• Menschen
  • Wissen
  • Aktuelles
  • Über uns

relaio.de

Die Plattform für nachhaltiges Unternehmertum

  • Menschen
  • Wissen
  • Aktuelles
  • Über uns

Störer – für eine bessere Kommunikation

Der Industriedesigner Nils Enders-Brenner hat ein Gerät entwickelt, dass die Menschen zu mehr Sprechkultur erzieht.

Eine Gruppe Studierender sitzt zusammen und diskutiert den durchgenommenen Stoff. Ein Student spricht. Plötzlich fällt ihm eine Studentin ins Wort und auf einmal reden alle durcheinander. Nicht gerade höflich und für jeden etwas schwierig – aber an sich eine ganz normale Situation, solange man alles hört. Doch wenn eine Person dabei ist, die schwerhörig oder  taub ist, dann ist es ein Ding der Unmöglichkeit  einer solchen Diskussion zu folgen. Um seine Mitstudierenden in so einem Moment auf ihr Handeln Aufmerksam zu machen, hat Nils Enders-Brenner den Störer entwickelt. Ein Gerät, das in dem Augenblick, wenn eine Person zu schnell oder laut spricht oder jemanden unterbricht, ein Störgeräusch von sich gibt und signalisiert, dass gerade etwas nicht passt.

Schon während des Bachelorstudiums in Kunst und Design an der Universität Bozen, hat Nils das Thema zwischenmenschliche Kommunikation begleitet. Nach einem Auslandsjahr in Schweden im Anschluss an seinen Bachelor verschlug es ihn für den Masterstudiengang Industrial Design nach München. Bei der Suche nach einem Thema für seine Masterarbeit, entdeckte er die Methode des Experience-Designs für sich: „Dabei denkt man weniger an die Lösung, sondern setzt sich erst einmal an die Recherche und Forschung und versucht daraus etwas zu entwickelt.“

Ein kulturelles Problem?

Beim Interview von hörgeschädigten Studierenden an der LMU in München, kristallisierten sich drei Hauptprobleme heraus, die die Probanden hatten. Erstens: Professoren, Mitarbeiter und Studierenden wissen nicht, wie sie mit Hörgeschädigten kommunizieren sollen. Zweitens: Die Trennung zwischen Hörenden und Hörgeschädigten, beispielsweise durch unvollständige Mitschriften (da diese nie ganz vollständig sein können) oder Gebärdendolmetscher (wobei nicht jeder Gehörlose die Gebärdensprache versteht, besonders wenn sie von den Lippen ablesen können). Drittens: Die Schwierigkeiten, die in Lerngruppen auftreten und dazu führen, dass Hörgeschädigte selten daran teilnehmen. „In Italien und Amerika ist das beispielsweise anders, die sind freundlicher und offener. In Deutschland gibt es da nicht so eine große Bereitschaft sich ‚einzuschränken‘ bzw. anderen mehr entgegenzukommen“, sagt Nils.

Nils Enders-Brenner mit dem Prototyp des Störers.

Was also tun? Normalerwiese wird ein Produkt, laut Nils, dem Menschen angepasst. In diesem Fall ist es aber umgekehrt, denn der Mensch muss sich hierbei an das entworfene Objekt anpassen und beispielsweise seine Sprechgeschwindigkeit reduzieren. Nils hat also weitergeforscht, mit Hörenden Gruppen und gemischten Gruppen von Hörenden nicht Nicht-Hörenden. Die gemischte Gruppe stellte sich als viel effizienter raus. Die hörenden Studierenden verstanden im Austausch besser die Probleme der Hörgeschädigten. Entwickelt wurden daraus vor allem App-Ideen, die bei Nils nicht auf Zuspruch stießen: „Bei einer App ist man immer vom Smartphone abhängig, daher kam das für mich nicht in Frage.“

Sprecherziehung für Hörende

Der Störer – wobei dieser Name noch nicht final ist – kommt ganz schlicht daher. Eine Runde, schwarz-graue Box, in der Mitte ein kleines Loch mit einem Mikrophon. Wenn der Störer dann erst mal angeschaltet ist, versteht man das Konzept schnell: spricht man zu schnell oder sind die Hintergrundgeräusche zu laut, gibt er ein unangenehmes Brummen von sich. Das irritiert erst mal. „Wenn das dann öfter passiert, lernt man langsamer und deutlicher zu sprechen, sodass auch ein Hörgeschädigter ohne Probleme von den Lippen ablesen kann“, sagt Nils.

Aber der Störer kann auch in anderen Bereich genutzt werden. Wie zum Beispiel als Präsentationstrainer, um eine bestimmte Sprechgeschwindigkeit beizubehalten, in Schulen, wenn die Kinder zu laut sind oder wenn ein Gebärdensprachdolmetscher dabei ist und der Redner selber zu schnell spricht, erinnert ihn der Störer daran, dass er langsam reden muss, damit die Gebärden auch zeitgleich das Gesagte wiedergeben können. 

Nils Enders-Brenner im Oskar-Miller-Forum während der Munich Creative Business Week.

