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CO2 Kompensation

15. September 2019 By

Warum ein wirklich nachhaltiger Treibhausgas-Ausgleich ein Fall für einen Social Entrepreneur ist.

Du ernährst dich regional, saisonal und isst sehr wenig Fleisch. Du hast kein eigenes Auto, sondern fährst fast alles mit dem Rad. Statt die Heizung aufzudrehen, ziehst du den dicken Wollpullover von der letzten Kleidertauschparty drüber. Dein CO2-Fußabdruck ist trotzdem alles andere als klein. Woran mag das liegen? In deinem Alltag achtest du auf Nachhaltigkeit, bist sogar ein Vorbild für viele andere – aber jeder macht mal Urlaub und das bedeutet oft eine Auszeit vom nachhaltigen Lebensstil. Denn Tourismus ist auf vielschichtige Weise eine große Herausforderung auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit.

Tourismus kann Anreize schaffen, Natur zu bewahren und Umweltschutz zu fördern, um so auch in Zukunft noch Reisende anzulocken. Urlauber schaffen Erwerbsmöglichkeiten in Regionen, in denen es keine ausdifferenzierten Wirtschaftszweige gibt. Und Reisen können Vorbild- und Austauschfunktion haben, die positiven Effekte in Richtung Nachhaltigkeit erzielen. Oft herrscht aber das genaue Gegenteil vor. Tourismus führt zu erhöhten Flächenverbrauch und Umweltverschmutzung, es gibt hohe Sickerraten und die erzielten Gewinne kommen nicht bei der lokalen Bevölkerung an. Darüber hinaus bleibt ein respektvoller Umgang zwischen Reisenden und der lokalen Bevölkerung ebenfalls oft eine Wunschvorstellung.

Global betrachtet sind fast zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen auf den Tourismus zurückzuführen. Der Großteil davon stammt vom Anreiseverkehr: Dieser macht beim Inlandstourismus bis zu 50 Prozent aus, im internationalen Tourismus sogar bis zu 80 Prozent. Besonders Flugreisen stellen dabei eine hohe Belastung für Klima und Umwelt dar. Ein Beispiel: Pro Person werden bei einem Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Sydney etwa zwölf Tonnen CO2 ausgestoßen. Der Durchschnittliche CO2 Ausstoß eines Deutschen beträgt dabei 9,3 Tonnen CO2  – pro Jahr, wohlgemerkt. Ein Interkontinentalflug kann also schnell dazu führen, dass sich der CO2 Ausstoß einer Person verdoppelt. Flugreisen stehen daher im Zentrum von Debatten um die Auswirkungen von Tourismus. Fliegen oder nicht – das ist für viele die zentrale Frage, der Knackpunkt, der entscheidet, ob eine Reise nachhaltig ist oder nicht. Ein Dilemma: mit schlechtem Gewissen wegfliegen oder wehmütig verzichten und einen weniger aufwändigen Urlaub in der Nähe machen. Es gibt aber auch eine andere Lösung: Man steigt in den Flieger, aber kompensiert freiwillig die anfallenden Emissionen.

Der Ausgleich der Treibhausgase klingt erst einmal nach einer direkten und logischen Möglichkeit, das Problem anzugehen. Man zahlt für die Menge an Kohlenstoffdioxid, die durch den eigenen Flug ausgestoßen wird einen gewissen Geldbetrag an eine Organisation, die mit diesem Geld Emissionen an anderen Stellen einspart. Der Flug ist somit klimaneutral und die absolute Menge an CO2 in der Atmosphäre steigt nicht an – weniger wird sie aber auch nicht. Doch das Thema ist sehr komplex und vor allem auch hoch umstritten. Denn sowohl die Art und Weise der Kompensation, als auch die dahinterliegende Logik bietet Anlass zur Kritik.

Wie, wann und wo wird kompensiert?

Im Prinzip gibt es zwei verbreitete Arten, um Treibhausgase auszugleichen: Die erste Möglichkeit besteht darin, den Ausstoß an einer anderen Stelle zu vermeiden. Während es mit einem erheblichen technologischen und finanziellen Aufwand verbunden ist, Treibstoffverbrauch und Emissionswerte von Flugzeugen und anderen Hochtechnologieträgern zu reduzieren, lassen sich andere Emissionsquellen leichter reduzieren. Besonders verbreitet bei den Anbietern von CO2 Kompensationen sind hier die Investition in erneuerbare Energie-Projekte in Entwicklungsländern. Ein Beispiel hierfür wäre der Aufbau von kleinen Biogasanlagen in ländlichen Regionen, wo oftmals besonders schmutzige Energiequellen, wie Holz oder Kerosin, zum Kochen verwendet werden. In den Projekten werden dann aus lokalen Baumaterialien Biogasanlagen errichtet, Familien in deren Benutzung und Instandhaltung eingewiesen. Das daraus gewonnene brennbare Gas wird zum Kochen verwendet. Im Laufe von einigen Jahren werden so mehrere Tonnen CO2 eingespart. Die zweite Möglichkeit Treibhausgase zu kompensieren, liegt darin, sie in Pflanzen zu speichern. Diese nehmen während des Prozesses der Photosynthese Kohlenstoffdioxid (und Wasser) auf und wandeln es in Glucose (und Sauerstoff) um, welches für das Wachstum der Pflanze verwendet wird. Solange die Pflanze lebt und weiterwächst, speichert diese also konstant Kohlenstoffdioxid. Für die CO2 Kompensation eigenen sich dabei besonders das Anpflanzen von Bäumen. Sie speichern viel CO2, leben lang und wenn deren Holz anschließend weiterverwendet wird, geben sie das CO2 auch nicht mehr frei. Aber auch die Revitalisierung von vormals trockengelegten Mooren hat sich als effektive Möglichkeit erwiesen, CO2 zu speichern. Denn Moorpflanzen werden nach ihrem Absterben vom Wasser konserviert und wandeln sich in Torf um, anstatt das CO2 beim Verrotten wieder freizugeben.

Moore sind effektive CO2 Speicher. 

Beide Ausgleichsarten bieten noch andere Vorteile: sie reduzieren Abhängigkeiten, stellen eine Rohstoffquelle dar oder schaffen Biodiversitätsflächen. Aber es drängen sich Fragen auf: Wird wirklich genau so viel CO2 eingespart, wie ausgestoßen wird? Wie lange dauert es, bis das CO2 kompensiert wird, das bei einem Flug innerhalb von Stunden in die Atmosphäre geblasen wird? Wird darauf geachtet, dass die Sparmaßnahmen dauerhaft sind, wenn etwa eine Biogasanlage kaputt geht? Wer verhindert, dass Bäume gefällt und anschließend verheizt werden? Mit diesen Einwänden sind die Anbieter von CO2 Kompensation häufig konfrontiert – und die Seriösen unter ihnen achten auch darauf, dass diese Probleme nicht auftreten. Aber neben dieser Kritik in der Umsetzung gibt es auch Einwände gegen das Prinzip Kompensation an sich.

CO2 Emissionen als Ware

Kritiker bezeichnen die freiwillige CO2 Kompensation oftmals als einen modernen Ablasshandel, mit dem man sich von seinem schlechten Gewissen freikaufen kann – weswegen man dann womöglich ohne Reue weiter sündigt und noch mehr fliegt. Dies mag sein, allerdings geht es hier nicht nur um das eigene Seelenheil, in diesem Fall den persönlichen CO2-Fußabdruck, sondern um die global aufsummierte Menge an schädlichen Treibhausgasen in unserer Atmosphäre. Das Problem daran ist die monetäre Bewertung dieser Umweltzerstörung. Wenn man einer Tonne CO2 einen gewissen Geldbetrag zuschreibt, der den Kosten von Wiederaufforstungsmaßnahmen, Verwaltungs- und Personalkosten und vielleicht einer kleinen Gewinnspanne entspricht, dann schreibt man der Umwelt und ihrer Zerstörungen einen gewissen monetären Wert zu. Die Umwelt, ihr Schutz und ihre Zerstörung kann ausgetauscht und gehandelt werden, sie wird zu einer Ware. Und die Kompensation von CO2 unterliegt damit einem marktwirtschaftlichen Mechanismus. Für die eigenen Umwelt-Verfehlungen bekommen dann Dorfbewohner eines Entwicklungslandes eine Biogasanlage vorgesetzt, um die sie sich dann kümmern sollen. Sie sparen zu den günstigsten Produktionsbedingungen für jemanden CO2 ein, der es sich leisten kann, es zu emittieren.

Bau einer Biogasanlage. Darin wird durch Vergärung von Biomasse Gas erzeugt. 

 

Viele Anbieter von CO2 Kompensationen achten darauf, dass die Projekte dem Wohl der lokalen Bevölkerung dienen. Doch wenn die Nachfrage nach der „Ware-CO2-Einsparung“ steigt, kann es auch passieren, dass die Produktionsbedingungen schlechter werden. Der Ausgleich von CO2 für Privatpersonen ist aktuell rein freiwillig, deswegen werden die guten Produktionsbedingungen und die weiteren positiven Folgen betont, um es als rundum nachhaltiges Produkt anzupreisen. Wird der Markt aber größer oder aber Kompensationszahlungen irgendwann einmal verpflichtend, so kann davon ausgegangen werden, dass wie bei anderen Märkten auch hier die sozialen Probleme mitwachsen.

Die Zielsetzung ändern: Nachhaltigkeit aus einem Guss

Nachhaltigkeit bedeutet mehr als Umweltzerstörungen zu vermeiden oder auszugleichen, die nicht nur aus CO2 Emissionen bestehen. Auch die soziale und wirtschaftliche Dimension spielt eine Rolle. Geld kann dabei nicht das alleinige Instrument sein, um diese Probleme zu lösen. Und CO2 Emissionen sind auch nicht das einzige Problem im Flugverkehr und im Tourismus. Anstatt CO2 Kompensation zu externalisieren, sie an einen Dienstleister zu übergeben, der es wieder weiterleitet, könnte es ein Ansatz sein, den Ausgleich im lokalen Tourismus zu integrieren. Anstatt in ein Land zu fliegen, dort die Umwelt zu belasten und dafür Geld an eine Organisation zu überweisen, die Projekte in einem ganz anderen Teil der Welt finanziert, sollte man lieber versuchen Nachhaltigkeit aus einem Guss zu schaffen. Die Projekte müssten dort stattfinden, wo man Urlaub macht und Teil der einheimischen Infrastruktur sein – so könnten sie auch zu einer lokalen Wertschöpfung und einem lokalen Naturschutz beitragen. Dies wäre aber dafür um einiges teurer, da die „Ware-CO2-Einsparung“ eben nicht mehr dort produziert wird, wo es am günstigsten oder am leichtesten möglich ist, sondern dort, wo durch Tourismus über den Flugverkehr hinausgehende Belastungen entstehen.

