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Nachhaltigkeit in der Baubranche

10. Oktober 2019 By

Die Baubranche gehört zu den größten Ressourcen- und Energieverbrauchern weltweit: ein Interview über die Rolle der Wissenschaft bei der Entwicklung von Konzepten mit dem Ziel, Bauen nachhaltiger zu gestalten.

Prognosen zufolge wird sich die Stadtbevölkerung bis 2050 weltweit von heute knapp 4 Milliarden auf 6,5 Milliarden Menschen vergrößern. Etwa zwei Drittel der Menschheit wird dann in Städten leben und auf eine entsprechende urbane Infrastruktur angewiesen sein. Der Trend zur Urbanisierung ist weltweit spürbar – etwa in gesteigerten Bauaktivitäten. Aber bereits jetzt ist der Bau- und Gebäudesektor in Europa für fast die Hälfte des Ressourcen- und Energieverbrauchs, ein Drittel des Wasserverbrauchs und ein Drittel des Abfallaufkommens verantwortlich. Ob der Menschheit ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingt, wird sich also maßgeblich in Städten entscheiden. Kann es gelingen, die Umweltauswirkungen im Gebäudesektor zu minimieren und gleichzeitig einer steigenden Anzahl von Menschen den nötigen Raum für ein gutes und gerechtes Leben bieten? Gerade der universitären Forschung kommt dabei eine herausragende Rolle zu, Lösungen für diese Herausforderungen zu entwickeln. Wir haben mit Christian Hepf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen von Professor Thomas Auer der Technischen Universität München über die Forschung im Kontext zum nachhaltigen Bauen gesprochen.

 

Christian Hepf im relaio Interview. (c) Hannah Wolf

relaio: Die Baubranche ist der Wirtschaftszweig, der weltweit einen Großteil vorhandener Ressourcen verbraucht, einen hohen Anteil an Treibhausgasen ausstößt und für ein hohes Abfallaufkommen sorgt: Welche Strategien existieren, um Bauen nachhaltiger zu gestalten?

Christian Hepf: Es gibt hier ganz verschiedene Herangehensweisen, daher lohnt sich zunächst einmal ein Blick auf die Ausgangssituation. Wenn man sich in internationalen Großstädten umsieht, egal ob das Helsinki, London oder Abu Dhabi ist, dann sieht man vor allem eins: Das Gleiche. Gläserne Hochhäuser  – die sich vielleicht von Land zu Land in ihrer Höhe übertreffen – aber die gleichen Charakteristika aufweisen, unabhängig von den lokalen klimatischen Bedingungen. Die Gebäude müssen gekühlt, beheizt und mit Frischluft versorgt werden. Das erfordert eine aufwändige Anlagetechnik und viel Energie, um den lokalen, thermischen und visuellen Komfort für den Nutzer herzustellen. Die Gebäude erfordern zudem große Mengen an energieintensiven oder schwer zu recycelnden Rohstoffen wie Stahl, Glas und Beton. Sie gelten oftmals als Sinnbild einer modernen, westlichen Architektur, aber die Wahrheit ist, dass dadurch oft einfachere, dem lokalen Klima besser angepasste Materialien und Bauformen verdrängt werden. Das hat den Effekt, dass der Ressourcen- und Energieverbrauch sowie das Abfallaufkommen steigen.

Beim nachhaltigen Bauen geht es jetzt aber nicht darum, reinen Tisch zu machen und Gebäude mit möglichst geringen Umweltauswirkungen neu zu errichten. Es geht darum, sich mit unserer bestehenden, gebauten Umwelt auseinanderzusetzen und Zusammenhänge von Architektur und Technik, von Gebäude und Stadt zu erkennen. Es geht darum, dass Stadtplaner, Architekten und Ingenieure versuchen ihre Planungen an die lokalen Bedingungen anzupassen und gemeinsam einfache, flexible und robuste Lösungen für komplexe Zusammenhänge finden. Wir müssen ein ganzheitliches Verständnis für unsere gebaute Umwelt finden und diese dann entsprechend optimieren.

Wie muss man sich diese ganzheitliche Herangehensweise vorstellen?

Zu allererst natürlich einmal ganzheitlich im Sinne der drei Säulen der Nachhaltigkeit: ökologisch, ökonomisch und sozial. Man muss sich fragen: Wenn ich ein Wohngebäude saniere, verbessert sich dann die Ökobilanz? Lohnt sich das Investment für den Eigentümer? Führen die Kosten eventuell zu einer sozialen Verwerfung, weil die Kosten auf den Mieter umgelegt werden und er sich die Wohnung nicht mehr leisten kann?

 Ganzheitlich bedeutet aber auch, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. Das beginnt mit der Rohstoffgewinnung, der Herstellung von Baustoffen und -teilen sowie der Planung und Errichtung des Gebäudes. Wie viel Energie wird während des Baus verbraucht – wie viel im Betrieb? Wie wirkt sich eine Sanierung aus? Kann das bestehende Gebäude für eine Umnutzung mit neuen Anforderungen adaptiert werden? Es geht aber nicht nur um Energie, sondern auch um Materialflüsse: Was passiert beim Abbruch des Gebäudes? Können einzelne Bauteile rückgebaut und wiederverwendet oder die Baustoffe recycelt werden, kommt es zu einem Downcycling oder müssen die Stoffe sogar als Sondermüll deponiert werden? Bedenkt man im Vorfeld den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes, kann man versuchen, Materialen auf eine langfristige Nutzung und Wiederverwendung auszulegen, so dass sich idealerweise eine Kreislaufnutzung ergibt.

Darüber hinaus kann man das Gebäude als Baustein auf verschiedenen Ebenen des urbanen Lebens betrachten. Ein Gebäude steht nie alleine da, es wirkt immer auf seine Umgebung. Es ist Teil eines urbanen Systems, Teil eines Quartiers und auch die einzelnen Teile eines Gebäudes wirken aufeinander. Auf urbaner Ebene betrifft das viele politische, kulturelle und soziale Fragen. Wenn ich in die gebaute Umwelt eingreife, was löse ich damit aus? Erzeuge ich andere Mobilitätsmuster oder treibe ich zum Beispiel die Gentrifizierung voran? Auf Quartiersebene steht das Gebäude im Austausch mit einer begrenzten Zahl von anderen Gebäuden. Wird ein historisches Ensemble und damit ein Stück lokaler Identität zerstört? Oder sorge ich durch Begrünung für eine Verbesserung des Mikroklimas in der Nachbarschaft? Diese Fragen setzten sich im Gebäude fort. Kann ich Energieflüsse im Gebäude möglichst effizient aufeinander abstimmen und durch Synergieeffekte den thermischen Komfort der Nutzer verbessern und dabei sogar Energie einsparen?

Christian Hepf ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen. (c) Hannah Wolf

Coffee-to-go-Becher, Autos mit Verbrennungsmotoren oder Billigfleisch stehen vielmehr in der öffentlichen Debatte um Nachhaltigkeit als der Bausektor. Dabei wäre hier aber die Hebelwirkung viel größer?

So ein Coffee-to-go-Becher ist etwas sehr Unmittelbares. Ich kaufe ihn, benutze ihn für ein paar Minuten und bekomme sehr schnell das Feedback: Der Becher landet im Müll. Beim Bauen ist die Perspektive sehr viel länger – oft fällt der Abriss oder eine veränderte Nutzung eines Gebäudes gar nicht in die Lebenspanne der Erbauer oder Planer. Feedback kommt also oft erst nach vielen Jahren, wodurch Entscheidungen über die Veränderungen oder das Ende der Nutzung bei der Planung zum Teil nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aber auch wenn versucht wird an dieser Stelle vorzudenken und beispielsweise möglichst energieeffizient zu bauen, gilt es in der Baubranche die sogenannte Performance Gap zu schließen. Diese beschreibt den Unterschied zwischen der ursprünglich geplanten Zielgröße und der tatsächlichen Performance im Betrieb eines Gebäudes. Durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren, unter anderem mangelnde Kommunikation zwischen Planern, aber auch durch fehlende Bauqualität entstehen hier oft sehr große Differenzen. Was zum Beispiel dazu führt, dass mitunter Gebäude mit herausragendem Nachhaltigkeitszertifikat ihre geplant niedrigen Energieverbrauchswerte im Betrieb nicht ansatzweise erreichen.
Vor allem aber ist Bauen ein komplexes Zusammenspiel von verschiedensten Akteuren, da kann ich als Einzelperson nicht so einfach durch meine Entscheidung einen Unterschied machen, wie das vielleicht beim Coffee-to Go Becher der Fall ist. Oftmals spielt für den Architekten die Ästhetik eine viel größere Rolle als die spätere Entsorgung der Baustoffe und für den Investor sind möglichst geringe Baukosten wichtiger als später einmal der Energieverbrauch, gerade wenn die Energiepreise niedrig sind. Deswegen ist es wichtig, hier Expertenwissen einzubringen und konsequent interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Hier an der Universität arbeiten wir interdisziplinär mit anderen Lehrstühlen und Fachrichtungen zusammen. So sind wir etwa im Zentrum für nachhaltiges Bauen vertreten, einem Zusammenschluss aus mehreren Lehrstühlen der Fakultäten Architektur, Ingenieurwesen sowie Elektro- und Informationstechnik.

In der freien Wirtschaft spielen solche Ansätze aber leider noch eine eher untergeordnete Rolle und gerade als Privatperson hat man vor dem Hintergrund einer steigenden Urbanisierung mit dem Bau oft gar nichts mehr zu tun: Man kann sich auf angespannten Wohnungsmärkten nicht aussuchen wo man wohnt und ob man Klimagesichtspunkte in seine Wohnungswahl mit einbezieht. Da kann ich als Nutzer keinen Druck aufbauen, was sich natürlich auch auf die öffentliche Debatte durchschlägt. Das heißt aber nicht, dass ich als Privatperson nichts damit zu tun habe. Ich kann im Haushalt Energie einsparen und durch einen pfleglichen Umgang für Langlebigkeit sorgen. Und ich kann mich mit der Frage der Suffizienz auseinandersetzen. Wie viel Platz benötige ich wirklich? Brauche ich im Alter eine ganze Wohnung in der Stadt, ist ein Einfamilienhaus notwendig?

Die Carbon Roadmap der EU sieht vor, dass im Vergleich zu 1990 die CO2-Emissionen des Gebäudesektors bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent reduziert werden: Wie sieht eure Arbeit hierzu aus, welche Strategien habt ihr?

Wir sind hier am Lehrstuhl ein interdisziplinäres Team mit mehr als 20 wissenschaftlichen Mitarbeitern mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen wie Architektur, Bau- oder Umweltingenieurwesen. Grundsätzlich kann man unsere Tätigkeiten in zwei Felder gliedern: Lehre und Forschung. Die Lehre ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit mit dem Ziel, angehenden Architekten und Ingenieuren ein Verständnis für klimagerechtes Bauen und praktisches Methodenwissen mitzugeben. Vor allem aber ist uns wichtig, das interdisziplinäre Zusammenarbeiten im Planungsprozess von Anfang an in die Ausbildung zu integrieren.

Die Forschung findet anwendernah und praxisorientiert statt – deswegen unterscheiden sich auch hier die Herangehensweisen je nach Projekt ganz stark. Generell spielen aber die Universitäten eine ganz zentrale Rolle dabei, den Bauprozess nachhaltiger zu gestalten, da hier der finanzielle Profit nicht im Vordergrund steht. Ideen können so erst einmal ausprobiert werden und Erfahrungen in kleineren Testumgebungen gesammelt werden. Damit unterstützen wir dann innovative Architekten und Bau- oder Ingenieurunternehmen, die an der Grenze von gesetzlichen Richtlinien und bestehenden Baunormen an neuen Konzepten arbeiten.

In einem Prüfstand werden Versuche mit verschiedenen Verglasungen durchgeführt. (c) Christian Hepf

 Wie sehen solche Forschungsprojekte dann aus?

