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relaio.de

Die Plattform für nachhaltiges Unternehmertum

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Mach´s gut, relaio!

relaio, die Plattform für gesellschaftlichen Wandel stellt den Betrieb ein. Aber auf anderen Websites der Hans Sauer Stiftung geht es weiter… 

Wie soll eine Gesellschaft aussehen, die ein gutes und gerechtes Leben für alle schafft und dabei die Belastungsgrenzen unseres Planeten achtet? Welche Werte, Praktiken und Technologien müssen sich ändern, damit wir die Welt und die Gesellschaft in der wir leben, nachhaltig gestalten können? Und wer sind diejenigen, die dazu beitragen können?  

Mit diesen Fragen beschäftigte sich relaio zuletzt. Und hat versucht Antworten darauf finden: relaio hat Wissen geliefert, wie gesellschaftlicher Wandel funktionieren kann und dabei Hintergründe und Konzepte zu aktuellen Themen aus Forschung und Gesellschaft beleuchtet. Wie sich Innovationen in der Gesellschaft verbreiten wurde dabei ebenso thematisiert, wie die Probleme der kapitalistischen Produktionsweise oder die Unzulänglichkeiten einer Circular Economy. relaio hat aber auch Lösungsansätze vorgestellt und Vorbilder interviewt, die demonstrieren, wie gesellschaftlicher Wandel gelingen kann. Sowohl Nischenakteur*innen wie das „Penthaus à la Parasit“ als auch renommierte Wissenschaftler wie Volker Quaschning kamen hier zu Wort. relaio wollte so auch seine Leser*innen dazu ermutigt, sich selbst als Gestalter*innen des Wandels miteinzubringen. 

Menschen dazu zu bewegen, sich einzusetzen und ihnen das hierfür nötige Wissen mitzugeben, war seit jeher das Ziel dieses operativen Projekts der Hans Sauer Stiftung. Es steht damit in der gedanklichen Tradition des Erfinders, Unternehmers und Stifters Hans Sauer, der bereits 1987 das „DABEI-Handbuch für Erfinder und Unternehmer“ erarbeitet hat, um Menschen einen Leitfaden für die Umsetzung von Innovationen an die Hand zu geben. Der Stifter beschäftigte sich daraufhin in den 1990er Jahren mit dem Thema der erfinderischen Kreativität und deren Beitrag zu einer funktionierenden „Ko-Evolution“ von Mensch und Natur. Seine Tochter Monika Sachtleben veröffentlichte 1999, drei Jahre nach dem Tod des Stifters, zu diesem Thema das Buch „Kooperation mit der Evolution“. Diese Veröffentlichungen lieferten die Wertedimension, die die Arbeit von relaio prägten: Die Förderung von technischen und sozialen Innovationen, bei denen der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund steht.  Eine digital erneuerte Version des „DABEI-Handbuch“ entstand 2009, die sich noch stark am Aufbau des ursprünglichen Handbuchs orientierte. Zeitweise wurde das Projekt dann am LMU Entrepreneurship Center in München weiterbearbeitet, wobei vor allem der aktuelle Wissensstand rund um das Thema „Nachhaltig Wirtschaften“ erarbeitet wurde. 2012 wurde dann das DABEI-Handbuch „digitalisiert“ und thematisch grundlegend ergänzt und für eine breitere Zielgruppe zugänglich gemacht.  Dies legte den Grundstein für das Projekt relaio, das als „Ideengarage“ gestartet wurde und dann 2015 als Plattform für nachhaltiges Unternehmertum online ging.  

Im Laufe der Zeit gewannen dabei aktuelle Themen der Stiftungsarbeit wie Social Design, Stadtentwicklung und Cirular Society immer mehr an Bedeutung. Diese Themen sind aktuell die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit geworden und werden nun auch redaktionell auf- und beabeitet. Wer die Stiftungsarbeit also weiterhin verfolgen möchte, ist herzlich eingeladen dies auf www.socialdesign.de zu tun.  Die Seite relaio.de wird daher nicht weiter aktualisiert, bleibt aber in ihrer aktuellen Form erhalten. Die Plattform hat viele angehende Sozialunternehmer*innen und Pioniere des Wandels begleitet, ihnen Wissen zur Verfügung gestellt und versucht, ihnen neue Richtungen aufzuzeigen, die hierfür erarbeiteten Inhalte sollen daher auch anderen noch zur Verfügung stehen.  
An dieser Stelle möchte sich relaio zudem bei allen Leser*innen, Interviewpartner*innen und ehemaligen Mitarbeiter*innen bedanken – ohne euch wäre diese Plattform nicht so bunt, vielseitig und spannend geworden.  

Für uns heißt es jetzt aber Abschied nehmen, mach´s  gut relaio! 

„Für einige besteht einfach ein gewisser Spaßfaktor“

Im Interview mit Luisa Taubert vom INSIDE OUT e.V. über die Prävention von Extremismus und Radikalisierung an Schulen

Wie eine gutes Leben aussehen soll, ist grundsätzlich denjenigen überlassen, die es Leben wollen. Eine Bedingung ist jedoch für alle gleich: gut und richtig kann nichts sein, was anderen schadet. Aber dem stimmen einige nicht zu. Gründe dafür basieren nicht selten auf gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder religiösem Fanatismus. Folgen daraus Taten, enden diese nur zu oft in der gewaltsamen Unterdrückung und dem Leid Andersdenkender.

Der in Stuttgart gegründete Verein INSIDE OUT e.V. will dagegen etwas unternehmen und führt dafür verschiedene, spielerische Programme mit jugendlichen Schüler*innen zur Prävention von Radikalisierung und Extremismus durch. Gerade baut die Religionswissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, Luisa Taubert, in München einen neuen Standort des Vereins auf. Wir sprachen mit ihr über die Herausforderungen ihrer Arbeit und darüber, was Pluralismus und Demokratie eigentlich mit einer Impfung zu tun haben.

relaio: Luisa, was heißt es, wenn sich junge Menschen radikalisieren und extremistische Haltungen annehmen?

Luisa: Das einheitlich zu bestimmen ist sehr schwer, da oftmals unterschiedlich definiert wird, was überhaupt Extremismus ist. Meist wird dabei ein verfassungspolitischer Ansatz verwendet: Demnach beinhaltet Extremismus alle Bestrebungen, die gegen eine freiheitliche demokratische Grundordnung vorgehen beziehungsweise einzelne Werte davon ablehnen. Im Prinzip gibt es jedoch ganz unterschiedliche Erklärungsmodelle dazu. Für unsere Arbeit gehen wir davon aus, dass eine Radikalisierung ein Depluralisierungsprozess ist – wie ein Trichter, in ein dualistisches Weltbild. Eines, in dem es nur noch schwarz oder weiß gibt und aus dem es immer schwerer wird wieder herauszukommen.

Die Religionswissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, Luisa Taubert, baut gerade den Münchner Standort des INSIDE OUT e.V. auf. (c) Foto: Hannah Wolf / relaio

Inside Out will „Prävention mit Hilfe von Bildung, Forschung und Kunst“ leisten: Wie lässt sich das verstehen? 

Das ist eben der Dreiklang, der uns ausmacht: Kunst, im theaterpädagogischen Sinn, ist unsere Methode, da wir der Überzeugung sind, dass wir Prävention in den Klassen nicht einfach mit einem reinen Frontalvortrag nachhaltig bearbeiten können. Vielmehr haben wir den Anspruch, Extremismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit erlebbar zu machen, um tiefgreifendere Auseinandersetzungen damit zu ermöglichen. Gleichzeitig arbeiten wir eng mit verschiedenen Universitäten zusammen, die unsere Programme evaluieren. Außerdem versuchen wir, aktuelle Forschungsergebnisse mit einzubeziehen und nehmen auch selbst an vielen Tagungen teil, um unsere Erfahrung und unser Wissen weiterzugeben. Es ist uns sehr wichtig, dass ein fachlicher Austausch stattfindet und unsere Arbeit wissenschaftlich fundiert ist. Letztlich brauchen wir Bildung und Wissen im Sinne des Erkennens von Extremismus, um Strategien gegen diesen entwickeln zu können und somit immun dagegen zu sein.

Aber was genau macht junge Menschen dagegen immun?

Zunächst ist es wichtig, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger in die Schulen zu gehen. Von den Jugendlichen bekommen wir oft die Rückmeldung, dass nicht erkannt wird, wie schleichend eine Radikalisierung geschieht, wie präsent solche Themen im eigenen Umfeld doch oftmals aber sind und wie schnell man da hineingezogen werden kann. Deswegen versuchen wir diese jungen Leute etwa mit dem Programm „XGames“ zu empowern. Dabei geht es darum, sie in die Funktionsweise extremistischer Gruppen einzuweihen, um dann das, was sie dazu im Spiel erlebt haben, zu reflektieren. So werden die Jugendlichen ermächtigt, kompetent und mündig handeln zu können.

Auf eurer Website beschreibt ihr die XGames als „partizipatives Livegame“: Ein Demokratieverständnis lässt sich also erspielen?

Tatsächlich passiert in diesem Spiel zunächst genau das Gegenteil. Das heißt: im Spiel erlebt man wie es ist, sich in einer autoritären Gemeinschaft zu befinden. Im Spiel durchlaufen die teilnehmenden Jugendlichen einen Radikalisierungsprozess und erleben dabei das Setting radikaler, extremistischer Gruppen. Das erleben sie etwa in Form eines extremen Schwarz-Weiß-Denkens und eines Gegeneinander-Aufhetzens. Sie erleben es aber auch in Form eines Elitedenkens – eines Wir-Gegen-Die-Anderen, in manipulativen und starken Hierarchien. Das alles tun sie, ohne zu wissen, dass es hintergründig sogar genau darum geht. Denn eigentlich wird zunächst nur behauptet, dass es sich um ein Experiment handelt, bei dem am Ende sogar etwas zu gewinnen sei.

„Zunächst ist es wichtig, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger in die Schulen zu gehen.“ (c) Foto: Hannah Wolf / relaio

Das heißt, es wird ein Gewinn versprochen, wie er im Prinzip auch in extremistischen Gruppierungen versprochen wird: im Spiel sind es 500 Euro, in der Realität ist es das Kalifat oder der Arierstaat. In beiden Fällen ist es aber so, dass am Ende der vermeintliche Gewinn nicht an alle verteilt wird. Diejenigen, die die Schülerinnen und Schüler dazu gebracht haben, dass alles mitzumachen, verteilen den Gewinn letztlich an sich selbst. Die Schülerinnen und Schüler sind dann oft enttäuscht, sauer und fühlen sich regelrecht verarscht und benutzt. Aber das wollen wir. Denn sie sollen eben einmal selbst erleben, wie scheiße es ist, manipuliert zu werden. Das ist natürlich unangenehm. Damit verbundene Emotionen fangen wir dann aber in einer anschließenden Reflexion ein, in der wir unsere Karten offenlegen und wirklich jeden einzelnen Punkt des Spiels besprechen. Ähnlich wie bei einer Impfung also: Man bekommt etwas von der Krankheit; von dem Negativen, um dann Antikörper zu entwickeln und immun zu werden.

Wird das Motiv des Spiels auch angenommen? 

Total! Wir haben die XGames nun bundesweit schon über 200 Mal gespielt und das Spiel hat sich seitdem immer weiterentwickelt. Zudem arbeiten wir immer auf Augenhöhe und die meisten Jugendlichen verstehen das dann auch.

Sind die teilnehmenden Schüler*innen letztlich erstaunt über sich selbst?

Tatsächlich spielt Scham auch manchmal eine Rolle. Das ist interessanterweise jedoch eher bei Erwachsenengruppen der Fall, mit denen wir auch gelegentlich spielen. Wir sagen dann aber ganz klar: „Wir spielen nicht mit euch, weil wir denken, dass ihr besonders gefährdet seid!“ Denn nach unserem Verständnis kann jeder unter den entsprechenden Umständen in eine extremistische Gruppierung geraten. Optimal wäre es natürlich, wenn jemand sagen würde: „Da mach ich nicht mit! Warum sollte ich eine andere Person opfern?“. Tatsächlich steigt aber niemand aus. Das ist auch ok, denn es ist erstmal nur ein Spiel, eine Simulation. Aber es soll schon zeigen, wie schleichend man da natürlich auch im echten Leben hineingeraten kann.

Scham empfinden die meisten wohl, da sie prinzipiell keine Verfechter*innen extremistischer Haltungen sind, gleichzeitig scheint die Versprechung eines bestimmten Gewinns die eigene Einstellungen zu ändern. Was steckt da dahinter?

Zum einen glaubt jede*r, die oder der sich so einer Gruppe anschließt, am Ende eine*r von denen da oben in der Hierarchie zu sein, die dann  diesen Gewinn bekommen und sich eben nicht an der Front für irgendeinen Kampf opfern. Nicht alle triggered aber der Gewinn. Für einige besteht einfach ein gewisser Spaßfaktor. So etwas wie Abenteuer, eine Art Lust, einfach etwas zu erleben. Andere wiederum finden klare Strukturen und Ordnung attraktiv, was oft mit einer gewissen Statusaufwertung einhergeht. Das ist eben das Schwierige: es gibt begünstigende Faktoren, wie zum Beispiel Diskriminierung, aber es gibt nicht den einen klaren Radikalisierungsverlauf und auch nicht den einen Grund dafür.

Die Gründe zur Radikalisierung sind vielseitig. „Für einige besteht einfach ein gewisser Spaßfaktor“, erklärt Luisa. (c) Foto: Hannah Wolf /relaio 

Extremismus ist also nicht nur ein emotional motiviertes Problem?

Klar, Extremismus kann auch ganz berechnend sein. Aber Emotionen sind meiner Meinung nach davon nicht zu trennen. Im Prinzip geht es ja oft um Mechanismen, die nicht bloß zum Thema Extremismus gehören: Das Gefühl, etwas haben zu wollen oder ein Teil einer starken Gruppe zu sein sind ja zunächst menschliche Faktoren, die in ganz unterschiedlichen Settings vorkommen. Was natürlich auch klar ist: in einer extremistischen Gruppierung Mitglied zu werden, ist schon etwas anderes als ein Mitglied in einem Fußballklub zu sein.

Aber manchmal werden auch Fußballvereine von Menschen mit radikalen Ideologien geführt und instrumentalisiert.

Das ist natürlich ein Problem. Zu Beginn einer Radikalisierung schlägt ja kaum einer vor, Ausländer zu schlagen oder Kurden in Syrien abzuknallen. Vielmehr geht es oft erstmal um soziale Dinge wie eben Fußball spielen, Shisha-Rauchen oder um das Abhängen auf Rechtsrockkonzerten.


Was natürlich auch klar ist: in einer extremistischen Gruppierung Mitglied zu werden, ist schon etwas anderes als ein Mitglied in einem Fußballklub zu sein.


Das macht es häufig schwierig, weil alles sehr verflochten ist. Aber was in extremistischen Gruppierungen ganz klar früher oder später aufkommt, ist eine Ideologie, die keine vielfältige Auslegung zulässt und sich gegen Pluralismus und Demokratie richtet.

In extremistischen Spektren erfolgt oft die Aufforderung nur noch gewissen „Alternativmedien“ zu folgen, und andersartige Meinungen als Ausdruck einer „Lügenpresse“ zu diskreditieren. Sind Radikalisierung und Extremismus also vor allem auch ein mediales Problem?

Ich glaube, Medien, Social Media sowie das Internet im Allgemeinen, sind zunächst einmal neutrale Plattformen. Ich denke aber auch, dass sie es begünstigen, extremistische Einstellungen und Gruppierungen stark werden zu lassen, da dort ein schneller Austausch stattfinden kann. Diese Abwertung von Medien oder die Idee, dass es da eine Art Macht gibt, die Lügen verbreitet, ist natürlich sehr geläufig. Oft ist es zudem so, dass extremistische Gruppierungen einfache und klar strukturierte Antworten in einer sehr komplexen Welt anbieten. Was dabei natürlich bestechend ist: In all diesen Ideologien existiert eine klare Aufteilung darüber, wer gut und wer böse ist oder eben darüber, wem man glauben kann und wem nicht.

Was setzt ihr solch falschen Orientierungshilfen entgegen?

Das ist bei unseren Programmen sehr verschieden. Bei den XGames wird gezeigt, was Extremismus überhaupt ist, welche Mechanismen dahinterstecken und wie man auf sie reagieren kann. Bei „Nº4“, einem anderen großen Programm von uns, geht es eher darum, auf einer non-verbalen Ebene – da die dabei teilnehmenden Jugendlichen meist nur über geringe Deutschkenntnisse verfügen – eine stabile Grundhaltung gegen Orientierungsangebote extremistischer Gruppierungen zu stärken. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität wird thematisiert, aber auch das Erlernen von Toleranz. Generell steht dabei immer Empowerment im Vordergrund. Es geht also darum Selbstsicherheit zu schaffen, damit junge Menschen eigene Perspektiven entwickeln können. Aber das Erleben-Lassen einer Perspektivenvielfalt ist dabei genauso wichtig.

Die Schwerpunkte der verschiedenen Präventionsprogramme hängen vor allem von den Erlebnissen der teilnehmenden Jugendlichen ab. (c) Foto: Hannah Wolf / relaio

Um präventiv gegen Radikalisierung und Extremismus vorzugehen, sollten doch dann alle Schulen vor allem pluralistische und demokratische Haltungen stärken, oder ist das zu kurz gedacht?

Nein, das ist schon die absolute Grundlage: Eine demokratische Haltung sowie ein Bewusstsein für Pluralität zu stärken und diese im Schulalltag auch zu leben. Das ist grundlegend, da wir selbst nur für eine Intervention oder höchstens für einige Workshopmodule an die Schulen kommen können.

Heißt das, dass es in Schulen an dieser Expertise fehlt?

Es gibt sehr engagierte Menschen an den Schulen – gerade diejenigen, die mit uns Kontakt aufnehmen. Das sind zum Beispiel Schulsozialarbeiter*innen, sogenannte Respekt Coaches oder engagierte Geschichts- und Sozialkundelehrerinnen und -Lehrer. Aber Demokratieförderung besitzt oftmals keinen großen Raum. Sie ist zwar als Metathema ganz klar existent, auch in Form verschiedener Projekte wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, aber es muss natürlich einfach sehr viel Stoff vermittelt werden, bei gleichzeitig sehr großen Klassen. Demokratieförderung wird so zu einem Thema, dass manchmal hinten runterfällt.