Aktuell gibt es so etwas noch nicht. Aber die Nachfrage nach CO2 Kompensationen steigt, da immer mehr Menschen ein Bewusstsein für die Schädlichkeit des Flugverkehrs entwickeln. Umso wichtiger wird es sein, dass es dann wirklich nachhaltige CO2-Ausgleichsmethoden für Flugreisen und im Tourismus allgemein gibt. Nachhaltigkeit lässt sich dabei aber schwer durch rein marktwirtschaftliche Mechanismen erreichen – diese Aufgabe verlangt vielmehr nach einem Sozialunternehmer, der die Verbesserung des Status Quo in den Mittelpunkt stellt und nicht die Gewinnmaximierung.

 

 


(c) Alle Bilder Wikimedia Commons

E-Scooter-Sharing: Von der Verkehrswende die keine ist

23. August 2019 By

Elektro-Scooter sind in kürzester Zeit ein nicht mehr wegzudenkendes Fortbewegungsmittel in vielen Großstädten geworden. Aber die Sache hat einen Haken: wirklich nachhaltig sind sie nicht.

Pünktlich zum Sommerbeginn hat auch in deutschen Großstädten die schöne neue Mobilitätswelt Einzug gehalten. Musste man bis vor kurzem noch die eigene Muskelkraft bemühen, um sich von der einen zur anderen Ecke der Stadt zu bemühen, funktioniert das nun schon seit ein paar Monaten auch ganz bequem elektrisch. Denn so ist es seit Juni auch hierzulande erlaubt, den täglichen Weg zur Arbeit, zum Sushi-Schnellimbiss oder zum nächstgelegenen Badespot mit einem sogenannten E-Scooter zurückzulegen. Verschiedene Anbieter buhlen dabei um die Gunst der Menschen, die möglichst einfach und mobil die Stadt erkunden wollen. Das Zauberwort der Stunde heißt dabei Mikromobilität. Sie umfasst all diejenigen Fortbewegungsmittel, die sich keiner starren Infrastruktur bedienen und dabei eher für kurze, spontane anstatt für lange Strecken ausgelegt sind. Auf diesem Mikrolevel soll Mobilität neu erfunden werden. Man könnte aber auch einfach sagen, sie soll individueller werden. Denn mit Hilfe von E-Scootern und Co. kann jeder selbst entscheiden wann und wo die Fahrt losgehen soll. Kollektives Zusammenpressen in überfüllten U-Bahn-Wagons soll damit ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.

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Kleine Rollen, großer Abdruck

Das klingt alles erstmal ziemlich gut, wenn man aber genauer hinsieht, tauchen schnell erste Zweifel auf. So lässt sich fragen, ob es denn überhaupt diese Massen an Elektroroller braucht, die nicht selten Radwege blockieren oder mitten auf Gehwegen achtlos abgestellt werden. Abgesehen davon und von dem erhöhten Unfallrisiko, die der Nutzung solcher Gefährte nachgesagt wird, scheint doch aber eine ganz andere Frage interessant zu sein: Können E-Scooter einen Beitrag zur Verkehrswende leisten?

Geht es nach den Anbietern derartiger Mobilitätsangebote, soll genau das mit den bunten Rollern erreicht werden. Das schwedische Unternehmen „Voi“ etwa wirbt auf dessen Website damit, dass durch den Einsatz der eigenen Rollerflotte bereits über 900.000 Tonnen CO2 gegenüber der gleichen Streckennutzung durch Mittelklassewagen eingespart werden konnten. Aber so richtig nachweisen lässt sich das noch nicht und die Zahlen, die online auftauchen, lassen passende Quellen noch kläglich vermissen. Ein Studie von Forschern der North Carolina State University hat jetzt aber erstmals valide Daten über die Emissionsbilanz US-amerikanischer Sharing-Anbieter geliefert. Das Ergebnis: E-Scooter sind keinesfalls so nachhaltig wie oft behauptet.

Die Auswertung der Nutzungsdaten ausgeliehener E-Scooter lässt vermuten, dass diese vermutlich nur  eine Lebensdauer von 29 Tagen besitzen. (c) Claudio Schwarz.

Laut dieser Studie ist es vor allem die Herstellung der Scooter sowie das meist PKW-betriebene, tägliche Einsammeln und Ausliefern der ladebedürftigen Scooter, die im wesentlichen zu einer schlechten CO2-Bilanz der Scooter beitragen. Rechnet man diese Faktoren in die Nutzung von E-Scootern mit ein, ist der ökologische Fußabdruck vergleichbar mit dem eines PKWs mit einem ungefähren Verbrauch von 10 Litern pro 100 Kilometer. Gar nicht mal so gut. Das Ergebnis der Ökobilanz ist dabei vor allem abhängig von der geringen Lebensdauer der Elektroroller. So hält momentan ein E-Scooter der Witterungsverhältnissen und der täglichen Nutzung lediglich 28.8 Tage stand. Das ergab zumindest die Auswertung der Nutzungsdaten eines Verleihers von E-Scootern in der US-amerikanischen  Metropole Louisville Trotz solcher miesen Ergebnisse für die Umwelt sollen in Städten wie München bis zu 10.000 der rollenden Gefährte abgestellt werden. Keine guten Zahlen für die Umwelt also.

Viel Geld und wenig Verantwortung

Mehr als gut hingegen dürfte sich das Geschäft mit den E-Scootern für die Betreiber*innen solcher Sharing-Angebote auszahlen. Warum das so ist, hat die Unternehmensberatung McKinsey mit einer eigenen Studie herausgefunden. So sind die Hürden zum Markeintritt für E-Scooter-Verleiher*innen aufgrund geringer Anschaffungskosten sehr niedrig. Hinzu kommt, dass sich die Anschaffungskosten der E-Scooter schon mit wenigen Fahrten am Tag amortisieren. Das Marktpotential ist dabei riesig, denn die Roller kommen gut an. Laut dieser Studie ist es vor allem die Möglichkeit, kurze Strecken in überfüllten, urbanen Gegenden einfach und bequem zurücklegen zu können, die eine hohe Nachfrage auf der Nutzerseite erklärt. So finden immer mehr Nutzer*innen Gefallen daran, draußen, im Freien unterwegs zu sein und eben nicht in endlosen Staus festzustecken. Anbieter wie VOI, Lime oder TIER können sich dabei auf riesige Gewinnmargen freuen. So wird vorausgesagt, dass mikromobile Sharing-Angebote in China, Europa und den USA spätestens bis 2030 einen jährlichen Umsatz von 300 bis 500 Milliarden US-Dollar generieren werden.

Wer als „Juicer“ E-Scooter über Nacht einsammelt, auflädt und am Morgen wieder verteilt, bekommt meist weniger als einen gesetzlichen Mindestlohn ausgezahlt. (c) Markus Spiske

Ob es bei der Erwirtschaftung solcher massiven Gewinne fair zugeht, steht auf einem anderen Blatt. Lässt sich aufgrund des jungen Alters der meisten Sharing-Anbieter*innen noch nicht genau sagen, ob dessen Mitarbeiter*innen faire Arbeitsbedingungen vorfinden, kommen hierzu jedoch erste Zweifel auf. So bekommt laut Recherchen der Zeitschrift taz ein Juicer – also jemand,der die leeren E-Scooter abends einsammelt, auflädt und am Morgen wieder in der Stadt verteilt – pro geladenen Roller in Berlin vier Euro vom Sharing-Anbieter Lime ausgezahlt. So ein „Juicer“ ist dabei aber keineswegs bei dem Unternehmen eingestellt, sondern arbeitet diese*r selbstständig und muss daher für alle laufenden Kosten für Internet, Versicherung, Steuern, Benzin, das eigene Fahrzeug und den Strom für die Akkus selbst aufkommen. Die Auftraggeber aber umgehen somit einfach und bequem Forderungen nach Mindestlöhnen und entziehen sich somit ihrer sozialen Verantwortung. Gar nicht mal so fair also. Ob derartige Geschäftsmodelle in Zukunft Bestand haben können und dürfen steht vielleicht noch in den Sternen, eines dürfte aber bereits jetzt schon klar sein: Verkehrswende geht anders.

Der Preis des Klimawandels – Die CO2-Steuer

14. August 2019 By

Der Klimawandel ist längst alltäglich spürbar. Höchste Zeit also richtige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine davon könnte die CO2-Steuer sein. Ob sie funktionieren kann oder scheitert, hängt auch von politischen Entscheidungen ab.

Rekord! In kaum einem Sommer zuvor ist die Temperaturanzeige vieler Außenthermometer öfters über die 30 Grad-Marke gestiegen als in diesem. Dabei leuchtete aber nicht nur ihre gut sichtbare Signalfarbe rot auf, sondern ganze Landstriche. So war bereits der Sommer 2018 ein Rekordsommer der Waldbrände und es scheint nicht unwahrscheinlich zu sein, dass sich auch 2019 dieser verheerende Trend weiter fortsetzen wird. Alarmstufe Rot also. Aber wer jetzt denkt, das alles sei nur das Ergebnis von natürlichen Zufällen wie Blitzschlägen oder Ergebnis unachtsam weggeworfener Kippenstummel der oder die irrt. Denn als Ursache lässt sich durchaus ein weiterer Bekannter anführen: der Klimawandel. Er lässt die Polkappen schmelzen und somit wichtige Wetteraktivitäten, wie die Starkwindbänder des globalen Jetstreams versiegen. Verschwinden diese Winde, bleibt ein Wetterhoch länger bestehen als sonst, was eben letztlich zu Dürren und zu einem erhöhten Waldbrandrisiko führt.

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CO2-Steuer: Was ist das?