 Eines meiner aktuellen Projekte adressiert die Fassade von Gebäuden. Die ist im Bauwesen von ganz maßgeblicher Bedeutung. Sie repräsentiert das Gebäude nach außen – ist aber auch aus Umweltgesichtspunkten sehr bedeutend: vier Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Europa sind auf Wärmeverluste über Fernster zurückzuführen. Gleichzeitig führt die Sonneneinstrahlung dazu, dass ein Sonnenschutz angebracht und gekühlt werden muss, um den visuellen und thermischen Komfort für den Nutzer bereitzustellen. Das kostet Energie, beeinträchtigt die Form der Fassade und ist wartungs- und reparaturintensiv. Wir machen gerade Versuche mit speziellen Fensterverglasungen. Diese kombinieren eine Heat-Mirror Folie, welche die Isoliereigenschaft der Scheibe optimiert, mit einer elektrochromen Scheibe, die beim Anlegen einer sehr geringen elektrischen Spannung die Lichtdurchlässigkeit verändert. Je nach Bedarf kann Licht und somit Energie hineingelassen werden, was unter Umständen Heizung oder künstliches Licht überflüssig macht oder die Scheibe verdunkelt werden, was Kühlung und zusätzlichen Sonnenschutz unnötig macht. Der Fokus des Projektes liegt dabei auf der Entwicklung einer intelligenten Steuerung der dimmbaren Scheibe, sodass die Fassade sich smart an die lokalen Wetterbedingungen anpassen kann. Das Projekt geht sogar noch einen Schritt weiter und versucht wetterprädikativ, also vorrausschauend, zu handeln um zusätzlich noch Energieeinsparungen erzeugen zu können. Das klingt jetzt zunächst nach einer hochkomplexen Lösung. Die Einfachheit besteht aber darin, dass ich so die ohnehin vorhandene Sonnenstrahlung als Energiequelle nutzen kann und so auf eine umfangreiche Anlagentechnik verzichtet werden kann.

In einem weiteren Projekt begleiten wir die Errichtung der Firmenzentrale einer großen Bio-Supermarktkette. Ein Großteil des Gebäudes wurde aus Stampflehm errichtet, der direkt aus der Baugrube gewonnen und auch im Falle des Abrisses des Gebäudes einfach wiederverwendet werden kann. Der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes ist so mit einem sehr geringen Energieaufwand verbunden. Lehm kann aber auch besonders gut Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen und abgeben, was natürlich regulierend auf das Raumklima wirkt. So können wir die Gebäudetechnik auf ein Minimum reduzieren. Wir als Wissenschaftler führen dazu Messungen durch, um die begrenzte Datengrundlage zu Stampflehmbauten zu erweitern. Das Gebäude kann so zu einem Vorbild für nachhaltiges Bauen werden.

https://www.relaio.de/inhalt/uploads/Timelaps-14.08.19_18.00_130�.mp4

Durch die Entwicklung intelligenter Fassadenverglasungen kann Energie eingespart werden. (c) Christian Hepf

Ganz oft müssen wir uns aber mit Bestandsgebäuden auseinandersetzen, da müssen wiederum ganz andere Strategien her. So zum Beispiel ein Projekt, das wir in Kooperation mit der TU Delft durchführen. Es adressiert das Problem der im europäischen Raum sehr geringen Renovierungsraten. In den Niederlanden leben zum Beispiel ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung in Nachkriegsgebäuden aus den 1950ern bis 1970ern Jahren, die dringend eine energetische Sanierung benötigen, wenn wir die Klimaziele für 2050 einhalten wollen. Eine Renovierung krankt aber oft an der Frage eines mangelnden Zuständigkeitsgefühls – der Hausbesitzer müsste dafür ein beträchtliches Investment aufbringen. Im Projekt Leasing Fassade wird die Sanierung in Form einer modularen Fassade von einer externen Firma bereitgestellt, die sich gegen eine regelmäßige Leasingrate um die Produktion, Instandhaltung und irgendwann auch die Weiterverwertung kümmert. So wird nicht nur eine optimale Nutzung der Baustoffe über den Lebenszyklus erreicht, sondern auch die anfängliche Investitionshürde entschärft und eine Kreislaufwirtschaft im Bauwesen vorangetrieben.

Einmal zuhören bitte! Die besten Podcasts zu gesellschaftlichem Wandel und Nachhaltigkeit

10. März 2020 By

Wer, wie, was? Das Angebot an Podcasts ist riesig. Wir helfen dir den Überblick zu behalten.

Podcasts haben in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Kaum ein Tag vergeht, in dem nicht ein neues Format das Licht der Welt erblickt und um die Gunst der Hörer*innen buhlt. Thematisch gibt es dabei kaum etwas, dass es nicht gibt. Ob Politik-, True Crime- oder Talkformate – fast jede*r dürfte von einem Lieblingspodcast schwärmen können. Aber wie sieht es dabei eigentlich in Sachen Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Wandel aus? Wer erzählt hier die spannenden Geschichten über aktuelle Geschehnisse? Wer findet Antwortvorschläge auf die Fragen unserer Zeit? Wir haben uns einmal umgehört und ein paar nicht zu verachtende Formate zusammengetragen.

Hotel Matze

Seit 2016 öffnet einmal pro Woche das Hotel Matze seine Pforten. Matze hört dabei auf den Nachnamen Hielscher und ist hauptberuflich Co-Gründer und Chef der „Mit Vergnügen“-Familie. Die Gäste seines Hotels sind dabei von ziemlichen Rang und Namen. Sophie Passmann, Frank Elsner oder Anne Will sind nur einige davon. Besonders spannend ist der Podcast für all diejenigen, die sich selbst als Gründerinnen oder Gründer bezeichnen wollen. Denn Matze interessiert sich im Gespräch mit seinen Gästen vor allem dafür, wie es ist, etwas auf die Beine zu stellen und mit dem Ergebnis als Mensch umgehen zu können. Einmal im Monat gibt es dann, zusammen mit dem Co-Gründer von Einhorn-Kondome, Philip Siefer, Einblicke in den Berliner Gründer*innen-Alltag.

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Lage der Nation – der Politik-Podcast aus Berlin

Politik geht uns alle etwas an. Aber was ist eigentlich los auf dem politischen Parkett hierzulande und welche Hintergründe gibt es zu dem aktuellen politischen Geschehen in Berlin und anderswo? Seit 2016 wird der Podcast gemeinsam von dem Journalisten Philip Banse und dem Richter und Bürgerrechtler Ulf Buermeyer moderiert. Scharfsinnig werden dabei Woche für Woche Themen analysiert und diskutiert, die vom Wandel in unserer Gesellschaft zeugen. Hinterleuchtet wird etwa, was die Rechtsprechung zur Mietpreisbremse sagt, was eigentlich das Klimakabinett macht und wie es zu rechten Terror kommen kann.

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Süddeutsche Zeitung: Das Thema

In diesem Podcast gibt es jede Woche Hintergrundwissen aus der SZ-Redaktion zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. In einer guten halben Stunde wird dabei verschiedensten Themen auf den Grund gegangen. Die SZ-Autoren Vinzent-Vitus Leitgeb und Laura Terberl kuratieren und moderieren dabei Themen wie die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz, Gender-Medizin oder gehen der Frage nach, wie sinnhaft die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen sein kann. Der Podcast ist dabei kurz, knapp und damit ziemlich informativ gehalten und dabei niemals langweilig.

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Wird das was? – der Digitalpodcast

Die Frage in der Überschrift ist Programm dieses Podcasts. So geht es in den alle zwei Wochen erscheinenden Sendungen vor allem um den digitalen Wandel in unserer Gesellschaft und wie dieser eigentlich funktionieren kann. Gar nicht mal so leicht zu beantworten. So handelt der Podcast nach eigener Wortwahl „über das komplizierte Leben in einer digitalen Welt“. Die Digitalredakteure aus dem Dunstkreis der Zeit ONLINE-Redaktion diskutieren dafür mit führenden Köpfen aus Wirtschaft und Forschung. Gäste waren bereits unter anderem die Vorsitzende des deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, Jana Koehler oder der CTO und Vizepräsident von Amazon, Werner Vogels.

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Darf sie das?

Mal ganz ehrlich: Wer der Meinung ist, dass es sich mit der Gleichbehandlung bereits fertig diskutiert hat, läuft entweder mit Scheuklappen durch die Welt oder sollte einmal dringend in den Podcast von Nicole Schöndorfer reinhören. In „Darf sie das?“ diskutiert die freie Journalistin wöchentlich Themen, die sich mit den vermeintlichen Rollenbildern unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Den Blick auf das aktuelle Geschehen in Politik und anderswo verliert sie dabei nie. So wird im Podcast etwa darüber gesprochen „Worüber wir im Zuge der Corona-Krise reden müssen“ und was „Häusliche Gewalt und Misogynie in Zeiten der Pandemie“ bedeuten.

https://open.spotify.com/show/6rUsAIsgWV5q4qL89TQGBR?si=1y6WgWpOSa6JMf1Mj_CeqA 

Sein und Streit – Das Philosophiemagazin

Wer sind wir und wer sagt, dass wir sind, wie wir sind? Die Antworten zu solch philosophischen Fragen könnten wohl kaum unterschiedlicher ausfallen – das hat zumindest bereits die Vergangenheit bewiesen. Wie wir in Zukunft zusammenleben, bestimmt wiederum die Diskussion und damit nicht zuletzt der Streit. Wöchentlich wird dafür vom Deutschlandfunk mit dem Philosophiemagazin und Podcast „Sein und Streit“ ein „akustischer Denkraum: über Alltägliches und Akademisches, über Sinn und Unsinn“ eröffnet. Moderiert von Simone Miller diskutieren darin Philosoph*innen wie Monika Betzler oder Robin Celikates über das Wesen der Willensschwäche oder über die EU-Flüchtlingspolitik.

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Deutschlandfunk: Umwelt und Verbraucher

Der wöchentliche Podcast des Deutschlandfunk will nicht nur erklären, was es mit Umweltschutz auf sich hat und warum dieser notwendig ist, sondern gibt in den einzelnen Sendungen auch nützliche Tipps und Anleitungen dazu, wie jede*r Einzelne einen eigenen kleinen Beitrag zur nachhaltigen Gestaltung unseres Alltags leisten kann. Die Themen sind dabei vielseitig: Wie lässt sich mit einer veganen Lebensweise CO2 einsparen oder durch eigene Stromerzeugung die eigene Klimabilanz verbessern? Genauso werden gemeinsam mit Expert*innen aktuelle Geschehnisse, wie die Waldbrände im Amazonas oder die Herstellung synthetischer Treibstoffe diskutiert.

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Tonspur N – Der Podcast zu Nachhaltigkeit und CSR

Tonspur N, das ist – wie es von dessen Macher*innen selbst heißt – „der Podcast zu Nachhaltiger Entwicklung, gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen und Sozialem Unternehmertum“. Dahinter stecken Annemarie Harant und Roman Mesicek, die seit nun schon 2015 alle 14 Tage einen umfassenden Überblick zu den Themen in der Social-Entrepreneurship-Szene geben. Dabei gibt es unter anderem Ausblicke und Rückblicke auf Veranstaltungen, Buchempfehlungen sowie verschiedene Interviews zu hören. Anfang 2019 haben Annemarie und Roman bekanntgegeben, dass es erstmal eine Pause für die Tonspur N geben wird. Für alle, die zum ersten Mal vom Podcast gehört haben, gibt es erstmal eine Menge nachzuhören und auch sonst gibt es keinen Grund zur Traurigkeit, denn ab nächsten Jahres wollen beide wieder starten und uns in Sachen Nachhaltigkeit wieder auf dem Laufenden halten.

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A mindful mess

Madeleine Daria Alizadeh ist der Name, der hinter dem wohl besser bekannten und digitalen Alias „dariadaria“ steckt. Wer sie kennt, weiß, dass dariadaria nicht nur eine erfolgreiche Influencerin und Betreiberin eines eigenen Modelabels ist. Denn sie ist dabei vor allem eine Verfechterin für mehr Nachhaltigkeit und das auf allen Ebenen. Ganz egal also, ob beim Umweltschutz in der Modeindustrie oder bei Sexismus-Debatten im öffentlichen Leben – genau diese Themen werden erklärt, diskutiert und hinterfragt. Dafür gibt es nun schon seit 2017 einen Podcast mit dem Titel „a mindful mess“. Wer ihn hört, lernt dabei vor allem etwas über Persönlichkeitsentwicklung und nachhaltiges Leben.