Der Grund ist dann Überlastung?

Ja und einfach eine andere Prioritätensetzung im Lehrplan.

Problematisch scheint es auch zu sein, wenn eine Präventionsmaßnahme gegen linken Extremismus an hessischen Schulen aufgrund einer fragwürdigen Schwerpunktsetzung und fachlichen Mängeln stark kritisiert wird: Diskutieren wir die verschiedenen Erscheinungen von Extremismus richtig?

Es ist tatsächlich schwer, alles in einen Topf zu werfen. Zum Thema Extremismus halte ich gelegentlich Vorträge vor pädagogischen Fachkräften. Auch ich muss dabei diesen Spagat hinbekommen, da die Zuhörer*innen gerne zu jedem Phänomenbereich Infos bekommen wollen. Das ist wahnsinnig schwer, da es einfach aufgrund verschiedenen Ideologien auch unterschiedliche Kennzeichen für Extremismus selbst gibt und die Phänomenbereiche in manchen Dimensionen einfach nicht vergleichbar sind.


Im Prinzip geht es ja oft um Mechanismen, die nicht bloß zum Thema Extremismus gehören.


Deswegen versuchen wir gar nicht erst explizit auf einzelne Ideologien, sondern auf die ideologieübergreifenden Grundmechanismen von Extremismus einzugehen. Wir wollen einzelne Ideologien auch deshalb nicht so stark machen, da das oft stigmatisierend wirkt, etwa für muslimische Schüler und Schülerinnen bezüglich der Islamismusprävention. Zumal keinesfalls nur diese Schüler*innen anfällig für Islamismus sind. Außerdem würde eine einseitige Beschäftigung mit bestimmten Ideologien dazu führen, dass sich viele nicht angesprochen fühlen würden. Wenn man aber zeigt, was generell die Ideen extremistischer Gruppen sind, schafft man es auch länger alle im Boot zu behalten.

INSIDE OUT startet gerade das Projekt „XGames mit Dialog-Session“, das sich an Personen mit geringen Deutschkenntnissen richtet. Warum ist die Arbeit mit diesen Menschen so wichtig?

Tatsächlich ist es so, dass es sich hierbei meist um Geflüchtete handelt. Diese Menschen sind teilweise aus extremistischen Systemen oder aus Kriegsszenarien und Gesellschaften, in denen eine gesamtgesellschaftliche Radikalisierung schon lange anhält, geflohen. Vor diesem Hintergrund ist es falsch oder zumindest nicht ausreichend, zunächst die deutsche Sprache zu lernen, um sich erst dann mit Demokratie und Pluralismus zu beschäftigen. Vielmehr muss man damit sofort beginnen. Bei diesem Projekt arbeiten wir deswegen auf Basis der Muttersprache der teilnehmenden Jugendlichen, um eben in ihrer Lebenswelt ansetzen zu können.  Wir machen das zusammen mit einer NGO aus dem Libanon. Die nennen sich „Fighters for Peace“ und bestehen selbst aus ehemaligen Bürgerkriegskämpferinnern und -Kämpfern, die nun sozusagen für Frieden kämpfen. Die kommen jetzt für ein paar Wochen nach Deutschland und sprechen mit den teilnehmenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen über ihre Erfahrungen und auch darüber, warum es so wichtig ist, hier ein anderes Leben zu leben. Dank der Förderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge können wir das Programm in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg anbieten.

Zusammen mit den „Fighters for Peace“ startet der Verein nun ein neues Programm in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. (c) Abbildung: INSIDE OUT e.V.

Wie beeinflussen die Erlebnisse dieser Menschen eure Arbeit?

Bei der Konzeption unserer Programme richten wir uns immer nach den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe. In Bezug auf die Arbeit eines unserer weiteren Projekte, „Yezidische Jungs in BW“, geht es zum Beispiel vor allem um einen Vertrauensaufbau, was erfordert, dass unsere Arbeit dazu langfristig ausgerichtet ist. Das vor allem deshalb, da den teilnehmenden Jungs oft erwachsene Vorbilder fehlen und manche von ihnen sogar bereits radikalisiert wurden, indem sie vom Islamischen Staat als Kindersoldaten eingesetzt wurden und auf jeden Fall schlimme Dinge erlebt haben. Eine einmalige Intervention ist zwar auch dann eine Möglichkeit zur Prävention, aber um langfristig stabil zu sein und um sich hier zurechtzufinden, ist eine lange Beziehung zueinander schon wichtig.

Wie sollte bei all diesen Aspekten eine zukünftige Präventionsarbeit aussehen, damit Extremismus als Problem an Schulen an Bedeutung verliert?

Dafür bräuchte es im Schulalltag eine stärkere Auseinandersetzung mit den Themen Radikalisierung, Extremismus und Demokratie. Darüber also, wie Entscheidungen zu Fragen des Zusammenlebens getroffen werden oder darüber, inwieweit es akzeptiert wird, dass jemand in der Klasse gemobbed oder jemand auf dem Schulhof als Jude beschimpft wird. Ebenso müssten Lehrkräfte mehr Fortbildungen zu diesen Themen erhalten, dafür aber auch ein gewisses Zeitbudget. Programme, wie wir sie anbieten, sind dabei genauso wichtig, da es einfach etwas anders ist, wenn externe Personen in die Schulen gehen – wir haben einfach andere Möglichkeiten. Perfekt wäre es dann, wenn es zusätzlich in jeder Schule eine Person geben würde, die dauerhaft für derartige Themen zuständig ist.

(c) Titelbild: Feliphe Schiarolli


Wir haben dieses Interview kurz vor dem Eintreten der aktuellen Entwicklungen in der Coronakrise geführt. Genau so ungewiss wie ihr Fortgang, ist infolgedessen auch die Zukunft vieler, wichtiger, sozialer Initiativen und Projekte. Die hier wiedergegeben Inhalte über die Zukunft und Perspektiven ihrer Arbeit verlieren daher nicht an Bedeutung, sondern weißen umso mehr auf die Gefahren hin, die durch ihren Fehlen entstehen.

Partizipative Stadtgestaltung: Kooperativ Gemeinwohl schaffen und erhalten

Gentrifizierung von kulturell gewachsenen Vierteln, Verdrängung von einkommensschwachen Menschen an die Stadtränder, horrende Mietpreise – die Lage in deutschen Großstädten lässt erahnen, dass Wohnen in der Stadt bald Luxusgut sein könnte. Oft können sich Alleinerziehende, Rentner*innen, Studierende oder Menschen mit geringem Einkommen das Wohnen in „ihrem“ Stadtteil nicht mehr leisten. Immobilien und deren Entwicklung werden momentan häufig als Kapitalanlage und zur Gewinnausschüttung ge- und verkauft. Wie kann stattdessen Gemeinwohl im Immobiliensektor etabliert werden? Im Interview mit der Architektin und Aktivistin Roberta Burghardt haben wir über Diversität in stark umworbenen Stadtvierteln, Partizipationsprozesse und konstruktives Handeln gegen Verdrängungsmechanismen gesprochen.

relaio: Du arbeitest als Architektin und bist aktivistisch in mehreren Projekten zu partizipativer Stadtgestaltung aktiv. Kannst du uns zu Anfang etwas von deiner aktuellen Arbeitsweise mit coop.disco erzählen?

Roberta Burghardt: coopdisco ist eine  Kooperative, in der sich Menschen, die als Architekt*innen und Planer*innen, als Forschende und Lehrende an Hochschulen, als Projektentwickler*innen arbeiten und in stadtpolitischen Initiativen aktiv sind, zusammengeschlossen haben. Gemeinsam ist uns dabei die politische Haltung, mit der wir Architektur machen: Wir setzen uns für eine Stadtentwicklung ein, die sich am Gemeinwohl orientiert. coopdisco nutzen wir dabei als gemeinsame Plattform für unsere Ideen und unsere geteilte Praxis. Wir haben angefangen, als  Selbstständige zu arbeiten und immer wieder in verschiedenen Konstellationen gemeinsam Projekte gemacht. Dabei ist langsam ein Netzwerk von Menschen entstanden, die eine ähnliche Haltung teilen. Irgendwann haben wir nach einer Form gesucht, in der wir das verstetigen und institutionalisieren können. Klassische Formen eines Architekturbüros, wie eine Partnerschaft passen nicht zu uns. Wir sind dabei, eine Struktur zu entwickeln, die uns den nötigen Raum und Flexibilität gibt und uns auch erlaubt, mit einer politischen Haltung Architektur zu machen, aber gleichzeitig das, was wir gemeinsam erarbeitet haben, verstetigt und absichert. Hierzu gründen wir gerade einen Verein. Die Arbeit, die wir machen, funktioniert nur in einer gewissen Mischökonomie, in der man nicht ausschließlich von Architekturprojekten abhängig ist.

Ihr habt kürzlich die Studie „Gemeinwohl entwickeln. Kooperativ und langfristig!“   fertig gestellt.  Unter welchen Umständen ist diese Studie entstanden?

In Friedrichshain-Kreuzberg fanden im Zuge fortschreitenden Interesses durch renditeorientierte Investor*innen im Bezirk Gesprächsrunden zwischen verschiedenen Nachbarschaftsinitiativen und dem Bezirksamt statt. Heißes Thema war dabei das bezirkliche Vorkaufsrecht in Kreuzberg. Das war beispielsweise in München schon in den 90er Jahren Thema und wurde dort ziemlich rigoros angewendet. Mittlerweile ist es das dort auch rum, weil die Immobilienpreise in München inzwischen überirdisch sind. Zwischen dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und München gab es diesbezüglich auch Gespräche, um Erfahrungen auszutauschen

Der Dialog entstand, weil der Bezirk gemerkt hat, dass es wirklich viele aktive Menschen in dem Stadtteil gibt, deren Ressourcen und Wissen für den Bezirk sehr wichtig sind – auch, um überhaupt aktiv werden zu können. Zielsetzung war also eine stärke Zusammenarbeit zwischen Initiativen, der Zivilgesellschaft und dem Bezirk.

Kannst du kurz erklären, um was es sich bei diesem Vorverkaufsrecht handelt?

Nach dem Baugesetzbuch können Kommunen sogenannte Erhaltungssatzungen erlassen. Berlin ist da so bisschen anders, weil es ja ein Stadtstaat ist. Was sonst also eine Kommune ist, ist in Berlin ein Bezirk. Bezirke haben allerdings weniger Kompetenz als normale Kommunen. Wenn die Marktdynamik in bestimmten Stadtteilen so groß ist, dass ein Austausch der Bevölkerung droht, droht damit ja auch Gefahr des Verlusts der gewachsenen Strukturen. Dann kann eine Kommune oder ein Bezirk nach Prüfung und Darlegung einer Begründung eine Erhaltungssatzung erlassen. Damit hat sie einige rechtliche Mittel an der Hand: Zum Beispiel wird erschwert, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln, bei Baugenehmigungen kann der Bezirk viel strenger sein, Modernisierungsmaßnahmen können ganz verboten werden. Das schärfste Schwert ist dann das bezirkliche Vorkaufsrecht: Immer wenn ein Verkaufsfall bei einer Immobilie eintritt, kann der Bezirk oder die Kommune in diesen Verkaufsfall zugunsten Dritter (z.b. eine Genossenschaft oder kommunale Wohnungsbaugesellschaft) ein Vorkaufsrecht ausüben., muss aber dem Käufer die Möglichkeit geben, eine Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben. Dabei verpflichtet sich der Käufer dazu, in einem gewissen Zeitraum keine Umwandlungen in Eigentumswohnungen vorzunehmen, keine Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen und überhaupt keine Maßnahmen durchzuführen, die zu Mietveränderungen führen würden. Das ist unattraktiv für viele Käufer, somit treten diese im Kauf zurück und der Bezirk kann das Vorkaufsrecht wahrnehmen.  

Viele deutsche Großstädte haben mit einem hohen Verwertungsdruck, besonders in beliebten Vierteln, zu kämpfen. (c) Maria Krasnova

Die Zusammenarbeit sollte also praktische Vorstöße für mehr Gemeinwohl im Immobiliensektor initiieren?

Genau. Interessant daran ist, dass Politik und Verwaltung gemerkt haben, dass bürgerschaftliches Engagement und Wissen vor Ort wichtig sind, um in der Verwaltung effektives Handeln zu ermöglichen. Das ist in meinen Augen in dieser Form neuartig. In den 80er Jahren gab es in Kreuzberg auch schon viele innovative Ansätze, die sind teilweise leider wieder verschüttgegangen. Generell kann man sehen, dass es in Kreuzberg eine sehr engagierte Bürgerschaft gibt, die sich dafür interessiert, was in dem Stadtviertel passiert, die nicht gleichgültig ist und sich einsetzt. Gleichzeitig ist der Verwertungsdruck auf Friedrichshain-Kreuzberg unglaublich hoch. Das ist eine spannungsreiche Konstellation.

Die Gesprächsrunden haben weitere Entwicklungen in Gang gebracht.

Ja, sie waren eben der Ausgangspunkt für verschiedene Studien, die der Bezirk ausgeschrieben hat. Eine war für eine Koordinations- und Unterstützungsstelle für Bürgerbeteiligung, die andere war eine Studie zur gemeinwohlorientierten Immobilienentwicklung. Auf diese Studie haben wir uns dann beworben und sie durchgeführt. Beide Studien wurden schließlich zur Grundlage genommen, um eine neue Stelle im Bezirk einzurichten, das wurde Ende letzten Jahres tatsächlich gemacht. Der etwas trockene Name ist „Arbeits- und Koordinierungsstruktur Gemeinwohl“ (AKS). Daraus sind zwei Vollzeit-Stellen entstanden, die im letzten Jahr auf vier halbe Stellen aufgeteilt wurden, wovon sich zwei um Unterstützung im Immobilienbereich kümmern und die anderen beiden um Initiativenarbeit und Kommunikation mit der Verwaltung. Es wurde außerdem eine dritte Stelle geschaffen, die in der Verwaltung angesiedelt ist und als Kontaktstelle zu der AKS dient, gleichzeitig aber auch konzeptueller Teil der AKS ist.

Die von euch konzipierte Studie trägt ja das Gemeinwohl schon im Namen. Wie definiert sich dieser Begriff darin?

Die grundsätzliche Definition von Gemeinwohl ist sehr allgemein, funktioniert aber als Kompass sehr gut: Gemeinwohl schafft man durch guten Ausgleich zwischen individuellen Interessen und allgemeinen Interessen. Jeder hat Partikularinteressen und will ein gutes Leben führen, das soll aber nicht zu Lasten anderer passieren – deshalb der Interessensausgleich. Die Hypothese: Der Grund, dass heute so viel über das Gemeinwohl gesprochen wird, ist, dass dieser Ausgleich schief hängt. Das sieht man daran, dass die gesellschaftliche Ungleichheit immer weiter steigt, immer mehr Leute sind von Armut betroffen, während sich Reichtum in den Händen weniger konzentriert.

Mit dem Verwertungsdruck geht auch ein Verlust öffentlicher Räume einher. (c) Daniel Ionn

Für das Gemeinwohl in Bezug auf Stadt und Immobilien ist es enorm wichtig, dass die direkt betroffenen, also die Nutzer*innen, Einfluss auf die Entwicklung und Bewirtschaftung von Immobilien und ihres Stadtteils haben. Wir verstehen das Herstellen des Gemeinwohls als etwas prozessuales, iteratives. Wenn es gut läuft, verbessert ein solcher Prozess die Bedingungen für gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung und damit steigt das allgemeine Gemeinwohl in der Gesellschaft.

Dazu haben wir in unserer Studie drei Beteiligte identifiziert: Einerseits die Güter, die ja potentielle Gemeingüter sind – in diesem Fall Boden und Immobilien. Dann gibt es noch die Menschen, die daran beteiligt sind, diese Güter herzustellen, zu bewahren und zu schützen – die nennen wir das Gemeinwesen. Außerdem braucht es die passenden Instrumente, die angewendet werden, um Immobilien abzusichern, zu entwickeln und zu finanzieren: Zum Beispiel neue Steuerungsmethoden oder rechtliche Instrumente. Das nennen wir das „Gemeinschaffen“.
Davon ausgehend haben wir Kriterien bestimmt, die uns bewerten lassen, was eigentlich dem Gemeinwohl entspricht, diese nennen wir „Gemeinnutz“-Kriterien. Im Speziellen sind das dann Kriterien, die für Gemeinwohl im Immobiliensektor angelegt werden.

Was war Orientierungspunkt für die theoretischen Überlegungen eurer Studie?

Konzeptuell haben wir uns an zwei Sachen orientiert und versucht, diese miteinander zu verschränken: Historisch haben wir uns am Gemeinnützigkeitsrecht orientiert, das gibt es im Vereinsrecht noch immer. Es gab diese Gemeinnützigkeit auch bereits im Wohnungsbau, diese wurde aber Ende der 80er Jahre deutschlandweit abgeschafft. Das Instrument dafür war eine steuerrechtliche Vergünstigung für Immobilienunternehmen, die nicht profitorientiert gewirtschaftet haben. Das kann man als wohlfahrtsstaatliches Instrument verstehen.
In der aktuellen Debatte orientieren wir uns an den Commons, also verschiedenen Formen von Gemeinschaftsgütern.  Die Gemeingütertheorie versucht, eine Figur jenseits von Markt und Staat zu entwerfen, die fähig ist, Ressourcen zu erhalten, zu entwickeln und gerecht zu verteilen.  Gemeingüter werden durch eine Gruppe von Nutzenden, die sich um die Entwicklung und den Erhalt einer Ressource kümmert, verwaltet. Gemeinschaftseigentum unterliegt jedoch auch immer der Gefahr, zu einem Clubgut zu werden. Das ist dann der Fall, wenn die Nutzung auf einen exklusiven Kreis beschränkt bleibt oder private Gewinne abgeschöpft werden können. Es muss gewährleistet sein, dass es daran offene Teilhabe und Zugang gibt.