Das Entscheidende dabei ist, dass solche Umweltkatastrophen zu einem Großteil menschengemacht sind. Es liegt demnach nahe, dass der Mensch dafür auch aufkommen muss. Und der Preis ist dafür ziemlich hoch. Die ökonomischen und ökologischen Kosten, die durch Waldbrände entstehen, sind dabei nur ein Beispiel von vielen. Man könnte also die Rechnung beliebig weiterführen. Wer kommt aber dafür auf? Die Antwort scheint klar zu sein: Wir. Bezahlt werden soll dabei in Form einer Steuer, genauer gesagt mit Hilfe einer sogenannten CO2-Steuer. Denn schließlich ist es der übermäßige Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) der als Ausgang des Klimawandels verantwortlich gemacht werden kann. Die CO2-Steuer lässt sich dabei als Abgabe verstehen, die dann an den Fiskus entrichtet werden muss, sobald Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Konkret heißt das, dass der Staat einen bestimmten Preis festlegt, der pro Tonne CO2 anfällt und dann in Form erhöhter Steuerbeiträge auf fossile Heiz- und Kraftstoffe  von Industrie und Konsumenten entrichtet werden muss. Offiziell spricht dabei die Bundesregierung und allen voran Bundesumweltministerin Svenja Schulze von einer „CO2-Bepreisung“ .

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Wie so eine Bepreisung für Unternehmen und Privathaushalte funktionieren kann, steht noch nicht endgültig fest, mehrere Gutachten verraten aber, welche offiziellen Absichten und Ziele hinter der Maßnahme stecken. So etwa das vom Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen ausgearbeitete Sondergutachten „Aufbruch in eine neue Klimapolitik“.  Auf dessen Grundlage will die Bundesregierung mit Hilfe des neu geschaffenen Klimakabinetts bis zum 20. September ein umfangreiches und konkretes Klimaschutzgesetz vorlegen. Ziel einer solchen CO2-Bepreisung soll es sein, stärkere Anreize für Unternehmen zu schaffen, mehr Investitionen in umweltfreundlichere emissionsärmere Geräte und Anlagen zu tätigen. Auch für Privathaushalte soll die CO2-Steuer vor allem ein Mittel darstellen, das Ressourcennutzungsverhalten so zu verändern, dass diese weniger verschwenderisch mit Kraft- und Heizstoffen umgehen. Ganz offiziell soll die CO2-Steuer also „eine effiziente Lenkungswirkung erzielen, um die Treibhausgase über Verhaltensanpassungen zu reduzieren.“

Ist eine CO2-Steuer überhaupt möglich?

Ob so eine CO2-Steuer letztlich eine gute Idee ist oder nicht, hängt auch davon ab, ob sie gerecht und somit sozialverträglich ist. Das ließe sich erstmal anzweifeln. Denn wird Benzin und Heizöl teurer, werden vor allem diejenigen unfair behandelt, die für ihren Job täglich in deutsche Großstädte pendeln müssen oder generell auf dem Land auf ihr Auto angewiesen sind. Nicht ganz fair dürfte es auch für die zugehen, die in schlecht isolierten Altbauten die Heizung auf Fünf drehen müssen. Aber stimmt das? Nicht ganz. Denn mag zwar noch nicht endgültig feststehen, wie so eine Bepreisung konkret zu realisieren ist, doch aber, dass durch eine CO2-Bepreisung keine Mehreinnahmen für den staatlichen Geldbeutel geschaffen werden sollen. Vielmehr sollen die erzielten Einnahmen zur Entlastung von Bürger*innen und Unternehmen verwendet werden.

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Laut einem weiteren Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung funktioniert das so: Bei einem einheitlichen anfänglichen Steuersatz (2020) von 35 Euro pro Tonne CO2 steigt dieser jährlich bis 2030 um 14,50 Euro auf insgesamt 180 Euro pro Tonne. Die ohnehin anfälligen Energiesteuern werden anteilig um diesen steigenden Betrag erhöht. Gleichzeitig soll aus diesen erhöhten Steuereinnahmen ein Klimabonus von 80 Euro pro Kopf und Jahr ausgezahlt werden, um somit Privathaushalte fair zu entlasten. Zudem sollen die aus der CO2-Steuer gewonnenen Mehreinnahmen eine Senkung der Stromsteuer bewirken und somit für weitere Entlastungen sorgen. Aber neben der verfolgten Sozialverträglichkeit steckt dahinter noch eine weitere Absicht. Denn so sollen höhere Kosten für fossile Brennstoffe und gleichzeitig niedrigere Strompreise die Menschen zum Umstieg auf alternative Mobilitäts- und Energiekonzepte bewegen. Aber auch zur Sparsamkeit soll angeregt werden. Denn wer am Ende weniger verbraucht, hat mehr von seinem Klimabonus.

Ob es dieses oder ein anderes Modell in den endgültigen Gesetzesentwurf schaffen wird, bleibt abzuwarten– auf allzu große Akzeptanz dürfte es aber so oder so nicht stoßen. So gaben zwar in einer Umfrage von ARD und Infratest dimap 81 Prozent der Befragten an, dass sie der Meinung sind, dass es hinsichtlich des Klimaschutzes einen großen oder sehr großen Handlungsbedarf gibt. Außerdem sind 85 auch Prozent der Befragten der Ansicht, dass dieser Handlungsbedarf nicht ohne persönliche Einschränkungen möglich sei. Zugleich sind jedoch 34 Prozent der Befragten gegen die Einführung von konkreten Maßnahmen wie der Realisierung einer CO2-Steuer. Es gibt also noch so einigen Diskussionsbedarf.

Bücher über… | Stadtentwicklung

7. August 2019 By

Spannende und lesenswerte Bücher zum Thema Stadtentwicklung in Richtung Nachhaltigkeit

Die Zukunft der Menschheit wird in Städten liegen: Die Stadtbevölkerung könnte sich bis 2050 weltweit von heute knapp 4 Milliarden auf dann 6,5 Milliarden Menschen vergrößern – und mit ihr die urbanen Infrastrukturen. Etwa zwei Drittel der Menschheit wird dann in Städten wohnen. Ob der Menschheit ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingt, wird sich daher maßgeblich in Städten entscheiden: Wird es gelingen, die steigenden Bauaktivitäten mit mehr Klimaschutz zu vereinbaren? Können umweltfreundliche Verkehrsmittel eine gute Anbindung für alle Bewohner bieten und die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs überwinden? Ist es möglich, soziale Ungleichheiten abzubauen und bisher marginalisierte Bevölkerungsteile in einer lebenswerten Stadt zu integrieren? Wie kann eine nachhaltige Versorgung mit Energie und Ressourcen für eine steigende Bevölkerung aussehen?

Zu diesen Fragen können wir fünf spannende Bücher empfehlen:

„Nachhaltige Stadtplanung. Konzepte für nachhaltige Quartiere“ von Helmut Bott, Gregor C. Grassl und Stephan Anders erschienen im DETAIL Verlag ist DAS Grundlagenwerk für nachhaltige Stadtplanung. Es beschäftigt sich mit den grundsätzlichen Herausforderungen der heutigen Stadtplanung und liefert Umsetzungsstrategien.

https://www.instagram.com/p/Bw9Aoqglzol/


Das „Handbuch Stadtkonzepte“  herausgegeben von Dieter Rink und Annegret Haase erschienen im utb Verlag, zeigt aktuell gängige Stadtkonzepte auf und liefert einen Einblick in die Rolle von Städten in Politik und Wissenschaft.

https://www.instagram.com/p/BzutIcuCWnO/


Aktuell sind Städte oft von sozialer Ungleichheit, schädlichen Umwelteinflüssen und Vulnerabilität gegenüber Extremwetterereignissen gekennzeichnet. „Critical Care. Architecture for a broken planet“ von Angelika Fitz, Elke Krasny und dem Architekturzentrum Wien erschienen im The MIT Press Verlag, stellt Vorschläge zur Verfügung, wie Städte stattdessen zu einer nachhaltigeren Lebensweise für Menschen beitragen können.

https://www.instagram.com/p/ByCd0ZPiQMG/


Wer entscheidet, in welche Richtung sich eine Stadt entwickelt?  „Make City . A Compendium of Urban Alternatives. Stadt anders machen“ herausgegeben von Francesca Ferguson im Jovis Verlag, versammelt unterschiedliche Perspektiven auf den urbanen Wandel und lässt Akteure aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung und Landschaftsgestaltung, aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und der Zivilgesellschaft zu Wort kommen. 

https://www.instagram.com/p/ByAFLrOiUm6/


Wie kann der klassische Charakter einer gewachsenen Stadt bewahrt werden und die Stadt gleichzeitig erneuert und weiterentwickelt werden? „Humane Städte: Stadtraum und Bebauung“ von Karsten Palsson erschienen bei dompublishers, zeigt anhand anhand von Beispielen aus europäischen Großstädten, wie eine menschliche und sozial offene Stadtentwicklung aussehen kann. 

https://www.instagram.com/p/BvbqrhmHFXg/


Weitere spannende Buchtipps rund um die Themen Social Design, Stadtentwicklung, Circular Economy und vieles mehr findet man auf dem Instagram-Kanal der Hans Sauer Stiftung. 

(c) Beitragsbild: Sebastian Preiß

Parklets statt Parkplätze?

22. Juli 2019 By

Gehwegerweiterungen für mehr öffentlichen Raum in den Städten.

Wem gehört der öffentliche Raum? Eine spannende Frage, doch muss sich eher gefragt werden, wo denn dieser öffentliche Raum zu finden ist, über dessen Nutzung man noch diskutieren kann. Der öffentliche Raum umfasst alle Flächen, die einer Gemeinde oder einer öffentlichen Einrichtung gehören und frei zugänglich sind – in der Praxis sind das meist Parkanlagen, Plätze, Wege für Fußgänger*Innen und Radfahrende sowie die Flächen für den Kraftfahrzeugverkehr. Und hier herrscht eine strikte Aufgabenverteilung vor: Parks sind zum Verweilen, Fußgängerwege zum Gehen und Straßen zum Fahren da. Klingt erstmal logisch, aber es gibt durchaus Gründe diese vorbestimmte Nutzung des öffentlichen Raumes nicht als gegeben hinzunehmen. So erfolgt die strikte Trennung zwischen Entspannung und Bewegung und zwischen den verschiedenen Fortbewegungsarten nicht gerecht: Der Straßenverkehr nimmt pro transportierter Person eine viel größere Fläche ein als alle anderen Verkehrsmittel. Er nimmt überproportional viel des öffentlichen Raums ein und lässt so wenig Freiräume auf den übrigen Flächen. Diese spezialisierte und einseitige Nutzung schafft es damit nicht, für eine vielfältige und lebendige Atmosphäre und eine soziale Durchmischung zu sorgen, was aber eine zentrale Funktion des öffentlichen Raumes wäre.

