwas unausgereift ist. Ich war jedoch bereit, den Prototyp für Testversuche zur Verfügung zu stellen und mir selber einen Neuen zubauen.

Das Gerät hatte auch einen Auftritt bei der Munich Creative Business Week, MCBW 2018 im Oskar-von-Miller Forum gehabt. Es hat zwar den Wettbewerb nicht gewonnen, aber es hat für Aufmerksamkeit gesorgt und die Besucher haben mich immer wieder ermuntert, es weiter zu verbessern.

Und was passiert als nächstes?

Wichtig ist für mich, den Prototypen zu einem marktfähigen Produkt zu machen. Um das zu erreichen, müssen die Funktionen noch besser werden. Natürlich muss weiter fleißig Feedback eingesammelt werden, indem er Testversuche durchläuft. Und das Patent muss noch eingereicht werden. Am Ende erfolgt dann die Werbung, die ich eigentlich jetzt schon mache, damit der Störer die erforderliche öffentliche Aufmerksamkeit bekommt.

Und ich habe immer noch keinen Namen für den Störer gefunden, aber das hat noch Zeit bis zur endgültigen Marktreife.

Schließlich möchte ich erwähnen, dass die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht einen stärkeren Eindruck hinterlässt, als die Kommunikation über technische Geräte oder soziale Medien.

Wie sich das Kommunikationsgerät weiterentwickelt und ob es vielleicht auch bald einen Namen gibt, erfahrt ihr in der nächsten Kolumne.


(c) Alle Bilder: Daria Stakhovska 

Störer – für eine bessere Kommunikation

Der Industriedesigner Nils Enders-Brenner hat ein Gerät entwickelt, dass die Menschen zu mehr Sprechkultur erzieht.

Eine Gruppe Studierender sitzt zusammen und diskutiert den durchgenommenen Stoff. Ein Student spricht. Plötzlich fällt ihm eine Studentin ins Wort und auf einmal reden alle durcheinander. Nicht gerade höflich und für jeden etwas schwierig – aber an sich eine ganz normale Situation, solange man alles hört. Doch wenn eine Person dabei ist, die schwerhörig oder  taub ist, dann ist es ein Ding der Unmöglichkeit  einer solchen Diskussion zu folgen. Um seine Mitstudierenden in so einem Moment auf ihr Handeln Aufmerksam zu machen, hat Nils Enders-Brenner den Störer entwickelt. Ein Gerät, das in dem Augenblick, wenn eine Person zu schnell oder laut spricht oder jemanden unterbricht, ein Störgeräusch von sich gibt und signalisiert, dass gerade etwas nicht passt.

Schon während des Bachelorstudiums in Kunst und Design an der Universität Bozen, hat Nils das Thema zwischenmenschliche Kommunikation begleitet. Nach einem Auslandsjahr in Schweden im Anschluss an seinen Bachelor verschlug es ihn für den Masterstudiengang Industrial Design nach München. Bei der Suche nach einem Thema für seine Masterarbeit, entdeckte er die Methode des Experience-Designs für sich: „Dabei denkt man weniger an die Lösung, sondern setzt sich erst einmal an die Recherche und Forschung und versucht daraus etwas zu entwickelt.“

Ein kulturelles Problem?

Beim Interview von hörgeschädigten Studierenden an der LMU in München, kristallisierten sich drei Hauptprobleme heraus, die die Probanden hatten. Erstens: Professoren, Mitarbeiter und Studierenden wissen nicht, wie sie mit Hörgeschädigten kommunizieren sollen. Zweitens: Die Trennung zwischen Hörenden und Hörgeschädigten, beispielsweise durch unvollständige Mitschriften (da diese nie ganz vollständig sein können) oder Gebärdendolmetscher (wobei nicht jeder Gehörlose die Gebärdensprache versteht, besonders wenn sie von den Lippen ablesen können). Drittens: Die Schwierigkeiten, die in Lerngruppen auftreten und dazu führen, dass Hörgeschädigte selten daran teilnehmen. „In Italien und Amerika ist das beispielsweise anders, die sind freundlicher und offener. In Deutschland gibt es da nicht so eine große Bereitschaft sich ‚einzuschränken‘ bzw. anderen mehr entgegenzukommen“, sagt Nils.