 Und hier kommt die Verschränkung von wohlfahrtsstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Ausgleichsmechanismen ins Spiel. Historisch ist der Staat dafür zuständig, den sozialen Ausgleich zu organisieren. Da er dies aber in der Vergangenheit häufig paternalistisch und über die Köpfe der Betroffenen hinweg getan hat und dieser Rolle auch immer weniger gerecht wird, nehmen zivilgesellschaftliche Initiativen eine immer wichtigere Rolle ein. Sie haben oft direkte und unbürokratische Möglichkeiten, gegenseitige Unterstützung zu organisieren. Gleichzeitig fehlt Ihnen natürlich oft die Reichweite oder die Hebel für den Ausgleich oder sie können nur bestimmte Perspektive einnehmen. Hier wollen wir die Kommunen (und den Staat), die über Steuern und andere Mechanismen ganz andere Möglichkeiten haben, für den sozialen Ausgleich zu sorgen, nicht aus der Verantwortung entlassen.

Welche Kriterien für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung konntet ihr also finden?

Die Nicht-Gewinnorientierung muss als oberstes Merkmal stehen. Außerdem muss die Bezahlbarkeit gewährleistet sein, um möglichst breite Zugänglichkeit zu Wohnen und Stadt zu ermöglichen. Ein weiter wichtiger Aspekt kommt aus dem Genossenschaftsgedanken: Nutzer*innen und Anwohner*innen müssen an der Stadt und der Entwicklung der Immobilien teilhaben können. Wir haben noch eine Reihe weiterer Kriterien für eine gemeinwohlorientiere Immobilienentwicklung herausgefiltert: Zum Beispiel, dass Immobilien, die gebaut werden, einen Beitrag für die Nachbarschaft leisten: Dass also beispielsweise in einem Neubau oder einer Neu-Nutzung eines Gebäudes Angebote an die Nachbarschaft mit integriert sind, eine Nahversorgung absichern oder soziale, kulturelle Angebote schaffen. Weitere Kriterien sind Zugänglichkeit der Immobilien, sowohl sozial als auch räumlich, Nachhaltigkeit, Resilienz, Erzeugung von Nutzungsmischung und Diversität. Diese Kriterien haben wir durch die theoretische Verschränkung unserer vorangegangenen Überlegungen identifiziert und sie dann im Weiteren durch Interviews mit verschiedenen Akteur*innen aus dem Immobilienbereich, der Verwaltung und der Politik untermauern können. Da konnte man sehen, dass sich Antworten häufig wiederholen und somit Muster herauskristallisieren.

„100 % soziale Mieten“, „100 % Teilhabe“ (c) Stadt von unten

Diese Studie ist ja Teil eines Gesamtprozesses im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der bürgerschaftliches Engagement mit Verwaltung und Politik zusammenbringt. Wie wird eine langfristige Einbindung der Bürger*innen auch nach den anfänglichen Gesprächsrunden in Berlin-Friedsrichshain gewährleistet?

Im letzten Jahr startete die Pilotphase der beiden neuen Stellen. Teil der Einrichtungsphase waren bereits konkrete Fälle, in denen eben dieses Vorverkaufsrecht betreut wurde, dabei wurden Mietergemeinschaften unterstützt. Im anderen Bereich wurden Initiativen in Ihrer Arbeit unterstützt, beispielsweise in der Organisierung einer Stadtteilkonferenz. Inzwischen wurde als Ergebnis ein Trägerverein gegründet, der zivilgesellschaftlich getragen ist. Darin sind verschiedene Stadtteilinitiativen Mitglieder. Es gibt einen Begleitkreis der Verwaltung, in dem diese Initiativen auch vertreten sind und in dem alltägliche Fragestellungen, Probleme reingetragen werden. Zusätzlich gibt es ein zweites Gremium, eine Steuerungsrunde, in der neben den  Initiativen auch politische Vertreter der Bezirksverordnetenversammlung sitzen, womit auch eine parlamentarische Kontrolle gewährleistet wird. Die Idee dahinter ist, dass eine solche Struktur aus Initiativen nur gut arbeiten kann, wenn sie politisch unterstützt wird. Dafür gibt es diese kontinuierliche Kommunikation mit den Bezirkspolitikern. Diese tätigen ja tatsächlich die politischen Entscheidungen, die Verwaltung führt am Ende auch nur aus.

Es gibt diverse Studien zu sozialer Durchmischung in Stadtvierteln: Findet man ja super, funktioniert aber oft so gar nicht. Wie kann die Planung einer gewünschten Diversität aussehen und ab wann ist es überplant?

Das ist tatsächlich ein kritischer Punkt. Ich finde den Begriff soziale Durchmischung problematisch, weil dieser zu einer Festschreibung davon beiträgt, dass es überhaupt Arme und Reiche gibt. Damit wird versäumt, festzustellen, dass es ein ganz grundlegendes Problem gibt: Es wäre notwendig, einen Ausgleich herzustellen, damit es weniger Arme und weniger Reiche gibt. Das ist natürlich erstmal ein Fernziel und hat auch eine utopische Komponente, ist aber trotzdem diskursiv stark bedeutend. Natürlich meint man erstmal nur Gutes mit dem Ziel, dass Arme und Reiche möglichst zentral zusammenwohnen sollen. Allerdings ist es wissenschaftlich umstritten, ob Arme notwendigerweise davon profitieren, wenn sie in räumlicher Nähe zu Reichen leben. Soziale Durchmischung wird diskursiv allerdings oft dann verwendet, wenn es um vermeintliche Ghettobildung geht. Sehr selten wird darüber gesprochen, dass es eine problematische (fehlende) soziale Durchmischung in sehr wohlhabenden Stadtteilen gibt. Im Praktischen ist es natürlich wichtig, dass gerade in einem unter hohem Entwicklungsdruck stehenden Stadtteil wie Friedrichshain-Kreuzberg Leute mit geringem Einkommen wohnen bleiben können und nicht verdrängt werden. In unserer Arbeit ist das entscheidende Argument aber beispielsweise nicht, soziale Mischung zu erhalten, sondern ganz grundsätzlich, dass diese Menschen, die dort ja noch immer wohnen, nicht aus ihren Netzwerken und Lebensgrundlagen verdrängt werden.

In einer intersektionalen Betrachtungsweise gibt es unterschiedliche Diskriminierungsaspekte wie Herkunft, Alter, Bildungsniveau, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Einkommen. Je mehr von diesen Diskriminierungsaspekten zusammenkommen, desto schwieriger wird es für diese Menschen, ihren Lebensunterhalt und ihre Entfaltung zu gewährleisten.

In den deutschen Großstädten ist die Armutsquote höher als im Bundesdurchschnitt. (c) Pujohn Das

Wie sieht das dann bei einer Neuentwicklung oder -nutzung von Gebäuden aus?

Bei einer Neubauentwicklung steht man dann natürlich tatsächlich vor der Frage, wie man dort Zugänge ermöglichen kann. Ich glaube, die Macht von Architektur und Planung ist in Bezug auf solche Fragen überbewertet. Sehr oft gibt es eine Verwechslung von formalen Aspekten zu sozialen und kulturellen Strukturen: Der Denkfehler ist, dass man mit dem Schaffen einer vermeintlich diversen räumlichen Struktur auch eine diverse Nachbarschaft schafft. Das ist ein falscher Grundgedanke. Ich glaube natürlich, dass Architektur und Raum daran beteiligt sind, aber erst im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wird das dann wirklich relevant. Deshalb glaube ich, dass man, wenn man tatsächlich einen diversen Stadtteil haben möchte, diverse räumliche Angebote schaffen muss, aber damit diese überhaupt angenommen werden, ausgefüllt werden und zum Tragen kommen, braucht es andere Methoden. Es braucht verschiedene, also diverse, Formen der Organisierung. Es braucht unterschiedliche  Angebote, damit sich die verschiedenen Menschen entfalten und selbstständig entwickeln können. Bevor überhaupt ein erstes Haus gebaut wird, braucht es Orte des Zusammenkommens, an denen Gemeinschaft möglich wird.

Können andere Wohn- und Planungsformen, zum Beispiel Genossenschaften, das Vorgehen erleichtern?

Bei genossenschaftlichen Entwicklungen ist das dadurch insofern einfacher, als dass es sich um bereits bestehende Mitglieder*innen handelt – so kann man mit konkreten Menschen arbeiten. Diese können dann direkt in den Planungsprozess miteinbezogen werden und dadurch kommt es zu Community Building. Genossenschaftliche Entwicklung sind jedoch meistens auch ziemlich exklusiv, da sich viele Leute Genossenschaftsanteile gar nicht leisten können. Dies gilt vor allem für viele jüngere Genossenschaften, die zwar gutes im Sinn haben, aber oft hohe Bodenpreise bezahlen müssen und sich über die Genossenschaftsanteilke kapitaliisieren müssen.
Ich glaube, es ist ein Fehler, dass man sich bei diesen Bemühungen für das Schaffen von Diversität irgendwelche abstrakten Typen ausdenkt, man sollte viel genauer hinschauen, wer schon da ist. Das trifft auch für Entwicklungen auf der grünen Wiese zu. Da muss man, schon bevor man anfängt zu planen, schauen, mit wem man das zusammen entwickelt, wer welche Bedarfe hat und welche Stakeholder daran beteiligt werden sollen.
In unseren Projekten habe ich erfahren, dass es enorm wichtig ist, irgendeine konkrete Verortung bei den Projekten zu finden. Ein Projekt, das wir seit zwei Jahren betreuen, ist die Entwicklung von einem Gewerbeareal am Rande von Kreuzberg, was Bundesgrundstück ist. Da gibt es eine sehr komplexe Gemengelage. Deshalb haben wir eine sogenannte Bauhütte eingerichtet: Das ist ein Ort, an dem eine Debatte über die Zukunft der Entwicklung des Geländes stattfindet, in dem sich alle einbringen können.

„Der Denkfehler ist, dass man mit dem Schaffen einer vermeintlich diversen räumlichen Struktur auch eine diverse Nachbarschaft schafft.“

Wie kommt man denn dann mit Leuten ins Gespräch, die nicht die Zeit, das Interesse oder die Hoffnung haben, dass sie mit ihren Vorstellungen etwas bewirken können? Wie kann man Diversität erhalten oder erzeugen in Stadtentwicklungsprozessen?

Da gibt es nicht das eine Rezept. Meistens haben Leute, die arm sind, durch viel Arbeit wenig Zeit und wenig Glauben an Selbstwirksamkeit. Das macht es natürlich sehr schwer. Es gibt wiederum Organisationen, die diese Menschen vertreten, und wieder andere Institutionen, die diese Leute sichtbar machen. Es reicht nicht, irgendwelche Poster für Beteiligungsprozesse auf Straßenpfosten zu kleben. Da wird Community Organising benötigt und das muss auch aktiv wachsen. Ich bin noch in einer anderen Initiative aktiv, die heißt „Stadt von Unten“.  Teilweise geht’s im Quartiersmanagement ja eher um die Befriedung von sozialen Konflikten. Wir fordern dagegen Mittel für ein empowerndes Organising als Bestandteil der Stadtentwicklung, durch das Leute, die nicht sichtbar sind, sichtbar werden können und ihre Selbstwirksamkeit erkennen. Es ist aber natürlich schwierig, Menschen „sichtbar zu machen“, weil das in einem Top-Down-Ansatz nicht funktioniert. Es braucht dafür Organisationen vor Ort, die das unterstützen, im besten Fall Selbstorganisationen, von denen es gar nicht so wenige gibt wenn man genauer hinschaut, und eine progressive Politik oder Verwaltung, die das unterstützt. Das ist aber nichts, was man einfach mal so implementieren kann, das muss sehr stark im Dialog entstehen. Dafür bräuchte es auch in der Verwaltung sehr sensible Leute, die die Strukturen vor Ort kennen und wissen, mit wem man zusammenarbeiten kann. Das ist eine Forderung, die wir stellen.

Community Organising und progressive politische Strukturen sind also notwendige Voraussetzungen, damit sich Menschen überhaupt aktiv in die Gestaltung neuer Räume einbringen können.

Gemeinwesenarbeit ist mindestens genauso wichtig wie architektonische Planung oder räumliche Gestaltung. So bringt man am Ende auch andere Leute in Beteiligungsprozesse. Ein gutes Beispiel ist die Gemeinwesenarbeit (GWA) St. Pauli in Hamburg. Die ist gut im Stadtteil verankert und unterstützt die Menschen gerade auch in Auseinandersetzungen um die Entwicklungen des Stadtteils und unterstützt Stadtteilversammlungen zu Entwicklungsfragen. Ein prominentes Beispiel waren die Auseinandersetzungen um die Essohäuser, die abgerissen wurden. In Zuge dessen haben viele Menschen ihre Bleibe verloren.. Solidarische Strukturen im Stadtteil haben da vieles auffangen können und eine soziale Neuentwicklung des Areals eingefordert, einen Prozess von ‚Unten, der dann durch die Planbude begleitet wurde. Es braucht Vertrauen und Zeit, bis sich Strukturen bilden und die Menschen sich auch trauen, herauskommen. In so einem Prozess bin ich seit Jahren aktiv, das ist der Rathausblock Dragoner-Areal in Kreuzberg. Dabei handelt es sich um ein Bundesgrundstück, das der Bund privatisieren wollte. Seit Jahren haben sich Initiativen dafür eingesetzt, dass es nicht privatisiert wird, und das hat tatsächlich geklappt – es ist also eine Erfolgsgeschichte. Jetzt gerade geht es darum, dieses Grundstück zu entwickeln, und da sind wir mittendrin in all diesen Fragen und Problematiken, die wir jetzt besprochen haben – auch wenn ein großes Augenmerk auf Beteiligung liegt und es verschiedene Kooperationsverfahren zwischen Initiativen und der Verwaltung und der Politik gibt. Ein großer Vorteil ist, dass viele der Initiativen fest im Stadtteil verankert sind, und damit bringen sie auch ganz andere Menschen als sonst oft in den Beteiligungsprozess. Man merkt, dass es für unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen ganz unterschiedliche Formate braucht. Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind, und mit Ihnen gemeinsam herausfinden, wo sie hin wollen.

„Demokratie heißt, Aushandlungsprozesse und Kontroversen zu stemmen und führen zu können.“

Im Interview mit Britta Schellenberg.

Wenn 2019 in Deutschland ein rechter Attentäter eine Synagoge stürmen will, wahllos Passanten ermordet und dabei seine Taten ins Netz stellt, stimmt etwas nicht in einer Gesellschaft. Gleichzeitig stimmt es nicht, dass dieser rechte Terror sowie damit verbundener Hass und Hetze neue Phänomene im gesellschaftlichem Miteinander sind. Kaum zu bestreiten ist es aber, dass sich rechter Terror und somit Rechtsextremismus gewandelt hat – er ist digital geworden.
Im Interview mit der Politologin Britta Schellenberg hat relaio nachgefragt, wie Hass und Hetze eine plurale Gesellschaft herausfordern, wie sie sich zur Wehr setzen kann und welche Rolle jede*r Einzelne aber auch öffentliche Institutionen dabei spielen. Für Britta Schellenberg ist klar: Ohne Bildung geht es nicht. Wie diese aussehen kann, erklärt sie auch anhand der Arbeit ihres Projektes „Den Menschen im Blick“.

relaio: Frau Schellenberg, spätestens seit dem Anschlag in Halle sowie auf Walter Lübcke ist Rechtsextremismus wieder in das Zentrum gesellschaftlicher Debatten gerückt: Mit was haben wir es da eigentlich zu tun?

Britta Schellenberg: Ich würde tatsächlich von Hasskriminalität sprechen. Davon sehe ich insgesamt eine Zunahme. Es geht dabei nicht allein um rassistische Gewalt, sie ist aber oftmals der Hintergrund. Eigentlich richtet sich diese Hasskriminalität gegen die plurale Gesellschaft, gegen die Demokratie, in der wir leben und damit auch gegen die Menschen und Akteure und Akteurinnen, die diese Demokratie ausmachen. Insofern richtet sich Hasskriminalität gegen Menschen, die sich für diese Demokratie stark machen, ob es jetzt für Geflüchtete ist oder für Parteien – was auch der Grund ist, warum es auch viele Politiker*innen trifft. Und es trifft im Übrigen auch viele Journalist*innen, die immer stärker Bedrohungen ausgesetzt sind. Sie richtet sich auch verstärkt gegen Frauen, die öffentlich präsent sind und gegen Menschen mit ausländischen Familienbiografien oder aus nicht-christlichen Religionen.

Die Amadeu Antonio Stiftung hat 198 Todesopfer sowie zwölf Verdachtsfälle rechter Gewalt seit der deutschen Wiedervereinigung aufgelistet. Viele davon sind schon Jahre her. Rechte Gewalt ist also eine bereits länger bestehendes Problem: Was ist nun neu daran?

Das ist eine wirklich spannende Frage. Denn wenn man sich rechtsterroristische Übergriffe anschaut, dann gibt es die eigentlich seit 1945. Seit es den Nationalsozialismus als Staatsform so nicht mehr gibt, sieht man an den verschiedensten Übergriffen eine Kontinuität von Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland. Was sehen wir jetzt? Nun, die deutsche Gesellschaft an sich, ist über die Jahrzehnte liberaler, weltoffener, weniger rassistisch und auch weniger antisemitisch geworden. Gleichzeitig sehen wir, dass rechte Terrorgruppen weiterhin existieren und dass diese heute im Kontext der Globalisierung und Digitalisierung mehr Möglichkeiten besitzen, Menschen persönlich anzugreifen und ihnen Schaden zuzufügen.

„Ich würde tatsächlich von Hasskriminalität sprechen. Davon sehe ich insgesamt eine Zunahme. Es geht dabei nicht allein um rassistische Gewalt, sie ist aber oftmals der Hintergrund“, sagt Britta Schellenberg. (c) Hannah Wolf

Außerdem ist unsere Gesellschaft deutlich diverser, demokratischer und pluraler geworden. Somit haben sich die Angriffsziele multipliziert. Gleichzeitig hat sich die Gruppe der Menschen, die Hass und Drohungen verbreiten, vergrößert. Diese Leute haben mehr Möglichkeiten dazu und die Strafverfolgung hängt hinterher. Zum Beispiel ist die Polizei sowie die Justiz immer noch nicht in der Lage, wirklich gegen digitale Gewalt und digitalen Hass vorzugehen. Da gibt es Gesetzeslücken und deren Schließung geht langsamer voran als die Entwicklung der Gesellschaft. Ein weiterer Grund ist, dass die Bearbeitungsschwächen bestehender Vorfälle einfach massiv sind. Wenn man da jetzt nicht nachlegt, wird man es schwierig haben, vorhandene Probleme in den Griff zu bekommen.