In München werden in einem Pilotprojekt acht Parkbuchten vorübergehend zu Parklets umgestaltet.

Dabei werden immer wieder Versuche unternommen, diese Funktionstrennung aufzubrechen, um den öffentlichen Raum aufzuwerten und Städte so gerechterer und lebendiger zu gestalten. Ein häufiger Kritikpunkt ist dabei der sogenannte ruhende Verkehr – parkende Autos. Im Schnitt werden PKWs in Deutschland nur 45 Minuten am Tag genutzt. Die restlichen 23 Stunden stehen sie meist auf öffentlichem Raum und blockieren so knappe Flächen, die auch anders genutzt werden könnten. Steigende Einwohnerzahlen und Siedlungsdichten erfordern weitere Aufenthaltsmöglichkeiten in den Städten und zunehmende Temperaturen, die in den Städten für Hitzewellen sorgen, erfordern ausgleichende Grünflächen.

Eine mögliche Antwort auf diese Erfordernisse: Ein Parklet. Das ist eine (grüne) Erweiterung des öffentlichen Gehwegs, welche anstelle von Parkplatzflächen mehr Raum für alle Menschen schafft. Es bietet zum Beispiel Sitzflächen, Bäume, Blumen, Sträucher, Witterungsschutz, Beleuchtung oder Fahrrad-Abstellmöglichkeiten. Durch den Verzicht eines festen Fundaments kann es schnell und kostengünstig nachbarschaftliche Gemeinschaft fördern, wo sonst schmale Gehwege ein Verweilen unmöglich machen. Durch die gemeinschaftliche Nutzung kann das Parklet ein Treffpunkt für Anwohner werden und so den Nachbarschaftscharakter des Viertels stärken.

Die ersten Parklets wurden Anfang der 2000er Jahre in San Francisco aufgestellt, damals noch als ungesetzliche Versuche, öffentlichen Raum zurückzuerobern. Mittlerweile wurde das Konzept in der Stadtplanung aufgegriffen und immer mehr Städte versuchen sich in der (temporären) Umnutzung von Parkplätzen. Die erste deutsche Stadt, die Parklets aufgestellt hat, ist Stuttgart. Hier wurde im Sommer 2016 in Zusammenarbeit zwischen der Universität und der Stadt Stuttgart das Projekt “Parklets für Stuttgart” als Realexperiment durchgeführt. Dabei ist auch die Anleitung How to Parklet  enstanden, in der Hinweise für die Umsetzung in anderen Städte und Projekten gegeben werden. Auch in München wird die temporäre Umnutzung von Parkplätzen im Sommer erprobt. Im Auftrag des Baureferats der Landeshauptstadt München realisiert Green City e.V.  gemeinsam mit Anwohner*Innen die Umgestaltung von insgesamt acht Parkbuchten im Westend. Sollten diese den neuen öffentlichen Raum gut annehmen, könnten in Zukunft mehr Parklets genehmigt werden.

Wie die Bevölkerung die Parklets dann aber nutzt, ist ihr weitestgehend selbst überlassen. Und damit sind Konflikte um die Nutzung des öffentlichen Raumes nicht auszuschließen: In der Bergmannstraße in Berlin wird darüber diskutiert, ein Pilotprojekt mit Parklets vorzeitig abzubrechen, da sich die Anwohner*Innen durch nächtliche Trinkgelage und zurückgelassenen Müll auf den Gehwegerweiterungen gestört fühlen. Parklets deswegen aber nur mit Alkoholexzessen und nächtlicher Ruhestörung in Verbindung zu bringen, greift zu kurz: Durch die Neuerschließung von mehr öffentlichem Raum muss vielmehr die Frage gestellt werden, wie dieser genutzt werden soll, um Städte lebenswerter zu machen


(c) Alle Bilder: Sebastian Preiß

Deckel drauf und ausgebremst – Der Kampf gegen hohe Mieten

25. Juni 2019 By

Die Mietpreise in Boom-Regionen explodieren. Die Mietpreisbremse soll dagegenhalten. Städten wie Berlin geht das noch nicht weit genug.

Eigentlich gibt’s nicht viel zu sagen, außer eines: Es ist zum Heulen! Das jedenfalls beschreibt so ziemlich genau die allgemeine Gemütslage, wenn es um die Wohnungssuche in deutschen Großstädten geht. Es ist völlig egal, ob in Hamburg oder in München, in Köln oder Berlin – wer nach einer einigermaßen zentral gelegenen Wohnung zum Leben sucht, wird meist erst nach zahlreichen Besichtigungen, mehreren geschalteten Anzeigen oder über Tipps von Freunden und Bekannten fündig. Gerade Städte wie München und neuerdings auch Berlin zeigen, dass günstiger Wohnraum mehr und mehr zur Mangelware wird. So fehlen in Berlin leistbare Wohnungen im sechsstelligen Bereich. Das tragische: dabei trifft der Wohnungsmangel vor allem diejenigen, die sowieso schon nicht in Saus und Braus leben, sondern die, die ihr Leben eh schon an der Armutsgrenze bewältigen müssen. So können in Köln, Berlin und München etwa nur rund 40 Prozent der Menschen mit einem Einkommen unter der Armutsgrenze eine leistbare Wohnung finden. Die Lage ist also ziemlich ernst und Besserung ist nicht in Sicht. Die Mietpreise steigen unaufhörlich weiter. In Berlin etwa um 5,6 Prozent im letzten Jahr. Das ist sogar fast doppelt soviel wie im teuren München.

Mit  Halbgas auf die Mietpreisbremse

Die Probleme sind nicht neu und deshalb gibt es bereits seit 2015 die sogenannte Mitpreisbremse. Damals vom deutschen Bundestag beschlossen, wurde dafür eine neues Gesetz verabschiedet, dass eine maximale Mietpreiserhöhung bei Neuvermietungen von zehn Prozent vorsieht. Gedacht ist das Gesetz vor allem für Gebiete „mit einem angespannten Wohnungsmarkt“. Wenn also die Mieten stärker wachsen als der Bundesdurchschnitt und die Nachfrage an Wohnungen das vorhandene Angebot wesentlich übersteigt, können die einzelnen Landesregierungen seitdem die Preisexplosion drosseln – mit mäßigen Erfolg. So fallen Neubauten oder umfassend modernisierte Wohnungen nicht unter dieser Regelung und genauso wenig bereits bestehende Mietverträge, deren Mietpreise bereits mit mehr als zehn Prozent die örtliche Vergleichsmiete übersteigen. Die wird durch den örtlichen Mietspiegel angegeben und der ist umstritten. Denn in dem werden vor allem auch die gestiegenen Preise für Neuvermietungen berücksichtigt, was dazu führt, dass dieser Mietspiegel auch stetig steigt, mit oftmals nicht ausreichender Berücksichtigung gebotener Verhältnismäßigkeit.  

Mit Mitteln wie der gesetzlichen Mietpreisbremse sollen Mietwohnungen auch in Großstädten erschwinglich bleiben – der Erfolg ist mäßig.

Zu Beginn 2019 wurden die Regelungen zu Mietpreisbremse nochmals verschärft, sozusagen als Antwort auf die oftmals angeführte Meinung, die Mietpreisbremse würde kaum Wirkung zeigen, nicht zuletzt da Mieter*innen kaum wüssten, ob Vermieter*innen sich auch an die örtlich vorgegeben Höchstpreise pro Quadratmeter halten. Deshalb müssen Vermieter*innen nun, in den besagten Gebieten, vor der Unterzeichnung neuer Mietverträge, den neuen Mieter*innen nun schriftlich und unaufgefordert mitteilen „wie hoch die Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses war“. Zudem darf in Zukunft nur noch eine acht- anstatt elfprozentige Mietumlage auf bestehende Mietpreise draufgeschlagen werden und in jeden Fall aber nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter und das mindestens für sechs Jahre.

Der Berliner Mietdeckel

Was die Mietpreisbremse seit Jahren versucht zu erreichen – nämlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu erhalten – soll jetzt zumindest an der Spree mit dem Berliner Mietendeckel erfolgreicher und strikter umgesetzt werden. Bis jetzt handelt es sich dabei um ein Eckpunkteprogramm, das vor kurzem vom Berliner Senat beschlossen wurde. Im originalen Wortlaut beinhalten diese unter anderem:

  • Für alle bestehenden Mietverhältnisse soll künftig ein gesetzlich festgelegter Mietenstopp für einen Zeitraum von fünf Jahren gelten. Es werden Mietobergrenzen festgelegt, auf die bereits sehr hohe Mieten auf Antrag abgesenkt werden können.
  • Bei Vermietung von Wohnungen (im Zeitraum des Mietstopps) darf höchstens die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis vertraglich vereinbart werden, sofern diese die jeweils festgelegte Mietobergrenze nicht übersteigt.
  • Für Modernisierungsumlagen werden besondere Genehmigungs- und Anzeigepflichten für Vermieterinnen und Vermieter eingeführt.
  • Wirtschaftliche Härtefälle der Vermieterinnen und Vermieter sind auf Antrag zu genehmigen, wenn eine wirtschaftliche Unterdeckung nachgewiesen wird.
  • Verstöße gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes sollen als Ordnungswidrigkeit und mit Geldbuße geahndet werden können.

(aus der Pressemitteilung vom 18.06. 2019 der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen)

Aber auch hier gibt es Ausnahmen. So sollen Wohnungsneubauten von dem Gesetz ausgenommen werden. Grundsätzlich soll der Berliner Mietendeckel aber für alle nicht preisgebundenen rund 1,5 Millionen Berliner Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern gelten. Auf diesen Eckpunkten soll dann ein konkretes Berliner Mietengesetz entstehen, dass zu Beginn 2020 in Kraft treten soll.

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Ob es gelingen wird, die Preisexplosionen am Mietmarkt damit einzudämmen und ein Schritt Richtung nachhaltige Wohnungswirtschaft getan werden kann, wird die Zukunft zeigen. Schon jetzt sagen Stimmen, so ein Projekt sei ein Bürokratiemonster und verhindere, dass neuer Wohnraum entsteht und bestehender erhalten wird. Vermutlich kann man mit starken Argumenten diesen Stimmen entgegentreten und letztlich muss man sich auch fragen, welchen Zweck Wohnen haben sollte. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: In erster Linie sollte eine Wohnung Menschen ein sicheres Dach über den Kopf bieten und nicht bloß als Renditequelle missbraucht werden. Wenn Mietbremse und -deckel dazu beitragen können, umso besser.