Im Zuge seiner Masterarbeit hat Nils auch ein einmonatiges Stipendium der Hans Sauer Stiftung für den MakerSpace der TU München bekommen. „Die Zeit im MakerSpace hat mir Sicherheit und Motivation gegeben selber mit dem Lötkolben zu arbeiten – da war ich mir vorher immer unsicher. Ich wollte in dieser Zeit vor allem Dinge lernen und beobachten, wie gewisse Dinge funktionieren“, sagt Nils.

Nils arbeitet daran, dass der Störer kleiner wird und noch weniger auffällt. Daher soll er bestenfalls am Ende aus Holz und Kork bestehen. Statt einem Mikrofon soll es mehrere geben, damit das Gerät auch in größeren Gruppen funktioniert. Interessenten, wie die Dolmetscher-Studierenden der Hochschule Landshut, gibt es bereits. Mit ihnen plant Nils eine längere Testphase, um den Störer zu perfektionieren.  Dafür will er aber zuerst eine Software entwickeln: „Damit soll das Gerät einfacher zu bedienen sein, also auch für Menschen, die keine Codesprache beherrschen.“ Der soziale Mehrwert seiner Arbeit ist ihm bei allem, was er entwickelt, sehr wichtig. „Für mich ist der soziale Mehrwert  eine Selbstverständlichkeit.“ Und das Thema ist ihm auch ein persönliches Anliegen – Nils ist selbst hochgradig schwerhörig.


(c) Alle Bilder: Daria Stakhovska

Too Good To Go – Auf den Teller statt in die Tonne

Ein Start-Up zeigt, dass vom nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln alle profitieren.

Keine Hektik! Warum auch, denn egal wie lang der Tag im Büro oder in der Uni auch ist, die Theken und Töpfe von Restaurants, Cafés und Obstläden sind bis spät abends prall gefüllt. Einerseits, weil wir es so wollen und der Handel im Kampf um jeden Kunden mitspielt, andererseits, weil ein solches Überangebot einen Wettbewerbsvorteil bietet, den man als Konsument gerne annimmt. Was nun mehr stimmt, bleibt ungewiss. Sicher ist jedoch, dass durch diesen Überfluss eine ganze Menge Lebensmittel weggeworfen werden. So landet das meiste, das nach Laden- und Küchenschluss übrig bleibt, nicht auf dem Teller, sondern im Müll – allein in Deutschland jährlich knapp elf Millionen Tonnen.

Was also tun? Diese Frage stellten sich 2015 auch die drei Dänen Stian Olesen, Thomas Bjørn Momsen und Klaus Pedersen als sie zusehen mussten, wie am Ende eines Restaurantbesuchs noch gutes Essen einfach entsorgt wurde. Die Antwort war schnell gefunden: „Too Good To Go“. Entstanden ist damit eine App, die Anbieter überproduzierter Speisen und Lebensmittel mit hungrigen Interessenten vernetzen will, die bereit sind, nach Laden- oder Restaurantschließung die Reste für einen günstigeren Preis abzuholen. Wie genau das funktioniert, weiß Teresa Rath. Sie kümmert sich unter anderem um das Marketing des deutschen Ablegers der mobilen Anwendung: „Die App ist super unkompliziert aufgebaut. Auf der Startseite werden direkt alle Angebote in der näheren Umgebung angezeigt. Der Nutzer kann sich aussuchen, auf was er Lust hat und es nach Art des Essens und angebotener Uhrzeit filtern. Ist das Essen ausgesucht, wird direkt über die App bezahlt und das Essen muss zur angegeben Zeit nur noch abgeholt werden“, erklärt Teresa.

Aussuchen, bestellen, bezahlen — geregelt wird alles mithilfe der App. (C) To Good To Go

Ziel dahinter ist es eine Situation zu schaffen, von der letztendlich jeder etwas hat. Lebensmittelhändler und gastronomische Betriebe können ihr gutes Essen noch an Frau und Mann bringen, müssen es also nicht entsorgen und die Kunden profitieren vom reduzierten Preis und tragen gleichzeitig zum nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln bei. Das Start-Up selbst bekommt für jede verkaufte Mahlzeit einen Euro Provision – eine Win-Win-Win-Situation also. Dabei werden vor allem wertvolle Ressourcen geschont. „Darauf sind wir super stolz! Wir haben jetzt schon insgesamt vier Millionen Mahlzeiten vor der Tonne gerettet, womit 7.000 Tonnen C02 eingespart werden konnten“, erklärt Teresa. Um das zu erreichen, soll zudem das gesamte Konzept so nachhaltig wie möglich gestaltet werden. Dafür will das Start-Up auch eine Gemeinschaft entstehen lassen, deren Mitglieder sich nicht nur als effiziente Unternehmen und Schnäppchenjäger verstehen, sondern als Mitglieder einer Community von Lebensmittelrettern. Teresa betont dabei: „Für uns ist es wichtig, dass verschiedenen Akteure gemeinsam an einer Lösung mitwirken können. Man hat das ja oft, dass die Leute gegenseitig mit dem Finger auf sich zeigen: Die Politik schiebt es auf den Handel, der wiederrum schiebt es auf die Verbraucher. Selbst wenn das stimmt, es bewegt sich dabei nichts. Daher war uns wichtig, verschiedene gesellschaftliche Akteure miteinander zu vernetzen.“

Und die Community wächst schnell: Mittlerweile gibt es die App des Start-Ups in neun europäischen Ländern mit rund vier Millionen Nutzern. Allein in Deutschland sind es momentan eine Million. Hierzulande wird die App von einem Team von 20 Mitarbeitern gesteuert. Der fast gleichzeitig zum dänischen Pendant gegründete deutsche Ableger ist dabei in über hunderten Orten vertreten. Neben Städten mit der höchsten Nachfrage wie Berlin und Hamburg, gibt es das Angebot der App auch mehr und mehr in ländlichen Gebieten. Aber auch im großen Rahmen will das Start-up weiterhin wachsen. So soll die App in immer weiteren Ländern verfügbar sein. 