Die Tat von Halle wurde auf der Online-Plattform „Twitch“ live gestreamed: Hat Rechtsextremismus nun einen neuen digitalen Tatort?

Ja, es gibt neue Räume, in denen man sich nun austauscht. Die sind jetzt eben auch digital geworden und die Anhänger und die Täter selber feiern sich dort. Es ist jetzt gar nicht mehr nötig, handfeste Organisationen zu gründen, wo man gemeinsam zusammensitzt und irgendetwas unterschreibt oder dergleichen. Die Täter haben häufig ja auch gar nicht so viele reale, soziale Kontakte, sondern bewegen sich oft global in diesem digitalen Raum und beklatschen sich gegenseitig bei immer bestialischeren Taten, die dann eben auch noch live gefilmt werden. Breivik im Jahr 2011 war vielleicht ein Vorläufer. Der hat sich zwar noch nicht selbst gefilmt, aber es gab eben diese digitale Vernetzung, wo schon ideologische Freundschaften digital Bestand hatten und er hatte bereits ein sogenanntes Manifest ins Netz gestellt.

Laut einer US-amerikanischen Studie agieren derartige Extremisten international und plattformübergreifend. Eine weitere Erkenntnis der Studie besteht darin, dass man „Anti-Hate-User“ dazu zu bringen sollte, mit Hilfe von Diskussionen Hass und Extremismus im Netz zu stoppen: Wie lässt sich derartiger Hass erkennen?

Dafür bedarf es Demokratiebildung im Prinzip schon im Kindesalter – eine, die gleichzeitig eine Menschenrechtsbildung ist. Politische Bildung, die darauf setzt, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen und möglichst konfliktarm Differenzen bearbeiten können. Denn von Kindesalter an lernt man, wie man mit Konflikten und bestimmten, schwierigen Themen umgehen muss. Wenn das nicht gut gelernt wird, ist es eben leichter, in solche gewaltaffinen Bereiche abzudriften. Das begleitet uns unser Leben lang. Den menschenrechtlichen Status und die Menschenwürde der anderen zu schätzen, ist etwas, dass sich durch alle Institutionen durchziehen muss. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das umfasst unbedingt auch die Strafverfolgung und die Ermittlungsarbeit von Polizei und Justiz. Auch da müssen die Normen klar sein. Ebenso in welcher Gesellschaftsform wir tatsächlich leben – nämlicher einer pluralen Demokratie – und was das bedeutet.

Aber, ist das immer klar?

Es muss klar gestellt werden. Und es ist strafrechtlich zu verfolgen, wenn Polizeibeamte rassistisch handeln oder die Justiz auf einem Auge blind urteilt. Es muss auch etwas getan werden, wenn Übergriffe auf Personen nicht als solche bearbeitet werden, weil etwa die Bedeutung von Hasskriminalität, von Vorurteilen, nicht bekannt ist. Da muss noch sehr viel getan werden. Es wurde lange versäumt, politische, demokratische und menschenrechtsbezogene Bildung in diesen Institutionen auszuüben, die das unmissverständlich klar macht.

„Es ist jetzt gar nicht mehr nötig, handfeste Organisationen zu gründen, wo man gemeinsam zusammensitzt und irgendetwas unterschreibt oder dergleichen.“ (c) Hanna Wolf

Dann reicht es also nicht aus, wenn Bundesinnenminister Horst Seehofer hunderte neue Planstellen in Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz zur Bekämpfung gegen Rechtsextremismus schaffen will?

Absolut nicht! Das kann auch genau nach hinten losgehen. Denn wenn man dann jemanden einstellt, der nicht über eine entsprechende Haltung verfügt, die mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dann hat das überhaupt keinen Sinn. Die Menschenrechte sind ja ein zentrale Bestandteil des Grundgesetzes, ebenso das Versprechen des Staates nicht zu diskriminieren, weder nach Religion, Herkunft, Geschlecht. Wir wissen, das Polizeien auch bestimmte Dynamiken entfalten können, die gerade für ein rechtsextremes Spektrum anfällig machen. Da muss man ganz gezielt gegenarbeiten. Das kann man nicht, in dem man schlicht Leute anstellt, sondern viel mehr durch politische Bildung und entsprechende Trainings. Inzwischen wissen wir auch: die eigenen Rassismen, die eigenen Haltung zu Gewalt wird dann noch verschärft während des Polizeidienstes, im Verlauf der Jahre. Das heißt, es gibt die Notwendigkeit, da gegenzusteuern, indem man mit den Institutionen gemeinsam und in den Institutionen diese Werte, die wir haben, diskutiert. Es muss gleichzeitig aber Klarheit bei internen Ansagen herrschen.

Den Livestream des Anschlags in Halle haben einige Personen in Echtzeit mitverfolgt. Hinsichtlich der Diskussion von Werten muss man sich doch dann fragen: Was darf man und was nicht?

Letztlich ist jeder einzelne gefragt, wie er mit seiner Umwelt umgeht und dazu beitragen kann, dass der Umgang miteinander möglichst konfliktfrei, anständig und menschenwürdig ist.

Finden Sie, dass Personen wie Björn Höcke, die Praxis eines solchen gemeinsamen Umgangs untergraben, oder ist das zu einfach gedacht?

Ich glaube, dass es hier wirklich auf alle Kräfte ankommt, im Sinne wie Menschen privat oder öffentlich reagieren. Es kommt also darauf an, wie man selbst in bestimmten Diskussionen kontert. Aber auch politische Parteien sind gefragt, die richtigen Entscheidungen und Abgrenzungen zu treffen. Etwa dann, wenn sich menschenverachtend oder antisemitisch geäußert wird. Das sehe ich bei Herrn Höcke und anderen Parteimitgliedern oder Führungskräften AfD durchaus gegeben. Das heißt, man muss genau aufpassen, mit wem man wie ins Gespräch kommen will. Und auch klar sagen, mit wem nicht.

Was die Frage mit sich führt, welche Plattform man solchen Personen bietet.

Natürlich ist es nötig, sich auch öffentlich auseinanderzusetzen. Man kann ja jetzt nicht die mitunter gewählten Personen aus den Medien ausladen. Man muss sich schon dem Thema stellen und es diskutieren. Auseinandersetzung gehört zur Demokratie. Aber: Die ganzen Dynamiken, die Medien dabei entfalten, müssen ebenso bedacht werden. Sie funktionieren ja teilweise auf Dramatik, Negativität und Kontroverse. Ich denke, es sollte keine Gesprächsverbote geben, aber es soll schon sehr klar sein, mit welcher Partei man koaliert oder sich zumindest zu Gesprächen dafür einlässt und mit welcher das eben absolut nicht möglich ist, weil man selbst komplett andere Werte hat.

Stichpunkt Werte: (Rechts-)Konservative sprechen allzu gern von „Hypermoral“ oder „Tugendterror“. Andererseits gibt es die Befürchtung, dass demokratische Grundvoraussetzungen wie Pluralität und Toleranz verschwinden. Ebenso könnte man aber sagen: Verschwindender Konsens bedeutet ein Erstarken der Meinungsfreiheit – auch eine Säule der Demokratie: Ist unsere Demokratie also überhitzt, oder einfach nur auf ziemlich guter Betriebstemperatur?

Demokratie heißt, Aushandlungsprozesse und Kontroversen zu stemmen und führen zu können. Deshalb würde ich sagen: Es läuft eigentlich ziemlich gut. Dass gerade auch in Deutschland so divers diskutiert wird, empfinde ich zunächst als positives Zeichen für die Demokratie. Die Frage danach, was nicht mehr akzeptabel ist und wo tatsächlich Grenzen zu ziehen sind, muss immer wieder neu verhandelt werden. Auf der einen Seite gibt es Mehrheiten, die darüber sprechen und verhandeln, auf der anderer Seite haben wir aber auch klare Gesetze, wie das Grundgesetz, die klar bestimmen, was nicht geht. So ist die Würde des Menschen unantastbar.

77 Prozent der 2018 polizeilich erfassten und politisch motivierten Hasspostings beinhalten rechten Hass und Hetze. (c) Grafik: relaio // Datenquelle: Bundeskriminalamt.

Ich als Wissenschaftlerin würde sagen, es ist absolut wichtig, sich mit den verschiedensten politischen Strömungen auseinander zu setzen. Aber es ist genauso wichtig, diese aus einer heutigen Sicht reflektieren zu können. Das heißt nicht, dass man heute gewissen Dinge nicht mehr diskutieren darf, das ist überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil: Man muss Dinge besprechen, aber man muss es auch mit dem Blick von heute können.

Einmal ganz normativ gefragt: Wie sollte dieser Blick ausgerichtet sein?

 Was die Wissenschaft betrifft, muss man alles lesen dürfen und diskutieren können. Aber wenn es um das Zwischenmenschliche geht, muss man schon klar machen, welche Rechte heute gelten. Das heißt, ob jemand jüdischen Glaubens ist oder einen Vater aus dem Iran hat, macht diese Person aus der heutigen Sichtweise nicht zu einem schlechteren Deutschen oder zu einem Nicht-Deutschen. Darüber kann man im Hier und Jetzt nicht mehr diskutieren. Man kann aber natürlich abstrakt in die Geschichte einsteigen, Ideologien oder bestimmte Standpunkte anschauen und sich innerhalb dieser Standpunkte ein eigenes Bild davon machen, wie plausibel diese im historischen Kontext erscheinen. Man kann einen Carl Schmitt und solche Begriffe wie Tugendterror auf Plausibilität auf den damaligen sozio-politischen Kontext, in dem er damals geschrieben hat, hin untersuchen. Das kann man auch ziemlich wertfrei tun. Bloß muss man ihn eben entsprechend einordnen können.

In der sogenannten Shell-Jugendstudie 2019 finden es mehr als die Hälfte der dort befragten 12- bis 25-Jährigen gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Die Aussage „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden“ erhält allerdings noch größere Zustimmung. Es gibt also ein Gefühl moralischer Tabuisierung? Was ist dran an diesem Gefühl und wie lässt sich ihm begegnen?

Wenn Meinungsumfragen so etwas ergeben, dann macht es neugierig, genauer hinzuschauen. Es ist interessant sich genauer damit auseinanderzusetzen, sich zu fragen, was da gemeint ist und ins Gespräch zu kommen. Man muss sie also fragen: Warum entsteht bei ihnen dieser Eindruck, warum sind sie dieser Meinung – eben schon deshalb, um es besser verstehen zu können. Zweitens sollte man bei solchen Untersuchungen stets schauen, ob die Fragen passend und verständlich sind. Was die Befragten assoziieren lassen und auch was bei ihnen ausgelöst wird.  Es ist in der Rassismusforschung Konsens, dass die Aussage „alle Ausländer“ sind schlechter oder minderwertiger als die imaginierte Eigengruppe, rassistisch ist. „Ausländer“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig problematischerweise als Abkürzung für „Schwarze“, „Juden“, „Muslime“, „Türken“ etc. etc. genutzt. Auch hier müssten vertiefende Fragen, müsste qualitative Forschung ansetzen. Denn Einordnungen sind wichtig, um zu verstehen, was da angekreuzt wurde.

Viele Jugendliche befürworten einen solidarischen Umgang mit Geflüchteten, fühlen sich jedoch gleichzeitig moralisch tabuisiert. (c) Grafik: relaio // Datenquelle: 18. Shell Jugendstudie 2019.

Abschließend könnte man doch sagen: Es sind vor allem Ressentiments, das heißt, die prinzipielle Abwertungen anderer mit dem Zweck der eigenen Aufwertung, die die Ursache von Hass und Hetze sind. Ist es das Ziel ihrer Projekts „Den Menschen im Blick“ genau gegen solche Einstellungen anzukämpfen?

Man könnte es schon so formulieren, dass es darum geht, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und in die kritische Analyse und Selbstreflexion zu treten. Ein Ausgangspunkt von dem Projekt war es tatsächlich, zu schauen, wie man ein Bildungskonzept für eine plurale Gesellschaft entwickeln kann, bei dem man sich die Frage stellt, was man selbst eigentlich damit zu tun hat. Dass man sich also fragt, welche Vorteile so eine Gesellschaft bietet und wo man darin persönlich stehen will. Letztlich will ja jeder, dass die eigene menschliche Würde, Lebensweisen und Lebensformen anerkannt werden. Wir, hier in München sitzend, haben zudem festgestellt, dass die am Projekt Mitarbeitenden sowie die Korporationspartner*innen sehr divers sind, was die eigenen Hintergründe, Religionen, Wünsche und Lebensweisen betrifft. Von diesem Ausgangspunkt, aber auch in Hinblick auf das Grundgesetz, wollten wir dann ein Bildungskonzept erstellen.

Mit Ihrem Projekt halten Sie Trainings in öffentlichen Institutionen, um dort Rassismus und Diskriminierung besser erkennbar zu machen: Welchen Bedarf gibt es dort für Ihre Arbeit?

Wir haben zu Beginn in den jeweiligen Institutionen Befragungen durchgeführt, um herauszufinden, was diese Trainings denn Leuten dort nützen und welcher Mehrwehrt dabei besteht. Sie haben am Ende die beste Erfahrung. Ob es jetzt Polizei, Diakonie, AWO, Caritas oder die Stadt München ist, sie wissen selbst am besten, wie ihre Mitarbeitenden und ihre Führungskräfte ticken und welchen Bedarf es an Handlungsorientierung gibt. Der Mehrwert ist nicht selten zunächst ein egoistischer. So gibt es diverse Mitarbeitende, die miteinander auskommen müssen. Öffentliche Institutionen haben zudem die Verantwortung für Klientinnen und Bürgerinnen, die divers sind und die entsprechend divers behandelt werden müssen. Andere sehen, dass es eine Schieflage in der Gesellschaft gibt – die Diskurse werden härter, eine Brutalisierung der Sprache findet statt – und wollen insgesamt etwas für den gesellschaftlichen Frieden tun.

Wie sieht dann so ein Training ganz konkret aus?

Zunächst gibt es eine Einführung zu den Themenbereichen Rassismus und Diskriminierung. Dann gehen wir sehr schnell in die Praxis über. Besonders wichtig an dem Projekt ist dabei das Thema Diskriminierung – sie ist handlungsorientierter als Rassismus. Das heißt, wenn das Personal einer Organisation eine rassistische Einstellung hat, ist das nicht zwingend problematisch in dem Sinne, dass diese sich nicht zwingend in einer Handlung äußern muss. Diskriminierung hingegen geschieht aber immer, indem Menschen anders behandelt werden aufgrund irgendeiner Einkategorisierung in Folge ihrer Herkunft, Religion, Sexualität oder etwa ihrem Geschlecht. Das ist einfach illegitim und darum geht es.

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Ein weiterer Schwerpunkt ist es, zu versuchen, in diesen Schulungen und mit diesen Organisationen festzustellen, wo es vielleicht Routinen oder Regelungen gibt, die bestimmte Menschen ausschließen oder andere Menschen privilegieren. Darüber sollen die Übungen ein Bewusstsein schaffen. Wenn jemand etwa rassistische Statements von sich gibt oder etwa die Kollegin XY nicht einlädt, weil sie den falschen Glauben hat, haben wir schon ein institutionelles Problem und das muss man in irgendeiner Weise auch besprechen.

Man bekommt den Eindruck, dass Diskriminierung auch unbewusst geschieht?

Ja genau! Es geschieht dabei vieles unbewusst.

Wie macht man dann aber Institutionen bewusst, dass sie gerade diskriminieren?

Das ist der Knackpunkt. Wir versuchen mit unseren Trainings eben nicht nur festzustellen, dass sich eine Person ganz klar rassistisch äußert und sie es willentlich tut. Sondern uns geht es darum zu sehen, was das Ergebnis von Arbeitsabläufen ist. Ihr Ergebnis kann auch unbewusst rassistische Diskriminierung sein. Wenn sich beispielsweise verschiedene Leute auf eine Stelle bewerben, aber nur weiße Frauen und Männer eingeladen werden, muss man mal genauer hinschauen. Mit unserem Training schaffen wir Gesprächsanlässe. Wir erreichen eine Sensibilisierung und vertiefen Selbstreflexion sowie besprechen alles auch mit einer gewisse Handlungsorientierung. Aber irgendwann müssen diese Institutionen einen Schritt weiter gehen. Sie müssen solche Probleme selbst ansprechbar machen, und Strukturen schaffen oder ausbauen, die dann in der Lage sind, Konsequenzen zu ziehen. Es ist also ein Weg, der beschritten wird.

Wichtig ist mir auch nicht falsche Erwartungen mit unseren Trainings zu erwecken. Deswegen sage ich auch, dass unsere Trainings in einer diversen, heterogenen Gesellschaft funktionieren. Es klappt in München etwa sehr gut. Aber sobald die Gesellschaft, die Menschen in ihr und deren Lebensentwürfe nicht divers, sondern stark homogen sind, vielleicht auf dem bayerischen Land, oder auf dem Land in Sachsen, kann ich es nicht empfehlen. Dort gibt es andere Konstellationen und Herausforderungen.

Aber hat man dann schon Teile der Gesellschaft verloren?

Man kann mit unseren Themen nicht alle gleichzeitig bespielen – das geht nicht. Das haben wir auch in den verschiedenen Institutionen gemerkt. Stadtverwaltungen und Wohlfahrtsverbände ticken anders als die Polizei oder eben als Kommunen auf dem Land. Die Gesellschaft ist einfach zu unterschiedlich, als dass es überall gleich funktionieren kann. Aber ich würde schon sagen, dass wir natürlich einen gemeinsamen, normativen Ausgangspunkt haben. Und ich glaube auch, dass man mit diesem normativen Anspruch überall arbeiten kann. Allerdings müsste die praktische Ausformulierung und auch das jeweilige Gesprächsangebot in unterschiedlichen Regionen oder auch Organisationen tatsächlich anders aussehen.