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CO2 Kompensation

15. September 2019 By

Warum ein wirklich nachhaltiger Treibhausgas-Ausgleich ein Fall für einen Social Entrepreneur ist.

Du ernährst dich regional, saisonal und isst sehr wenig Fleisch. Du hast kein eigenes Auto, sondern fährst fast alles mit dem Rad. Statt die Heizung aufzudrehen, ziehst du den dicken Wollpullover von der letzten Kleidertauschparty drüber. Dein CO2-Fußabdruck ist trotzdem alles andere als klein. Woran mag das liegen? In deinem Alltag achtest du auf Nachhaltigkeit, bist sogar ein Vorbild für viele andere – aber jeder macht mal Urlaub und das bedeutet oft eine Auszeit vom nachhaltigen Lebensstil. Denn Tourismus ist auf vielschichtige Weise eine große Herausforderung auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit.

Tourismus kann Anreize schaffen, Natur zu bewahren und Umweltschutz zu fördern, um so auch in Zukunft noch Reisende anzulocken. Urlauber schaffen Erwerbsmöglichkeiten in Regionen, in denen es keine ausdifferenzierten Wirtschaftszweige gibt. Und Reisen können Vorbild- und Austauschfunktion haben, die positiven Effekte in Richtung Nachhaltigkeit erzielen. Oft herrscht aber das genaue Gegenteil vor. Tourismus führt zu erhöhten Flächenverbrauch und Umweltverschmutzung, es gibt hohe Sickerraten und die erzielten Gewinne kommen nicht bei der lokalen Bevölkerung an. Darüber hinaus bleibt ein respektvoller Umgang zwischen Reisenden und der lokalen Bevölkerung ebenfalls oft eine Wunschvorstellung.

Global betrachtet sind fast zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen auf den Tourismus zurückzuführen. Der Großteil davon stammt vom Anreiseverkehr: Dieser macht beim Inlandstourismus bis zu 50 Prozent aus, im internationalen Tourismus sogar bis zu 80 Prozent. Besonders Flugreisen stellen dabei eine hohe Belastung für Klima und Umwelt dar. Ein Beispiel: Pro Person werden bei einem Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Sydney etwa zwölf Tonnen CO2 ausgestoßen. Der Durchschnittliche CO2 Ausstoß eines Deutschen beträgt dabei 9,3 Tonnen CO2  – pro Jahr, wohlgemerkt. Ein Interkontinentalflug kann also schnell dazu führen, dass sich der CO2 Ausstoß einer Person verdoppelt. Flugreisen stehen daher im Zentrum von Debatten um die Auswirkungen von Tourismus. Fliegen oder nicht – das ist für viele die zentrale Frage, der Knackpunkt, der entscheidet, ob eine Reise nachhaltig ist oder nicht. Ein Dilemma: mit schlechtem Gewissen wegfliegen oder wehmütig verzichten und einen weniger aufwändigen Urlaub in der Nähe machen. Es gibt aber auch eine andere Lösung: Man steigt in den Flieger, aber kompensiert freiwillig die anfallenden Emissionen.

Der Ausgleich der Treibhausgase klingt erst einmal nach einer direkten und logischen Möglichkeit, das Problem anzugehen. Man zahlt für die Menge an Kohlenstoffdioxid, die durch den eigenen Flug ausgestoßen wird einen gewissen Geldbetrag an eine Organisation, die mit diesem Geld Emissionen an anderen Stellen einspart. Der Flug ist somit klimaneutral und die absolute Menge an CO2 in der Atmosphäre steigt nicht an – weniger wird sie aber auch nicht. Doch das Thema ist sehr komplex und vor allem auch hoch umstritten. Denn sowohl die Art und Weise der Kompensation, als auch die dahinterliegende Logik bietet Anlass zur Kritik.

Wie, wann und wo wird kompensiert?

Im Prinzip gibt es zwei verbreitete Arten, um Treibhausgase auszugleichen: Die erste Möglichkeit besteht darin, den Ausstoß an einer anderen Stelle zu vermeiden. Während es mit einem erheblichen technologischen und finanziellen Aufwand verbunden ist, Treibstoffverbrauch und Emissionswerte von Flugzeugen und anderen Hochtechnologieträgern zu reduzieren, lassen sich andere Emissionsquellen leichter reduzieren. Besonders verbreitet bei den Anbietern von CO2 Kompensationen sind hier die Investition in erneuerbare Energie-Projekte in Entwicklungsländern. Ein Beispiel hierfür wäre der Aufbau von kleinen Biogasanlagen in ländlichen Regionen, wo oftmals besonders schmutzige Energiequellen, wie Holz oder Kerosin, zum Kochen verwendet werden. In den Projekten werden dann aus lokalen Baumaterialien Biogasanlagen errichtet, Familien in deren Benutzung und Instandhaltung eingewiesen. Das daraus gewonnene brennbare Gas wird zum Kochen verwendet. Im Laufe von einigen Jahren werden so mehrere Tonnen CO2 eingespart. Die zweite Möglichkeit Treibhausgase zu kompensieren, liegt darin, sie in Pflanzen zu speichern. Diese nehmen während des Prozesses der Photosynthese Kohlenstoffdioxid (und Wasser) auf und wandeln es in Glucose (und Sauerstoff) um, welches für das Wachstum der Pflanze verwendet wird. Solange die Pflanze lebt und weiterwächst, speichert diese also konstant Kohlenstoffdioxid. Für die CO2 Kompensation eigenen sich dabei besonders das Anpflanzen von Bäumen. Sie speichern viel CO2, leben lang und wenn deren Holz anschließend weiterverwendet wird, geben sie das CO2 auch nicht mehr frei. Aber auch die Revitalisierung von vormals trockengelegten Mooren hat sich als effektive Möglichkeit erwiesen, CO2 zu speichern. Denn Moorpflanzen werden nach ihrem Absterben vom Wasser konserviert und wandeln sich in Torf um, anstatt das CO2 beim Verrotten wieder freizugeben.

Moore sind effektive CO2 Speicher. 

Beide Ausgleichsarten bieten noch andere Vorteile: sie reduzieren Abhängigkeiten, stellen eine Rohstoffquelle dar oder schaffen Biodiversitätsflächen. Aber es drängen sich Fragen auf: Wird wirklich genau so viel CO2 eingespart, wie ausgestoßen wird? Wie lange dauert es, bis das CO2 kompensiert wird, das bei einem Flug innerhalb von Stunden in die Atmosphäre geblasen wird? Wird darauf geachtet, dass die Sparmaßnahmen dauerhaft sind, wenn etwa eine Biogasanlage kaputt geht? Wer verhindert, dass Bäume gefällt und anschließend verheizt werden? Mit diesen Einwänden sind die Anbieter von CO2 Kompensation häufig konfrontiert – und die Seriösen unter ihnen achten auch darauf, dass diese Probleme nicht auftreten. Aber neben dieser Kritik in der Umsetzung gibt es auch Einwände gegen das Prinzip Kompensation an sich.

CO2 Emissionen als Ware

Kritiker bezeichnen die freiwillige CO2 Kompensation oftmals als einen modernen Ablasshandel, mit dem man sich von seinem schlechten Gewissen freikaufen kann – weswegen man dann womöglich ohne Reue weiter sündigt und noch mehr fliegt. Dies mag sein, allerdings geht es hier nicht nur um das eigene Seelenheil, in diesem Fall den persönlichen CO2-Fußabdruck, sondern um die global aufsummierte Menge an schädlichen Treibhausgasen in unserer Atmosphäre. Das Problem daran ist die monetäre Bewertung dieser Umweltzerstörung. Wenn man einer Tonne CO2 einen gewissen Geldbetrag zuschreibt, der den Kosten von Wiederaufforstungsmaßnahmen, Verwaltungs- und Personalkosten und vielleicht einer kleinen Gewinnspanne entspricht, dann schreibt man der Umwelt und ihrer Zerstörungen einen gewissen monetären Wert zu. Die Umwelt, ihr Schutz und ihre Zerstörung kann ausgetauscht und gehandelt werden, sie wird zu einer Ware. Und die Kompensation von CO2 unterliegt damit einem marktwirtschaftlichen Mechanismus. Für die eigenen Umwelt-Verfehlungen bekommen dann Dorfbewohner eines Entwicklungslandes eine Biogasanlage vorgesetzt, um die sie sich dann kümmern sollen. Sie sparen zu den günstigsten Produktionsbedingungen für jemanden CO2 ein, der es sich leisten kann, es zu emittieren.

Bau einer Biogasanlage. Darin wird durch Vergärung von Biomasse Gas erzeugt. 

 

Viele Anbieter von CO2 Kompensationen achten darauf, dass die Projekte dem Wohl der lokalen Bevölkerung dienen. Doch wenn die Nachfrage nach der „Ware-CO2-Einsparung“ steigt, kann es auch passieren, dass die Produktionsbedingungen schlechter werden. Der Ausgleich von CO2 für Privatpersonen ist aktuell rein freiwillig, deswegen werden die guten Produktionsbedingungen und die weiteren positiven Folgen betont, um es als rundum nachhaltiges Produkt anzupreisen. Wird der Markt aber größer oder aber Kompensationszahlungen irgendwann einmal verpflichtend, so kann davon ausgegangen werden, dass wie bei anderen Märkten auch hier die sozialen Probleme mitwachsen.

Die Zielsetzung ändern: Nachhaltigkeit aus einem Guss

Nachhaltigkeit bedeutet mehr als Umweltzerstörungen zu vermeiden oder auszugleichen, die nicht nur aus CO2 Emissionen bestehen. Auch die soziale und wirtschaftliche Dimension spielt eine Rolle. Geld kann dabei nicht das alleinige Instrument sein, um diese Probleme zu lösen. Und CO2 Emissionen sind auch nicht das einzige Problem im Flugverkehr und im Tourismus. Anstatt CO2 Kompensation zu externalisieren, sie an einen Dienstleister zu übergeben, der es wieder weiterleitet, könnte es ein Ansatz sein, den Ausgleich im lokalen Tourismus zu integrieren. Anstatt in ein Land zu fliegen, dort die Umwelt zu belasten und dafür Geld an eine Organisation zu überweisen, die Projekte in einem ganz anderen Teil der Welt finanziert, sollte man lieber versuchen Nachhaltigkeit aus einem Guss zu schaffen. Die Projekte müssten dort stattfinden, wo man Urlaub macht und Teil der einheimischen Infrastruktur sein – so könnten sie auch zu einer lokalen Wertschöpfung und einem lokalen Naturschutz beitragen. Dies wäre aber dafür um einiges teurer, da die „Ware-CO2-Einsparung“ eben nicht mehr dort produziert wird, wo es am günstigsten oder am leichtesten möglich ist, sondern dort, wo durch Tourismus über den Flugverkehr hinausgehende Belastungen entstehen.

Aktuell gibt es so etwas noch nicht. Aber die Nachfrage nach CO2 Kompensationen steigt, da immer mehr Menschen ein Bewusstsein für die Schädlichkeit des Flugverkehrs entwickeln. Umso wichtiger wird es sein, dass es dann wirklich nachhaltige CO2-Ausgleichsmethoden für Flugreisen und im Tourismus allgemein gibt. Nachhaltigkeit lässt sich dabei aber schwer durch rein marktwirtschaftliche Mechanismen erreichen – diese Aufgabe verlangt vielmehr nach einem Sozialunternehmer, der die Verbesserung des Status Quo in den Mittelpunkt stellt und nicht die Gewinnmaximierung.

 

 


(c) Alle Bilder Wikimedia Commons

E-Scooter-Sharing: Von der Verkehrswende die keine ist

23. August 2019 By

Elektro-Scooter sind in kürzester Zeit ein nicht mehr wegzudenkendes Fortbewegungsmittel in vielen Großstädten geworden. Aber die Sache hat einen Haken: wirklich nachhaltig sind sie nicht.

