Wer erfolgreich etwas gegen den Klimawandel unternehmen will, sollte vor allem eines tun: handeln – Im Interview mit Volker Quaschning.
Junge, demonstrierende Schüler*innen, die unter dem Motto Fridays for Future auf die Straße gehen, gehören mittlerweile zum gewohnten Bild vieler Städte – weltweit. Vor allem eine Forderung wird dabei immer wieder laut: Tut endlich etwas gegen die Zerstörung unserer Erde! Es ist ein dringender Appell und der scheint keineswegs unbegründet zu sein. Denn Industrialisierung und Globalisierung, brachten nicht nur Wohlstand, sondern auch Feinstaub, Klimaerwärmung und Artensterben. Grund zu handeln also. Das weiß auch Volker Quaschning, Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Wir haben mit dem Unterstützer der Schüler*innen-Proteste und Mitinitiator von Scientists for Future über fehlenden Mut in der Politik, das richtige Setzen von Prioritäten sowie über die Bedeutung aktueller Klimaschutzbewegungen gesprochen.
relaio: Herr Quaschning, wenn man Sie auf der Straße fragen würde, was denn das Problem sei mit dem Klimawandel: Was würden Sie entgegnen?
Volker Quaschning: Das Problem ist so groß, dass man es kaum in wenige Sätze packen kann. Aber was würde man sagen? Das Problem ist, dass unsere Kinder in der zweiten Hälfte ihres Lebens vor unlösbaren Existenzschwierigkeiten stehen, wenn wir so weiter machen wie bisher und dass wir sehr schnell handeln müssen. Man kann dann natürlich nochmal anfangen, die wissenschaftlichen Ursachen für den Klimawandel zu erläutern, dass wir also enorme Mengen an Treibhausgasen ausstoßen, die nachweislich das Klima bereits verändern. Dadurch gibt es bereits einen Temperaturanstieg um ein Grad Celsius, was ungefähr ein Drittel des Temperaturanstiegs seit der letzten Eiszeit bedeutet. Der Unterschied: damals dauerte das Jahrtausende, nun geschieht das gleiche im Expresstempo in nur einhundert Jahren. Diesen dramatischen Temperaturveränderungen werden die Ökosysteme unseres Planeten nicht folgen können.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe des „Münchner Klimaherbst“ haben Sie vor vollen Rängen des Audimax der technischen Universität München einen Vortrag über die gegenwärtige Klimapolitik gehalten. Das öffentliche Interesse zu Klimafragen ist also da.
Das ist ja das Schöne! Da sind wir schon mal viel weiter als vor einem Jahr. Da wären bei dem gleichen Vortrag vielleicht ein Zehntel der Leute gekommen.
Sie haben dort gesagt: „Wenn ein nachhaltige Klimapolitik zukünftig scheitert, dann kommen die Niederländer nach Bayern.“ Wie muss man das verstehen?
Durch den Klimawandel gibt es verschiedene Veränderungen. Die muss man versuchen bildlich darzustellen. Eine der Veränderungen wird es sein, dass der Meeresspiegel ansteigt. Langfristig sind bis zu 70 Meter möglich. Das wird natürlich nicht in den nächsten zehn Jahren passieren, sondern sich über Jahrhunderte hinstrecken. Aber es gibt Veröffentlichungen, die besagen, dass wir gegen Ende des jetzigen Jahrhunderts durchaus einen Anstieg von einem oder zwei Metern erreichen können. Einen Meter werden die Niederländer mit Deichen noch hinkriegen, aber bei bei drei bis vier Meter plus sind diese Gebiete einfach weg. Die Menschen, die dort wohnen, werden sich dann einen anderen Lebensraum suchen müssen. Niederländer in Bayern wären dann wohl noch das kleinere Problem. Durch den Anstieg des Meeresspiegel werden aber generell sehr viele Lebensräume zerstört werden und die Menschen, die dort wohnen, müssen sich eine neue Heimat suchen.
In Ihrem Vortrag haben Sie noch von dem Problem der Nahrungsmittelknappheit gesprochen.