Nils Enders-Brenner mit dem Prototyp des Störers.

Was also tun? Normalerwiese wird ein Produkt, laut Nils, dem Menschen angepasst. In diesem Fall ist es aber umgekehrt, denn der Mensch muss sich hierbei an das entworfene Objekt anpassen und beispielsweise seine Sprechgeschwindigkeit reduzieren. Nils hat also weitergeforscht, mit Hörenden Gruppen und gemischten Gruppen von Hörenden nicht Nicht-Hörenden. Die gemischte Gruppe stellte sich als viel effizienter raus. Die hörenden Studierenden verstanden im Austausch besser die Probleme der Hörgeschädigten. Entwickelt wurden daraus vor allem App-Ideen, die bei Nils nicht auf Zuspruch stießen: „Bei einer App ist man immer vom Smartphone abhängig, daher kam das für mich nicht in Frage.“

Sprecherziehung für Hörende

Der Störer – wobei dieser Name noch nicht final ist – kommt ganz schlicht daher. Eine Runde, schwarz-graue Box, in der Mitte ein kleines Loch mit einem Mikrophon. Wenn der Störer dann erst mal angeschaltet ist, versteht man das Konzept schnell: spricht man zu schnell oder sind die Hintergrundgeräusche zu laut, gibt er ein unangenehmes Brummen von sich. Das irritiert erst mal. „Wenn das dann öfter passiert, lernt man langsamer und deutlicher zu sprechen, sodass auch ein Hörgeschädigter ohne Probleme von den Lippen ablesen kann“, sagt Nils.

Aber der Störer kann auch in anderen Bereich genutzt werden. Wie zum Beispiel als Präsentationstrainer, um eine bestimmte Sprechgeschwindigkeit beizubehalten, in Schulen, wenn die Kinder zu laut sind oder wenn ein Gebärdensprachdolmetscher dabei ist und der Redner selber zu schnell spricht, erinnert ihn der Störer daran, dass er langsam reden muss, damit die Gebärden auch zeitgleich das Gesagte wiedergeben können. 

Nils Enders-Brenner im Oskar-Miller-Forum während der Munich Creative Business Week.

Im Zuge seiner Masterarbeit hat Nils auch ein einmonatiges Stipendium der Hans Sauer Stiftung für den MakerSpace der TU München bekommen. „Die Zeit im MakerSpace hat mir Sicherheit und Motivation gegeben selber mit dem Lötkolben zu arbeiten – da war ich mir vorher immer unsicher. Ich wollte in dieser Zeit vor allem Dinge lernen und beobachten, wie gewisse Dinge funktionieren“, sagt Nils.

Nils arbeitet daran, dass der Störer kleiner wird und noch weniger auffällt. Daher soll er bestenfalls am Ende aus Holz und Kork bestehen. Statt einem Mikrofon soll es mehrere geben, damit das Gerät auch in größeren Gruppen funktioniert. Interessenten, wie die Dolmetscher-Studierenden der Hochschule Landshut, gibt es bereits. Mit ihnen plant Nils eine längere Testphase, um den Störer zu perfektionieren.  Dafür will er aber zuerst eine Software entwickeln: „Damit soll das Gerät einfacher zu bedienen sein, also auch für Menschen, die keine Codesprache beherrschen.“ Der soziale Mehrwert seiner Arbeit ist ihm bei allem, was er entwickelt, sehr wichtig. „Für mich ist der soziale Mehrwert  eine Selbstverständlichkeit.“ Und das Thema ist ihm auch ein persönliches Anliegen – Nils ist selbst hochgradig schwerhörig.


(c) Alle Bilder: Daria Stakhovska

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