Pünktlich zum Sommerbeginn hat auch in deutschen Großstädten die schöne neue Mobilitätswelt Einzug gehalten. Musste man bis vor kurzem noch die eigene Muskelkraft bemühen, um sich von der einen zur anderen Ecke der Stadt zu bemühen, funktioniert das nun schon seit ein paar Monaten auch ganz bequem elektrisch. Denn so ist es seit Juni auch hierzulande erlaubt, den täglichen Weg zur Arbeit, zum Sushi-Schnellimbiss oder zum nächstgelegenen Badespot mit einem sogenannten E-Scooter zurückzulegen. Verschiedene Anbieter buhlen dabei um die Gunst der Menschen, die möglichst einfach und mobil die Stadt erkunden wollen. Das Zauberwort der Stunde heißt dabei Mikromobilität. Sie umfasst all diejenigen Fortbewegungsmittel, die sich keiner starren Infrastruktur bedienen und dabei eher für kurze, spontane anstatt für lange Strecken ausgelegt sind. Auf diesem Mikrolevel soll Mobilität neu erfunden werden. Man könnte aber auch einfach sagen, sie soll individueller werden. Denn mit Hilfe von E-Scootern und Co. kann jeder selbst entscheiden wann und wo die Fahrt losgehen soll. Kollektives Zusammenpressen in überfüllten U-Bahn-Wagons soll damit ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.

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Kleine Rollen, großer Abdruck

Das klingt alles erstmal ziemlich gut, wenn man aber genauer hinsieht, tauchen schnell erste Zweifel auf. So lässt sich fragen, ob es denn überhaupt diese Massen an Elektroroller braucht, die nicht selten Radwege blockieren oder mitten auf Gehwegen achtlos abgestellt werden. Abgesehen davon und von dem erhöhten Unfallrisiko, die der Nutzung solcher Gefährte nachgesagt wird, scheint doch aber eine ganz andere Frage interessant zu sein: Können E-Scooter einen Beitrag zur Verkehrswende leisten?

Geht es nach den Anbietern derartiger Mobilitätsangebote, soll genau das mit den bunten Rollern erreicht werden. Das schwedische Unternehmen „Voi“ etwa wirbt auf dessen Website damit, dass durch den Einsatz der eigenen Rollerflotte bereits über 900.000 Tonnen CO2 gegenüber der gleichen Streckennutzung durch Mittelklassewagen eingespart werden konnten. Aber so richtig nachweisen lässt sich das noch nicht und die Zahlen, die online auftauchen, lassen passende Quellen noch kläglich vermissen. Ein Studie von Forschern der North Carolina State University hat jetzt aber erstmals valide Daten über die Emissionsbilanz US-amerikanischer Sharing-Anbieter geliefert. Das Ergebnis: E-Scooter sind keinesfalls so nachhaltig wie oft behauptet.

Die Auswertung der Nutzungsdaten ausgeliehener E-Scooter lässt vermuten, dass diese vermutlich nur  eine Lebensdauer von 29 Tagen besitzen. (c) Claudio Schwarz.

Laut dieser Studie ist es vor allem die Herstellung der Scooter sowie das meist PKW-betriebene, tägliche Einsammeln und Ausliefern der ladebedürftigen Scooter, die im wesentlichen zu einer schlechten CO2-Bilanz der Scooter beitragen. Rechnet man diese Faktoren in die Nutzung von E-Scootern mit ein, ist der ökologische Fußabdruck vergleichbar mit dem eines PKWs mit einem ungefähren Verbrauch von 10 Litern pro 100 Kilometer. Gar nicht mal so gut. Das Ergebnis der Ökobilanz ist dabei vor allem abhängig von der geringen Lebensdauer der Elektroroller. So hält momentan ein E-Scooter der Witterungsverhältnissen und der täglichen Nutzung lediglich 28.8 Tage stand. Das ergab zumindest die Auswertung der Nutzungsdaten eines Verleihers von E-Scootern in der US-amerikanischen  Metropole Louisville Trotz solcher miesen Ergebnisse für die Umwelt sollen in Städten wie München bis zu 10.000 der rollenden Gefährte abgestellt werden. Keine guten Zahlen für die Umwelt also.

Viel Geld und wenig Verantwortung

Mehr als gut hingegen dürfte sich das Geschäft mit den E-Scootern für die Betreiber*innen solcher Sharing-Angebote auszahlen. Warum das so ist, hat die Unternehmensberatung McKinsey mit einer eigenen Studie herausgefunden. So sind die Hürden zum Markeintritt für E-Scooter-Verleiher*innen aufgrund geringer Anschaffungskosten sehr niedrig. Hinzu kommt, dass sich die Anschaffungskosten der E-Scooter schon mit wenigen Fahrten am Tag amortisieren. Das Marktpotential ist dabei riesig, denn die Roller kommen gut an. Laut dieser Studie ist es vor allem die Möglichkeit, kurze Strecken in überfüllten, urbanen Gegenden einfach und bequem zurücklegen zu können, die eine hohe Nachfrage auf der Nutzerseite erklärt. So finden immer mehr Nutzer*innen Gefallen daran, draußen, im Freien unterwegs zu sein und eben nicht in endlosen Staus festzustecken. Anbieter wie VOI, Lime oder TIER können sich dabei auf riesige Gewinnmargen freuen. So wird vorausgesagt, dass mikromobile Sharing-Angebote in China, Europa und den USA spätestens bis 2030 einen jährlichen Umsatz von 300 bis 500 Milliarden US-Dollar generieren werden.

Wer als „Juicer“ E-Scooter über Nacht einsammelt, auflädt und am Morgen wieder verteilt, bekommt meist weniger als einen gesetzlichen Mindestlohn ausgezahlt. (c) Markus Spiske

Ob es bei der Erwirtschaftung solcher massiven Gewinne fair zugeht, steht auf einem anderen Blatt. Lässt sich aufgrund des jungen Alters der meisten Sharing-Anbieter*innen noch nicht genau sagen, ob dessen Mitarbeiter*innen faire Arbeitsbedingungen vorfinden, kommen hierzu jedoch erste Zweifel auf. So bekommt laut Recherchen der Zeitschrift taz ein Juicer – also jemand,der die leeren E-Scooter abends einsammelt, auflädt und am Morgen wieder in der Stadt verteilt – pro geladenen Roller in Berlin vier Euro vom Sharing-Anbieter Lime ausgezahlt. So ein „Juicer“ ist dabei aber keineswegs bei dem Unternehmen eingestellt, sondern arbeitet diese*r selbstständig und muss daher für alle laufenden Kosten für Internet, Versicherung, Steuern, Benzin, das eigene Fahrzeug und den Strom für die Akkus selbst aufkommen. Die Auftraggeber aber umgehen somit einfach und bequem Forderungen nach Mindestlöhnen und entziehen sich somit ihrer sozialen Verantwortung. Gar nicht mal so fair also. Ob derartige Geschäftsmodelle in Zukunft Bestand haben können und dürfen steht vielleicht noch in den Sternen, eines dürfte aber bereits jetzt schon klar sein: Verkehrswende geht anders.

Der Preis des Klimawandels – Die CO2-Steuer

14. August 2019 By

Der Klimawandel ist längst alltäglich spürbar. Höchste Zeit also richtige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine davon könnte die CO2-Steuer sein. Ob sie funktionieren kann oder scheitert, hängt auch von politischen Entscheidungen ab.

Rekord! In kaum einem Sommer zuvor ist die Temperaturanzeige vieler Außenthermometer öfters über die 30 Grad-Marke gestiegen als in diesem. Dabei leuchtete aber nicht nur ihre gut sichtbare Signalfarbe rot auf, sondern ganze Landstriche. So war bereits der Sommer 2018 ein Rekordsommer der Waldbrände und es scheint nicht unwahrscheinlich zu sein, dass sich auch 2019 dieser verheerende Trend weiter fortsetzen wird. Alarmstufe Rot also. Aber wer jetzt denkt, das alles sei nur das Ergebnis von natürlichen Zufällen wie Blitzschlägen oder Ergebnis unachtsam weggeworfener Kippenstummel der oder die irrt. Denn als Ursache lässt sich durchaus ein weiterer Bekannter anführen: der Klimawandel. Er lässt die Polkappen schmelzen und somit wichtige Wetteraktivitäten, wie die Starkwindbänder des globalen Jetstreams versiegen. Verschwinden diese Winde, bleibt ein Wetterhoch länger bestehen als sonst, was eben letztlich zu Dürren und zu einem erhöhten Waldbrandrisiko führt.

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CO2-Steuer: Was ist das?

Das Entscheidende dabei ist, dass solche Umweltkatastrophen zu einem Großteil menschengemacht sind. Es liegt demnach nahe, dass der Mensch dafür auch aufkommen muss. Und der Preis ist dafür ziemlich hoch. Die ökonomischen und ökologischen Kosten, die durch Waldbrände entstehen, sind dabei nur ein Beispiel von vielen. Man könnte also die Rechnung beliebig weiterführen. Wer kommt aber dafür auf? Die Antwort scheint klar zu sein: Wir. Bezahlt werden soll dabei in Form einer Steuer, genauer gesagt mit Hilfe einer sogenannten CO2-Steuer. Denn schließlich ist es der übermäßige Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) der als Ausgang des Klimawandels verantwortlich gemacht werden kann. Die CO2-Steuer lässt sich dabei als Abgabe verstehen, die dann an den Fiskus entrichtet werden muss, sobald Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Konkret heißt das, dass der Staat einen bestimmten Preis festlegt, der pro Tonne CO2 anfällt und dann in Form erhöhter Steuerbeiträge auf fossile Heiz- und Kraftstoffe  von Industrie und Konsumenten entrichtet werden muss. Offiziell spricht dabei die Bundesregierung und allen voran Bundesumweltministerin Svenja Schulze von einer „CO2-Bepreisung“ .

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Wie so eine Bepreisung für Unternehmen und Privathaushalte funktionieren kann, steht noch nicht endgültig fest, mehrere Gutachten verraten aber, welche offiziellen Absichten und Ziele hinter der Maßnahme stecken. So etwa das vom Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen ausgearbeitete Sondergutachten „Aufbruch in eine neue Klimapolitik“.  Auf dessen Grundlage will die Bundesregierung mit Hilfe des neu geschaffenen Klimakabinetts bis zum 20. September ein umfangreiches und konkretes Klimaschutzgesetz vorlegen. Ziel einer solchen CO2-Bepreisung soll es sein, stärkere Anreize für Unternehmen zu schaffen, mehr Investitionen in umweltfreundlichere emissionsärmere Geräte und Anlagen zu tätigen. Auch für Privathaushalte soll die CO2-Steuer vor allem ein Mittel darstellen, das Ressourcennutzungsverhalten so zu verändern, dass diese weniger verschwenderisch mit Kraft- und Heizstoffen umgehen. Ganz offiziell soll die CO2-Steuer also „eine effiziente Lenkungswirkung erzielen, um die Treibhausgase über Verhaltensanpassungen zu reduzieren.“

Ist eine CO2-Steuer überhaupt möglich?

Ob so eine CO2-Steuer letztlich eine gute Idee ist oder nicht, hängt auch davon ab, ob sie gerecht und somit sozialverträglich ist. Das ließe sich erstmal anzweifeln. Denn wird Benzin und Heizöl teurer, werden vor allem diejenigen unfair behandelt, die für ihren Job täglich in deutsche Großstädte pendeln müssen oder generell auf dem Land auf ihr Auto angewiesen sind. Nicht ganz fair dürfte es auch für die zugehen, die in schlecht isolierten Altbauten die Heizung auf Fünf drehen müssen. Aber stimmt das? Nicht ganz. Denn mag zwar noch nicht endgültig feststehen, wie so eine Bepreisung konkret zu realisieren ist, doch aber, dass durch eine CO2-Bepreisung keine Mehreinnahmen für den staatlichen Geldbeutel geschaffen werden sollen. Vielmehr sollen die erzielten Einnahmen zur Entlastung von Bürger*innen und Unternehmen verwendet werden.