Genau! Nahrungsmittelknappheit ist auch für mich insofern spannend, da mir erst im letzen Sommer bewusst geworden ist, um welches Problem es sich hierbei handelt. In diesem Sommer hatten wir in Deutschland eine extreme Dürre inklusive 30 Prozent Ernterückgang. Vor einigen Jahrhunderten hätte das eine Hungersnot zur Folge gehabt. Man konnte damals nur regional Nahrungsmittelengpässe ausgleichen. Das heißt, unter diesen Umständen hätten wir ein massives Problem gehabt. Wenn das Szenario eintritt, dass global, gleichzeitig mehrere Regionen von so einer Dürre betroffen sind, dann kann es auch heutzutage eng werden. Dann geht ein Kampf um knappe Lebensmittelressourcen los. Das sind Szenarien, die man sich dann doch lieber nicht vorstellen möchte. Unwahrscheinlich ist es aber eben nicht, dass so etwas in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts passiert.
Aber sind die Folgen des Klimawandels nicht auch schon heute bemerkbar? Oder wollen wir sie vielleicht erst gar nicht bemerken?
Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, wie man auf diese Folgen reagiert. Man erstarrt beispielsweise vor Angst und verfällt in Steinzeitreflexe. Es ist, als käme der Säbelzahntiger und man fühlt sich zu schwach, um gegen ihn zu kämpfen. Dann lässt man entweder alles über sich ergehen oder man bildet sich einfach ein, es gäbe gar keinen Säbelzahntiger und hofft, dass alles irgendwie gut ausgeht. Die andere Möglichkeit ist aber, einen Versuch des Handelns zu unternehmen. Die meisten bleiben jedoch bei den Varianten eins oder zwei. Genauso trifft das auf den Klimawandel zu und das, indem man versucht, das Problem einfach klein zu reden. Wir befinden uns aber nicht mehr in der Steinzeit. Das heißt, wir sind mit der Wissenschaft in der Lage Probleme zu bewerten und zu analysieren. Die Wissenschaft kommt dabei zu einem ganz klaren Urteil: Der Säbelzahntiger ist tödlich.
Können wir diesen Säbelzahntiger überhaupt noch bezwingen?
Wenn wir noch ewig diskutieren, ob der Klimawandel wirklich ein Problem ist, dann ist es halt irgendwann zu spät. Das ist das Problem, das wir haben. Anderseits wissen wir, was wir machen müssen. Das heißt: unser Hauptproblem ist die Nutzung fossiler Energieträger – also Öl, Kohle und Gas. Wir wissen aber auch, dass wir das mit erneuerbaren Energien lösen können. Die Technologien dazu sind bezahlbar, das heißt, wir könnten uns den Umstieg auch leisten. Das ist eigentlich das Fatale: es gibt eine rettende Strickleiter auf den Baum, aber wir bleiben einfach sitzen. Sie nicht zu erklimmen ist zwar bequemer, aber langfristig gesehen nicht besser. Es fehlt also am Handeln. Ich hoffe aber immer noch, dass der Mensch intellektuell in der Lage ist, dieses Problem zu erkennen und demnach zu handeln. Gerade in der Wissenschaft ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen und zu kämpfen.
Wie würden Sie als Wissenschaftler so eine Strickleiter beschreiben?
Wir sagen: bis 1,5 Grad Temperaturanstieg haben wir zwar auch schon Klimaveränderungen, jedoch lassen sich diese noch ausgleichen. Das heißt: der Klimawandel ist schon da, aber in einem Maße, in dem er beherrschbar ist. Über einem Anstieg von 1,5 Grad hinaus wird es aber schon bei jedem zehntel Grad Temperaturanstieg bedeutend schlimmer werden. Wann genau so ein Anstieg für die Menschheit unbeherrschbar wird, ist nur schwer zu sagen. Manche meinen, dass es schon ab diesen 1,5 Grad schwierig wird. Andere hingegen sagen, dass man ab einen Temperaturanstieg von zwei Grad große Teile des Planeten noch einigermaßen gut beherrschen könne. Bei zwei Grad verschwinden aber bereits einige Inselstaaten. Davon abgesehen, werden dann die Probleme größer. Das muss man ganz klar sagen. Meine Empfehlung ist es, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen und jedes Jahr, in dem wir warten, macht das Problem nur größer. Das Fatalste was man machen kann, ist, einfach nichts zu tun. Man sollte lieber nicht ganz die richtigen Maßnahmen treffen, als einfach nichts zu tun und auf zukünftige Innovationen zu hoffen.