(c) Titelbild: Hannah Wolf

 

 

Letsact – Mit einem Klick zum Ehrenamt

Auf der App „Letsact“ werden suchende Freiwillige fündig: Einfach und unbürokratisch kann man sich für ehrenamtliche Projekte anmelden

Hausaufgabenhilfe, Frösche retten, Öffentlichkeitsarbeit – die Möglichkeiten, sich ehrenamtlich einzubringen sind vielfältig. Noch sind aber nicht alle dort angekommen, wo sie schon lange sein könnten: Viele Menschen suchen nach dem passenden Projekt, in dem sie ihre Stärken und Ressourcen einbringen können. Laut dem Freiwilligensurvery des Bundesfamilienministeriums engagieren sich bereits 44 Prozent der Deutschen ehrenamtlich. Weitere 33 Prozent der Deutschen würden gerne ein Ehrenamt ausüben, stoßen aber bei der Suche nach der passenden Organisation oder dem passenden Projekt auf Herausforderungen: Viele Datenbanken sind veraltet und die Kommunikation mit den Organisationen ist oft mit großem Aufwand verbunden – bis die richtige Telefonnummer gefunden ist, erliegt der edle Wunsch nach gesellschaftlichem Engagement vielleicht schon der Frustration. Das wollen Ludwig Petersen und Paul Bäumler ändern und haben deswegen das Social Business „Letsact“ gegründet.

Letsact ist eine Plattform für lokale und internationale Freiwilligenarbeit, die direkten Zugang zu freiwillig-sozialen Projekten schafft. Hilfesuchende Organisationen kreieren Projekte auf der Plattform und Freiwillige können sich mit nur einem Klick auf der App dazu für diese anmelden. Damit wird eine schnellere und einfachere Teilnahme an passenden sozialen Engagements ermöglicht sowie auch ein direkter Kommunikationskanal zwischen Freiwilligen und Organisationen geschaffen. Durch letsact geht keine Zeit mehr bei der Suche nach Freiwilligenprojekten verloren, sondern kann direkt in die Freiwilligenarbeit investiert werden. 

Gründung aus Bedarf

Paul und Ludwig kennen sich noch aus der Schulzeit. Sie waren schon in damals in unterschiedlichen ehrenamtlichen Projekten involviert und haben sich oft darüber geärgert, dass sie zwar nur mit wenigen Klicks eine Wohnung in Italien buchen können, aber ehrenamtliches Engagement noch immer mit großem Recherche- und Zeitaufwand gekoppelt ist. Außerdem sahen sie es kritisch, dass bei Auslandsaufenthalten von Freund*innen für Volunteering große Summen an Geld an vermittelnde Agenturen ausgegeben wurden. So sind sie in unterschiedlichen Gesprächen zu dem Schluss gekommen, dass für einen digitalen Zugang zu Ehrenamt mal richtig angepackt werden müsste. Sie sahen, dass die technischen Möglichkeiten dafür gegeben waren. David drückt das so aus: „Und dann dachten wir uns, wenn wir’s machen, dann machen wir es richtig“ – so wurde Letsact 2017 gegründet und ging Anfang 2018 online.

Internationale Volunteering-Projekte sind besonders für junge Menschen in der Orientierungsphase attraktiv. (c) Khurt Williams

Inzwischen nutzen bereits über 25.000 Teilnehmer*innen und über 500 Organisationen die App. Sowohl die Organisation der Teilnahme an einem Projekt als auch die Kommunikation kann über die Plattform verlaufen – so sparen sich Organisationen und Teilnehmer*innen Zeit und verlieren wichtige Nachrichten nicht im Kuddelmuddel privater E-Mail-Postfächer. Zudem können sich Freiwillige untereinander austauschen. Auch darin sehen die beiden Gründer großes Potential: Der Austausch könne zu einer stärkeren Promotion des Volunteering und einer besseren Kollaboration untereinander führen – darin sehen die beiden auch für ihr persönliches Umfeld wertvolle Möglichkeiten. Sie hätten schon das Phänomen erlebt, dass sie mit Bekannten gemeinsam in einer Organisation gearbeitet hatten – ohne das aber von der anderen Person zu wissen. Der Anspruch ist also auch, das Thema Freiwilligenarbeit stärker in den öffentlichen Diskurs zu rücken und diese an Ansprüche ihrer Generation anzupassen. Ihre Generation beschreiben sie als aktiv und voller Tatendrang, gemeinsam und aktiv die Zukunft zu gestalten – auch sie selbst sind vom Wunsch geprägt, etwas Bedeutsames zu machen. Dabei könne gerade die Ausübung von Tätigkeiten, mit denen anderen Menschen oder der Umwelt geholfen werde, maßgeblich zur Selbstverwirklichung beitragen.

„Gemeinsam Gutes tun“

Dabei verwenden sie statt Ehrenamt bewusst den Begriff Volunteering, was sowohl lokale als auch globale Projekte und langfristige Engagementdauer sowie die einmalige Mithilfe bei einem Projekt miteinschließt. Gerade das soll durch die App auch besser gefördert werden: Oft ist es nicht viel, was einer Organisation zum Startschuss reichen würde – schon die Mithilfe bei einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung kann großen Mehrwert bringen. Eine positive Veränderung im Leben anderer Personen oder in der Umwelt initiieren wollen mitunter auch Leute, die wenig Zeit zur Verfügung haben, aber bereit sind, Teile ihres Gehalts zu spenden. . Aus diesem Grund wird bei Letsact am allerliebsten von „Gutem tun“ gesprochen – damit sollen sich nun wirklich alle mit einbezogen fühlen.

In Kürze erwartet die App-Nutzer*innen eine neue Funktion: Neben dem lokalen Volunteering soll es auch die Möglichkeit geben, Geld für konkrete Projekte zu spenden. Damit kann Geld konkret in den Projekten eingesetzt werden, die die die jeweilige Person besonders wichtig findet. Im Anschluss im persönlichen Profil in der App kann direkt das Resultat des eingesetzten Geldes überblickt wird: Zum Beispiel, dass für jeden gespendeten Euro ein Baum gepflanzt wurde. Investments können dabei auch in kleinere Ausgaben wie Baumaterialien oder einen energieeffizienten Wasserkocher für Organisationen fließen.

Zudem soll in Kürze ein Matching-Projekt anlaufen: Volunteers, die Lust und Zeit haben, sich zu engagieren, aber wenig finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben, könnten dann von Spender*innen eine Aufwandsentschädigung erhalten – so könnten Volunteering-Projekte noch partizipativer werden und verschiedene Personen mit aktivieren.

Das Team von letsact ist im letzten Jahr um einige Teammitglieder*innen gewachsen. (c) letsact

Die Finanzierung läuft zurzeit über Volunteering-Aktionen von großen Unternehmen – deren Mitarbeiter bekommen innerhalb der App auf das Unternehmen zugeschnittene Funktionen zur Verfügung gestellt. Corporate Volunteering wird auch in Europa zunehmend beliebter: die Mitarbeiter*innen bekommen die Möglichkeit, sich während der Arbeitszeit sozial zu engagieren. Positive Effekte sollen dabei eine gesteigerte Zufriedenheit, Produktivität und niedrigere Fluktuationsrate bei den Mitarbeiter*innen sein. Letsact bietet den Unternehmen dafür ein All-Inclusive-Paket: Zum Beispiel werden je nach Art und Branche des Unternehmens individuell passende Projekte angeboten und es wird dafür gesorgt, dass immer eine ausreichende Anzahl an Wahlmöglichkeiten vorhanden ist. Dafür zahlen die Unternehmen einen monatlichen Beitrag.

Was die Arbeitsweise angeht, pflegen die Jungunternehmer eine eigene Philosophie. Alle Mitarbeiter*innen können vom Wunschort aus arbeiten, nur effektiv und effizient sollte es sein. „Unser Office ist die Cloud“ ist das Motto – denn ein wirkliches Büro als physischen Raum hat das Team nicht. Dafür gibt’s zwei mal jährlich einen Teamausflug. Dabei verpflichten sich alle Mitarbeiter*innen dem ständigen Ziel, wirtschaftlichen und sozialen Mehrwert zu schaffen. Selbstverständlich engagieren sich auch jede*r der Mitarbeiter*innen bei Volunteering-Projekten.

„Wenn man Brücken bauen will, die die Leute nutzen wollen, dann muss man auf dem Qualitätsniveau abliefern“, so Ludwig Petersen. Der Anspruch, die App so übersichtlich und funktional gestalten, dass es so einfach ist, ein passendes Volunteering-Projekt fürs Wochenende zu finden, wie ein Uber zu buchen, bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich: Noch immer seien sie im Team dabei, das Gebiet Ehrenamt und Volunteering komplett zu erschließen. Aktuell arbeiten sie daran, den Spendenprozess noch übersichtlicher und transparenter zu gestalten. Außerdem sind viele Organisationen im sozialen Sektor noch immer wenig digitalisiert – an Arbeit mangelt es dem Team wohl auch in Zukunft nicht.

„Wir müssen den Menschen mehr zutrauen“

Der Verein Mehr Demokratie e.V. plädiert für ein ausgebautes System der direkten Demokratie. Damit soll die partizipative politische Kultur gestärkt werden.

Kann die parlamentarische Demokratie noch die Komplexität und die Konflikte einer vielschichtigen, differenzierten Gesellschaft stemmen? Immer öfter werden zwischen den Tweets verschiedenster Konservativen Stimmen laut, die die Demokratie in einer Krise, mitunter sogar als dem Untergang geweiht sehen. Dabei empfinden sich viele Menschen nicht als repräsentiert oder als frei, obwohl sie in demokratischen Systemen leben.
Damit Demokratie weiter funktionieren kann, muss sie sich weiterentwickeln. Diesem Ziel hat sich der überparteiliche Verein Mehr Demokratie e.V. verschrieben, der sich kurz nach der deutschen Wiedervereinigung im Zuge der Diskussion um ein neues Grundgesetzes gegründet hat. Das Ziel ist die Verankerung von direktdemokratischen Elementen in Deutschland. Als Ausgangspunkt wurde Bayern gewählt, weil es dort schon seit Beginn der bayerischen Verfassung die Möglichkeit gibt, Volksentscheide auf Landesebene durchzuführen. Mehr dazu hat uns Simon Strohmenger vom Verein Mehr Demokratie e.V. erklärt.

Erzähl uns doch etwas über die Anfänge eurer Arbeit in Bayern.

Mehr Demokratie e.V. hat in seinen Anfängen in Bayern ein Volksbegehren gestartet für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene, was dann auch erfolgreich war – Bürger haben sich damit also mehr direktdemokratische Mitentscheidungsmöglichkeiten verschafft.
Bürgerbegehrensberatung ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Mehr Demokratie e.V. Die Gesetzeslage ist dahingehend nicht immer so einfach, es gibt einige Fallstricke. Es ist total schade, wenn sich Menschen für etwas einsetzen und das erste Mal politisch aktiv sind und dann an Formalien scheitern. Zum Beispiel ist es so, dass man die Bürgerbegehrensfrage immer nur positiv stellen darf, das heißt, man muss fragen: Sind Sie dafür, dass Sie dagegen sind? Das haben die meisten Initiativen nicht von Anfang an im Blick und deshalb gehen wir da in Beratung, schauen dass die Unterschriftenlisten richtig sind und Ähnliches. Es bleibt aber bei einer rein formalen Beratung. Die lassen wir eigentlich jedem zukommen, außer es sind irgendwelche rechtspopulistischen Anliegen, dann sind wir raus. Grundsätzlich aber wollen wir den Menschen mehr Selbstwirksamkeit geben. Demokratie heißt eigentlich, dass wir selbst mitgestalten können, sowohl auf staatlicher Ebene, als auch auf Landesebene und auch auf kommunaler Ebene. Damit können wir auch unseren Alltag mitgestalten – die Frage ist, was ist nicht politisch?

Ihr wollt also durch eure Arbeit Elemente einer direkten Demokratie stärken. Ist dies dann auch eine Kritik an der parlamentarischen Demokratie? Meinst du, dass sie einer Krise steckt?

Prinzipiell ist es auch ohne Krise notwendig, den Menschen so viele Mitgestaltungsmöglichkeiten wie möglich zu geben. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass direkte Demokratie glücklicher macht, einfach, weil man selber aktiv werden und mitgestalten kann. Wir wollen aber keine reine direkte Demokratie, sondern die wirklich wichtigen, weitgehenden Entscheidungen für die Bevölkerung öffnen. Trotz allem sehe ich die Politik momentan in der Krise. Das sieht man ja beispielsweise an den Erfolgen der AfD. Von daher glaube ich schon, dass es bei uns eine Krise der Demokratie gibt, einfach weil man schon seit 70 Jahren an den immer gleichen Mustern festhält. Aber die Gesellschaft entwickelt sich weiter, zunehmend auch digital, und da an dem immer Gleichen festzuhalten, ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Demokratie muss sich immer weiterentwickeln.

Welche Instrument gibt es, um Politikverdrossenheit entgegen zu wirken und zu fördern, dass also andere Menschen mitmachen?

Wir haben vor kurzem  in Anlehnung an die „Citizen Assemblies“ in Irland einen Bürgerrat gestartet. Dort gab es zwei Volksbegehren: Einmal ging es um die Lockerung des sehr strikten irischen Abtreibungsgesetzes und dann noch um die Einführung der Homoehe. Das sind im erzkatholischen Irland natürlich Themen, bei denen die Angst da war, dass dies zu einer Spaltung der Gesellschaft führen könne. Um dem entgegenzuwirken, wurden geloste Bürgerräte eingeführt. Der Hintergedanke war, dass Menschen aus allen Schichten, die das betrifft, sich an einen Tisch setzen und diese Themen diskutieren. Das hat natürlich auch eine gewisse Transparenz gebracht, die Ergebnisse wurden immer wieder veröffentlicht. Es wurden zudem eine Art Empfehlung ausgesprochen und Experten dazu eingeladen.

Es ist wirklich interessant, was dabei rauskommt: Da gab es zum Beispiel eine Abtreibungsgegnerin, eine Befürworterin des alten Abtreibungsgesetzes, die zugab, dass sie sich nie wirklich damit auseinander gesetzt hatte. Nach katholischen Maßstäben war für sie alles klar. Dann saß sie aber das erste Mal mit einer Frau am Tisch, die selber abgetrieben hatte und ist in persönlichen Austausch und in ein wirklich tiefergehendes Gespräch mit ihr gekommen. Dementsprechend hat sie sich dann anders entschieden.
Ich glaube also, dass es gerade bei Politikverdrossenheit wichtig ist, neue Formen dessen einzuführen, Formen, die genau diesem persönlichen Austausch Rechnung tragen.  Deshalb halte ich es auch für wichtig, Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie zu vermischen. Am Ende eines guten Bürgerbeteiligungsverfahrens ist es enorm wichtig, dass man auch wirklich eine wegweisende Abstimmung mit allen Beteiligten und Betroffenen zustande bringt. Anderenfalls verschwinden Bürgerbeteiligungsverfahren wieder in irgendeiner Schublade.

Das EU-Parlament in Straßburg. (c) Frederic Köberl

Was passiert eigentlich mit Verfahren, die zu einer Unterdrückung von Minderheiten führen, wie zum Beispiel das Minarett-Verbot in der Schweiz? Was kann man unternehmen, dass sowas nicht passiert?

Mit der direkten Demokratie ist es wie bei jedem anderen Herrschafts- oder Machtinstrument – es braucht ein funktionierendes Check and Balance System. Ich sehe bei uns in Deutschland gar nicht das Schweizer Modell – die haben beispielsweise kein Bundesverfassungsgericht. Wir haben mittlerweile fast in allen Bundesländern Elemente der direkten Demokratie. Das ist ein Design, das in drei Schritten funktioniert: Zuerst wird ein Zulassungsantrag gestellt. Dafür braucht es schon eine gewisse Anzahl von Unterschriften, in Bayern sind das beispielsweise 25.000, um ein öffentliches Interesse zu belegen. Sofern das klappt, geht ein Zulassungsantrag zum bayerischen Verfassungsgericht, das prüft, ob so ein Antrag mit der Verfassung und den Grundrechten vereinbar ist. Damit wäre beispielsweise ein Minarettverbot wegen der Religionsfreiheit schon mal raus.

Solche Kontrollinstanzen sind wichtig, und es ist auch wichtig, dass es eine gewisse Zeit dauert. Es gibt ja immer dieses Totschlaginstrument: „Was macht ihr, wenn hier eine Vergewaltigung stattfindet und am nächsten Tag wird die Todesstrafe gefordert, die geht doch sowieso durch“. Zum ersten ist es natürlich wichtig, dass man gewisse Zeiträume hat, in denen man diskutiert: Hier in Bayern ist das Quorum für den Zulassungsantrag relativ hoch, man braucht zehn Prozent der Wählerstimmen. Das führt dazu, dass es auch nochmal ein gewisser Zeitraum ist, bis man die Stimmen zusammen hat, und dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner ihre Argumente auf den Tisch legen müssen, warum unterschrieben werden soll. Wenn der Zulassungsantrag also vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert wurde, geht er an den Landtag, und der Landtag kann auch da nochmal einen Gegenvorschlag einbringen, über den noch zusätzlich abgestimmt werden kann, oder kann ihn annehmen. Dann erst kommt es zum Volksentscheid – das heißt, wir reden über einen Zeitraum von einem Jahr, den so ein ganzer Prozess einnimt. Da gehen viele Emotionen verloren, die am Anfang noch stärker vorhanden sind.

Welches Quorum würdet ihr vorschlagen – ein Quorum von zehn Prozent ist ja auch ein gewisser Schutzmechanismus?