In Deutschland gibt es „Too Good To Go“ mittlerweile in über 300 Gemeinden und Städten. (C) To Good To Go

Auch neue Kundengruppen sollen erschlossen werden. So gibt es schon einige Supermärkte, die ihre übrig gebliebenen Lebensmittel über die App anbieten. Kritische Fragen, ob so ein Angebot anderen, bereits bestehenden Initiativen, wie der Tafel, schaden würden, weist Teresa zurück: „Man kann dort sehr gut in Kombination mit anderen Initiativen zusammenarbeiten. Sie funktionieren organisatorisch auch nochmal ganz anders. Das lässt sich gut kombinieren, da wir ganz andere Mengen vermitteln können. Bei uns kommen die Kunden etwa direkt in den Laden und holen sich ihre Bestellung einfach ab. Dabei lassen sich auch geringere Mengen retten, die sich etwa für die Tafel nicht lohnen würden abzuholen. Mit Too Good To Go können somit auch frisch zubereitete Lebensmittel mitgenommen werden. Da können wir einfach sehr gut Hand in Hand arbeiten und eine Lücke füllen.“


(C) Titelbild: To Good To Go

shoemates – Schritt für Schritt eine gute Sache

Wie ein Start-up mit dem Prinzip „Get One, Give One“ afghanischen Kindern den Zugang zur Schulbildung erleichtert

Der Wecker klingelt – wie immer viel zu früh. Was dann passiert ist jedem, der schon mal eine Schule besucht hat, vertraut: Es folgt ein Sprint vom Bett ins Klassenzimmer, begleitet von der Hoffnung, dass am Ende, dieses nicht ganz freiwilligen Workouts, keine Ex in Mathe wartet. Dann die Erleichterung, kein Test – Glück gehabt. Oder doch nicht? Denn was oft als Schrecken aus der Kindheit in Erinnerung bleibt, ist eigentlich ein Privileg und das hat einen Namen: Bildung. Sie ist ein Mittel, für unsere Selbstverwirklichung – beruflich wie privat.

Der Schulbesuch als Sprungbrett in ein selbstbestimmtes Leben ist im wohlhabenden Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Ganz anders in Afghanistan. In dem von Krieg und Terrorismus zerrüttenden Land, fehlt es an fast allem und ganz besonders an Geld. Tägliche Gewalt, Vertreibung und eine steigende Armutsrate von fast 40 Prozent hindern etwa jedes dritte afghanische Kind am regelmäßigen Schulbesuch. Wenn Bildung hier eines nicht ist dann selbstverständlich. Obaid Rahimi will das ändern. Dafür hat der 30-jährige Hamburger mit afghanischen Wurzeln das Projekt „Shoemates“, ein Online-Shop mit eigener Schuh-Kollektion, ins Leben gerufen.

Mit Schuhspenden sollen afghanische Schulkinder eine bessere Chance auf Bildung erhalten. (C) shoemates

Besonders ist daran, dass jedes Paar Schuhe nach dem Prinzip „Get One, Give One“ verkauft wird. Die Idee dahinter: Findet hierzulande etwa ein Paar Sneaker einen neuen Eigentümer, wird analog ein paar Schuhe an ein afghanisches Schulkind gespendet. Während das verkaufte Paar in Spanien oder Portugal produziert wird, wird das gespendete Paar wiederum dort produziert, wo es auch zum Einsatz kommen soll – also in Afghanistan. Fragt man warum, hat Obaid eine pragmatische Antwort parat: „Weil ich durch meine afghanischen Wurzeln direkten Kontakt in das Land habe und somit die richtigen Leute für das Unternehmen finden konnte. Mein Onkel ist dort in einer Menschenrechtsorganisation tätig und hat uns mit einem Produzenten und einer NGO zusammengebracht, die uns ganz genau sagen können, wer die Schuhe erhält und wann – das ist uns wichtig.“ Und zwar aus gutem Grund: So wird durch die lokale Produktion der Schuhe einerseits die Wirtschaft vor Ort angekurbelt, andererseits wird garantiert, dass die Spende auch dort ankommt, wo sie hin soll – nämlich bei den Schulkindern. Und die haben in gleich zweierlei Hinsicht etwas davon. Durch eine stärkere heimische Wirtschaft können sich mehr afghanische Familien die Mittel für den Schulbesuch ihrer Kinder leisten und die gespendeten Schuhe ermöglichen das Bestreiten des Schulweges durch unwegsames Terrain. Das ist nicht zu unterschätzen, in einem Land in dem Hochgebirge und Subtropen aufeinandertreffen.