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Laut einem weiteren Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung funktioniert das so: Bei einem einheitlichen anfänglichen Steuersatz (2020) von 35 Euro pro Tonne CO2 steigt dieser jährlich bis 2030 um 14,50 Euro auf insgesamt 180 Euro pro Tonne. Die ohnehin anfälligen Energiesteuern werden anteilig um diesen steigenden Betrag erhöht. Gleichzeitig soll aus diesen erhöhten Steuereinnahmen ein Klimabonus von 80 Euro pro Kopf und Jahr ausgezahlt werden, um somit Privathaushalte fair zu entlasten. Zudem sollen die aus der CO2-Steuer gewonnenen Mehreinnahmen eine Senkung der Stromsteuer bewirken und somit für weitere Entlastungen sorgen. Aber neben der verfolgten Sozialverträglichkeit steckt dahinter noch eine weitere Absicht. Denn so sollen höhere Kosten für fossile Brennstoffe und gleichzeitig niedrigere Strompreise die Menschen zum Umstieg auf alternative Mobilitäts- und Energiekonzepte bewegen. Aber auch zur Sparsamkeit soll angeregt werden. Denn wer am Ende weniger verbraucht, hat mehr von seinem Klimabonus.

Ob es dieses oder ein anderes Modell in den endgültigen Gesetzesentwurf schaffen wird, bleibt abzuwarten– auf allzu große Akzeptanz dürfte es aber so oder so nicht stoßen. So gaben zwar in einer Umfrage von ARD und Infratest dimap 81 Prozent der Befragten an, dass sie der Meinung sind, dass es hinsichtlich des Klimaschutzes einen großen oder sehr großen Handlungsbedarf gibt. Außerdem sind 85 auch Prozent der Befragten der Ansicht, dass dieser Handlungsbedarf nicht ohne persönliche Einschränkungen möglich sei. Zugleich sind jedoch 34 Prozent der Befragten gegen die Einführung von konkreten Maßnahmen wie der Realisierung einer CO2-Steuer. Es gibt also noch so einigen Diskussionsbedarf.

Parklets statt Parkplätze?

22. Juli 2019 By

Gehwegerweiterungen für mehr öffentlichen Raum in den Städten.

Wem gehört der öffentliche Raum? Eine spannende Frage, doch muss sich eher gefragt werden, wo denn dieser öffentliche Raum zu finden ist, über dessen Nutzung man noch diskutieren kann. Der öffentliche Raum umfasst alle Flächen, die einer Gemeinde oder einer öffentlichen Einrichtung gehören und frei zugänglich sind – in der Praxis sind das meist Parkanlagen, Plätze, Wege für Fußgänger*Innen und Radfahrende sowie die Flächen für den Kraftfahrzeugverkehr. Und hier herrscht eine strikte Aufgabenverteilung vor: Parks sind zum Verweilen, Fußgängerwege zum Gehen und Straßen zum Fahren da. Klingt erstmal logisch, aber es gibt durchaus Gründe diese vorbestimmte Nutzung des öffentlichen Raumes nicht als gegeben hinzunehmen. So erfolgt die strikte Trennung zwischen Entspannung und Bewegung und zwischen den verschiedenen Fortbewegungsarten nicht gerecht: Der Straßenverkehr nimmt pro transportierter Person eine viel größere Fläche ein als alle anderen Verkehrsmittel. Er nimmt überproportional viel des öffentlichen Raums ein und lässt so wenig Freiräume auf den übrigen Flächen. Diese spezialisierte und einseitige Nutzung schafft es damit nicht, für eine vielfältige und lebendige Atmosphäre und eine soziale Durchmischung zu sorgen, was aber eine zentrale Funktion des öffentlichen Raumes wäre.

In München werden in einem Pilotprojekt acht Parkbuchten vorübergehend zu Parklets umgestaltet.

Dabei werden immer wieder Versuche unternommen, diese Funktionstrennung aufzubrechen, um den öffentlichen Raum aufzuwerten und Städte so gerechterer und lebendiger zu gestalten. Ein häufiger Kritikpunkt ist dabei der sogenannte ruhende Verkehr – parkende Autos. Im Schnitt werden PKWs in Deutschland nur 45 Minuten am Tag genutzt. Die restlichen 23 Stunden stehen sie meist auf öffentlichem Raum und blockieren so knappe Flächen, die auch anders genutzt werden könnten. Steigende Einwohnerzahlen und Siedlungsdichten erfordern weitere Aufenthaltsmöglichkeiten in den Städten und zunehmende Temperaturen, die in den Städten für Hitzewellen sorgen, erfordern ausgleichende Grünflächen.

Eine mögliche Antwort auf diese Erfordernisse: Ein Parklet. Das ist eine (grüne) Erweiterung des öffentlichen Gehwegs, welche anstelle von Parkplatzflächen mehr Raum für alle Menschen schafft. Es bietet zum Beispiel Sitzflächen, Bäume, Blumen, Sträucher, Witterungsschutz, Beleuchtung oder Fahrrad-Abstellmöglichkeiten. Durch den Verzicht eines festen Fundaments kann es schnell und kostengünstig nachbarschaftliche Gemeinschaft fördern, wo sonst schmale Gehwege ein Verweilen unmöglich machen. Durch die gemeinschaftliche Nutzung kann das Parklet ein Treffpunkt für Anwohner werden und so den Nachbarschaftscharakter des Viertels stärken.

Die ersten Parklets wurden Anfang der 2000er Jahre in San Francisco aufgestellt, damals noch als ungesetzliche Versuche, öffentlichen Raum zurückzuerobern. Mittlerweile wurde das Konzept in der Stadtplanung aufgegriffen und immer mehr Städte versuchen sich in der (temporären) Umnutzung von Parkplätzen. Die erste deutsche Stadt, die Parklets aufgestellt hat, ist Stuttgart. Hier wurde im Sommer 2016 in Zusammenarbeit zwischen der Universität und der Stadt Stuttgart das Projekt “Parklets für Stuttgart” als Realexperiment durchgeführt. Dabei ist auch die Anleitung How to Parklet  enstanden, in der Hinweise für die Umsetzung in anderen Städte und Projekten gegeben werden. Auch in München wird die temporäre Umnutzung von Parkplätzen im Sommer erprobt. Im Auftrag des Baureferats der Landeshauptstadt München realisiert Green City e.V.  gemeinsam mit Anwohner*Innen die Umgestaltung von insgesamt acht Parkbuchten im Westend. Sollten diese den neuen öffentlichen Raum gut annehmen, könnten in Zukunft mehr Parklets genehmigt werden.

Wie die Bevölkerung die Parklets dann aber nutzt, ist ihr weitestgehend selbst überlassen. Und damit sind Konflikte um die Nutzung des öffentlichen Raumes nicht auszuschließen: In der Bergmannstraße in Berlin wird darüber diskutiert, ein Pilotprojekt mit Parklets vorzeitig abzubrechen, da sich die Anwohner*Innen durch nächtliche Trinkgelage und zurückgelassenen Müll auf den Gehwegerweiterungen gestört fühlen. Parklets deswegen aber nur mit Alkoholexzessen und nächtlicher Ruhestörung in Verbindung zu bringen, greift zu kurz: Durch die Neuerschließung von mehr öffentlichem Raum muss vielmehr die Frage gestellt werden, wie dieser genutzt werden soll, um Städte lebenswerter zu machen


(c) Alle Bilder: Sebastian Preiß

Rebellion im Namen des Klimas

19. Juni 2019 By

Was die globalen Protestbewegungen bewirken können und welche Herausforderungen sie mit sich bringen

Der Protest gegen den menschengemachten Klimawandel nimmt an Fahrt auf. Die „Fridays for Future“-Bewegung lockt weltweit Woche für Woche abertausende Schüler*Innen auf die Straße, die gegen die fortschreitende Zerstörung von Klima und Ökosystem demonstrieren. Begonnen hat alles mit der 16-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg, die freitags nicht mehr zur Schule ging, um für eine wirkungsvollere Klimapolitik zu demonstrieren. Ihr folgen mittlerweile immer mehr Jugendliche, die regelmäßig freitags oder zu größeren Demonstrationen den Schulunterricht boykottieren. Am 15. März 2018 waren es laut Angaben der Bewegung sogar weltweit fast 1,8 Millionen Jugendliche und andere Unterstützer*Innen, die für ein Umdenken in der Klimapolitik demonstriert haben.

Die Forderung an die politisch Verantwortlichen lautet Maßnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen, damit die Zukunft der Jugend von heute und morgen nicht durch eine vom Menschen verursachte Klimakatastrophe zerstört wird. Konkret wird der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, die Intensivierung der Nutzung erneuerbarer Energien und der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs gefordert. Außerdem soll das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt werden, um die Partizipationsmöglichkeiten junger Menschen zu verbessern. Die Protestbewegung hat dabei in ihren Forderungen weitreichende Unterstützung erfahren, am prominentesten durch „Scientists for Future“. Dieser Zusammenschluss von mehreren Zehntausenden Wissenschaftler*Innen teilt die Wahrnehmung des Klimawandels als Bedrohung für zukünftige Generationen und bekräftigt die Dringlichkeit der Forderung der Schüler*Innen.

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Fridays for Future hat weitreichende Unterstützung erfahren, darunter von der Filmagentur forStory, die sie mit diesem Video unterstützen. (c) forStory

Gesetzesverstöße aus moralischen Gründen

Die Proteste der Jugendlichen während der Unterrichtszeit stellen eine Verletzung der Schulpflicht dar – eine Ordnungswidrigkeit, die bewusst begangen wird, um zu zeigen, dass man nicht für eine Zukunft lernen müsse, die nicht weiter lebenswert sei. Die Demonstrationen stellen damit eine Form des zivilen Ungehorsams dar, bei dem aus moralischen Gründen bewusst gegen rechtliche Normen verstoßen wird. Durch diesen Gesetzesbruch wird Aufmerksamkeit auf einen als größeres Unrecht wahrgenommen Missstand gelenkt und Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung ausgeübt. Ein Schritt, der den Macher*Innen der Fridays for Future-Bewegung durchaus geglückt ist und reichlich Wirbel in den Medien erzeugt hat. Und damit auch andere zu Aktionen motiviert hat: Im Herbst 2018 hat sich in London die Gruppierung „Extinction Rebellion“ gegründet, was so viel wie „Rebellion gegen das Aussterben“ bedeutet. Die Gruppe teilt mit Fridays for Future die Wahrnehmung des Klimawandels als akute Bedrohung, geht aber in ihren Forderungen noch weiter: Die Regierungen sollen die Wahrheit über die akute Bedrohung durch die Klimakrise kommunizieren und Gesetze erlassen, durch die bis 2025 die Netto-Emissionen der Treibhausgase auf null gesenkt werden. Überwacht werden soll dies von einer Bürgerversammlung. Und auch in ihren Maßnahmen ist die Gruppe deutlich radikaler: Neben Trauermärschen und Theaterflashmobs setzt die Gruppe, insbesondere in London, auf Blockaden von Brücken, Straßen und anderen wichtigen Verkehrsknotenpunkten. Unbedingt friedlich und gewaltlos sollen diese ablaufen, aber eine Verhaftung wird nicht nur in Kauf genommen, sondern ist für manche Teilnehmer*Innen sogar Ziel des Protests: Bei Blockaden an Ostern 2019 wurden von der Polizei in London mehr als 600 Aktivist*Innen in Gewahrsam genommen. Denn sie nehmen die Lage als so ernst wahr, dass sie bereit sind, ins Gefängnis zu gehen um für ihre Sache Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das Kalkül dahinter: Wenn genügend normale, unbescholtene Bürger bereit sind, für ihre Überzeugungen hinter Gitter zu gehen, können sie von den Medien, der Politik und der breiten Öffentlichkeit nicht länger ignoriert werden.

Die Zivilgesellschaft als Taktgeber moralischer Revolutionen

Natürlich stellt sich die Frage, was diese Aktionen, die von manchen als aufopferungsvoll und von anderen als naiv bezeichnet werden, wirklich bewirken können. In erster Linie schaffen sie Aufmerksamkeit und ein Bewusstsein für das Thema, was bei einer steigenden Anzahl von Menschen zu einem Umdenken führen kann – und schließlich zu einer Revolution. Zu einer moralischen Revolution wohlgemerkt, einer fundamentalen Erweiterung und institutionelle Verankerung eines neuen Wertebildes in der Weltgemeinschaft. Was vorher über sehr lange Zeit gesellschaftlich akzeptiert oder ignoriert wurde, in diesem Fall das tatenlose Zusehen bei der Zerstörung des Klimas, kann dann innerhalb kurzer Zeit international geächtet werden. Dies kann dann einen Wandel in politischen Institutionen, der Wirtschaft und in Technologien mit sich bringen. Und das kann dann auch tatsächlich wirkungsvollen Klimaschutz bieten.