Rebellion im Namen des Klimas

19. Juni 2019 By

Was die globalen Protestbewegungen bewirken können und welche Herausforderungen sie mit sich bringen

Der Protest gegen den menschengemachten Klimawandel nimmt an Fahrt auf. Die „Fridays for Future“-Bewegung lockt weltweit Woche für Woche abertausende Schüler*Innen auf die Straße, die gegen die fortschreitende Zerstörung von Klima und Ökosystem demonstrieren. Begonnen hat alles mit der 16-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg, die freitags nicht mehr zur Schule ging, um für eine wirkungsvollere Klimapolitik zu demonstrieren. Ihr folgen mittlerweile immer mehr Jugendliche, die regelmäßig freitags oder zu größeren Demonstrationen den Schulunterricht boykottieren. Am 15. März 2018 waren es laut Angaben der Bewegung sogar weltweit fast 1,8 Millionen Jugendliche und andere Unterstützer*Innen, die für ein Umdenken in der Klimapolitik demonstriert haben.

Die Forderung an die politisch Verantwortlichen lautet Maßnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen, damit die Zukunft der Jugend von heute und morgen nicht durch eine vom Menschen verursachte Klimakatastrophe zerstört wird. Konkret wird der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, die Intensivierung der Nutzung erneuerbarer Energien und der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs gefordert. Außerdem soll das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt werden, um die Partizipationsmöglichkeiten junger Menschen zu verbessern. Die Protestbewegung hat dabei in ihren Forderungen weitreichende Unterstützung erfahren, am prominentesten durch „Scientists for Future“. Dieser Zusammenschluss von mehreren Zehntausenden Wissenschaftler*Innen teilt die Wahrnehmung des Klimawandels als Bedrohung für zukünftige Generationen und bekräftigt die Dringlichkeit der Forderung der Schüler*Innen.

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Fridays for Future hat weitreichende Unterstützung erfahren, darunter von der Filmagentur forStory, die sie mit diesem Video unterstützen. (c) forStory

Gesetzesverstöße aus moralischen Gründen

Die Proteste der Jugendlichen während der Unterrichtszeit stellen eine Verletzung der Schulpflicht dar – eine Ordnungswidrigkeit, die bewusst begangen wird, um zu zeigen, dass man nicht für eine Zukunft lernen müsse, die nicht weiter lebenswert sei. Die Demonstrationen stellen damit eine Form des zivilen Ungehorsams dar, bei dem aus moralischen Gründen bewusst gegen rechtliche Normen verstoßen wird. Durch diesen Gesetzesbruch wird Aufmerksamkeit auf einen als größeres Unrecht wahrgenommen Missstand gelenkt und Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung ausgeübt. Ein Schritt, der den Macher*Innen der Fridays for Future-Bewegung durchaus geglückt ist und reichlich Wirbel in den Medien erzeugt hat. Und damit auch andere zu Aktionen motiviert hat: Im Herbst 2018 hat sich in London die Gruppierung „Extinction Rebellion“ gegründet, was so viel wie „Rebellion gegen das Aussterben“ bedeutet. Die Gruppe teilt mit Fridays for Future die Wahrnehmung des Klimawandels als akute Bedrohung, geht aber in ihren Forderungen noch weiter: Die Regierungen sollen die Wahrheit über die akute Bedrohung durch die Klimakrise kommunizieren und Gesetze erlassen, durch die bis 2025 die Netto-Emissionen der Treibhausgase auf null gesenkt werden. Überwacht werden soll dies von einer Bürgerversammlung. Und auch in ihren Maßnahmen ist die Gruppe deutlich radikaler: Neben Trauermärschen und Theaterflashmobs setzt die Gruppe, insbesondere in London, auf Blockaden von Brücken, Straßen und anderen wichtigen Verkehrsknotenpunkten. Unbedingt friedlich und gewaltlos sollen diese ablaufen, aber eine Verhaftung wird nicht nur in Kauf genommen, sondern ist für manche Teilnehmer*Innen sogar Ziel des Protests: Bei Blockaden an Ostern 2019 wurden von der Polizei in London mehr als 600 Aktivist*Innen in Gewahrsam genommen. Denn sie nehmen die Lage als so ernst wahr, dass sie bereit sind, ins Gefängnis zu gehen um für ihre Sache Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das Kalkül dahinter: Wenn genügend normale, unbescholtene Bürger bereit sind, für ihre Überzeugungen hinter Gitter zu gehen, können sie von den Medien, der Politik und der breiten Öffentlichkeit nicht länger ignoriert werden.

Die Zivilgesellschaft als Taktgeber moralischer Revolutionen

Natürlich stellt sich die Frage, was diese Aktionen, die von manchen als aufopferungsvoll und von anderen als naiv bezeichnet werden, wirklich bewirken können. In erster Linie schaffen sie Aufmerksamkeit und ein Bewusstsein für das Thema, was bei einer steigenden Anzahl von Menschen zu einem Umdenken führen kann – und schließlich zu einer Revolution. Zu einer moralischen Revolution wohlgemerkt, einer fundamentalen Erweiterung und institutionelle Verankerung eines neuen Wertebildes in der Weltgemeinschaft. Was vorher über sehr lange Zeit gesellschaftlich akzeptiert oder ignoriert wurde, in diesem Fall das tatenlose Zusehen bei der Zerstörung des Klimas, kann dann innerhalb kurzer Zeit international geächtet werden. Dies kann dann einen Wandel in politischen Institutionen, der Wirtschaft und in Technologien mit sich bringen. Und das kann dann auch tatsächlich wirkungsvollen Klimaschutz bieten.

Dass der moralische Kompass so schnell eine andere Richtung einschlägt, klingt erstmal ziemlich utopisch. Doch andere moralische Revolutionen, wie zum Beispiel die Einführung des Frauenwahlrechts, die Abschaffung der Sklaverei oder die Einführung der Demokratie zeigen, dass innerhalb der Zeitspanne von nur kurzer Zeit ein Umdenken von weiten Teilen der Weltgemeinschaft möglich ist.

Die Proteste und Demonstrationen haben also tatsächlich Potential, andere moralische Verhaltensmuster hervorzubringen und so neue gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Werte und Normen zu prägen, die vielleicht wirklich etwas gegen den Klimawandel ausrichten können.

Leben oder Überleben?

Doch der Blick auf die anderen moralischen Revolutionen zeigt auch, dass damit oft nur ein Teil des Problems gelöst wird: Nur weil in vielen Staaten der Erde Frauen wählen dürfen, kann noch lange nicht von echter Geschlechtergerechtigkeit gesprochen werden und nur weil die Sklaverei offiziell verboten ist, heißt das nicht, dass Ausbeutung und menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse der Vergangenheit angehören.

So verhält es sich auch beim Klimaschutz. Ja, er mag das drängendste Problem sein und ja, es geht ums Überleben. Ein radikales Umsteuern in der Klimapolitik ist erforderlich, um die Zukunft der Menschheit zu sichern. Aber wir stehen vor der Herausforderung, nicht nur das Überleben zu sichern, sondern auch gegenwärtigen Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen. Und das besteht eben nicht nur aus dem bloßen Überleben einer Klimakatastrophe, sondern sollte auch Entfaltungs- und Entwicklungschancen für ein gleichberechtigtes Leben beinhalten.

Die Herausforderung des Klimawandels ist damit im Kern kein rein ökologisches Problem, sondern auch eine Frage von sozialer Gerechtigkeit. So sollte nicht bloß die Frage im Zentrum stehen, was wir ändern müssen, damit die Menschheit eine Zukunft hat, sondern wir müssen auch die Frage stellen, wie eine Gesellschaft aussehen soll, in der jeder Mensch, egal ob er oder sie hier oder in einem anderen Staat geboren wird, heute oder in hundert Jahren, dieselben Rechte auf ein würdevolles Leben hat. Die aktuellen Proteste haben die Möglichkeit, ein Umdenken anzustoßen und wichtige Schritte gegen eine menschengemachte Klimakatastrophe zu unternehmen. Aber es ist auch wichtig, die Frage sozialer Gerechtigkeit in diesem Zuge miteinzubringen.


(c) Bild Extinction Rebellion: Julia Hawkins

(c) Video Fridays for Future: forStory

Ein bisschen mehr Chance bitte! – Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen

12. Juni 2019 By

Chancengleichheit darf nicht nur ein Phrase sein, sondern muss gelebt werden. Damit das klappt, wird immer wieder ein bedingungsloses Grundeinkommen gefordert. Doch das ist eine ziemlich anspruchsvolle Idee.

Man kann es ruhig angehen oder richtig krachen lassen. Die Tage können am Schreibtisch vorbeiziehen oder im Zechenschacht nicht einmal zum Vorschein kommen. Egal jedoch wie das eigene Leben auch aussieht, eines haben wohl alle gemeinsam: sie sind voll von Entscheidungen. Einige davon sind einfach, andere riskant und gewiss mitunter schon längst überfällig. Ins Gewicht fallen dürften wohl auch gerade diejenigen, bei denen es um die Weichenstellung zur eigenen und gelungenen Selbstverwirklichung geht. Ganz konkret heißt es dann: Abitur oder nicht? Die Lehre zur Klavierbauerin machen oder doch die Bürokarriere durchziehen? Oder warum nicht gleich den alten, schnöden Job an den Nagel hängen und mit dem eigenen Café endlich das machen, was schon immer der eigene Traum wahr? Ja, warum eigentlich nicht? Die Antwort kommt prompt: Weil es oft nicht ums Wollen, sondern ums Können geht. So braucht es zur Café-Gründung oder zum nachgeholten Bildungsabschluss meist ein gewisses Finanzpolster, das aber viele nicht haben. Und so bleibt alles wie es ist und eine Entscheidung nicht mehr als ein unerfüllbarer Wunsch. So ein Dilemma wollen viele Menschen zur Recht nicht hinnehmen und haben sich deswegen Gedanken gemacht, wie es auch anders funktionieren könnte. Eines der bekanntesten Ergebnisse solcher Überlegungen  ist das bedingungslose Grundeinkommen. Die Idee dahinter ist einfach, stellt aber das gewohnte System aus Sozialstaat und Arbeit ziemlich auf den Kopf.