Wir schlagen zwei bis drei Prozent in Bayern vor. Man braucht gewisse Gelder, um ein Anliegen populär zu machen, man braucht eine Marketingstrategie und viele weitere Ressourcen. Das funktioniert wirklich nur in einem großen Bündnis. Mit einem niedrigem Quorum wäre es also auch für kleinere Organisationen deutlich einfacher, etwas zu starten. Lange Zeiträume halte ich dagegen weiterhin für wichtig. Viele schnelle Entscheidungen, die im Parlament getroffen werden, sind auch nicht unbedingt gute Entscheidungen. Für weitreichende Entscheidungen braucht man weitreichende Diskussionen. In der Schweiz etwa gibt es ein Instrument, das wir in Deutschland auch fordern: das fakultative Referendum. Wenn ein Gesetz erlassen wurde, tritt es erst in 90 Tagen in Kraft. In diesen 90 Tagen hat die Bevölkerung Zeit, eine gewisse Anzahl an Stimmen zu sammeln um ein plebiszitäres Gesetz wieder abzuschaffen. Wenn es super dringend ist, kann ein solches Gesetz schon in Kraft treten, aber die Bevölkerung hat im Anschluss immer noch  Zeit, darauf zu reagieren und es eventuell doch wieder abzuwenden. Es ist also nicht wichtig, möglichst schnell zu entscheiden, sondern möglichst gut zu entscheiden. 

Findest du, dass solche Prozesse stärker öffentlich finanziert werden sollten?

Wir haben die Forderung, dass die Kosten von erfolgreichen Volksbegehren übernommen werden. Bisher ist das noch nicht der Fall. Allein bis zu einem Volksbegehren muss man mindestens 200.000 bis 250.000 Euro einplanen, wenn es bis zu einem Volksentscheid kommt, bis zu 500.000 Euro. Das sind einfach Summen, die für kleinere Organisationen schwierig zu tragen sind. Man braucht dafür eigentlich ein breites Bündnis.

Initiieren und organisieren Volksbegehren dann erfahrungsgemäß wirklich nur die Träger*innen, die monetär gut ausgestattet sind oder macht man sich auch etwa Crowdfunding zu Nutze?

Mit Crowdfunding hab ich persönlich noch keine Erfahrungen gemacht. In der Regel kommt der Anstoß von einer Partei oder einer Initiative und dann schließen sich meist weitere Organisationen an. Man darf auch nicht vergessen, wie wichtig dabei Parteien sind, die auch über Infrastrukturen im ländlichen Raum verfügen, die Plakatständer und ähnliche Mittel zur Verfügung haben. Wenn man das auch noch alles zahlen müsste, wäre es ja nochmal teurer.

Europaweit haben mehr als eine Million Menschen die Europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“ unterzeichnet.(c) Christof Stache

Wenn Bürger*innen selbst für Plebiszite aufkommen müssten, wäre Demokratie ja reine Privatsache?

Es gibt da unterschiedliche Fälle. Es kommt immer darauf an, wer die Volksbegehren startet. Wir versuchen das mit digitalen Mitteln zu stärken. Momentan unterstützen wir „Consul“, ein digitales Beteiligungsprogramm, das für Städte entwickelt wurde. Damit kann man über eine digitale Plattform Debatten in der Stadt anstoßen, Vorschläge einbringen und über diese abstimmen. So wird ermöglicht, dass der Einzelne auch abseits von Bündnissen und großen Organisationen Ideen einbringen kann. Das hat sich bewährt: 2015 wurde es in Madrid erstmals implementiert. In Madrid sind 0,5 Millionen Menschen angemeldet, über 130 Städte nutzen es weltweit schon, einzelne Länder wie Kolumbien oder Urugay nutzen es sogar auf Länderebene. Da tut sich schon was.

Gibt es dabei auch Ansätze, wie man weniger beteiligte Gesellschaftsgruppen stärker in Beteiligungsprozesse einbeziehen könnte?

Wir sind gerade dabei, die Stadt München auch von Consul zu überzeugen und das digitale Tool dort einzusetzen. Über solche Plattformen ist die Möglichkeit größer, auch diese Menschen zu erreichen. Ich kann mich aber nicht darauf verlassen, dass sie dann die Plattform sofort für sich entdecken. Ich muss dann tatsächlich zu den Flüchtlingsheimen oder anderen Stellen selbst hingehen. Die Kombination dieser beiden Teile ist wichtig, man muss das auch aktiv betreiben.

In einem Podcast sagte der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, dass die plebiszitäre Form der Demokratie eine Verfallsform der Demokratie darstellt. Die Gefahr ist, dass man verspricht, dem ungehörten Volk endlich Gehör zu verschaffen, aber in Wahrheit nur das eigene, autoritäre Handeln legitimiert.  Ist das eine Gefahr, die man auch nicht aus dem Weg räumen kann?

Ich würde diese Aussage unterstützen, aber nur in Bezug auf Plebiszite. Die sind Volksbefragungen von oben, direkte Demokratie kommt aber von unten. Plebiszite gibt es seit Jahrhunderten und sie werden immer wieder dafür genutzt, die Bevölkerung zu befragen und so einen Anschein von Demokratie zu entwickeln, der aber gar keine echte Demokratie abbildet. Das hat man zum Beispiel auch in der Türkei gesehen: Wenn es keine freie Presse gibt, wenn es ein autoritäres Regime gibt, das die Systemkritiker mundtot macht, gibt es natürlich auch keine funktionierende Demokratie. Eigentlich muss so was von unten kommen, das muss aus der Bevölkerung kommen. Denn als politischer  Repräsentant hat man sowieso die Möglichkeit, Politik zu machen, durch eigene Entscheidungen, durch eigene Mehrheiten und Koalitionen. Direkte Demokratie und Volksentscheide sind Instrumente, die der Bevölkerung zustehen sollten.

Man will ja auch bei Verfahren, die mit Bürgerbeteiligungen in Gang gebracht wurden, viele Stimmen gewinnen. Da sind einfache Slogans sehr verlockend. Wie kann man dafür sorgen, dass Wahlentscheidungen tatsächlich informierte Entscheidungen sind?

Es ist ein Unterschied, ob es einfache Slogans sind oder eine einfache Sprache ist, mit der Entscheidungen erklärt werden. Ich glaube schon, dass die künstliche Komplexität, die oft geschaffen wird, das Elitendenken fördert. Wenn Christian Lindner zu Fridays For Future-Aktivist*innen sagt,sie sollen doch lieber die Experten da ran lassen, diese seien ja eh noch viel zu jung und kennen sich damit nicht aus, verfestigt das ja Hierarchien. Diejenigen aber, die in den Parlamenten sitzen, sind oft gar nicht die Experten zu bestimmten Themen, die haben selbst Experten, die für ein Fachgebiet zuständig sind, und ansonsten werden sie natürlich auch beraten von Lobbyvereinen. In der Regel sind das dann leider nicht die diejenigen, die sich für das  Gemeinwohl einsetzen, sondern eher diejenigen, die sich für Profit einsetzen. Von daher ist es eine einseitige Beeinflussung und Expertise, die da stattfindet.

 Zum anderen ist es natürlich möglich, Probleme und Herausforderungen in einer einfachen Sprache darzulegen. Die Abstimmungshefte in der Schweiz etwa sind so aufgebaut, dass man immer tiefer in die Materie einsteigen kann. Da gibt’s Stellungsnahmen von Experten, von solchen, die dafür und die dagegen sind. Man traut den Menschen da zu wenig zu. Auch in repräsentativen Systemen hat man jemand in der eigenen Partei, dem man vertraut. Man braucht auch nicht bei jedem Volksentscheid eine Beteiligung von 70 bis 100 Prozent. Es gibt Themen, die mich vielleicht auch nicht betreffen, und es ist in Ordnung, dann auch nicht abzustimmen. Es müssen die Menschen abstimmen, für die diese Themen auch wichtig sind. Man muss sich auch nicht in jedem Thema 100 Prozent auskennen, ich hab Vertrauenspersonen und das ist in Ordnung. Vielleicht arbeitet einer meiner guten Freunde beim Bund Naturschutz, dann lass ich mich von dem auch mal beraten und mir was erklären.

Die Schweizer haben die Möglichkeit, abzustimmen, ja schon sehr lange. Daher  haben die mittlerweile alle Abstimmungen ausgewertet. Dabei hat man herausgefunden, dass man sich am ehesten durch den Freundeskreis beeinflussen lässt. Natürlich gibt es Langzeitbeeinflussungen durch Medien und Parteien, aber was überall stattfindet, sind Gespräche an Stammtischen, in U-Bahnen, in Parks und so weiter.  Man redet über Politik. Man kann selber abstimmen, man hat eine andere Wissensgrundlage und man traut sich auch, anders über Sachen zu sprechen. Natürlich kommt da eine andere Atmosphäre in das Land. Man spricht über politische Probleme und das ist ja etwas, das wir hier nicht haben, es wird viel zu wenig über elementare politische Probleme gesprochen und auch gestritten. Wie oft spricht man denn wirklich über solche Sachen im eigenen Bekanntenkreis? Wie oft sind das Diskurse, die eher oberflächlich bleiben? Direkte Demokratie kann ein Instrument sein, um mehr miteinander zu sprechen und um mehr zuzuhören.

Hängt der Erfolg von Entscheidungen also von guten Menschen ab oder braucht es ein gutes System?

Ich glaub es ist ein Zusammenspiel von beidem. Es ist doch erwiesen, dass direkte Demokratie die größte und beste politische Schule ist, die es gibt, weil man, wenn man selbst abstimmen kann, informiert an die Sache rangeht. Beispielsweise wurde die EU-Verfassung in Frankreich abgelehnt. Danach gab es Umfragen in verschiedenen EU-Ländern, unter anderem in Deutschland und Frankreich, wer eigentlich wusste, was in dem Vertrag drin steht. In Deutschland wusste das kaum jemand, in Frankreich war man da schon deutlich besser informiert. Direkte Demokratie ist also politische Bildung.

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Ist die direkte Demokratie damit auch eine notwendige Antwort beschleunigte gesellschaftliche Veränderung, etwa durch die Digitalisierung?

Ich würde sie als Weiterentwicklung bezeichnen und glaube, dass sie notwendig ist. Wir als Menschen wollen uns ja weiterentwickeln. Wir haben in unserem Alltag auch nicht mehr Hierarchien wie in den 50er oder 60er Jahren, warum sollte es die dann in der Politik noch geben? Warum sollten wir dann nicht mehr mitentscheiden können? Ich glaube auch, dass es gerade jetzt mit den digitalen Möglichkeiten eine Entwicklung ist, die kommen muss und wird. Vor kurzem war ich Sachsen unterwegs und hab verschiedenen Leuten unser Bürgerbeteiligungsprojekt CONSUL vorgestellt. Einer der Bürgermeister meinte: „Genau das brauchen wir, wir haben 30 Prozent AfD Wähler und es kursieren so viele Fake News!“ Wir bräuchten also  solche Plattformen mit einer wirklich guten Diskussions- und Debattenkultur. Dort muss man sich registrieren, um auch abstimmen zu können. Diskutieren muss man natürlich nicht mit Klarnamen, aber die Stadt könnte beispielsweise überprüfen, wer da diskutiert. Das wäre aber selbstverständlich bei Abstimmungen nicht überprüfbar. Die Stadt könnte über die Plattform Dokumente wie Kostengutachten oder Aktionspläne mit reinstellen. Mit Transparenz könnte man die ganzen Lügengeschichten, die da außenrum kursieren, wunderbar entkräften.

Kann man direkte Demokratie damit auch als Widerstand verstehen?

Ich würde sagen als Selbstermächtigung. Es geht darum, seine eigenen Interessen wieder mehr durchzusetzen. Es gibt ja schon das Gefühl, dass man von den politischen Eliten im Stich gelassen wurde und dieses Gefühl ist ja auch nicht zu Unrecht da. Es ist mehr als nur ein Gefühl, es ist eine sinnvolle Entwicklung, wenn es sich mehr zu direkter Teilnahme entwickeln würde. Wenn das natürlich nicht passiert, hat man Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert. Dass man sich zurückzieht, denkt, die da oben machen eh was sie wollen und man hat eh keine Chance. Das ist fatal für eine Demokratie, das sieht man auch daran, dass Entscheidungen, die dann gefällt werden, nicht für uns Menschen gut sind, sondern nur für eine kleine Elite.


Beitragsbild: (c) Christoph Eipert

„Das Fatalste, was man machen kann, ist, einfach nichts zu tun“

Wer erfolgreich etwas gegen den Klimawandel unternehmen will, sollte vor allem eines tun: handeln – Im Interview mit Volker Quaschning. 

Junge, demonstrierende Schüler*innen, die unter dem Motto Fridays for Future auf die Straße gehen, gehören mittlerweile zum gewohnten Bild vieler Städte – weltweit. Vor allem eine Forderung wird dabei immer wieder laut: Tut endlich etwas gegen die Zerstörung unserer Erde! Es ist ein dringender Appell und der scheint keineswegs unbegründet zu sein. Denn Industrialisierung und Globalisierung, brachten nicht nur Wohlstand, sondern auch Feinstaub, Klimaerwärmung und Artensterben. Grund zu handeln also. Das weiß auch Volker Quaschning, Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Wir haben mit dem Unterstützer der Schüler*innen-Proteste und Mitinitiator von Scientists for Future über fehlenden Mut in der Politik, das richtige Setzen von Prioritäten sowie über die Bedeutung aktueller Klimaschutzbewegungen gesprochen.

relaio: Herr Quaschning, wenn man Sie auf der Straße fragen würde, was denn das Problem sei mit dem Klimawandel: Was würden Sie entgegnen?

Volker Quaschning: Das Problem ist so groß, dass man es kaum in wenige Sätze packen kann. Aber was würde man sagen? Das Problem ist, dass unsere Kinder in der zweiten Hälfte ihres Lebens vor unlösbaren Existenzschwierigkeiten stehen, wenn wir so weiter machen wie bisher und dass wir sehr schnell handeln müssen. Man kann dann natürlich nochmal anfangen, die wissenschaftlichen Ursachen für den Klimawandel zu erläutern, dass wir also enorme Mengen an Treibhausgasen ausstoßen, die nachweislich das Klima bereits verändern. Dadurch gibt es bereits einen Temperaturanstieg um ein Grad Celsius, was ungefähr ein Drittel des Temperaturanstiegs seit der letzten Eiszeit bedeutet. Der Unterschied: damals dauerte das Jahrtausende, nun geschieht das gleiche im Expresstempo in nur einhundert Jahren. Diesen dramatischen Temperaturveränderungen werden die Ökosysteme unseres Planeten nicht folgen können.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe des „Münchner Klimaherbst“ haben Sie vor vollen Rängen des Audimax der technischen Universität München einen Vortrag über die gegenwärtige Klimapolitik gehalten. Das öffentliche Interesse zu Klimafragen ist also da.

Das ist ja das Schöne! Da sind wir schon mal viel weiter als vor einem Jahr. Da wären bei dem gleichen Vortrag vielleicht ein Zehntel der Leute gekommen.

Sie haben dort gesagt: „Wenn ein nachhaltige Klimapolitik zukünftig scheitert, dann kommen die Niederländer nach Bayern.“ Wie muss man das verstehen?

Durch den Klimawandel gibt es verschiedene Veränderungen. Die muss man versuchen bildlich darzustellen. Eine der Veränderungen wird es sein, dass der Meeresspiegel ansteigt. Langfristig sind bis zu 70 Meter möglich. Das wird natürlich nicht in den nächsten zehn Jahren passieren, sondern sich über Jahrhunderte hinstrecken. Aber es gibt Veröffentlichungen, die besagen, dass wir gegen Ende des jetzigen Jahrhunderts durchaus einen Anstieg von einem oder zwei Metern erreichen können. Einen Meter werden die Niederländer mit Deichen noch hinkriegen, aber bei bei drei bis vier Meter plus sind diese Gebiete einfach weg. Die Menschen, die dort wohnen, werden sich dann einen anderen Lebensraum suchen müssen. Niederländer in Bayern wären dann wohl noch das kleinere Problem. Durch den Anstieg des Meeresspiegel werden aber generell sehr viele Lebensräume zerstört werden und die Menschen, die dort wohnen, müssen sich eine neue Heimat suchen.

„Das Problem ist, dass unsere Kinder in der zweiten Hälfte ihres Lebens vor unlösbaren Existenzschwierigkeiten stehen“, sagt Volker Quaschning.  (c) Silke Reents

In Ihrem Vortrag haben Sie noch von dem Problem der Nahrungsmittelknappheit gesprochen.  

Genau! Nahrungsmittelknappheit ist auch für mich insofern spannend, da mir erst im letzen Sommer bewusst geworden ist, um welches Problem es sich hierbei handelt. In diesem Sommer hatten wir in Deutschland eine extreme Dürre inklusive 30 Prozent Ernterückgang. Vor einigen Jahrhunderten hätte das eine Hungersnot zur Folge gehabt. Man konnte damals nur regional Nahrungsmittelengpässe ausgleichen. Das heißt, unter diesen Umständen hätten wir ein massives Problem gehabt. Wenn das Szenario eintritt, dass global, gleichzeitig mehrere Regionen von so einer Dürre betroffen sind, dann kann es auch heutzutage eng werden. Dann geht ein Kampf um knappe Lebensmittelressourcen los. Das sind Szenarien, die man sich dann doch lieber nicht vorstellen möchte. Unwahrscheinlich ist es aber eben nicht, dass so etwas in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts passiert.

Aber sind die Folgen des Klimawandels nicht auch schon heute bemerkbar? Oder wollen wir sie vielleicht erst gar nicht bemerken?

Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, wie man auf diese Folgen reagiert. Man erstarrt beispielsweise vor Angst und verfällt in Steinzeitreflexe. Es ist, als käme der Säbelzahntiger und man fühlt sich zu schwach, um gegen ihn zu kämpfen. Dann lässt man entweder alles über sich ergehen oder man bildet sich einfach ein, es gäbe gar keinen Säbelzahntiger und hofft, dass alles irgendwie gut ausgeht. Die andere Möglichkeit ist aber, einen Versuch des Handelns zu unternehmen. Die meisten bleiben jedoch bei den Varianten eins oder zwei. Genauso trifft das auf den Klimawandel zu und das, indem man versucht, das Problem einfach klein zu reden. Wir befinden uns aber nicht mehr in der Steinzeit. Das heißt, wir sind mit der Wissenschaft in der Lage Probleme zu bewerten und zu analysieren. Die Wissenschaft kommt dabei zu einem ganz klaren Urteil: Der Säbelzahntiger ist tödlich.

Können wir diesen Säbelzahntiger überhaupt noch bezwingen?