Obaid hat Philosophie und BWL in Hamburg studiert und letzteres nochmal im Masterstudiengang an der Uni Passau. Dort ist in dieser Zeit auch die Idee zu shoemates entstanden. Zusammen mit seinen Kommilitonen Julia Jockwer und Marc Langener ist im Rahmen eines Gründungswettbewerbs und mit einem Startkapital von fünf Euro sowie der Gründung einer GbR das Projekt ins Rollen gekommen. „Wir hatten ein Semester Zeit um ein Unternehmen aufzubauen. Das lief viel besser, als gedacht. Wir haben es sogar geschafft Schuhe zu produzieren und zu verkaufen. Letztlich haben wir ein Preisgeld von circa 1.500 Euro gewonnen. Das haben wir reinvestiert, mehr Schuhe bestellt und 2015 eine GmbH gegründet. Alles ungefähr in einem Jahr,“ sagt Obaid. Ganz neu war die Idee nicht. Angelehnt ist Shoemates an Obaids weiterhin bestehendem Vorgängerprojekt „headmates„, bei dem aber keine Schuhe, sondern Mützen im Vordergrund stehen.

Obaid Rahimi — Mitbegründer von shoemates. (C) Barabara Lersch

Für den Wechsel von der Mütze zum Schuh gibt es zwei wesentliche Gründe. Neben der Möglichkeit sie auch in kleinen Mengen vergleichsweise günstig herzustellen, ist es vor allem der Mangel an qualitativ brauchbaren Schuhspenden. „Schuhe werden tendenziell kaum gespendet, beziehungsweiße sind die Spenden in einem so schlechten Zustand, dass die Menschen, die sie benötigen, nicht sehr viel davon haben. Da gibt es eine große Nachfrage“, sagt Obaid. Um diese zu stillen, wurde neben den online angebotenen Schuhen, ein Spendenschuh entwickelt, der nicht modisch, sondern in erster Linie funktional ist. Wäre der Schuh zu modisch, bestünde zu leicht die Gefahr, dass er, anstatt getragen zu werden, weiterverkauft wird – damit wäre die Arbeit des Start-ups wirkungslos.

Man muss überlegen, was ein afghanisches Kind denkt, wenn es einen neuen Schuh bekommt. Habe ich ein neues Paar Schuhe oder etwas, dass ich verkaufen kann. Damit das nicht passiert, haben wir einen Schuh gewählt, der nicht modisch ist. Ein simpler, robuster Schuh in schwarz, der den Fuß komplett umgibt und absolut funktional ist – aber ohne Weiterverkaufswert.

Obaid Rahimi – Gründer von Shoemates 

Anders sieht es bei der Produktion der Schuhe aus, die via Online-Shop vertrieben werden und die finanzielle Haupteinnahmequelle des Unternehmens sind. Wurden diese zu Beginn noch als White Label geordert und mit dem eigenen Markenemblem versehen, wird mittlerweile ein Designer beauftragt, mit dessen Zusammenarbeit bereits eine Vielzahl an Modellen entstanden sind. Dabei wird versucht einem Nachhaltigkeitsgedanken gerecht zu werden, indem die Produktion 2017 vollständig von Asien nach Europa verlagert wurde und Rohstoffe wie Leder nur aus kontrollierter Herstellung bezogen werden. Um die dabei anfallenden Aufgaben bewältigen zu können, ist um shoemates ein fünfköpfiges Team entstanden.

Mit ihrem Angebot will shoemates weiter wachsen und den europäischen Markt erobern. (C) shoemates

In Zukunft hat das Team noch viel vor. Das nächste Ziel ist Eroberung des nordeuropäischen Marktes, bei dem die Niederlande den Anfang machen sollen. Auch das Team wird bald um zwei neue Mitarbeiterinnen wachsen. Langfristig sollen auch südeuropäische Länder zu Absatzmärkten werden. Vor allem im Online-Handel und seinen Prozessstrukturen sieht Obaid die Möglichkeit gegeben diese Ziele auch zu erreichen. „Damit kannst du Vieles mit wenig Aufwand erreichen“ –  und für die Bildung lohnt sich das allemal. 


(c) Titelbild: shoemates 

„Uns ist wichtig, wie man etwas macht und nicht nur was.“

Wie ein Startup die Arbeit von Fahrradkurieren sozialer gestaltet und mit einer Mitfahrzentrale für Dinge aller Art zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit beiträgt

Bequemer könnte es kaum sein. Beinahe alles lässt sich heutzutage mit einem einfachen Klick online bestellen und in Windeseile nach Hause liefern. Der Haken: besonders nachhaltig ist das nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn etwa eine nachhaltige Zahnbürste mit einem alten Dieselfahrzeug transportiert wird und der Fahrer dieses Gefährts mehr schlecht als recht bezahlt wird. Um das zu ändern, wurde TiMMi Tranport ins Leben gerufen. Entstanden ist damit ein Start-Up, das einerseits mit einer eigenen Online-Plattform deutschlandweit die Arbeit von Fahrradkurieren fair gestalten will und anderseits mehr Raum für Soziales und ein Beitrag zum Umweltschutz leisten soll. Dafür wurde außerdem eine Mitfahrzentrale für zu transportierende Dinge ins Leben gerufen. In Form einer Community-Plattform können mit dessen Hilfe Privatpersonen und ehrenamtliche Organisationen Lieferungen von A nach B transportieren lassen, indem sie von Menschen mitgenommen werden, die ohnehin auf der gefragten Strecke unterwegs sind. Das spart CO2 und bringt Menschen wieder näher zusammen. Wie es dazu kam und was hinter den Kulissen das Start-Ups passiert, hat uns die Gründerin des Start-Ups Christina Kleinau im relaio-Interview verraten.   

Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Start-Up wie TiMMi Transport zu gründen?

Christina: Ich habe in Wirtschaftsethik promoviert. Dabei wurde immer wieder darüber gesprochen, dass nachhaltige Geschäftsideen dringende gesellschaftliche Probleme lösen sollen und somit die besseren Geschäfte sind. Aus Konsumentensicht hatte ich zudem beobachtet, dass es zwar nachhaltige Produkte gibt, sie meist aber nur online bestellbar sind. Da kommt eine Lieferkette zustande, in der schlecht bezahltes Personal in umweltschädlichen Fahrzeugen diese dann ausliefern – das ist total inkonsistent. Deswegen haben wir uns letztendlich dem Thema der nachhaltigen und fair bezahlten Lieferung angenommen. Gleichzeitig war Ende 2015 die Flüchtlingssituation sehr präsent. Viele Sachspenden waren nötig. Die gab es auch und man wusste, wo sie hinmüssen, jedoch gab es ein Transportproblem. Man wusste nicht, wie man die Spenden von einem zum anderen Ort bringen sollte. In diese Lücke sind wir gesprungen und haben gesagt: „Wir probieren es einfach aus!“ Indem wir mit einer Organisationsplattform online gehen und schauen wer sich da anmeldet, um etwas zu transportieren.

Als Mitgründerin von TiMMi Transport will Christina Kleinau (links) für mehr Nachhaltigkeit in der Mobilität kämpfen. (C) TiMMi 

Also war Flüchtlingsversorgung euer Startschuss?

Christina: Ja, die Idee war schon da, aber das war letztlich der Initialzünder um es auszuprobieren. Das hat auch gut funktioniert. Wir haben tausende Kilogramm an Sachen durch die Stadt bewegt, innerhalb von einem Tag. Dafür musste alles ziemlich zügig im Hintergrund ablaufen. Wir sind dadurch schnell mit unserer Plattform online gegangen – innerhalb von zwei Wochen. Wir versuchen also schon Lean-Methoden umzusetzen, indem wir erstmal etwas entwickeln und den Leuten in die Hand geben, bevor wir versuchen es zu perfektionieren. Klar, zu Beginn war es schon sehr rudimentär, aber es hat ausgereicht – jemand kann einen Auftrag aufgeben und jemand kann darauf antworten: „Ja, das mach ich.“

Mittlerweile nutzen auch andere Menschen eure Plattform?

Christina: Meistens sind es Lieferungen für gemeinnützige Organisationen, generell auch Sachen die irgendwo vergessen wurden. Oder Dinge von kleineren, nachhaltigen Produzenten, die ihre Produkte über unsere Plattform versenden. Es gab auch mal ein Projekt für nachhaltige Särge, die mit Hilfe einer Mitfahrgelegenheit transportiert wurden, dann aber mit einem Auto. Für die Lieferoption „Mitfahrgelegenheit“ gibt es keine Bindung an Fährräder.

Als Lieferoptionen bietet ihr professionelle Kurierdienste und private Mitfahrgelegenheiten an: Warum eigentlich beides?   

Christina: Professionelle Lieferoptionen mit einer Garantie, dass die Lieferung sicher und schnell ankommt, bilden einen großer Bestandteil der Nachfrage am Markt, den wir mit Mitfahrgelegenheiten allein nicht abdecken könnten. Am liebsten würden wir als Zentrale und Plattform für verschiedene Fahrrad-Kurierdienste gesehen werden. Das ganze aus dem Hintergrund, dass ein Unternehmen uns gefragt hatte, ob sie unsere Plattform für Mitfahrgelegenheiten nutzen können, um ihre Lieferungen ausfahren zu lassen – gegen Bezahlung. Das ist natürlich für professionelle Fahrradkuriere interessant. Und so sind wir immer mehr mit Kurieren ins Gespräch gekommen. Wir haben uns dann gedacht: „Ja klar, alles was umweltfreundlich ist, machen wir mit.“ So hat sich es entwickelt, dass wir die Software und ihre Funktionen weiterentwickelt und angepasst haben, damit sie auch für die Kurier-Profis gut funktioniert.   

Das TiMMi-Kernteam (v.l.n.r.): Alex, Christina, Petros & Sandra (C) TiMMi

Wir stemmt ihr das alles finanziell?