Gerechtigkeit als Gleichheit

Ganz grundsätzlich würde dabei jede Bürgerin und jeder Bürger eines Landes eine bestimmte und regelmäßige Geldsumme vom Staat ausgezahlt bekommen, die jedem wiederum zur freien Verfügung steht. Keine Bedingungen und keine Unterschiede also. Dabei geht es natürlich nicht bloß um ein paar Euro pro Monat, sondern soll der Betrag des Grundeinkommens so hoch sein, dass eine ganzwertige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder zumindest die Chance dazu, möglich ist. Ohne jetzt gleich den geistigen Taschenrechner anzuwerfen, könnte das bedeuten, dass Armut und Obdachlosigkeit ein für alle Mal der Vergangenheit angehören und der Mensch seine Abhängigkeit von der Lohnarbeit ein Stück weit aufgeben kann. Zumindest dürfte es ziemlich schwer sein Menschen auszubeuten, die nicht jeden einzelnen Euro zweimal umdrehen müssen und sich somit in einer besseren Verhandlungsposition befinden. Die Selbstbestimmung rückt also in den Mittelpunkt. Das bedeutet in beruflicher Hinsicht auch, dass man es sich leisten kann die Dinge zu verfolgen, die den eigenen Zielen und Wünschen entsprechen. Denn wer sich Aufgrund seiner Herkunft sich die Privat-Uni nicht leisten konnte, kann es jetzt vielleicht. Eine Andere kann durch den Rückgriff auf ihr Grundeinkommen vielleicht ihre Arbeitsstunden reduzieren und sich endlich den Plänen der eigenen Unternehmensgründung widmen. Man muss also nicht Karl Marx heißen, um zu verstehen, dass ein Grundeinkommen dazu dienen kann, Menschen aus einem Abhängigkeitsverhältnis zu befreien, in dem sie nicht das bekommen, was ihnen eigentlich zusteht.

Beim bedingungslosen Grundeinkommen scheiden sich die Geister. Aber warum eigentlich? (c) DIW Berlin, Wochenbericht 15/2019

Bleibt nur die Frage: Warum gibt es hierzulande kein Grundeinkommen, wenn dessen Vorteile doch so klar auf der Hand liegen? Die typischen Antworten auf diese Frage klingen meistens  ungefähr so: Das Grundeinkommen könne unmöglich öffentlich finanziert werden! Oder: In einem Sozialstaat wie Deutschland braucht es gar keine Mittel wie das des bedingungslosen Grundeinkommens!

Die Finnen machen es ein bisschen vor

Aber stimmt das? Nicht ganz – das beweist ein Blick über die eigenen Ländergrenzen hinaus. So testete Finnland in einem zweijährigen Experiment, 2017 und 2018, ob sich mithilfe eines bedingungslosen Grundeinkommens vorhandene soziale Sicherungsmechanismen verschlanken lassen und das bedingungslose Grundeinkommen möglicherweise ein geeignetes Mittel darstellt, den geänderten Arbeitsbedingungen im Informationszeitalter zu begegnen. Letztlich versprach man sich mehr Jobanreize zu schaffen, unnötige Bürokratie zu reduzieren und vor allem eine Kultur des Experimentierens zu etablieren.  Dafür bekamen 2.000 arbeitslose Personen im Alter zwischen 28 und 57 Jahren monatlich 560 Euro ausgezahlt, was ungefähr der Summe des ohnehin ausgezahlten Arbeitslosengeld in Finnland entspricht. Zugegeben, eigentlich handelt es sich hier eher um ein bedingungsloses Arbeitslosengeld als um ein Grundeinkommen. Aber noch eine weitere Erkenntnis ist entscheidend: Laut einer offiziellen und vorläufigen Auswertung der Daten, hatten die Personen  mit bedingungslosen Grundeinkommen zwar keine größeren oder geringeren  Chancen auf dem Arbeitsmarkt als die Personen ohne Grundeinkommen, aber – und das ist vielleicht viel wichtiger – sie waren glücklicher. Der Auswertung zu Folge war das allgemeine Wohlbefinden der Personen mit Grundeinkommen deutlich besser als bei den Personen ohne. So wiesen erstere in der Testphase deutlich weniger gesundheitliche Probleme auf, hatten weniger Stress und waren deutlich zuversichtlicher über die eigene Zukunft und die eigene Fähigkeit auf gesellschaftliche Probleme einwirken zu können.

Die Chancen auf dem finnischen Arbeitsmarkt konnte das bedingungslose Grundeinkommen kaum erhöhen, dafür aber das Wohlbefinden der Testpersonen. Quelle: The basic income experiment 2017–2018 in Finland: Preliminary results

1:0 für das Grundeinkommen also, oder doch nicht? So einfach ist es leider nicht. Denn mag das finnische Experiment bisher zwar einzigartig und vielversprechend sein, sagt es über die flächendeckende Umsetzung in einem ganzen Land nur wenig aus. So bleibt auch weiterhin das stärkste Argument gegen das Grundeinkommen die damit verbundene Unsicherheit. Niemand weiß, wie sich eine landesweite Umsetzung auf die sozialen Sicherungsnetze auswirken wird. Denn ein Grundeinkommen ist nur dann möglich, wenn es durch vorherige Wirtschaftsleistungen finanziert werden kann und wer kann schon versichern, dass Menschen nicht nur auf der faulen Haut liegen, sobald sie über ein Grundeinkommen verfügen? Zugegeben, so ein Gegenargument ist ganz schön schief. Denn lässt sich wirklich ein derart negatives Bild vom Menschen zeichnen? Und sind Arbeitsverhältnisse, die auf Ausbeutung beruhen in ihren Auswirkungen nicht sogar gefährlicher?  

Eine zu einfache Rechnung

Aber Unsicherheit hin oder her – am Ende kann sich das bedingungslose Grundeinkommen eh kein Land der Welt so richtig leisten. Diese Argument hört man oft und es existiert in den verschiedensten Varianten. Die Rechnung dabei ist immer die gleiche: In Deutschland leben rund 83 Millionen Bürger*innen, davon erhält jede*r im Monat 1.000 Euro. Das macht monatlich 83 Milliarden- und jährlich rund eine Billionen Euro, die der Staat ausgebeben müsste. Geld das er nicht hat, so die Gegner. Denn dieser Summe stünden nur rund 356 Milliarden Euro Budget aus dem Bundeshaushalt gegenüber – unmöglich also ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren. Solche Rechnungen haben aber einen ausgemachten Schönheitsfehler. Hierbei wird nämlich vergessen, dass der Staat jährlich weitaus mehr für Sozialleistungen ausgeben kann, als die sogenannte Rechnung suggerieren will. So kommen zu den, für Sozialausgaben veranschlagten und steuerfinanzierten Anteil des Bundeshaushalts – im übrigen rund 181 Milliarden Euro –  aktuell noch rund 965 Milliarden Euro an Ausgaben aus den Sozialversicherungssystemen, etwa für Rente und Kindergeld, dazu. Klar, dieser Anteil kommt nur zustande, sofern er aus erarbeitenden Löhnen oder Unternehmensgewinnen eingefordert werden kann. Ganz grundsätzlich scheint es aber doch möglich zu sein, die notwendigen finanziellen Summen für ein bedingungsloses Grundeinkommen aufzubringen.

Modelle, die beschreiben, wie aus diesen Geldern ein Grundeinkommen bedingungslos ausgezahlt werden kann und gleichzeitig niemand deshalb unnötig mehr belastet wird, gibt es dabei zuhauf. Ob die sich wirklich umsetzen lassen, muss wahrscheinlich an anderer Stelle entschieden werden, ganz unrealistisch erscheint es jedoch nicht.

Der Bundeshaushalt wird oft benutzt. um gegen das bedingungslose Grundeinkommen zu wettern. Das Problem dabei: die Rechnung geht nicht ganz auf. Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Der ungerechte Wolf im sozialen Schafspelz?  

Ein Grundeinkommen ist also grundsätzlich möglich aber nicht ganz bedingungslos. Denn die Beiträge, aus denen es sich ergibt, müssen schlichtweg erarbeitet werden. Aber noch eine ganze andere Frage drängt sich auf: Braucht ein Gesellschaft überhaupt ein bedingungsloses Grundeinkommen um sozial gerecht zu sein, schließlich leben wir doch in einem intakten Sozialstaat? Befürworter des Grundeinkommens würden jetzt argumentieren, dass damit die Bürokratie in einem Sozialstaat verschlankt werden würde und somit ein Menge Geld eingespart werden kann. Aber für was eigentlich?  Für eines schon mal nicht: mehr Gerechtigkeit. Klar, so ein bedingungsloses Grundeinkommen hat den großen Vorteil, dass es sich nicht um gesellschaftlichen Status und Ansehen schert – jeden also gleichbehandelt. Leider kommt jetzt doch eine großes Aber: Chancengleichheit garantiert diese blinde Verteilung von Geldern noch lange nicht.

Das bedingungslose Grundeinkommen will mehr Gerechtigkeit schaffen – genau daran könnte es jedoch scheitern.

Denn Menschen sind verschieden und brauchen manchmal mehr Unterstützung als andere, um die gleichen Chancen zu erhalten, wie diejenigen, die vielleicht bessere Startbedingungen im Leben haben. Chancengleichheit heißt dann, dass Ungleiches verschieden behandelt werden muss, um letztlich wieder Gleich zu sein. Zumindest dann, wenn es um die faire Verteilung von Chancen geht. Beim bedingungslosen Grundeinkommensrechner leuchtet spätestens jetzt die Alarmglocke hellrot auf, denn jedem 1.000 Euro im Monat auszuzahlen und dann noch bedarfsgerecht Transferleistungen obendrauf zu legen, scheint ein ziemlich ehrgeiziges Vorhaben zu sein, vielleicht zu ehrgeizig. Selbst wenn etwa Steuererhöhungen eine Finanzierung stemmen könnten, wäre es immer noch ziemlich schwer Menschen in Pflegeberufen samt Schichtdienst zu erklären, warum sie mehr Steuern zahlen sollen, damit auch der letzte Multimillionär seine 1.000 Euro im Monat bekommt. Vielleicht liegt hier ja der größte Widerspruch im bedingungslosen Grundeinkommen: Es will mehr Gerechtigkeit, fordert sie aber zugleich ziemlich heraus. Vielleicht wäre es wichtiger die eigentlichen Probleme direkt anzugehen, indem man für faire Mindestlöhne kämpft und Geld gerechter von oben nach unten weitergibt. Und hey! Vielleicht gibt es auch einen goldenen Mittelweg, auf dem man sich mehr trauen kann und darf; auf dem die richtigen Weichen für ein bisschen mehr Chancen fair und gerecht gestellt werden – wir werden ihn finden müssen.