Dass der moralische Kompass so schnell eine andere Richtung einschlägt, klingt erstmal ziemlich utopisch. Doch andere moralische Revolutionen, wie zum Beispiel die Einführung des Frauenwahlrechts, die Abschaffung der Sklaverei oder die Einführung der Demokratie zeigen, dass innerhalb der Zeitspanne von nur kurzer Zeit ein Umdenken von weiten Teilen der Weltgemeinschaft möglich ist.

Die Proteste und Demonstrationen haben also tatsächlich Potential, andere moralische Verhaltensmuster hervorzubringen und so neue gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Werte und Normen zu prägen, die vielleicht wirklich etwas gegen den Klimawandel ausrichten können.

Leben oder Überleben?

Doch der Blick auf die anderen moralischen Revolutionen zeigt auch, dass damit oft nur ein Teil des Problems gelöst wird: Nur weil in vielen Staaten der Erde Frauen wählen dürfen, kann noch lange nicht von echter Geschlechtergerechtigkeit gesprochen werden und nur weil die Sklaverei offiziell verboten ist, heißt das nicht, dass Ausbeutung und menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse der Vergangenheit angehören.

So verhält es sich auch beim Klimaschutz. Ja, er mag das drängendste Problem sein und ja, es geht ums Überleben. Ein radikales Umsteuern in der Klimapolitik ist erforderlich, um die Zukunft der Menschheit zu sichern. Aber wir stehen vor der Herausforderung, nicht nur das Überleben zu sichern, sondern auch gegenwärtigen Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen. Und das besteht eben nicht nur aus dem bloßen Überleben einer Klimakatastrophe, sondern sollte auch Entfaltungs- und Entwicklungschancen für ein gleichberechtigtes Leben beinhalten.

Die Herausforderung des Klimawandels ist damit im Kern kein rein ökologisches Problem, sondern auch eine Frage von sozialer Gerechtigkeit. So sollte nicht bloß die Frage im Zentrum stehen, was wir ändern müssen, damit die Menschheit eine Zukunft hat, sondern wir müssen auch die Frage stellen, wie eine Gesellschaft aussehen soll, in der jeder Mensch, egal ob er oder sie hier oder in einem anderen Staat geboren wird, heute oder in hundert Jahren, dieselben Rechte auf ein würdevolles Leben hat. Die aktuellen Proteste haben die Möglichkeit, ein Umdenken anzustoßen und wichtige Schritte gegen eine menschengemachte Klimakatastrophe zu unternehmen. Aber es ist auch wichtig, die Frage sozialer Gerechtigkeit in diesem Zuge miteinzubringen.


(c) Bild Extinction Rebellion: Julia Hawkins

(c) Video Fridays for Future: forStory

Der Social Impact – Nachhaltigkeit messbar machen

22. Mai 2019 By

Soziale Unternehmen und Initiativen wollen mit ihren Ideen die Welt ein Stück besser machen. Ob das letzten Endes gelingt, können konkrete Fakten verraten. 

Wer einen echten sozialen Mehrwert schaffen will, sollte mit echten sozialen Absichten beginnen. Man muss es also wollen, gesellschaftliche Ungleichgewichte wieder ins Lot zu bringen oder Schützenswertes zu erhalten. Aber ein Wollen allein reicht oft nicht aus, zumindest dann nicht, wenn es um die Begründung und Rechtfertigung des eigenen Vorhabens geht – was dann zählt, sind konkrete Fakten. Für Start-Ups und Non-Profit Organisationen, die das Wort „sozial“ in ihrer Beschreibung tragen, zählt am Ende des Tages, ob die gesetzten Ziele Früchte tragen, also ganz real und ganz konkret Wirkung zeigen. Ist von einer solchen Wirkung die Rede, fällt oft der Begriff  des „Social Impact“.

Zielkriterien des Nachhaltigkeitsmanagements. (c) in Anlehnung an Stefan Schaltegger: Nachhaltigkeitsmanagement im Unternehmen.

So ein Social Impact lässt sich an vielen Stellen messen, denn soziale Veränderungen sind meist an ökonomischen und ökologischen Kennzahlen gekoppelt und andersherum. So ist es nicht schwer zu erkennen, dass beispielsweise die Förderung von nachhaltigen Mobilitätskonzepten vorhandene Schadstoffwerte in der Luft minimiert und damit die Lebensqualität in Großstädten verbessert. Gleichzeitig können mit neuen Mobilitätskonzepten neue Jobs geschaffen und reduzierte Unterhaltskosten erzielt werden, was wiederum einen besseren Zugang zu Mobilität ganz allgemein bedeuten kann. Ein Hersteller von Elektroautomobilen kann so etwa seinen Social Impact in geschaffenen Arbeitsplätzen, reduzierten Rohstoffverbräuchen oder erhöhten Verkaufszahlen konkret messbar machen.

Ein Social Impact lässt sich an vielen Stellen messen, denn soziale Veränderungen sind meist an ökonomischen und ökologischen Kennzahlen gekoppelt und andersherum. (c) Mike Bird

Welchen Nutzen hat die soziale Impact-Messung?        
Impact- oder Wirkungsmessungen helfen Social Entrepreneuren auf dem richtigen Pfad zu bleiben. Das ist im Grunde nicht neu. So gehört es zu den Grundlagen jeder erfolgreichen Unternehmensführung, regelmäßig relevante Finanzkennzahlen zu analysieren, um etwa den eigenen Gewinn maximieren zu können.

Sozialunternehmen und -initiativen verfolgen ihre Ziele auf ganz ähnliche Weise – nur eben mit einem Blick auf nachhaltige Ziele. Aber warum eigentlich? Das eigene Handeln kann so besser reflektiert werden und  das Verhältnis von Kosten und Nutzen besser abgeschätzt werden. Das gilt im Besonderen für die Kommunikation mit bestimmten Stakeholdern. So bietet die Messung und Darstellung des eigenen Social Impacts folgende Vorteile:

  1. Mitarbeiter*innen und Teilhaber*innen können mit Hilfe konkreter Fakten besser über strategische Entscheidungen informiert werden.
  2. Gegenüber Förder*innen und Geldgeber*innen können konkrete Fakten helfen, die eigene Ziele und Entscheidung besser zu argumentieren.
  3. Die Öffentlichkeit kann besser für bestimmte Themen sensibilisiert werden.

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Aber Achtung! Mag der beschriebene Nutzen auch groß sein, hat die Sinnhaftigkeit der Social Impact-Messung auch ihre Grenzen. Eine bloße Fokussierung von geleisteter Wirkung und erzieltem Ergebnis sagt über die Sinnhaftigkeit und Wert der geleisteten Arbeit an sich nichts aus. Wichtige interne Faktoren, wie die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz oder faire Arbeitsbedingungen im Allgemeinen können so bei der Ergebnismessung kaum berücksichtigt werden.

Auf die Methode kommt es an

Um den eigenen Social Impact messbar zu machen, werden – je nach Sachverhalt – sogenannte quantitative und qualitative Indikatoren benötigt, die eine soziale Wirkung in konkreten Zahlen und Aussagen „anzeigen“ können. Zudem gilt: Unternehmen und Initiativen sind in ihrer Arbeit und Ausrichtung sehr vielseitig. Somit ist auch die Komplexität möglicher Indikatoren nicht zu unterschätzen. Und während einige Wirkungen geplant und gewollt sind, können sich auch unvorhersehbare, oftmals unerwünschte Nebenwirkungen ergeben. Eine gute Methode Ordnung ins Chaos zu bringen, ist der Ansatz des Social Return on Investment oder kurz: SROI. Hierbei handelt es sich um einen  Ansatz, der darauf abzielt, gesellschaftliche Missstände zu minimieren und gleichzeitig Nachhaltigkeitsziele zu maximieren, indem soziale und ökologische Aspekte in wirtschaftliche Kosten und Nutzen integriert werden. Monetäre Ziele werden hier zum Mittel statt Zweck und dienen im besten Falle zur Umsetzung sozialer Absichten.

Unternehmen und Initiativen sind in ihrer Arbeit und Ausrichtung sehr vielseitig. Somit ist auch die Komplexität möglicher Indikatoren nicht zu unterschätzen. (c) Pixabay

Die Analyse selbst kann dabei viele verschiedenen Formen annehmen. Sie kann rückwirkend oder zukunftsbezogen ausgerichtet sein, genauso kann die soziale Wirkung eines gesamten Unternehmens oder aber die sozialen Aspekte eines einzelnen Projektes bewertet werden. Hinzu kommen noch Einschränkungen und Faktoren wie das sogenannte „Deadweight“,  das als den Teil des Social Impacts begriffen werden kann, der sowieso, auch ohne eigenes Handeln existiert. Der besagte Hersteller von Elektroautomobilen muss beispielsweise ebenso berücksichtigen, dass auch ohne dem eigens produziertem Gefährt sich der Anteil regenerativer Energie am bestehenden Energiemix erhöht. Doch der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit durch neue Mobilitätskonzepte ist nur ein Beispiel von vielen. In jedem Fall aber muss eine Impact-Messung anhand einer internen und externen Perspektive erfolgen. Denn die soziale Wirksamkeit des eigenen Vorhabens zu messen, bedeutet letztlich den eigenen Erfolg oder Misserfolg gesteckter Zielsetzungen herauszufinden.

Soziale Akteure sollte zudem darauf achten, bei der Durchführung der SROI-Methode transparent vorzugehen, um intern wie extern die eigenen Rechtfertigungsstrategien glaubhaft und nachvollziehbar gestalten zu können. Auch sollten alle wichtige Stakeholder in die Analysen einbezogen werden und das eigene Bemühen auf die wesentlichen Dinge beschränkt werden. Wer diese Grundvoraussetzungen erfüllt, kann sich bei der eigenen Analyse an den folgenden Schritten orientieren:

Schritt 1: Lege fest,  für wen du was untersuchen willst

Zu Beginn sollte natürlich klar sein, was eigentlich analysiert werden soll und welche Personen oder Interessengruppen dabei eine wesentliche Rolle spielen und deshalb mit ins Boot geholt werden sollten. So können vor allem Investoren eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, genügend finanzielle Mittel zur Durchführung der Analyse zur Verfügung zu stellen. Um auch wirklich alle wichtiger Interessensvertreter*innen zu erfassen, sollte eine Liste mit allen Personen und Institutionen erstellt werden, die aktive und passiv vom eigenen Handeln betroffen sind. Der Umfang sowie die Zielsetzung der SROI-Analyse können anhand der Beantwortung der folgenden Fragen bestimmt werden:

  • Was will ich mit der SROI-Analyse bezwecken?
  • Warum will ich den Analyse-Prozess eigentlich beginnen?
  • Wen möchte ich mit meiner Impactmessung erreichen?
  • Welche grundsätzliche Vision hat die eigene Organisation oder Projekt?
  • Welche internen Ressourcen, wie etwa Personal oder Geld, benötige ich?