Wenn wir noch ewig diskutieren, ob der Klimawandel wirklich ein Problem ist, dann ist es halt irgendwann zu spät. Das ist das Problem, das wir haben. Anderseits wissen wir, was wir machen müssen. Das heißt: unser Hauptproblem ist die Nutzung fossiler Energieträger – also Öl, Kohle und Gas. Wir wissen aber auch, dass wir das mit erneuerbaren Energien lösen können. Die Technologien dazu sind  bezahlbar, das heißt, wir könnten uns den Umstieg auch leisten. Das ist eigentlich das Fatale: es gibt eine rettende Strickleiter auf den Baum, aber wir bleiben einfach sitzen. Sie nicht zu erklimmen ist zwar bequemer, aber langfristig gesehen nicht besser. Es fehlt also am Handeln. Ich hoffe aber immer noch, dass der Mensch intellektuell in der Lage ist, dieses Problem zu erkennen und demnach zu handeln. Gerade in der Wissenschaft ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen und zu kämpfen.

Wie würden Sie als Wissenschaftler so eine Strickleiter beschreiben?

Wir sagen: bis 1,5 Grad Temperaturanstieg haben wir zwar auch schon Klimaveränderungen, jedoch lassen sich diese noch ausgleichen. Das heißt: der Klimawandel ist schon da, aber in einem Maße, in dem er beherrschbar ist. Über einem Anstieg von 1,5 Grad hinaus wird es aber schon bei jedem zehntel Grad Temperaturanstieg bedeutend schlimmer werden. Wann genau so ein Anstieg für die Menschheit unbeherrschbar wird, ist nur schwer zu sagen. Manche meinen, dass es schon ab diesen 1,5 Grad schwierig wird. Andere hingegen sagen, dass man ab einen Temperaturanstieg von zwei Grad große Teile des Planeten noch einigermaßen gut beherrschen könne. Bei zwei Grad verschwinden aber bereits einige Inselstaaten. Davon abgesehen, werden dann die Probleme größer. Das muss man ganz klar sagen. Meine Empfehlung ist es, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen und jedes Jahr, in dem wir warten, macht das Problem nur größer. Das Fatalste was man machen kann, ist, einfach nichts zu tun. Man sollte lieber nicht ganz die richtigen Maßnahmen treffen, als einfach nichts zu tun und auf zukünftige Innovationen zu hoffen.

„Wenn wir noch ewig diskutieren, ob der Klimawandel wirklich ein Problem ist, dann ist es halt irgendwann zu spät.“ (c) Silke Reents

Unter den erneuerbaren Energien sind vor allem Solar- und Windenergie am günstigsten. In Sachen des Erssetzens gibt es nur ein Motto: bauen. Dabei kann man eigentlich nichts falsch machen. Andere Baustellen, die es zu lösen gilt, sind dann noch etwa die Abholzung von Regenwäldern oder die nachhaltige Ernährung der Bevölkerung. Bei diesen Problemen tragen auch wir ein Mitschuld. Etwa indem wir die Futtermittel für unsere Schweine und Co. von dort beziehen. Das heißt, wir müssen unser Konsumverhalten ändern. Das wäre sogar relativ einfach. Etwa, indem man Fleisch nur noch am Sonntag und möglichst hochwertig isst.

Das Motto muss also lauten: Verantwortung und Verzicht?

Meine Familie und ich sind erst auf eine vegane Ernährung umgestiegen. Ich empfinde diesen Umstieg aber nicht als Verzicht. Sich vegan zu ernähren ist viel leichter, als ich gedacht habe. Es gibt einfach ein paar andere Rezepte und man probiert einfach Neues aus. Momentan ist es eher spannend. Man muss es aber eben machen. Das gilt auch beim Fliegen. Da habe ich einfach für mich entschieden, dass ich nicht mehr fliege. Es gibt trotzdem weiterhin super Urlaubsziele. Ich weiß gar nicht mal, ob man verzichten muss, sondern vielmehr nur seine Lebensgewohnheiten verändern sollte. Ich erwarte ja nicht, dass man wieder zurück in die Steinzeithöhle geht. Die Lebensgewohnheiten sollen sich ja nicht verschlechtern, aber man muss schon an gewissen Punkten, gewisse Prioritäten ändern.

Prioritäten ist ein gutes Stichwort: In der deutschen Klimapolitik scheinen diese ja nicht allzu gut verteilt zu sein. Zumindest war das Fazit Ihres Vortrags: „deutsche Klimapolitik nicht besser als bei Trump“: Sind wir zu langsam?

Genau, das sind wir eindeutig! Wenn wir weiter machen wie bisher, brauchen wir 200 Jahre für die Energiewende – uns bleiben aber nur noch 20. Im Prinzip ist das, was wir hier machen richtig, nur das Tempo stimmt eben nicht. Unser Handeln ist also in einer gewissen Art und Weise schizophren. Es ist fast so, als würde man sagen: Naja, dann machen wir jetzt bisschen weniger Klimaschutz, dann ist die Welt eben ein wenig später gerettet. Aber so funktioniert Klimaschutz nicht. Es ist wie bei einem brennenden Haus: Will man es löschen und schüttet zu wenig Wasser hinein, ist der Schaden zum Schluss viel größer, als würde man von Vornherein einen ordentlichen Löschversuch unternehmen.

In einem YouTube-Post finden Sie das im September vorgeschlagene Klimaschutzprogramm der Bundesregierung „zum Kotzen“. Prägnante Eckpunkte darin sind etwa eine CO2-Bepreisung bei gleichzeitiger „Entlastung von Bürgern und Wirtschaft“: Was ist daran so problematisch?

Naja, eine CO2-Bepreisung ist schon sinnvoll. Das allein reicht aber nicht aus, um das Klima zu retten. Zudem wäre ein Begriff wie die Schweizer Lenkungsabgabe der bessere Ausdruck. Denn so eine Bepreisung soll die Leute so lenken, dass sie von einer CO2-intensiven zu einer CO2-ärmeren Lebensweise gehen. Dazu muss es erst einmal Alternativen geben, zu denen man hinlenken kann. Die Hauptalternative, die wir brauchen, ist die Windenergie, im Klimapaket steht jedoch, dass der Abstand von Windrädern zu Gebäuden erhöht werden soll –  was de facto dazu führen wird, dass weniger Windräder gebaut und in Betrieb genommen werden. Das heißt: Die Alternativen, die wir brauchen, finden in diesem Klimapaket gar nicht statt. Die vorgeschlagene CO2-Bepreisung ist zudem viel zu günstig. Experten sagen: erst ab 50 bis 60 Euro pro Tonne CO2 ist diese in Ansätzen sinnvoll.

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Schweden ist bereits bei über 100 Euro pro Tonne angekommen und selbst die sind noch nicht auf dem Weg, den wir bräuchten, um Klimaschutz erfolgreich umsetzen zu können. Wir fangen mit zehn Euro pro Tonne an und wollen damit unsere Verfehlungen der letzten Jahre im Expresstempo aufholen – da kann man nur müde lächeln. Da geht es einfach nur darum, zu zeigen, dass man etwas unternimmt. Auf der anderen Seite gibt es die Populisten, die das Thema ausschlachten. Die AfD etwa bietet eine sehr einfache Wahrheit an. Demzufolge gibt es gar keinen Klimawandel. Man bräuchte gar nichts tun, alles andere wäre Irrsinn und Abzocke. Diese „Wahrheit“ verfängt sich bei einigen und die regierenden Parteien haben anscheinend viel mehr Angst vor diesen Menschen als vor dem Klimawandel selbst. Das finde ich fatal: Ein Schiff geht unter und man hat mehr Angst vor dem pöbelnden Koch als vor dem Untergang des Schiffes. Daran sieht man, dass die Prioritäten völlig falsch gesetzt sind und dass die verantwortlichen Politiker das Problem offensichtlich gar nicht verstanden haben.

Aber wie entgegnet man solchen einfachen Wahrheiten?

Wichtig ist erst einmal, dass dieses Hin und Her aufhört. Man hat ja gar kein schlüssiges Konzept. Ein Beispiel ist etwa Bayern. Ich war in München bei der bayerischen Landesregierung und habe mir das bayerische Energiekonzept angeschaut. Das ist nicht viel besser als das der AfD. Im Gegensatz dazu leugnet die CSU vielleicht nicht den Klimawandel als Problem, aber gleichzeitig soll es damit gelöst werden, dass keine weiteren Windräder gebaut werden. Zudem wird versprochen, dass aus der Atomenergie ausgestiegen wird, gleichzeitig sollen aber keine Stromtrassen durch das Land gehen. Das ist reiner Populismus. Das merken die Leute auch. Deswegen wäre es einfach gut, wenn man einen überparteilichen, nationalen Konsens schafft, und sagt: diese bestimmte Anzahl an Windrädern muss gebaut werden und zwar aus klimagerechter Hinsicht, überall und nicht nur vereinzelt. Dann kann man durchaus diskutieren, wo Windräder in einer Kommune stehen, aber nicht, ob sie überhaupt stehen sollen. Das muss man entsprechend kommunizieren. Ein anderes Beispiel ist etwa Thüringen. Da hat nicht nur die AfD, sondern auch die CDU gegen Windenergie plakatiert. Noch absurder ist, dass dabei oftmals zu hören ist, dass Windrädern etwa den schönen Thüringer Wald zerstören. Kommen aber diese Windräder nicht, ist in ein paar Jahrzehnten der komplette Thüringer Wald sowieso im Eimer. Dann gibts da gar keinen Wald mehr.

Man könnte das dann ja schon fast als Selbstzerstörung begreifen?

Das ist ein bisschen fatalistisch. Ich denke einfach, dass vielen Leuten vor Ort die Folgen des Klimawandels nicht bewusst sind. Was auch dadurch zustande kommt, das auch online viele Pseudowahrheiten verbreitet werden. Da muss man einfach mehr aufklären. Es ist unsere Aufgabe, das in der Wissenschaft zu tun.

Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung beinhaltet einen Masterplan Ladesäuleninfrastruktur, der die Schaffung von insgesamt einer Millionen Ladepunkten bis 2030 vorsieht. Für dessen Umsetzung soll auch mit den „Automobilherstellern und der Energiewirtschaft“ gesprochen werden. Ist das eine gute Idee?

Das ist immer die Frage: Will man das oder will man das nicht? Im Falle der Ladesäulen steigen jetzt Unternehmen ein und versuchen damit, maximalen Profit zu erzielen. Vielleicht muss man sich aber auch wieder von dieser Wirtschaftsdominanz lösen. Vielleicht auch deshalb, da sonst etwa Ladesäulen, ähnlich wie beim Handynetz geschehen, wieder nur an stark frequentierten Stellen zu finden sind und die Leute auf dem Land das Nachsehen haben. Zudem wird mit viel zu hohen Preisen abgezockt. Sowas müsste die Politik komplett unterbinden. Infrastruktur ist Staatsaufgabe, dann muss man auch mal bereit sein, Steuern für eine bessere Infrastruktur zu erhöhen. Auch als Gesellschaft muss man dann vielleicht mal über die eigenen Prioritäten reden. Ob man eben nochmal ein paar Euro mehr für den Urlaubsflug bekommt oder ob man sagt: bessere Schulen und die Energiewende sind dann auch Sachen von denen ich irgendwie profitiere.

„Die Hauptalternative, die wir brauchen, ist die Windenergie.“ (c) Mika Baumeister

Der Staat übernimmt also nicht genug Verantwortung, wie er eigentlich übernehmen sollte und die Industrie investiert zu wenig?

Die Industrie versucht das zu machen, was maximal ökonomisch ist. Das sind einfach die Grundbedingungen. Man rechnet durch und was am meisten Rendite bringt, das wird getan. Der Staat trägt hier eine sehr große Verantwortung, indem er regulierend eingreift. Und zwar indem man eben Umweltbelastungen mit Abgaben belegt. Das traut man sich momentan aber einfach nicht – in allen Bereichen.

Und verbaut sich so die eigene Zukunft?

Genau! Man erkennt zwar das Problem, aber handelt nicht. Das sehe ich auch bei meiner Arbeit. Im öffentlichen Bereich irgendetwas durchzusetzen, ist so unendlich langwierig, dass man meist nach einem Jahr aufgibt. Das liegt vielleicht auch an unserer alternden Gesellschaft. Das heißt, je älter eine Gesellschaft ist, desto mehr Beharrungskräfte hat man und die junge Aufbruchstimmung geht komplett verloren. Man kann auch sagen, die Jungen wollten das Handynetz und die alten müssen den Mast ertragen. Man hat einfach einen Generationenkonflikt. Digitalisierung und mehr Klimaschutz sind Themen, die vor allem die junge Generation betrifft, während die Älteren eher konservative Werte bewahren wollen. Das ging früher vielleicht gut, weil die Welt sich nur langsam veränderte. Aber momentan finden alle geostrategischen und politischen Veränderungen in einem Expresstempo statt und wenn man sich dabei nicht anpasst, ist man weg vom Fenster. Das droht Deutschland demzufolge langfristig auch.

Sie sind einer der Initiatoren und Initiatorinnen von „Scientists for Future“ und unterstützen auch die Fridays for Future-Demonstrationen. Was konnte bisher damit erreicht werden?

Wenn sich alle so mit dem Klimawandel auseinandersetzen würden, wie diejenigen, die derzeit auf die Straße gehen, dann müssten alle panikartig versuchen, eine Veränderung voranzutreiben. Viele Leute blenden das Thema aber einfach aus oder informieren sich bei Klimaleugnern mit ihren alternativen Fakten. Deswegen ist unserer Arbeit so wichtig. Denn ich kann ja erst handeln, sofern ich das Problem verstanden habe. Und so mühselig es auch ist, wir haben eine Demokratie und deswegen müssen wir es eben ausdiskutieren und Bereitschaft sowie Mehrheiten erzeugen. Wir stehen damit leider noch am Anfang und müssen erstmal ein Bewusstsein über die Themen des Klimawandels schaffen. Ohne Fridays for Future hätten wir gar keine Chance dazu, auch weil man die Umweltfrage immer in Lagerdenken verhandelt hat. Das heißt, wer für Umwelt war, war eher so links und grün und dann gab es noch die Konservativen, die sich davon klar abgrenzen wollten. Das schöne bei Fridays for Future aber ist, dass dort einfach unverbrauchte Jugendliche mitmachen, die noch gar nicht in solche Lager einzusortieren sind. Klar, die Bewegung ist schon irgendwie links zu verorten, aber dieses Gesamtgesellschaftliche, dieses politisch Unsortierte hat den Schub gebracht.

„Und so mühselig es auch ist, wir haben eine Demokratie und deswegen müssen wir es eben ausdiskutieren und Bereitschaft sowie Mehrheiten erzeugen.“ (c) Fridays for Future Deutschland

Gleichzeitig versucht man aber, immer wieder Schüler als dumm und irregeleitet darzustellen. Deswegen ist unsere Arbeit sehr wichtig, indem wir zeigen, dass ihre Anliegen berechtigt sind und dass es einfach ganz klare wissenschaftliche Belege dafür gibt, auf denen sich die Forderungen von Fridays for Future stützen. Wir haben also angefangen, über Probleme zu diskutieren und das ist ein riesen Erfolg der jungen Generation. Auch beim heute-Journal ist jetzt mal der Klimawandel häufiger Thema. Man kann sich also selbst auf dem Sofa dem Klimawandel nicht mehr entziehen. Aber nun den zweiten Schritt zu unternehmen und die Bereitschaft für Handeln und Veränderung zu erzeugen, ist wahrscheinlich noch ein bisschen mühseliger. Diesen Schritt müssen wir mit dem gleichen Elan und mit dem gleichen Mut weitergehen. Das wird natürlich noch ein steiniger Weg. Leider. Vor allem ist es aber ein Kampf gegen die Zeit.


(c) Titelfoto: Janine Escher 

Non Water Sanitation e.V.

Fäkalien, Kot, Scheiße: für viele ein Tabuthema – außer für den Verein Non-Water Sanitation, der sich für nachhaltige Sanitärlösungen einsetzt.

Über den Toilettengang spricht man nicht. Muss man auch nicht, denn wenig ist hierzulande so selbstverständlich wie auf die Toilette zu gehen, wenn es mal drückt. Aber dass Toiletten meist nicht der Rede wert sind ist ein Privileg der westlichen Industrienationen: Denn weltweit haben über 40 Prozent aller Menschen, insbesondere in Entwicklungsländern, keinen hinreichenden Zugang zu sanitären Einrichtungen. Sie sind gezwungen, ihr Geschäft in aller Öffentlichkeit, am Straßenrand, an Bahngleisen, im Feld oder am Fluss zu verrichten – die sogenannte Open Defication. Keime, Bakterien und Parasiten aus den Fäkalien gelangen so in die Nahrungskette, verbreiten sich über Fliegen und kontaminieren das Grundwasser. Durchfallerkrankungen sind eine häufige Folge, welche jährlich mehr als 1,8 Millionen Menschen das Leben kosten. Aber auch Unterernährung, Hautkrankheiten und Organschäden gehören zu den Folgen. Über 90 Prozent der Opfer sind dabei im Kindesalter.

Johann Angermann engagiert sich mit dem Verein Non Water Sanitation für nachhaltige Sanitärlösungen.

Kein Wunder also, dass von den Vereinten Nationen „Wasser und Sanitärversorgung für alle“ als eines von 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung formuliert wurde, gleichgestellt unter anderem mit der Forderung nach Bildung für alle und der Beendigung von Armut weltweit. Denn wenn Kinder mit Darmerkrankungen die Schule nicht mehr besuchen können, untergräbt dies auch Bildungsmaßnahmen und Armutsbekämpfungsstrategien. Doch gegen die Open Defication vorzugehen ist komplex, denn die offensichtliche Maßnahme, Toiletten für die betroffenen Bevölkerungsteile zu bauen, reicht alleine meist nicht aus, um das Problem in den Griff zu kriegen.

Mit Sozialwissenschaftler*innen und Student*innen der Savitribai Phule Universität in Pune hat der Verein eine Umfrage zur Sanitärversorgung durchgeführt.