// Lesetipp

  • The basic income experiment 2017–2018 in Finland. Preliminary results 
  • Die Struktur des Bundeshaushalts 

 

Für mehr Mut zum Scheitern!

28. Mai 2019 By

Nicht jedes Startup feiert eine Erfolgsgeschichte – denn Scheitern gehört mehr zum Gründen dazu als der Erfolg.

Nur jeder zehnte Gründer ist langfristig erfolgreich. Das heißt also, 90% aller Gründer scheitern. Aber haben wir regelmäßig von gescheiterten Gründern gehört, gelesen oder über sie gesprochen? Nein, leider nicht. Denn Scheitern ist in unserer Kultur noch immer kein Grund, trotzdem stolz zu sein, es zumindest probiert und meist viel gelernt zu haben. Wer gescheitert ist, der hat meist schlichtweg versagt.

Doch damit tut man den Gescheiterten Unrecht. Denn das Ende gehört zu den meisten Projekten genauso dazu, wie der Anfang eben auch. Mal dauert es länger, mal geht es schneller aber bei den meisten Unternehmungen gehört das Aus zur Unternehmensgeschichte.

Euphorie und Enttäuschung liegen oft sehr nahe beieinander, im Leben generell aber vor allem bei der Verwirklichung einer eigenen Idee. Kleine Erfolge werden schnell und gerne gefeiert, Missstände lassen sich wiederrum gut ignorieren und das so lange, bis man nicht mehr darüber hinweg sehen kann und oft ist dann das Ende bereits in Sicht. Wer scheitert hat meist gar nichts falsch gemacht – sondern mehr richtig, als alle anderen. Denn auch wenn es eine Floskel ist, so gilt immer noch: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Nichtsdestotrotz ist die „Kultur des Scheiterns“ immer noch ein schwieriges Thema, obwohl wir alle davon profitieren könnten, und lustvoll Scheitern salonfähig werden würde. Denn was für Gründer gilt, lässt sich auch schnell auf unseren Lebensalltag übertragen. Mehr Mut haben, Dinge anzugehen und umzusetzen, würde uns allen gut tun, denn nur wenn wir etwas tun, kann es auch besser werden.

Die meisten erfolgreichen Gründer sind mindestens einmal gescheitert, bevor sie erfolgreich wurden. So zum Beispiel gründeten die bayerischen Müsli-Könige von mymüsli zunächst in Passau eine vollautomatische Videothek, bevor sie anfingen ihr Körnerimperium aufzubauen. Das eine hat zwar auf den ersten Blick mit dem anderen wenig zu tun. Aber Mut und, nennen wir es „Scheiterfreudigkeit“, lassen sich übertragen und tatsächlich erlernen.

Im Schnitt werden mehr als 70 Prozent der deutschen Startups nicht älter als 2,8 Jahre. Das impliziert, dass mehr als drei Viertel der Gründungen scheitern. 88 Prozent aller Startups werden nicht älter als fünf Jahre. Nur jeder zehnte Gründer feiert also langfristigen Erfolg mit seiner Unternehmung. Und trotzdem werden fast nur die Erfolgsgeschichten gefeiert und publiziert.

Aber warum scheitert man überhaupt? Auch wenn es viele persönliche Gründe geben kann zu scheitern, so potenzieren sich doch meist verschiedene, und auch ähnliche Faktoren, die hauptsächlich dazu beitragen, dass es nicht mehr weiter geht.

Es ist nicht einfach sich von seiner ersten, erfolgsversprechenden Idee zu trennen, sie anzupassen oder so weit zu verändern, dass von dem ursprünglichen Konzept nichts mehr übrig bleibt – auch wenn das oft notwendig ist, um erfolgreich zu werden. Viele halten an ihrem „Baby“ fest, so lange, bis es gar nicht mehr weiter geht.

Warum Start-Ups scheitern Quelle: (c) Zukunftsinstitut

Viele Gründer zum Beispiel entwickeln Produkte für Märkte und Zielgruppen, die es gar nicht gibt. Oft stürzen sich die Teams begeistert in die Entwicklung eines Produktes, ohne zu wissen, ob es dafür überhaupt einen Markt oder ein Käufer für ihr spezifisches Produkt gibt. Die Entwicklung im stillen Kämmerlein zusammen mit Menschen, die auch für das Projekt oder Produkt brennen, ist meist einfacher, als sich der Realität zu stellen, potenzielle Nutzer zu befragen und negatives Feedback zu erhalten. Friends and familiy werden erst einmal immer Fan davon sein, was man tut! Aber letztendlich wird kein Startup ohne Markt funktionieren. Meist wird das erst erkannt, wenn schon längst viel Geld und Zeit in die Entwicklung eines Produkts geflossen ist, welches nie am Endkunden getestet wurde. Dieses Problem kann aber frühzeitig angegangen werden, indem man den Nutzer von Anfang an in die Entwicklung einbindet.

Viele Unternehmen ändern auch im Laufe der Zeit ihr gesamtes Geschäftsmodell, weil sie merken, dass die ursprüngliche Idee auf dem Markt doch nicht funktioniert. Und so kommt man dann eben von einer Videothek zum Müsli.

Auch finanzielle Probleme sorgen oft dafür, dass Startups frühzeitig aufgeben. Geschäftsmodelle werden falsch kalkuliert oder es fehlt einfach an der nötigen Anschubfinanzierung, um das erste wichtige Jahr zu überstehen. Unternehmen brauchen Zeit, sich zu etablieren und bevor man gewinnbringend wirtschaften kann, gilt es durchzuhalten – eben auch finanziell. Das ist in München leider immer noch schwieriger als anderswo.

Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt für das Scheitern von Startups ist das Team. Ein Viertel aller gescheiterten Startups, geben auf, weil sie Probleme im Team haben. Oft wird zu wenig Zeit mit der Auswahl des Gründerteams verbracht und es wird keine „Teamkultur“ gepflegt wie zum Beispiel in Form von Feedbackrunden oder Teambuilding-Events. Anfangs sind alle euphorisiert und haben sich lieb – aber mit den ersten echten Herausforderungen kippt dann meist die Stimmung und die ersten werden das Schiff verlassen, auch wenn es vielleicht noch gar nicht sinkt. Die Gründung eines Unternehmens kostet Kraft und Nerven, wenn man keine „Streitkultur“ pflegt, ist der große Knall oft vorprogrammiert. Sein Team sollte man hegen und pflegen, denn es ist letztendlich das wichtigste Kapital eines jeden Startups.

Dazu kommen dann meist zusätzliche Faktoren wie falsche Prioritätensetzung, mangelndes Detailwissen der Branche oder des eigenen Produktes sowie falsche Kalkulationen und ungenaue Businesspläne. Beratungsstellen wie die IHK, StartUp-Zentren von Hochschulen und Universitäten in fast jeder größeren Stadt oder aber auch das Arbeitsamt können mit Weiterbildungen und Beratung Abhilfe schaffen und Wissen vermitteln um diese Fehler zu vermeiden. Manchmal, da geht einem aber auch einfach die Energie aus. Manch einer schafft es dann vielleicht wie zum Beispiel Useley, eine Münchner Plattform auf der man u.a. GoPros, Kameras und Beamer ausleihen konnte, weiter zu verkaufen. Oft aber verschwinden die Projekte einfach wieder von der Bildfläche.

Der Social Impact – Nachhaltigkeit messbar machen

22. Mai 2019 By

Soziale Unternehmen und Initiativen wollen mit ihren Ideen die Welt ein Stück besser machen. Ob das letzten Endes gelingt, können konkrete Fakten verraten. 

Wer einen echten sozialen Mehrwert schaffen will, sollte mit echten sozialen Absichten beginnen. Man muss es also wollen, gesellschaftliche Ungleichgewichte wieder ins Lot zu bringen oder Schützenswertes zu erhalten. Aber ein Wollen allein reicht oft nicht aus, zumindest dann nicht, wenn es um die Begründung und Rechtfertigung des eigenen Vorhabens geht – was dann zählt, sind konkrete Fakten. Für Start-Ups und Non-Profit Organisationen, die das Wort „sozial“ in ihrer Beschreibung tragen, zählt am Ende des Tages, ob die gesetzten Ziele Früchte tragen, also ganz real und ganz konkret Wirkung zeigen. Ist von einer solchen Wirkung die Rede, fällt oft der Begriff  des „Social Impact“.

Zielkriterien des Nachhaltigkeitsmanagements. (c) in Anlehnung an Stefan Schaltegger: Nachhaltigkeitsmanagement im Unternehmen.

So ein Social Impact lässt sich an vielen Stellen messen, denn soziale Veränderungen sind meist an ökonomischen und ökologischen Kennzahlen gekoppelt und andersherum. So ist es nicht schwer zu erkennen, dass beispielsweise die Förderung von nachhaltigen Mobilitätskonzepten vorhandene Schadstoffwerte in der Luft minimiert und damit die Lebensqualität in Großstädten verbessert. Gleichzeitig können mit neuen Mobilitätskonzepten neue Jobs geschaffen und reduzierte Unterhaltskosten erzielt werden, was wiederum einen besseren Zugang zu Mobilität ganz allgemein bedeuten kann. Ein Hersteller von Elektroautomobilen kann so etwa seinen Social Impact in geschaffenen Arbeitsplätzen, reduzierten Rohstoffverbräuchen oder erhöhten Verkaufszahlen konkret messbar machen.

Ein Social Impact lässt sich an vielen Stellen messen, denn soziale Veränderungen sind meist an ökonomischen und ökologischen Kennzahlen gekoppelt und andersherum. (c) Mike Bird

Welchen Nutzen hat die soziale Impact-Messung?        
Impact- oder Wirkungsmessungen helfen Social Entrepreneuren auf dem richtigen Pfad zu bleiben. Das ist im Grunde nicht neu. So gehört es zu den Grundlagen jeder erfolgreichen Unternehmensführung, regelmäßig relevante Finanzkennzahlen zu analysieren, um etwa den eigenen Gewinn maximieren zu können.