Was auch immer der eigene Plan ist, folgende Bereiche sollten immer und bei jeder SROI-Methode beachtet werden. (c) SROI Primer 2004

Schritt 2: Erstelle eine Impact Map

Im nächsten Schritt soll mithilfe der ermittelten Stakeholder eine sogenannte Impact Map erstellt werden. Sie beschreibt, welche Ressourcen durch das eigene Start-up oder Projekt beansprucht (Input) und welche Resultate dabei erzielt werden (Output). Ziel dabei ist vor allem den hervorgerufenen sozialen Wandel anhand der eingesetzten Mittel (Outcome) bestimmen zu können. Eine hilfreiche Vorlage mit zusätzlichen Erklärungen zur Erstellung einer Impact Map gibt es hier zum Download

Schritt 3: Bestimme die richtigen Indikatoren

Grundsätzlich dürfte gelten: Social Impact bewirkt sozialen Wandel. Dabei stellt sich vor allem die Frage: Wie lässt sich herausfinden, ob auch wirklich ein Wandel entstanden ist?  Für die Antwort kommen hier nun die besagten Indikatoren ins Spiel. Dabei gilt grundsätzlich: Ein guter Indikator sollte immer anzeigen, ob überhaupt eine Wandel stattgefunden hat und in welchem Ausmaß. Aber Vorsicht! Der richtige Indikator muss nicht zwangsläufig dort gefunden werden, wo bereits Daten vorhanden sind. Das heißt: Etwas, das leicht zu messen ist,  liefert nicht zwangsläufig wichtig Informationen über die erzielte Wirkung des eigenen Vorhabens. Geeignete Daten müssen oft erst noch ermittelt werden. Dabei ist zu beachten, ob die eigenen Impact-Messung rückwirkend oder vorhersagend sein soll. Das ist nicht unwesentlich, denn davon ist abhängig, ob die benötigte Datenquelle externer oder interner Natur ist. Soll etwa der Impact eines in Zukunft geplanten Projektes gemessen werden, ist es hilfreich auf Erfahrungen und Auswertungen ähnlicher Projekte zurückzugreifen oder Daten über öffentlichen Rahmenbedingungen zu sammeln. Geeignete Quellen findet man etwa bei:

  • Regierungsorganisationen (z. B. Umweltbundesamt, statistischen Bundesamt)
  • Nahstehende Interessensverbänden (z. B. SEND e.V.)
  • Veröffentlichungen von Bildungseinrichtungen (z. B. Universitäten, Fachhochschulen)

Soll dagegen mit der Impact-Messung rückwirkend, das heißt, der Erfolg oder Misserfolg bereits getaner Arbeit gemessen werden, dann ist es sinnvoll die eigene Datenrecherche intern zu starten. Gewöhnlich lassen sich diese im eigenen direkten Umfeld finden. Geeignete Methoden dafür sind dafür etwa:   

  • die Durchführung persönlicher Interviews
  • das Abhalten von Workshops und Seminaren
  • die Informationsbeschaffung durch Fragebögen

Die Impact-Messung muss anhand einer internen und externen Perspektive erfolgen. Denn die soziale Wirksamkeit des eigenen Vorhabens zu messen, bedeutet letztlich den eigenen Erfolg oder Misserfolg gesteckter Zielsetzungen herauszufinden. (c) Pixabay

Ob intern oder extern – die Bewertung der nun ermittelten Ergebnisse muss anhand der in Schritt 1 gestellten Fragen erfolgen. Wichtig dabei ist zu berücksichtigen, dass manche Indikatoren länger brauchen um Erfolge anzuzeigen, als andere.

Schritt 4: Präsentiere deine Ergebnisse

Am Ende der Analyse steht die Kommunikation der eigenen Ziele im Vordergrund und somit die des Einflusses, der auf die Lösung eines gesellschaftlichen Problems ausgeübt wird. Kurzum: Man kann der Welt zeigen, was mit dem eigenen Projekt erreicht wurde oder erreicht werden soll. Zu welchen Zweck das eigene Reporting auch genutzt wird, ein Reporting sollte immer aus qualitativer und quantitativer Perspektive erfolgen. Darüber hinaus sollte es die Geschichte der eigenen Entscheidungen und den damit bezweckten Wandel erzählen können – aussagekräftig und transparent.

Du willst dich gleich an die Arbeit machen, hast aber noch offene Fragen? Kein Problem – alle hier beschriebenen Schritte entstammen aus dem Guide to Social Return on Investment. Dieser ist frei zugänglich und bietet zusätzliche Praxisbeispiele, Tipps und Hinweise, wie du den Social Impact deines eigenen Vorhabens erfolgreich messen und kommunizieren kannst. Außerdem findest du weitere Information und Anleitungen zur Steigerung deines Social Impacts hier.

Keine Tragik der Allmende

15. April 2019 By

Wie ein Wissenschaftsthriller unser Denken über Gemeinressourcen veränderte.

Kaum eine naturwissenschaftliche Veröffentlichung der letzten 50 Jahre verhalf einer wissenschaftlichen Karriere derart schnell in die Höhen des wissenschaftlichen Olymps, wie der 1968 veröffentlichte Artikel „The Tragedy of the Commons“. Dessen Autor, der amerikanische Biologe Garrett Hardin, hatte für den Beitrag keine langjährigen Feldstudien präsentiert, er hatte keine methodisch-komplizierten Experimente entworfen, Hardin hatte einfach nur beobachtet und postuliert: dass die Nutzung von natürlichen Ressourcen ohne staatliche oder privatisierte Verwaltung letztendlich zu deren nichtregenerierbarer Vernichtung führen würde. Zu einer Zeit, in der die Thematik der Commons nicht einmal in der wissenschaftlichen Literatur vorhanden war, brachte Hardin mit seinem Beitrag im Fachmagazin „Science“ Ökonomen, Politiker, ja ganze Gesellschaften dazu, über Ressourcenmanagement zu diskutieren.

Aber der Reihe nach. Was ist nun die Tragik der Allmende (wie der Titel auf Deutsch übersetzt lautet)? Das folgende Beispiel der Commons kennt vielleicht der eine oder andere, es ist sozusagen Hardins „Klassiker“: Man stelle sich ein frei zugängliches Feld vor, dass über eine begrenzte Fläche zum Grasen verfügt. Ein Feld eben, wie es in ländlichen Regionen tausendfach vorkommt. Nun gibt es eine Gruppe von Menschen, für die das Feld eine Ressource ist. Jeder Hirte, so Hardin, will so viele seiner Schafe wie möglich auf einem räumlich begrenzten Feld weiden lassen. Mit jedem zusätzlichen Schaf bringt der individuelle Hirte die Ressource „Feld“ in Bedrängnis – bis sie schließlich so überbewirtschaftet wird, dass kein einziges Schaf mehr auf ihr weiden kann. Der finale Akt der Tragödie ist, dass alle Hirten somit ihre lebenswichtige Ressource (Schaf) verloren haben, weil niemand sich verantwortlich für den Erhalt des Feldes sieht. Die Logik hinter dieser Tragödie lässt sich auf andere Ressourcen, zu denen theoretisch alle Zugang haben, erweitern: Edelmetale, Klima oder Trinkwasser.

Rationale Tragik

Hardin folgte in diesen Szenarien strikt dem etablierten Menschenbild des Homo oeconomicus’: Die einzelnen Hirten handeln genau dann rational, wenn sie es verstehen, sich einen tatsächlichen Mehrwert mit den begrenzten und verfügbaren Ressourcen zu verschaffen. Jedes weitere Schaf, das ein Hirte durchbringt, hat somit einen echten zusätzlichen Nutzwert. Handeln aber alle Beteiligten rational, stirbt die Ressource. Daher sprach Hardin auch explizit von einer „Tragik“. Denn gerade weil (ökonomisch) rational gehandelt wird, ist die Ressource ja in Gefahr: Ihr Ende ist besiegelt, es ist unausweichlich.

Hardin ging davon aus, dass Menschen ohne die Intervention des Staates beziehungsweise ohne das Regelwerk der Privatisierung eine frei öffentlich-zugängliche Ressource über einem nachhaltigen Gleichgewicht hinaus bewirtschaften. Die Privatisierung würde im Fall der Hirten eine Aufteilung der Ressource in gleichwertige Teile bedeuten. So gibt es nicht mehr das gemeinschaftlich-öffentliche Feld, sondern Peters, Pauls, oder Paulinas privates Feld. Eine gemeinschaftliche Einigung der Hirten untereinander, meinte Hardin, ohne eine privatisierende Aufteilung der Ressource oder eine staatliche Intervention kann es nicht geben.

Ohne einer geeigneten Ordnung lässt sich kaum nachhaltig wirtschaften. (c) Samuel Zeller

Doch wie es ein echter wissenschaftlicher Thriller so will, lag Hardin spektakulär falsch. Seine Theorie der Tragik der Allmende wurde über Jahrzehnte hinweg empirisch falsifiziert und zwar von der Amerikanerin Elinor Ostrom. Für ihre Arbeit zu den Commons erhielt sie 2009 als erste Frau den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Ostrom führte auf der ganzen Welt Feldstudien über das Verhalten von Menschen gegenüber frei zugänglichen Ressourcen durch. Egal ob die Fischereien von Maine, die Bergdörfer der Schweiz oder Japan, nepalesische Wälder oder spanische Bewässerungssysteme, Menschen schaffen es überall, sich dezentralisiert und unabhängig externen Kontrollsysteme Regeln zu geben, um ihre Ressourcen nachhaltig zu bewirtschaften.

Grundlegende Eigenschaften des Commoning

Aber was macht erfolgreiches Commoning aus? Das Commoning ist eine bestimmte Art des Wirtschaftens, die weder die „für-jeden-das-Gleiche“-Utopien des Kommunismus abbilden noch in irgendeiner anderen Art und Weise exotisch-archaischen Gesellschaftsformen zugeordnet werden können. Es gibt aber ein paar grundlegende Unterschiede zur Wirtschaftslogik der Privatisierung.

Erstens gibt es im Commoning niemals einen Exklusivbesitz auf eine Ressource, sondern immer einen Mitbesitz. Ich kann also nicht einfach mit einem Teil der Ressource machen, was ich will – wie das zum Beispiel in gewisser Weise mit meinem exklusiven Eigentum möglich ist, sondern ich bin für den Teil des Mitbesitzes der Ressource verantwortlich. Die Verantwortung ist meistens, nicht immer, proportional nach der Nutzung gegenüber der Ressource geregelt.

Zweitens ist ein ganz entscheidender Faktor bei jeder Form der Allmende der Prozess, in dem die Regeln der Nutzung festgelegt werden. Die Privatisierung ermöglicht es, demjenigen, der die Ressource besitzt – meistens und im gewissen Maße – die Nutzungsregeln dieser Ressource zu bestimmen. Dies ist fundamental anders in Allmenden. Der Regelkanon muss von allen Beteiligten, also allen Mitnutzern der Allmende, partizipativ und in mehreren Schritten erstellt werden. Entscheidend ist hierbei auch nicht, sogenannte „Best-Case-Szenarien“ heranzuziehen und möglichst getreu zu kopieren und zu implementieren. Entscheidend ist, dass es für die Ressourcenverwaltung des Commoning kein Patentrezept gibt und auch nicht geben soll. Die Regeln zur Verwaltung der Ressource muss immer an den Ort mit seinen Eigenartigkeiten, seinen natürlichen Gegebenheiten, seiner Historie angepasst werden. Daher hat Ostrom auch nie versucht, einen Regelkanon für Allmenden zu entwerfen, sondern prinzipielle Bausteine, die die fundamentalen Bedingungen spezifizieren.

Die Hochgebirgsweiden im schweizerischen Törbel

Einer der ersten Gemeinschaften, die Ostrom in ihren Feldstudien analysierte, waren die Bewohner des Hochgebirgsdorfs Törbel im Kanton Wallis der Schweiz. Der niedrigste Punkt des Dorfes befindet sich auf etwa 700, der höchste auf knapp 3.000 Meter. Das Dorf hat also eine spezielle topologische Anbaustruktur – entlang des Bergstiegs zwischen Vor- und Hochalpen.

Im schweizerischen Tröbl gilt auch heute noch die sogenannte „Winterregel“. (c) Ivan Louis

Ostrom untersucht zunächst das soziale Gefüge der Dorfgemeinschaft. Auffallend ist die Übereinstimmung der einzelnen Bewohner hinsichtlich der Zukunft des Dorfes: es besteht ein allgemein großes Interesse, das Dorf für die nächsten Generationen lebenswert zu konservieren. Die meisten Bewohner leben von der Viehzucht und versorgen sich heute noch teilweise selbst. Ab etwa 2.000 Metern beginnen die Hochalpen, dessen Weiden in der heißen Jahreszeit für den Weidegang des Viehs genutzt werden können. Dieser Teil des Dorfes ist nicht privatisiert und somit das Fundament der Allmende in Törbel. Hier würde sich nach Hardin nun die Tragik entfalten, denn jeder Bewohner würde nun versuchen, das Maximum an Weidefläche für sich herauszuschlagen. Nicht in Törbel. Denn Dank der 1517 festgelegten „Winterregel“ von Törbel ist die Anzahl des Viehs, die jeder Bauer auf die Alm bringen darf, auf die Anzahl reglementiert, die er selbstständig durch den Winter bringen kann. Der Schweizer Ethnograph Gottfried Stebler, der bereits in Tröbel geforscht hatte, berichtet 1922 von zusätzlichen Verpflichtungen, derer sich ein Bauer bei einer bestimmten Zahl Vieh annehmen muss: Ab der siebten Milchkuh ist eine Abgabe pro Kuh zu Zahlen sowie einen Tag Arbeit pro zusätzlicher Kuh für die Restaurierung und Instandhaltung der Weide-Infrastruktur zu leisten. Törbel hat heute auch noch eine Alpenkommission, die sich um die regelmäßigen Verwaltungsaufgaben kümmert, wie zum Beispiel die Kostenverteilung der Allmende, die Messung der Milchquantität pro Kuh oder die Verteilung des Käses pro Milchmenge einer Kuh.