Unter den erneuerbaren Energien sind vor allem Solar- und Windenergie am günstigsten. In Sachen des Erssetzens gibt es nur ein Motto: bauen. Dabei kann man eigentlich nichts falsch machen. Andere Baustellen, die es zu lösen gilt, sind dann noch etwa die Abholzung von Regenwäldern oder die nachhaltige Ernährung der Bevölkerung. Bei diesen Problemen tragen auch wir ein Mitschuld. Etwa indem wir die Futtermittel für unsere Schweine und Co. von dort beziehen. Das heißt, wir müssen unser Konsumverhalten ändern. Das wäre sogar relativ einfach. Etwa, indem man Fleisch nur noch am Sonntag und möglichst hochwertig isst.
Das Motto muss also lauten: Verantwortung und Verzicht?
Meine Familie und ich sind erst auf eine vegane Ernährung umgestiegen. Ich empfinde diesen Umstieg aber nicht als Verzicht. Sich vegan zu ernähren ist viel leichter, als ich gedacht habe. Es gibt einfach ein paar andere Rezepte und man probiert einfach Neues aus. Momentan ist es eher spannend. Man muss es aber eben machen. Das gilt auch beim Fliegen. Da habe ich einfach für mich entschieden, dass ich nicht mehr fliege. Es gibt trotzdem weiterhin super Urlaubsziele. Ich weiß gar nicht mal, ob man verzichten muss, sondern vielmehr nur seine Lebensgewohnheiten verändern sollte. Ich erwarte ja nicht, dass man wieder zurück in die Steinzeithöhle geht. Die Lebensgewohnheiten sollen sich ja nicht verschlechtern, aber man muss schon an gewissen Punkten, gewisse Prioritäten ändern.
Prioritäten ist ein gutes Stichwort: In der deutschen Klimapolitik scheinen diese ja nicht allzu gut verteilt zu sein. Zumindest war das Fazit Ihres Vortrags: „deutsche Klimapolitik nicht besser als bei Trump“: Sind wir zu langsam?
Genau, das sind wir eindeutig! Wenn wir weiter machen wie bisher, brauchen wir 200 Jahre für die Energiewende – uns bleiben aber nur noch 20. Im Prinzip ist das, was wir hier machen richtig, nur das Tempo stimmt eben nicht. Unser Handeln ist also in einer gewissen Art und Weise schizophren. Es ist fast so, als würde man sagen: Naja, dann machen wir jetzt bisschen weniger Klimaschutz, dann ist die Welt eben ein wenig später gerettet. Aber so funktioniert Klimaschutz nicht. Es ist wie bei einem brennenden Haus: Will man es löschen und schüttet zu wenig Wasser hinein, ist der Schaden zum Schluss viel größer, als würde man von Vornherein einen ordentlichen Löschversuch unternehmen.
In einem YouTube-Post finden Sie das im September vorgeschlagene Klimaschutzprogramm der Bundesregierung „zum Kotzen“. Prägnante Eckpunkte darin sind etwa eine CO2-Bepreisung bei gleichzeitiger „Entlastung von Bürgern und Wirtschaft“: Was ist daran so problematisch?
Naja, eine CO2-Bepreisung ist schon sinnvoll. Das allein reicht aber nicht aus, um das Klima zu retten. Zudem wäre ein Begriff wie die Schweizer Lenkungsabgabe der bessere Ausdruck. Denn so eine Bepreisung soll die Leute so lenken, dass sie von einer CO2-intensiven zu einer CO2-ärmeren Lebensweise gehen. Dazu muss es erst einmal Alternativen geben, zu denen man hinlenken kann. Die Hauptalternative, die wir brauchen, ist die Windenergie, im Klimapaket steht jedoch, dass der Abstand von Windrädern zu Gebäuden erhöht werden soll – was de facto dazu führen wird, dass weniger Windräder gebaut und in Betrieb genommen werden. Das heißt: Die Alternativen, die wir brauchen, finden in diesem Klimapaket gar nicht statt. Die vorgeschlagene CO2-Bepreisung ist zudem viel zu günstig. Experten sagen: erst ab 50 bis 60 Euro pro Tonne CO2 ist diese in Ansätzen sinnvoll.