So sind es zum Beispiel in vielen Teilen von Indien soziale und kulturelle Dynamiken, die ausschlaggebend für die Open Defication sind: „Manchmal haben die reichsten Familien in einem Dorf, die mehrere Motorräder und eine Satellitenschüssel haben, keine Toiletten. Vielleicht weil sie es schon immer so machen.“ sagt Johann Angermann von Non Water Sanitation. Zusammen mit dem Verein engagiert er sich für eine Welt, in der Alle Zugang zu sauberen Toiletten und Trinkwasser haben und setzt dabei auf eine ganzheitliche Herangehensweise. Zentral ist dabei das Verstehen der soziokulturellen Einbettung des Themas. Zusammen mit Sozialwissenschaftler*innen und Student*innen der Savitribai Phule Universität in Pune, Indien hat der Verein eine große Umfrage zum Thema Zugang zu sanitären Einrichtungen durchgeführt. Denn obwohl von der indischen Regierung im großen Stil öffentliche und private Toiletten in ländlichen Gegenden gebaut wurden und so nach deren Angaben die Verfügbarkeit von Toiletten von 38 Prozent im Jahr 2014 auf 96 Prozent im Jahr 2018 gesteigert wurde, werden diese oftmals nicht genutzt. Für manche Bevölkerungsteile sind die Toiletten etwa zu weit entfernt und zu unkomfortabel, um alte Muster zu verdrängen. Anderen Teilen der Gesellschaft wird hingegen der Zugang zu Toiletten verwehrt: So gelten Frauen während ihrer Menstruation als unrein und dürfen in dieser Zeit oftmals die Toiletten nicht benutzen. Sie sind dann gezwungen, ihr Geschäft im Dunklen vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang im Freien zu erledigen. Und wenn es in Schulen keine Toiletten gibt, brechen Mädchen im Alter von 11 bis 13 diese oft ab, weil sie sich nicht zurückziehen können. Oft werden aber auch einfach die Toiletten nicht genutzt, weil diese nur unzureichend funktionieren, nicht abgeschlossen werden können oder kein elektrisches Licht haben. Und oftmals wird das Abwasser der neu errichteten Toiletten nicht aufbereitet, sondern versickert ungeklärt im Grundwasser. Die Probleme der Open Defication und einer unvollständigen Sanitärversorgung bleiben somit bestehen.

 

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Non Water Sanitation versucht in seinen Projekten vor Ort nachhaltige Lösungen für diese sanitäre Krise zu finden. So werden zusammen mit Partnern in Indien Toiletten gebaut, die auch wirklich genutzt werden und so die Praxis der Open Defication ablösen sollen. Neben einem Verständnis für die Hintergründe setzt Non Water Sanitation hier auf die Einbeziehung und Aufklärung der lokalen Bevölkerung. In Gesprächen werden individuelle Bedarfe ermittelt und Partnerschaften aufgebaut, so dass eine langfristige Nutzung garantiert werden kann. In seiner Arbeit setzt der Verein dabei auf Trockentoiletten: „Gerade im Hochsommer gibt es manchmal kaum genug Wasser, geschweige denn Trinkwasser, um Fäkalien runter zu spülen. Es hat nicht jeder den Luxus wie wir in Europa, dass wir unsere Fäkalien mit Trinkwasser transportieren“ erklärt Johann Angermann. Bei den Trockentoiletten werden die Fäkalien mit Asche oder Stroh abgedeckt und so getrocknet. Dieses Gemisch wird dann kompostiert, wodurch alle Krankheitserreger abgetötet werden. So wird nicht nur das Trinkwasser geschützt, sondern es entsteht auch ein idealer Dünger, der als Ressource in der Landwirtschaft genutzt werden kann. Die Trockentoilette bietet in solchen Regionen also einen klaren Vorteil gegenüber Toiletten mit Wasserspülung – allerdings setzt ihre Nutzung auch mehr Kenntnisse voraus. Non Water Sanitation unterweist daher die Nutzer*innen in Schulungen im Umgang mit den Toiletten und sensibilisiert gleichzeitig für das Thema Hygiene. Diese Aufklärungsarbeit ist dabei nicht nur in den Projektländern wichtig: Auch in Deutschland informiert der Verein Non Water Sanitation zur Sanitärproblematik. Denn auch wenn hierzulande Toiletten Teil des täglichen Lebens sind, wird das Thema Sanitärversorgung und Hygiene oft noch als Tabuthema behandelt.


(c) Alle Fotos: Johann Angermann

Teilhabe im Alter – Zwei Projekte machen es vor

Die Projekte „Mohr-Villa bringt Freu(n)de“ und „KulturistenHOCH2“ liegen zwar 800 Kilometer voneinander entfernt, haben aber etwas gemeinsam: Sie bringen Jung und Alt zusammen und ermöglichen Allen mehr gesellschaftliche Teilhabe.

Es brummt in der Luft vor lauter Stimmengewirr. In Grüppchen sitzen Senior*innen und Schüler*innen aus der 8. Klasse zusammen, diskutieren, zeigen, gestikulieren. Heute ist Technikstunde. Das Thema scheint genau den Nerv der Zeit zu treffen. Denn auch die Senior*innen besitzen Smartphones, doch irgendwie wollen die oft nicht dasselbe wie sie. „Ich dachte erst, dass die Schüler*innen vielleicht nicht so einfach einen Zugang zu den Senior*innen finden, sich nicht trauen sie anzusprechen. Die waren aber total offen, haben teilweise sogar ihre Telefonnummern mit den Senioren*innen ausgetauscht, falls noch Fragen gibt, “ erzählt Helena Nitsche, die ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur im Kulturzentrum Mohr-Villa Freimann in München macht und das Projekt initiiert hat.

Bei einem Getränk in der Pause können sich Seniorin und Schülerin über das Gesehene austauschen. (c) KULTURISTENHOCH2

Ortwechsel: Gedämpfte Klänge, Teppichboden. Die vorbeiziehenden Menschen sind schick gekleidet. Es klingelt. Einmal. Zweimal. Die Pause in der Oper ist vorbei, jeder soll wieder an seinen Platz zurück. Auch eine Schülerin und eine Seniorin stellen ihre leeren Gläser weg und bewegen sich zurück Richtung Saal. Enkelin und Großmutter? Nicht ganz. „Es gibt viele ältere Menschen, die gerne zu kulturellen Veranstaltungen gehen würden, aber sie haben nicht das Geld und trauen sich auch nicht alleine. Für die jungen Leute ist die größte Motivation, dass sie eigentlich oft keinen Kontakt zu Senior*innen haben – außer zu den Großeltern, die oft weit weg wohnen“, erzählt Christine Worcht, Gründerin und Leitung von KULTURISTENHOCH2 in Hamburg.

Kaum Begegnungsorte für Generationen

Die zwei Projekte mit unterschiedlichem Ansatz verfolgen dasselbe Ziel: Senior*innen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen und den Austausch zwischen Jung und Alt zu fördern. Fakt ist: Die Bevölkerung wird immer älter. Laut dem Statistischen Bundesamt wird die Anzahl der über 60-jährigen von 27,1 Prozent in 2013 auf 37,6 Prozent ansteigen. Dazu kommt, dass die Angst, aber auch eben die reelle Gefahr von Altersarmut immer weiter steigt. Gleichzeitig fragt man sich bei der ganzen Berichterstattung im Alltag auch: Wo sind diese ganzen älteren Menschen?

„Viele wohnen in entlegeneren Stadtteilen, wo die Mieten nicht so hoch sind und gehen auch wenig aus, weil die Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehrt teuer und sie auch einfach alleine sind“, erklärt Christine Worcht. Mit ihrer Initiative KULTURISTNEHOCH2 geht sie die Probleme Altersarmut, Einsamkeit und Isolation von älteren Menschen an. Hier werden ältere Menschen mit Schüler*innen aus einer nahegelegenen Schule zusammen gebracht, um eine gemeinsame kulturelle Veranstaltung zu besuchen – von Theater bis zum Heavy Metal Festival Wacken.

Das Team von KULTURISTENHOCH2 (In der Mitte Chrstine Worch)                                                (c) KULTURISTENHOCH2

Die Tickets gibt es über die Teilhabe-Organisation Kulturleben. Sie organisieren Eintrittskarten für kulturelle Veranstaltungen und stellen sie armen Menschen in Hamburg kostenlos zu Verfügung – ein Pendant dazu in München wäre Kulturraum München e.V. Christine Worcht und ihr Team sorgen für die Tandems, die Fahrkarten und die Möglichkeit, dass sich das Tandempaar ein Getränk kaufen kann. „Ich habe damals mitbekommen, wie mein Vater nach dem Tod meiner Mutter sehr vereinsamt ist. Ich habe weit weggewohnt, wie das heute oft so ist, und konnte nicht viel für ihn da sein“, sagt Worcht. Genauso geht es den Schüler*innen, die ihre Großeltern oft auch nicht in der Nähe haben – nicht selten sind sie auch im Ausland. Ein weiterer toller Nebeneffekt: Es ist nicht nur ein Generationen-, sondern auch ein interkultureller Austausch.

Austausch zwischen Schüler*innen und Senior*innen

Ein Austausch von Generationen hatte auch Helena im Sinn. Als Freiwillige im FSJ Kultur bekommt man in der Mohr-Villa die Möglichkeit, sich ein eigenes Projekt auszudenken, das man über das Jahr hinweg betreut. Auf die Idee etwas mit Senior*innen zu machen ist Helena wegen ihrer eigenen Großmutter gekommen: „Durch das Lernen fürs Abitur und den Umzug nach München, habe ich einfach nicht mehr den Kontakt zu meiner 90-jährigen Oma. Und bei vielen meiner Bekannten ist es ähnlich.“ Dabei kann man so viel von den Älteren lernen – sie sind Zeitzeugen der Geschichte, haben viele Erfahrungen gemacht und könnten ihr Wissen, von alten Rezepten bis zur Handwerkskunst, weitergeben, bevor es vielleicht verloren geht. Aus all diesen Gründen und noch vielen mehr, hat Helena daraufhin das Seniorenwohnen Kieferngarten in München kontaktiert und ihre Idee eines Austausches vorgeschlagen. Seitdem gibt es einmal im Monat unter dem Motto „Mohr-Villa bringt Freu(n)de“ eine Aktion mit den Senior*innen – vom Spielenachmittag über ein Erzählcafé bis hin zur Technikberatungsstunde mit Schüler*innen aus der nahegelegenen Mittelschule an der Situlistraße.

Beim PRojekt „Mohr-Villa bringt Freu(n)de“ wird auch mal zusammen gebastelt. (c) Mohr-Villa e.V.

Gute 800 Kilometer entfernt: Das Interesse an einem Kontakt mit Senior*innen ist auch bei den Infoveranstaltungen an den Schulen in Hamburg groß. Bevor Schüler*innen aber mitmachen können, müssen sie ein fünfstündiges Alterssimulationstraining absolvieren. Das heißt, sie müssen mal einen Tag nachfühlen, wie es ist, alt und nicht mehr so beweglich zu sein. Damit sie auch richtig mit ihren Tandempartner*innen umgehen. Die Senior*innen werden in Stadtteilen mit signifikant hoher Altersarmut angesprochen – über Seniorentreffs und kirchliche Gemeinden. Dabei ist es gerade zu Beginn nicht einfach, da die Schamgrenzen – zuzugeben, dass man nicht mehr als 1100 Euro zum Leben im Monat hat – sehr  hoch sind. Mittlerweile ist die Initiative aber bekannt – und am besten funktioniert immer noch Mundpropaganda. Auch wenn die Tandems immer wieder wechseln, ein kleiner Teil bleibt auch über den Abend hinaus in Kontakt.

Der Unterschied der Generationen zeigt sich oft erst im Miteinander – und erklärt vielleicht auch so manche Verhaltensweisen. „Ich habe mich gleich mit Helena vorgestellt und die Senior*innen geduzt – das kam nicht so gut an. Hier siezen sich selbst Damen, die seit sieben Jahren zusammen zur Bastelstunde kommen. Somit bin ich hier jetzt Fräulein Helena und werde gesiezt“, erzählt Helena lachend. Das Programm findet bei den Bewohnern des großen Seniorenwohnens im Münchner Norden Anklang – auch über die monatlichen Treffen hinaus. So hat sich durch den Kartenspielenachmittag beispielsweise gleich eine regelmäßige Schafkopftruppe zusammengetan. Solche Momente sind für Helena das größte Lob. Auch nach ihrem FSJ will sie für ihr Studium in München bleiben – und das Projekt ehrenamtlich weiterführen.


(c) Titelbild: Mohr-Villa e.V. Freimann

Kitchen on the run – eine Küche auf Reisen

Eine mobile Küche, die Begegnungen schafft und Geschichten über Grenzen hinweg trägt.

Als im Frühjahr 2015 mehr und mehr Geflüchtete nach Europa kamen, stellten sich Rabea Haß und Jule Schröder die Frage, wie sich Einheimische und Geflüchtete kennenlernen können. Wie sie sich auf Augenhöhe begegnen können, um gegenseitig Vorurteile abzubauen und einen Einblick in die jeweils andere Kultur zu bekommen. Mit ihrer Erfahrung, dass am Küchentisch Freundschaften entstehen, haben die beiden das Projekt Kitchen on the Run initiiert: Eine mobile Küche in einem Schiffscontainer, die durch Europa reist und Abend für Abend Geflüchtete und Beheimatete einlädt, Geschichten, Rezepte und gutes Essen miteinander zu teilen.

Die Gründerinnen Jule un Tabea mit dem Prototypen

Kitchen on the Run bringt Geflüchtete und Beheimatete am Küchentisch zusammen, um Zeit miteinander zu verbringen, gemeinsam zu kochen, zu essen und abzuwaschen. Und dabei ganz nebenbei ins Gespräch und sich näher zu kommen. Insbesondere die geflüchteten Teilnehmenden erhalten die Möglichkeit, die Rolle des Gastgebers einzunehmen, ein Rezept mitzubringen und so ein Stück ihrer Kultur zu teilen. Damit werden die Neuankömmlinge mobilisiert und dazu ermutigt, sich mit ihren Fähigkeiten aktiv einzubringen.

Bau nach dem DesignBuild-Ansatz

Die Hans Sauer Stiftung unterstützte Kitchen on the Run finanziell beim Ausbau des Küchencontainers. Gemeinsam mit angehenden Architekten und Architektinnen der TU Berlin baute das Team unter Leitung von Prof. Donatella Fioretti einen Schiffscontainer in eine mobile, funktionale und einladende Küche um. In dem DesignBuild Projekt beschäftigten sich etwa 20 Studierende im Wintersemester 2015/16 mit dem Entwurf und dem Bau der mobilen Küche.

Begleitet wurde der Entwurfs- und Bauprozess, in den auch Geflüchtete einbezogen wurden, mit innovativen Workshops und Netzwerktreffen der Hans Sauer Stiftung. Dies ermöglichte den Studierenden immer wieder, ihre Rolle als Architekten bei der Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, insbesondere der Integration von Neuankömmlingen, zu reflektieren.

Der Küchencontainer im Einsatz

Im März 2016 startete der Küchencontainer dann seine erste Reise durch Europa, von Italien, über Frankreich, Deutschland, Niederlande bis nach Schweden – in jeder Stadt hielt der Container für vier Wochen.

Auch die schriftliche Dokumentation des Containerbaus wurde von der Stiftung gefördert, welche HIER zum Download zur Verfügung steht und man steht nach wie vor im regen Austausch, um die Erfahrungen einem Kreis an Interessierten und Nachahmern zugänglich zu machen.

So viel mehr als nur gemeinsames Kochen

Mit dem Ausbau des Schiffscontainers sensibilisierte Kitchen on the Run Studierende dafür, wie sie als zukünftige Architekten Gesellschaft mitgestalten können. Zugleich bauten die Studierenden das Herzstück des Projekts. Der Küchencontainer ist gleichzeitig ästhetisch und funktional, er passt sich jeden Abend seinen Gästen und ihren Bedürfnissen an. Sein Design und seine Atmosphäre strahlen Wertschätzung für seine Gäste aus.

Insgesamt begegneten sich während der ersten fünfmonatigen Reise durch fünf Länder über 2.400 Menschen aus etwa 70 Nationen bei 80 Kochveranstaltungen am Küchentisch. Damit ermöglichte Kitchen on the Run Begegnungen auf Augenhöhe, die auf beiden Seiten halfen, Vorurteile abzubauen. Zudem wurden an den Standorten Netzwerke aus engagierten Menschen hinterlassen und Initiativen, die sich nun gemeinsam lokal für eine aktive Nachbarschaft zwischen Menschen mit und ohne Fluchthintergrund einsetzen.

Um eine größere Zielgruppe zu erreichen, wurden die Erlebnisse und Erfahrungen multimedial dokumentiert, u.a. in einem Website und einem YouTube Kanal – es entstand ein eigener Dokumentarfilme, der die Idee von Beginn an begleitete, mit allen Höhen und Tiefen. Zudem schloss sich Kitchen on the Run dem Berliner Verein Über den Tellerrand kochen e.V. an. 

2017 und 2018 reiste Kitchen on the Run mit einem neuen Team unter dem Motto „Next Stop Heimat“ durch deutsche Kleinstädte mit bis zu 50.000 Einwohnern, um noch mehr Freundschaften am Küchentisch zu ermöglichen. So wurden weitere 3.600 Menschen erreicht und an allen Orten wird weiterhin mit über den Tellerrand gekocht.

2019 soll der Container in Hof, Schmalkalden und Rendsburg für jeweils sieben Wochen an einem neutralen Ort, wie dem Marktplatz oder in der Nähe des Stadtzentrums stehen. An drei Abenden die Woche wird dann zusammen gekocht – an den Wochenenden können lokale Freiwillige und Initiativen den Container mit eigenen Ideen füllen. Dabei sollen auch hier aus der entstandenen Gemeinschaft die Kochabende auch ohne Kitchen on the run aber im Satellitennetzwerk von Über den Tellerrand kochen e.V. weitergeführt werden.

Der „Neuling“ bei Kitchen on the run

Außerdem gibt es mit dem cookin’roll nun ein weiteres Projekt: ein mobiler Anhänger zum gemeinsamen Kochen. Die Hans Sauer Stiftung steht immer noch im regen Kontakt mit dem Projekt und auch in Zukunft wird es weitere Kooperationen geben.


(c) Alle Bilder: Kitchen on the run

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