Christina: Die Software selbst, die die tagtägliche Arbeit der Kuriere digital abbildet und vereinfacht, wird vergütet. Wenn wir den Kurieren neue Aufträge bringen, bekommen wir auch eine Provision. Wichtig zu wissen ist: diese Softwarelösung, für die Profi-Kuriere, ist nicht dieselbe wie die Community-Plattform für die Mitfahrgelegenheiten. In der öffentlichen Plattform nehmen wir keine Gebühren, verdienen also nichts daran. Ursprünglich hatten wir schon gedacht, auch da eine Provision einzuführen, aber die Option der Mitfahrgelegenheit wird größtenteils für gemeinnützige und ehrenamtliche Lieferungen genutzt, die eh kostenfrei sind. Hinzu kommt, dass die Abwicklung sehr kompliziert ist. Wir arbeiten schon Vollzeit, sind jedoch noch förderungsgestützt. Unsere größte Förderung war bisher ein Technologie-Gründerstipendium der Sächsischen Aufbau Bank. Zudem sind zwei kleinere Seed-Investoren dabei, die uns finanziell helfen. Es soll aber darauf hinauslaufen, mit professionellen Lieferoptionen den Lebensunterhalt zu verdienen und die gemeinnützige Säule der Mitfahrgelegenheiten zu tragen.

Einfach ist das bestimmt nicht immer: Was ist momentan eure größte Herausforderung?

Christina: Momentan gibt es ein großes Wachstum im Same-Day-Delivery-Bereich durch Online-Shops. Andere Kurier-Plattformen, die daran verdienen wollen, werden meist mit viel Wagniskapital unterstützt und drücken die Preise. So gibt es Angebote für fünf Euro pro Lieferung innerhalb von 90 Minuten. Die 25 Euro die es eigentlich kostet, wird den Kurieren mit Hilfe des Wagniskapitals zwar bezahlt, aber die Kunden bekommen davon nichts mit und denken: „Ach toll, nur fünf Euro“. Das Problem der Kuriere ist, dass sie somit diesen Unternehmen helfen in den Markt einzusteigen und gleichzeitig zum Preisdumping der eigenen Arbeit beitragen. Das ist für uns natürlich eine riesen Herausforderung, weil wir für faire Preise und Arbeitsbedingungen kämpfen wollen.

Welches Ziel habt ihr vor Augen, wenn ihr solchen Unternehmen die Stirn bietet wollt?  

Christina: Ziel ist der Aufbau einer Community. Der Gedanke ist, dass die Person die deine Sachen liefert – egal ob über die Community Plattform oder über den Profibereich – weniger anonym ist und menschliche Interaktionen mehr im Vordergrund stehen. 

Gerade bei Online-Shops ist die Lieferung die einzige menschliche Interaktion, die noch stattfindet

Es ist das Gefühl, dass wir damit transportieren wollen, dass alle füreinander wirtschaften. Allgemein war es nie der Wunsch ein Start-Up zu gründen, was nur zum Geldverdienen da ist, sondern auch gesellschaftliche Probleme löst. Der Anspruch ist das System nachhaltiger zu gestalten. Uns ist wichtig, wie man etwas macht und nicht nur was.


(c) Titelbild: Timmi Transport

Be My Eyes – Die App für den richtigen Durchblick

Das dänische Start-Up hat sich zum Ziel gesetzt mit einem relativ einfachen Tool blinden Menschen im alltäglichen Leben zu helfen – mit Erfolg

Eigentlich wollte Hans Jørgen Wiberg Landwirt werden. Schon als Kind. Mit 25 Jahren – fast fertig mit allem, was er für seinen Wunschberuf brauchte – bekam er die Diagnose Retinitis Pigmentosa, auch bekannt als Tunnelblick. Die Krankheit führt dazu, dass die Netzhaut immer mehr abstirbt und sich das Sichtfeld verkleinert – am Ende sind die Betroffenen blind. Noch ist es nicht soweit bei Hans. Es ist ein schleichender Prozess. Aber er lässt sich davon nicht unterkriegen. Er wechselt das Fach, studiert Philosophie, heiratet und betreibt mit seiner Frau eine Firma, die alte Möbel restauriert. Nebenher arbeitet er als Berater für eine dänische Blindenvereinigung. Dabei kommt ihm 2012 eine Idee: Könnte man nicht eine App entwickeln, die Blinden im Alltag hilft?

 

Be My Eyes-Gründer Hans Jørgen Wiberg

 

Auf einem Wochenende für Start-Ups fand der 54-Jährige die passenden Mitstreiter und bis Ende 2013 schaffen sie es Stiftungsgelder in Höhe von 30.000 US-Dollar zu sammeln. Über ein Jahr entwickeln sie eine App, mit der Blinde bei ganz alltäglichen Problemen, wie „Ist die Milch noch haltbar?“ oder „Habe ich jetzt das richtige Programm der Waschmaschine eingeschaltet?“, Hilfe bekommen. Freiwillige können sich die App runterladen und bei einem Problem über die Videofunktion die Fragen beantworten. 2015 launchten die Dänen die App und mittlerweile gibt es 83.000 Nutzer und 1,4 Millionen Freiwillige, die die App installiert haben. Geholfen werden kann in 182 Sprachen. „Wir bieten eine neue Sprache erst an, wenn es mindestens 50 registrierte Helfer gibt, die sie als Muttersprache sprechen“, sagt Hans. So stellen sie sicher, dass es auch wirklich Hilfe gibt, wenn sie gebraucht wird. Die Freiwilligen geben immer eine Muttersprache an und, wenn vorhanden, eine zweite, die sie gut beherrschen. Sollte gerade niemand mit der passenden Muttersprache für den Blinden da sein, wird immer nach einem muttersprachlichen Helfer gesucht, der dem blinden in seiner zweiten Sprache matcht.