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Mehr InformationenSchweden ist bereits bei über 100 Euro pro Tonne angekommen und selbst die sind noch nicht auf dem Weg, den wir bräuchten, um Klimaschutz erfolgreich umsetzen zu können. Wir fangen mit zehn Euro pro Tonne an und wollen damit unsere Verfehlungen der letzten Jahre im Expresstempo aufholen – da kann man nur müde lächeln. Da geht es einfach nur darum, zu zeigen, dass man etwas unternimmt. Auf der anderen Seite gibt es die Populisten, die das Thema ausschlachten. Die AfD etwa bietet eine sehr einfache Wahrheit an. Demzufolge gibt es gar keinen Klimawandel. Man bräuchte gar nichts tun, alles andere wäre Irrsinn und Abzocke. Diese „Wahrheit“ verfängt sich bei einigen und die regierenden Parteien haben anscheinend viel mehr Angst vor diesen Menschen als vor dem Klimawandel selbst. Das finde ich fatal: Ein Schiff geht unter und man hat mehr Angst vor dem pöbelnden Koch als vor dem Untergang des Schiffes. Daran sieht man, dass die Prioritäten völlig falsch gesetzt sind und dass die verantwortlichen Politiker das Problem offensichtlich gar nicht verstanden haben.
Aber wie entgegnet man solchen einfachen Wahrheiten?
Wichtig ist erst einmal, dass dieses Hin und Her aufhört. Man hat ja gar kein schlüssiges Konzept. Ein Beispiel ist etwa Bayern. Ich war in München bei der bayerischen Landesregierung und habe mir das bayerische Energiekonzept angeschaut. Das ist nicht viel besser als das der AfD. Im Gegensatz dazu leugnet die CSU vielleicht nicht den Klimawandel als Problem, aber gleichzeitig soll es damit gelöst werden, dass keine weiteren Windräder gebaut werden. Zudem wird versprochen, dass aus der Atomenergie ausgestiegen wird, gleichzeitig sollen aber keine Stromtrassen durch das Land gehen. Das ist reiner Populismus. Das merken die Leute auch. Deswegen wäre es einfach gut, wenn man einen überparteilichen, nationalen Konsens schafft, und sagt: diese bestimmte Anzahl an Windrädern muss gebaut werden und zwar aus klimagerechter Hinsicht, überall und nicht nur vereinzelt. Dann kann man durchaus diskutieren, wo Windräder in einer Kommune stehen, aber nicht, ob sie überhaupt stehen sollen. Das muss man entsprechend kommunizieren. Ein anderes Beispiel ist etwa Thüringen. Da hat nicht nur die AfD, sondern auch die CDU gegen Windenergie plakatiert. Noch absurder ist, dass dabei oftmals zu hören ist, dass Windrädern etwa den schönen Thüringer Wald zerstören. Kommen aber diese Windräder nicht, ist in ein paar Jahrzehnten der komplette Thüringer Wald sowieso im Eimer. Dann gibts da gar keinen Wald mehr.
Man könnte das dann ja schon fast als Selbstzerstörung begreifen?
Das ist ein bisschen fatalistisch. Ich denke einfach, dass vielen Leuten vor Ort die Folgen des Klimawandels nicht bewusst sind. Was auch dadurch zustande kommt, das auch online viele Pseudowahrheiten verbreitet werden. Da muss man einfach mehr aufklären. Es ist unsere Aufgabe, das in der Wissenschaft zu tun.
Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung beinhaltet einen Masterplan Ladesäuleninfrastruktur, der die Schaffung von insgesamt einer Millionen Ladepunkten bis 2030 vorsieht. Für dessen Umsetzung soll auch mit den „Automobilherstellern und der Energiewirtschaft“ gesprochen werden. Ist das eine gute Idee?
Das ist immer die Frage: Will man das oder will man das nicht? Im Falle der Ladesäulen steigen jetzt Unternehmen ein und versuchen damit, maximalen Profit zu erzielen. Vielleicht muss man sich aber auch wieder von dieser Wirtschaftsdominanz lösen. Vielleicht auch deshalb, da sonst etwa Ladesäulen, ähnlich wie beim Handynetz geschehen, wieder nur an stark frequentierten Stellen zu finden sind und die Leute auf dem Land das Nachsehen haben. Zudem wird mit viel zu hohen Preisen abgezockt. Sowas müsste die Politik komplett unterbinden. Infrastruktur ist Staatsaufgabe, dann muss man auch mal bereit sein, Steuern für eine bessere Infrastruktur zu erhöhen. Auch als Gesellschaft muss man dann vielleicht mal über die eigenen Prioritäten reden. Ob man eben nochmal ein paar Euro mehr für den Urlaubsflug bekommt oder ob man sagt: bessere Schulen und die Energiewende sind dann auch Sachen von denen ich irgendwie profitiere.