Ostroms Grundprinzipien einer Allmende

Am Beispiel Törbels kann man auch die polyzentrischen Strukturen der Organisation der Allmende erkennen, die Ostrom als Grundprinzip der Gemeingüterverwaltung sieht. Eine Allmende wird über verschiedene – dem kulturellen und sozialen Gegebenheiten des Ortes entsprechenden – hierarchischen Strukturen aufgebaut. In Törbel zum Beispiel wählt jeder Nutzer die Alpkommission als eine Regulierungsinstanz, entledigt sich damit aber nicht jeglicher Verantwortung gegenüber der Allmende. Wie Ostrom in ihren anderen Studien immer wieder feststellte, ist eine Allmende alles andere als ein „free-for-all“-Ressourcenraum. Im Gegenteil: Sie ist von den Beteiligten sehr stark reglementiert. Ostrom formulierte insgesamt elf Grundprinzipien der Allmende:

  1. Bedeutung: Die Allmende ist der dritte Weg zwischen Privatisierung und Verstaatlichung.
  2. Grenzen: Eine Allmende ist kein Selbstbedienungsladen. Es gibt eine Grenze zwischen denen, die sie nutzen können, und den Ausgeschlossenen.
  3. Regeln: Es gibt kein allgemeines Gesetz der Allmende. Sie sind an den Ort der Allmende angepasst.
  4. Anerkennung: Die Allmende funktioniert, wenn staatliche Institutionen sie und ihre Regeln anerkennen.
  5. Ressourcen: Die Allmende baut Ressourcen für die geteilte Nutzung auf.
  6. Nutzen: Gemeinressourcen ermöglichen den Nutzern mehr Auswahl, Information und Verfügungsmacht.
  7. Kosten: Gratis ist eine Lüge. Die Allmende kostet. Sie muss aufgebaut, unterhalten, geregelt, und überwacht werden. Die Kosten werden proportional zur Verteilung des Nutzens aufgeteilt. Keiner nimmt kostenlos beliebig viel mit.
  8. Überwachen: Die Einhaltung der Regeln und der Zustand der Ressourcen müssen kontinuierlich überwacht werden.
  9. Konflikt: Streit und Auseinandersetzungen werden schnell, günstig und direkt gelöst. Die Regeln werden gemeinsam abgemacht.
  10. Strafe: Wer Regeln verletzt, wird bestraft. Die Strafen reichen bis zum Ausschluss aus der Allmende.
  11. Ende: Für den, der nicht mitwirken kann oder will, muss der Ausstieg geregelt sein.

(Aus der 2017 herausgegebenen Sonderausgabe der „Hochparterre“  zum Thema „Sharing“)

Grenzen der Allmende

Ist die Allmende nun eine Wirtschaftsform, die unseren Planeten besser und nachhaltiger macht als die Privatisierung – und das grundsätzlich? Nein. Für eine erfolgreiche Allmende müssen bestimmte Faktoren zusammenkommen. Da wäre zum Beispiel die überschaubare Anzahl an Akteuren. Zwar sagt Ostrom explizit, dass die Nutznießer einer Allmende allein durch ihr gegenseitiges Interesse an der Ressource verbunden sein müssen, es wird aber auch immer wieder die Bedeutung der sozialen Beziehungen, das Vertrauen untereinander, hervorgehoben. In einer Welt der technologischen Infrastrukturen, die Menschen die Möglichkeit geben spontan wegzuziehen oder sich global und digital auszutauschen, ist es fraglich, ob die Allmende sich festigen und ihre Stärke ewahren kann. Grundsätzlich zeigt sie aber eines ganz sicher: der Mensch ist nicht notwendigerweise ein Homo oeconomicus, sondern ein kooperatives Wesen, dass eine Ressource nachhaltig und balanciert für die künftigen Generationen konservieren kann.


(c) Titelbild: Rod Long

Wo geht die Reise hin, relaio?

12. April 2019 By

relaio entwickelt sich weiter und wird die Onlineplattform für gesellschaftlichen Wandel.

relaio verändert sich und erscheint jetzt nicht nur in neuem Design, sondern stellt sich auch inhaltlich breiter auf. Bisher war nachhaltiges Unternehmertum das Hauptaugenmerk von relaio: Soziale Innovationen und nachhaltige Produkte, die eine Alternative zu gegenwärtigen Konsum- und Lebensweisen bieten und Aufmerksamkeit für Probleme und gesellschaftliche Missstände schaffen. Doch oft können sie nur einen kleinen Beitrag dazu leisten, das dahinterliegende Problem zu lösen. Nachhaltige Innovationen verbreiten sich in der Gesellschaft oft nicht weit genug, um sich als echter Gegenentwurf zu etablieren und alte, nicht nachhaltige Praktiken werden nicht abgelegt – die Probleme bleiben bestehen. Auch viele Gründer*innen, die eine Menge Herzblut in ihre Projekte stecken und den persönlichen Profit dahinter weit zurückstellen, stehen vor dieser Herausforderung. Ein gutes Beispiel hierfür sind Einwegkaffeebecher. Obwohl es nachhaltigere Alternativen gibt, nämlich den eigenen Becher mitzubringen oder Pfandsysteme mit Mehrwegbechern, ändert sich wenig an der Menge der weggeworfenen und schwer recyclebaren to-go Becher. Auch gehen die nachhaltigen Komponenten der Innovation oft in bestehenden technischen und ökonomischen Dynamiken unter: Produkte, die die Welt ein Stück besser machen sollen, gekauft aus den besten Absichten, mögen vielleicht ökologischer oder sozialer sein als konventionelle Massenware. Aber im bestehenden Wirtschaftssystem werden sie meist genauso nur konsumiert. Dies geschieht zum Beispiel oft mit nachhaltig und fair produzierten Klamotten, die dann genau wie die Fast Fashion nach einer Saison im Schrank hängen bleiben. Dabei hätten viele Innovationen sehr wohl das Potential, etwas zu ändern und Probleme nachhaltig zu lösen. Doch dafür müssten sich gewisse gesellschaftliche Grundvoraussetzungen ändern.

Warum brauchen wir gesellschaftlichen Wandel?

Das mag auf den ersten Blick zwar nicht als die oberste Priorität erscheinen, besonders wenn es sich um ökologische Probleme handelt, die vermeintlich nach einer technischen Herangehensweise verlangen. So wie das zum Beispiel CO2-Emissionen sind, die scheinbar gut durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden können. Um zu verstehen, warum gesellschaftliche Veränderungen notwendig sind, ist deshalb zunächst ein Blick zurück hilfreich. Wir befinden uns gerade in einem Epochenwechsel, dem Beginn des Anthropozäns, in dem die Menschheit erstmals in ihrer Geschichte dabei ist, globale geoökologische Prozesse selbst zu beeinflussen, während sie zuvor einseitig der Beeinflussung durch die natürliche Umwelt unterworfen war. Zwei große Transformationen haben die Menschheit dorthin geführt, wo sie jetzt ist: die neolithische Revolution und die industrielle Revolution. Der Wandel zur Agrargesellschaft und schließlich zur Industriegesellschaft hat die menschliche Existenz zunehmend von den Begrenzungen der Natur emanzipiert und weiten Teilen der Menschheit ein Leben jenseits des bloßen Überlebens ermöglicht. Diese beiden großen Umbrüche waren weitgehend ungesteuerte Ergebnisse evolutionären Wandels, in denen neue technologische und ökonomische Möglichkeiten den Takt vorgaben – mit weitreichenden Folgen für die Gesellschaft. Im Kontext der industriellen Revolution kam es zu einem Prozess, den der ungarisch-österreichische Wirtschaftswissenschaftler Karl Polanyi bereits 1944 als „Die große Transformation“ bezeichnet hat. Damit bezeichnete er die stetig fortschreitende Verselbstständigung und Entbettung des Wirtschaftssystems gegenüber der Gesellschaft und den Regeln des sozialen Zusammenlebens. Dadurch, dass Geld, Arbeit und Boden als Waren kapitalistisch in Wert gesetzt und am Markt gehandelt werden, sind sie traditionellen sozialen Kontrollmechanismen entzogen. Die stetig voranschreitende technologische und wirtschaftliche Entwicklung wurde so mit einer wachsenden sozialen Ungleichheit und einem individuellen Gewinnstreben ohne Rücksicht auf den Rest der Gesellschaft oder die Umwelt verbunden. Die zeitgleich entstehenden Nationalstaaten haben es dabei nicht geschafft, diese Entwurzelung abzudämpfen, sondern eher sogar aktiv vorangetrieben, so dass am Ende dieser Entwicklung eine Marktgesellschaft steht, in der Wirtschafts- und Konsumweisen weltweit soziale und ökologische Probleme verursachen, aber nicht dem Wohl der Menschheit dienen. Dies bedeutet mitnichten, dass früher alles besser gewesen wäre oder es frühere soziale Kontrollmechanismen geschafft hätten, soziale Gerechtigkeit für die Bevölkerung zu bringen, aber sie hielten die Kräfte des Marktes im Griff. Um eine Wende in Richtung Nachhaltigkeit zu erzielen, ist es daher notwendig, die Leitidee in den Vordergrund zu stellen, ein gutes Leben für die gesamte Weltbevölkerung zu organisieren. Dazu müssten Wirtschaft und Technologie wieder in einen gesellschaftlichen Ordnungsrahmen eingebettet werden, der es aber ermöglicht, soziale Gerechtigkeit zu schaffen und einen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.

 

relaio ist ein Projekt der Hans Sauer Stiftung

Doch wie kann eine Gesellschaft aussehen, die ein gerechtes Leben für alle schafft und dabei die Belastungsgrenzen unseres Planeten achtet? Welche Werte, Praktiken und Technologien müssen sich ändern, damit wir die Welt und die Gesellschaft, in der wir leben, nachhaltig gestalten können? Und wer sind die Akteure, die dazu beitragen können, dass sich in unserer Gesellschaft ein Wandel in Richtung Nachhaltigkeit im ganzheitlichen Sinne vollzieht? relaio möchte mit der Erweiterung des Themenfeldes dazu beitragen, Antworten auf diese Fragen zu finden und einen gesellschaftlichen Wandel aktiv vorantreiben. Dazu vermitteln wir auf unserer Plattform nicht nur Wissen über gesellschaftliche Transformationen und Nachhaltigkeit, sondern liefern unter anderem auch Ansätze, wie Wohnen oder Bildung in Zukunft aussehen könnte, setzen uns mit alternativen Wirtschaftsweisen auseinander oder diskutieren politische Konzepte und demographische Entwicklungen. Außerdem stellen wir Akteure vor, die aktiv Gesellschaftlichen Wandel vorantreiben und zeigen Möglichkeiten, wie man selbst Wandel mitgestalten kann.

Betreiber und Initiator von relaio ist die Hans Sauer Stiftung, die im Jahr 1989 von dem Erfinder und Unternehmer Hans Sauer gegründet wurde. Die weitgehend operativ arbeitende Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, gezielt technische und soziale Innovationen zu fördern, ethische, ökologische und interkulturelle Fragestellungen in den Innovationsprozess zu integrieren und die Entwicklung von Kompetenzen für verantwortungsbewusstes Denken und Handeln zu fördern. Hans Sauer war der Meinung, dass Innovationen generell aus einer sozialen und ethischen Motivation heraus entstehen sollten und dabei von spürbaren gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen sein sollen. relaio will mit seiner inhaltlichen Entwicklung dieser Sichtweise Rechnung tragen.


(c) Alle Bilder Sebastian Preiß

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