Full-Profit für mehr Service

Angefangen hat das Team von Be My Eyes als Non-Profit-Unternehmen. Doch schnell war klar, dass sie mehr Geld brauchten. Weitere Fördergelder zu generieren, stelle sich jedoch als schwierig heraus. Also änderten sie ihren Status zu einem Full-Profit-Unternehmen und fanden Investoren, die das Projekt weiterfinanzierten. „Bis vor einigen Monaten hat die App immer noch keinen Gewinn abgeworfen“, sagt Hans. Doch seit Neuestem gibt es die Möglichkeit entweder einen freiwilligen Helfer oder einen spezialisierten Helfer anzufragen.  Spezialisierter Helfer steht für spezialisiert in einem bestimmten Bereich. Bisher konnten wir dafür den Support von Microsoft gewinnen. Hat ein Blinder ein Computer-Problem, kann er über Be My Eyes dort anrufen und sich helfen lassen“, sagt Hans. Microsoft zahlt dafür einen monatlichen Beitrag an Be My Eyes, denn durch die Videofunktion der App werden Probleme schneller erkannt und leichter behoben. Für die Nutzer bleibt alles kostenlos.

 

Die App Be My Eyes hilft sehbehinderten Menschen in ganz alltäglichen Situationen.

Hilfe rund um die Uhr – weltweit 

In Zukunft würde Hans gerne mit Banken, weiteren Tech-Unternehmen, aber auch Haushaltswarenhersteller  zusammenarbeiten, um weitere spezialisierte Hilfe zur Verfügung zu stellen. Und wenn mitten in der Nacht Hilfe benötigt wird? „Die Helfer werde immer nur zwischen 8 Uhr morgens und 21 Uhr abends angeschrieben. Sollte jetzt eine blinde Person in Deutschland um drei Uhr morgens Hilfe benötigen, so wird jemand in einer anderen Zeitzone benachrichtigt“, erklärt Hans. Ein Sicherheitsproblem sieht er nicht. Die Blinden werden angehalten nie ihre Kreditkarte oder ihren Pass vor der Kamera zu zeigen. Genauso wenig sollte man die App nutzen, wenn man beispielsweise eine Straße überquert. Denn dem Helfer fehlt auch mit Kamera der Rundumblick und nur ein paar Sekunden Verzögerung können dann fatale Folgen haben. Außer mit Scherzbolden, die gar nicht blind waren und den Helfern Streiche gespielt haben, gab es bisher keine negativen Erfahrungen mit der App. „Eine sehr große Herausforderung ist immer noch die Blinden selbst zu erreichen. Wir sind ein Team von zehn Leuten und da ist es nicht so einfach Blindenorganisationen und Initiativen auf der ganzen Welt zu erreichen“, meint Hans.

Einen großen Fortschritt haben sie im Oktober 2017 verzeichnet, als ihre App auch auf Android-Smartphones verfügbar wurde – was für eine steigende Nutzerzahl in Indien und Afrika gesorgt hat. Ein kleiner Haken an der Sache? Es gibt etwas, dass Hans und sein Team nicht beeinflussen können: die Internetverbindung. „Manchmal wollen die Leute gerne helfen, merken aber nicht, dass ihr Empfang nicht für eine Videoübertragung ausreicht“, sagt Hans. Aber dann steht meist schon die nächste Person bereit, die Anfrage entgegen zunehmen.

 

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen
Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
 

 


(c) Alle Bilder: Be My Eyes

Brot am Haken – Freude schenken

Etwas geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten – auch an Fremde. Der Verein Brot am Haken macht das mit einfachen Mitteln möglich.

Es ist ein normaler Montagmorgen in einer Bäckerei in München. Ein Kunde kommt herein. Er bezahlt zwei Brote – das zweite bleibt aber hinter der Theke, nur der Bon wandert an  eine kleine Holztafel mit einem Haken daran. Einige Stunden später kommt eine Kundin herein, sieht den Bon, nimmt ihn vom Haken und reicht ihn der Verkäuferin. Sie bekommt das bereits bezahlte Brot. Ist sie bedürftig? Eine Studentin? Alleinerziehende Mutter? Oder hat sie nur ihren Geldbeutel Zuhause vergessen? „Das ist uns egal. Ganz nach unserem Motto ‚Freude schenken‘ soll es ein Geschenk für jeden sein – nicht nur für Bedürftige“, sagt Michael Spitzenberger, Gründer von Brot am Haken.

Gründer von Brot am Haken: Michael Spitzenberger. 