Sozialunternehmen und -initiativen verfolgen ihre Ziele auf ganz ähnliche Weise – nur eben mit einem Blick auf nachhaltige Ziele. Aber warum eigentlich? Das eigene Handeln kann so besser reflektiert werden und  das Verhältnis von Kosten und Nutzen besser abgeschätzt werden. Das gilt im Besonderen für die Kommunikation mit bestimmten Stakeholdern. So bietet die Messung und Darstellung des eigenen Social Impacts folgende Vorteile:

  1. Mitarbeiter*innen und Teilhaber*innen können mit Hilfe konkreter Fakten besser über strategische Entscheidungen informiert werden.
  2. Gegenüber Förder*innen und Geldgeber*innen können konkrete Fakten helfen, die eigene Ziele und Entscheidung besser zu argumentieren.
  3. Die Öffentlichkeit kann besser für bestimmte Themen sensibilisiert werden.

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Aber Achtung! Mag der beschriebene Nutzen auch groß sein, hat die Sinnhaftigkeit der Social Impact-Messung auch ihre Grenzen. Eine bloße Fokussierung von geleisteter Wirkung und erzieltem Ergebnis sagt über die Sinnhaftigkeit und Wert der geleisteten Arbeit an sich nichts aus. Wichtige interne Faktoren, wie die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz oder faire Arbeitsbedingungen im Allgemeinen können so bei der Ergebnismessung kaum berücksichtigt werden.

Auf die Methode kommt es an

Um den eigenen Social Impact messbar zu machen, werden – je nach Sachverhalt – sogenannte quantitative und qualitative Indikatoren benötigt, die eine soziale Wirkung in konkreten Zahlen und Aussagen „anzeigen“ können. Zudem gilt: Unternehmen und Initiativen sind in ihrer Arbeit und Ausrichtung sehr vielseitig. Somit ist auch die Komplexität möglicher Indikatoren nicht zu unterschätzen. Und während einige Wirkungen geplant und gewollt sind, können sich auch unvorhersehbare, oftmals unerwünschte Nebenwirkungen ergeben. Eine gute Methode Ordnung ins Chaos zu bringen, ist der Ansatz des Social Return on Investment oder kurz: SROI. Hierbei handelt es sich um einen  Ansatz, der darauf abzielt, gesellschaftliche Missstände zu minimieren und gleichzeitig Nachhaltigkeitsziele zu maximieren, indem soziale und ökologische Aspekte in wirtschaftliche Kosten und Nutzen integriert werden. Monetäre Ziele werden hier zum Mittel statt Zweck und dienen im besten Falle zur Umsetzung sozialer Absichten.

Unternehmen und Initiativen sind in ihrer Arbeit und Ausrichtung sehr vielseitig. Somit ist auch die Komplexität möglicher Indikatoren nicht zu unterschätzen. (c) Pixabay

Die Analyse selbst kann dabei viele verschiedenen Formen annehmen. Sie kann rückwirkend oder zukunftsbezogen ausgerichtet sein, genauso kann die soziale Wirkung eines gesamten Unternehmens oder aber die sozialen Aspekte eines einzelnen Projektes bewertet werden. Hinzu kommen noch Einschränkungen und Faktoren wie das sogenannte „Deadweight“,  das als den Teil des Social Impacts begriffen werden kann, der sowieso, auch ohne eigenes Handeln existiert. Der besagte Hersteller von Elektroautomobilen muss beispielsweise ebenso berücksichtigen, dass auch ohne dem eigens produziertem Gefährt sich der Anteil regenerativer Energie am bestehenden Energiemix erhöht. Doch der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit durch neue Mobilitätskonzepte ist nur ein Beispiel von vielen. In jedem Fall aber muss eine Impact-Messung anhand einer internen und externen Perspektive erfolgen. Denn die soziale Wirksamkeit des eigenen Vorhabens zu messen, bedeutet letztlich den eigenen Erfolg oder Misserfolg gesteckter Zielsetzungen herauszufinden.

Soziale Akteure sollte zudem darauf achten, bei der Durchführung der SROI-Methode transparent vorzugehen, um intern wie extern die eigenen Rechtfertigungsstrategien glaubhaft und nachvollziehbar gestalten zu können. Auch sollten alle wichtige Stakeholder in die Analysen einbezogen werden und das eigene Bemühen auf die wesentlichen Dinge beschränkt werden. Wer diese Grundvoraussetzungen erfüllt, kann sich bei der eigenen Analyse an den folgenden Schritten orientieren:

Schritt 1: Lege fest,  für wen du was untersuchen willst

Zu Beginn sollte natürlich klar sein, was eigentlich analysiert werden soll und welche Personen oder Interessengruppen dabei eine wesentliche Rolle spielen und deshalb mit ins Boot geholt werden sollten. So können vor allem Investoren eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, genügend finanzielle Mittel zur Durchführung der Analyse zur Verfügung zu stellen. Um auch wirklich alle wichtiger Interessensvertreter*innen zu erfassen, sollte eine Liste mit allen Personen und Institutionen erstellt werden, die aktive und passiv vom eigenen Handeln betroffen sind. Der Umfang sowie die Zielsetzung der SROI-Analyse können anhand der Beantwortung der folgenden Fragen bestimmt werden:

  • Was will ich mit der SROI-Analyse bezwecken?
  • Warum will ich den Analyse-Prozess eigentlich beginnen?
  • Wen möchte ich mit meiner Impactmessung erreichen?
  • Welche grundsätzliche Vision hat die eigene Organisation oder Projekt?
  • Welche internen Ressourcen, wie etwa Personal oder Geld, benötige ich?

Was auch immer der eigene Plan ist, folgende Bereiche sollten immer und bei jeder SROI-Methode beachtet werden. (c) SROI Primer 2004

Schritt 2: Erstelle eine Impact Map

Im nächsten Schritt soll mithilfe der ermittelten Stakeholder eine sogenannte Impact Map erstellt werden. Sie beschreibt, welche Ressourcen durch das eigene Start-up oder Projekt beansprucht (Input) und welche Resultate dabei erzielt werden (Output). Ziel dabei ist vor allem den hervorgerufenen sozialen Wandel anhand der eingesetzten Mittel (Outcome) bestimmen zu können. Eine hilfreiche Vorlage mit zusätzlichen Erklärungen zur Erstellung einer Impact Map gibt es hier zum Download

Schritt 3: Bestimme die richtigen Indikatoren

Grundsätzlich dürfte gelten: Social Impact bewirkt sozialen Wandel. Dabei stellt sich vor allem die Frage: Wie lässt sich herausfinden, ob auch wirklich ein Wandel entstanden ist?  Für die Antwort kommen hier nun die besagten Indikatoren ins Spiel. Dabei gilt grundsätzlich: Ein guter Indikator sollte immer anzeigen, ob überhaupt eine Wandel stattgefunden hat und in welchem Ausmaß. Aber Vorsicht! Der richtige Indikator muss nicht zwangsläufig dort gefunden werden, wo bereits Daten vorhanden sind. Das heißt: Etwas, das leicht zu messen ist,  liefert nicht zwangsläufig wichtig Informationen über die erzielte Wirkung des eigenen Vorhabens. Geeignete Daten müssen oft erst noch ermittelt werden. Dabei ist zu beachten, ob die eigenen Impact-Messung rückwirkend oder vorhersagend sein soll. Das ist nicht unwesentlich, denn davon ist abhängig, ob die benötigte Datenquelle externer oder interner Natur ist. Soll etwa der Impact eines in Zukunft geplanten Projektes gemessen werden, ist es hilfreich auf Erfahrungen und Auswertungen ähnlicher Projekte zurückzugreifen oder Daten über öffentlichen Rahmenbedingungen zu sammeln. Geeignete Quellen findet man etwa bei:

  • Regierungsorganisationen (z. B. Umweltbundesamt, statistischen Bundesamt)
  • Nahstehende Interessensverbänden (z. B. SEND e.V.)
  • Veröffentlichungen von Bildungseinrichtungen (z. B. Universitäten, Fachhochschulen)

Soll dagegen mit der Impact-Messung rückwirkend, das heißt, der Erfolg oder Misserfolg bereits getaner Arbeit gemessen werden, dann ist es sinnvoll die eigene Datenrecherche intern zu starten. Gewöhnlich lassen sich diese im eigenen direkten Umfeld finden. Geeignete Methoden dafür sind dafür etwa:   

  • die Durchführung persönlicher Interviews
  • das Abhalten von Workshops und Seminaren
  • die Informationsbeschaffung durch Fragebögen

Die Impact-Messung muss anhand einer internen und externen Perspektive erfolgen. Denn die soziale Wirksamkeit des eigenen Vorhabens zu messen, bedeutet letztlich den eigenen Erfolg oder Misserfolg gesteckter Zielsetzungen herauszufinden. (c) Pixabay

Ob intern oder extern – die Bewertung der nun ermittelten Ergebnisse muss anhand der in Schritt 1 gestellten Fragen erfolgen. Wichtig dabei ist zu berücksichtigen, dass manche Indikatoren länger brauchen um Erfolge anzuzeigen, als andere.

Schritt 4: Präsentiere deine Ergebnisse

Am Ende der Analyse steht die Kommunikation der eigenen Ziele im Vordergrund und somit die des Einflusses, der auf die Lösung eines gesellschaftlichen Problems ausgeübt wird. Kurzum: Man kann der Welt zeigen, was mit dem eigenen Projekt erreicht wurde oder erreicht werden soll. Zu welchen Zweck das eigene Reporting auch genutzt wird, ein Reporting sollte immer aus qualitativer und quantitativer Perspektive erfolgen. Darüber hinaus sollte es die Geschichte der eigenen Entscheidungen und den damit bezweckten Wandel erzählen können – aussagekräftig und transparent.

Du willst dich gleich an die Arbeit machen, hast aber noch offene Fragen? Kein Problem – alle hier beschriebenen Schritte entstammen aus dem Guide to Social Return on Investment. Dieser ist frei zugänglich und bietet zusätzliche Praxisbeispiele, Tipps und Hinweise, wie du den Social Impact deines eigenen Vorhabens erfolgreich messen und kommunizieren kannst. Außerdem findest du weitere Information und Anleitungen zur Steigerung deines Social Impacts hier.

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