Der Staat übernimmt also nicht genug Verantwortung, wie er eigentlich übernehmen sollte und die Industrie investiert zu wenig?
Die Industrie versucht das zu machen, was maximal ökonomisch ist. Das sind einfach die Grundbedingungen. Man rechnet durch und was am meisten Rendite bringt, das wird getan. Der Staat trägt hier eine sehr große Verantwortung, indem er regulierend eingreift. Und zwar indem man eben Umweltbelastungen mit Abgaben belegt. Das traut man sich momentan aber einfach nicht – in allen Bereichen.
Und verbaut sich so die eigene Zukunft?
Genau! Man erkennt zwar das Problem, aber handelt nicht. Das sehe ich auch bei meiner Arbeit. Im öffentlichen Bereich irgendetwas durchzusetzen, ist so unendlich langwierig, dass man meist nach einem Jahr aufgibt. Das liegt vielleicht auch an unserer alternden Gesellschaft. Das heißt, je älter eine Gesellschaft ist, desto mehr Beharrungskräfte hat man und die junge Aufbruchstimmung geht komplett verloren. Man kann auch sagen, die Jungen wollten das Handynetz und die alten müssen den Mast ertragen. Man hat einfach einen Generationenkonflikt. Digitalisierung und mehr Klimaschutz sind Themen, die vor allem die junge Generation betrifft, während die Älteren eher konservative Werte bewahren wollen. Das ging früher vielleicht gut, weil die Welt sich nur langsam veränderte. Aber momentan finden alle geostrategischen und politischen Veränderungen in einem Expresstempo statt und wenn man sich dabei nicht anpasst, ist man weg vom Fenster. Das droht Deutschland demzufolge langfristig auch.
Sie sind einer der Initiatoren und Initiatorinnen von „Scientists for Future“ und unterstützen auch die Fridays for Future-Demonstrationen. Was konnte bisher damit erreicht werden?
Wenn sich alle so mit dem Klimawandel auseinandersetzen würden, wie diejenigen, die derzeit auf die Straße gehen, dann müssten alle panikartig versuchen, eine Veränderung voranzutreiben. Viele Leute blenden das Thema aber einfach aus oder informieren sich bei Klimaleugnern mit ihren alternativen Fakten. Deswegen ist unserer Arbeit so wichtig. Denn ich kann ja erst handeln, sofern ich das Problem verstanden habe. Und so mühselig es auch ist, wir haben eine Demokratie und deswegen müssen wir es eben ausdiskutieren und Bereitschaft sowie Mehrheiten erzeugen. Wir stehen damit leider noch am Anfang und müssen erstmal ein Bewusstsein über die Themen des Klimawandels schaffen. Ohne Fridays for Future hätten wir gar keine Chance dazu, auch weil man die Umweltfrage immer in Lagerdenken verhandelt hat. Das heißt, wer für Umwelt war, war eher so links und grün und dann gab es noch die Konservativen, die sich davon klar abgrenzen wollten. Das schöne bei Fridays for Future aber ist, dass dort einfach unverbrauchte Jugendliche mitmachen, die noch gar nicht in solche Lager einzusortieren sind. Klar, die Bewegung ist schon irgendwie links zu verorten, aber dieses Gesamtgesellschaftliche, dieses politisch Unsortierte hat den Schub gebracht.
Gleichzeitig versucht man aber, immer wieder Schüler als dumm und irregeleitet darzustellen. Deswegen ist unsere Arbeit sehr wichtig, indem wir zeigen, dass ihre Anliegen berechtigt sind und dass es einfach ganz klare wissenschaftliche Belege dafür gibt, auf denen sich die Forderungen von Fridays for Future stützen. Wir haben also angefangen, über Probleme zu diskutieren und das ist ein riesen Erfolg der jungen Generation. Auch beim heute-Journal ist jetzt mal der Klimawandel häufiger Thema. Man kann sich also selbst auf dem Sofa dem Klimawandel nicht mehr entziehen. Aber nun den zweiten Schritt zu unternehmen und die Bereitschaft für Handeln und Veränderung zu erzeugen, ist wahrscheinlich noch ein bisschen mühseliger. Diesen Schritt müssen wir mit dem gleichen Elan und mit dem gleichen Mut weitergehen. Das wird natürlich noch ein steiniger Weg. Leider. Vor allem ist es aber ein Kampf gegen die Zeit.
(c) Titelfoto: Janine Escher