Im Mai 2015 wurde das erste Brett in München aufgestellt – mittlerweile sind es 50 in ganz München. Zuvor hatte Michael als gelernter Hotelkaufmann in der Immobilienbranche gearbeitet, sich dann aber auf die Suche nach einer Arbeit mit Sinn gemacht. Sein großes Vorbild: Professor Faltin, der Initiator der Teekampagne. Bei seinen Recherchen stieß er auf Brot am Haken in Hamburg. Das Ehepaar Hekmet und Sören Özer hatten die Idee aus der Türkei mitgebracht, wo bei einem Bäcker die bezahlten Brote in einen Beutel gesteckt wurden, aus dem sich die Leute bedienen konnten. Aus dem Beutel wurde bei dem Ehepaar ein Brett mit drei Haken: Kaffee, Kuchen, Brot. Die Idee hinter dem Brot am Haken ist aber eigentlich noch älter. Sie stammt aus Italien, genauer gesagt aus Neapel, wo der caffè sospeso ein alter Brauch ist.

2015 hat Michael dann die Idee und das Design in München zusammengebracht und sein erstes Brett in der Bäckerei Neulinger aufgestellt. Das war aber gar nicht so einfach. Denn die Idee das Brett mit den Infomaterialien für einen Starterpacket-Preis zu verkaufen, kam nicht so gut an. „Ich habe dann gefragt, ob er es ausprobieren würde, wenn es nichts kostet, und dann war er dabei“, sagt Michael. Denn so ein Brett bringt nicht nur Mehreinnahmen, sondern vielleicht auch bedürftige Menschen von der Straße in das Geschäft – und da sind einige Ladenbesitzer erst einmal skeptisch. Ein halbes Jahr stand dann das erste Brett dort auf Probe. Durch seine Kontakte und seine offene Art, brachte Michael das Thema unter die Leute und gewann weitere Bäckereien und andere Geschäfte dazu, wie einen Friseur, ein Kosmetikstudio und einen Dönerimbiss.

So viele Bons wurden innerhalb eines Jahres in der Bäckerei Neulinger an den Haken gehängt.

Anfangs ist Michael seiner Hauptbeschäftigung noch nachgegangen, aber irgendwann musste er sich entscheiden. Er beschloss sich ganz Brot am Haken zu widmen und bezog gemeinsam mit seinen Mitstreitern die ehemaligen Räumlichkeiten der Giesinger Brauerei. „Das hier ist ein Ort, an den die Leute wiederkommen, wo Menschen eintreten können und einen Raum der Begegnung vorfinden. Die Tür ist immer offen“, sagt Michael. Woran sie gerade noch arbeiten sind bessere Strukturen, mit denen die Initiative wachsen kann. Dann kann sich Michael auch vorstellen Minipraktika für Menschen, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, anzubieten. Und eine weitere Idee von ihm ist, dass eine Seniorin aus der Nachbarschaft für alle kocht – so eine Art Nachbarschafts-Mittagtisch für mehr Gemeinschaft und gegen Altersarmut. Möglichkeiten gibt es viele und Michael hat noch viele Ideen. Doch dafür braucht es auch eine solide Finanzierung und an der arbeitet er gerade. „Es stehen zwei Ideen im Raum, wie wir da künftig vorgehen wollen. Bis das entschieden ist, bleibt es aber erst mal wie bisher“, sagt er.

Eine der vielen Ideen, die Michael so im Kopf herum geistern, ist auch schon auf dem Weg. Das Projekt „Unser täglich Brot“, das den Wettbewerb „Innovative Ideen zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten“ des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forschen im Februar 2018 gewonnen hat, will übrig gebliebenes Brot vom Tage retten. Eigentlich keine neue Idee. Aber es geht nicht nur darum, das Brot bei den Bäckern abzuholen und weiterzugeben, sondern es in Form von Catering einen neuen Wert zu geben. „Es geht darum ein Bewusstsein zu schaffen. Denn die Frage ist auch, was wirklich frisch ist, wenn die Bäckerei bereits um zwei Uhr morgens beliefert wird. Alte Ritter sind auch zehn Tage alt – Semmelknödel 20 Tage. Sauerteigbrot muss sogar meist reifen und schmeckt erst nach ein paar Tagen gut. Es geht also darum, es geschickt in einen anderen Kontext zu bringen“, sagt Michael. Die Idee war schon recht weit gereift, da wurde Michaels Geschäftspartner krank. Bis er wieder einsatzfähig ist oder sich ein weiterer Partner findet, wird Unser täglich Brot erstmal hintenangestellt.

Ein Teil des Brot am Haken-Teams (v. li. nach re.): Michael Regnet, Vincent Lang, Michael Spitzenberger.

„Gerade bin ich sehr mit Brot am Haken beschäftigt und möchte erst die eine Sache mit einer richtigen Struktur versehen. Wir wollen bekannter werden, aber dabei nicht die ursprüngliche Idee verlieren. Denn wenn ein Unternehmen wächst, dann wird auch der Druck größer erfolgreich zu sein – und das ist nicht wirklich Sinn der Sache. Es geht also vor allem um eine Standardisierung des Systems und nicht des Menschen“, sagt Michael.


(c) Alle Bilder: Sebastian Preiß

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen
Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
  • « Vorherige Seite
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4

Ein Projekt der

Hans Sauer Stiftung

  • Menschen
  • Wissen
  • Aktuelles
  • Über uns
  • Kontakt
  • Impressum
  • Datenschutz
  • Cookie Einstellungen

copyright relaio © 2025