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relaio.de

Die Plattform für nachhaltiges Unternehmertum

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Mach´s gut, relaio!

10. November 2020 By

relaio, die Plattform für gesellschaftlichen Wandel stellt den Betrieb ein. Aber auf anderen Websites der Hans Sauer Stiftung geht es weiter… 

Wie soll eine Gesellschaft aussehen, die ein gutes und gerechtes Leben für alle schafft und dabei die Belastungsgrenzen unseres Planeten achtet? Welche Werte, Praktiken und Technologien müssen sich ändern, damit wir die Welt und die Gesellschaft in der wir leben, nachhaltig gestalten können? Und wer sind diejenigen, die dazu beitragen können?  

Mit diesen Fragen beschäftigte sich relaio zuletzt. Und hat versucht Antworten darauf finden: relaio hat Wissen geliefert, wie gesellschaftlicher Wandel funktionieren kann und dabei Hintergründe und Konzepte zu aktuellen Themen aus Forschung und Gesellschaft beleuchtet. Wie sich Innovationen in der Gesellschaft verbreiten wurde dabei ebenso thematisiert, wie die Probleme der kapitalistischen Produktionsweise oder die Unzulänglichkeiten einer Circular Economy. relaio hat aber auch Lösungsansätze vorgestellt und Vorbilder interviewt, die demonstrieren, wie gesellschaftlicher Wandel gelingen kann. Sowohl Nischenakteur*innen wie das „Penthaus à la Parasit“ als auch renommierte Wissenschaftler wie Volker Quaschning kamen hier zu Wort. relaio wollte so auch seine Leser*innen dazu ermutigt, sich selbst als Gestalter*innen des Wandels miteinzubringen. 

Menschen dazu zu bewegen, sich einzusetzen und ihnen das hierfür nötige Wissen mitzugeben, war seit jeher das Ziel dieses operativen Projekts der Hans Sauer Stiftung. Es steht damit in der gedanklichen Tradition des Erfinders, Unternehmers und Stifters Hans Sauer, der bereits 1987 das „DABEI-Handbuch für Erfinder und Unternehmer“ erarbeitet hat, um Menschen einen Leitfaden für die Umsetzung von Innovationen an die Hand zu geben. Der Stifter beschäftigte sich daraufhin in den 1990er Jahren mit dem Thema der erfinderischen Kreativität und deren Beitrag zu einer funktionierenden „Ko-Evolution“ von Mensch und Natur. Seine Tochter Monika Sachtleben veröffentlichte 1999, drei Jahre nach dem Tod des Stifters, zu diesem Thema das Buch „Kooperation mit der Evolution“. Diese Veröffentlichungen lieferten die Wertedimension, die die Arbeit von relaio prägten: Die Förderung von technischen und sozialen Innovationen, bei denen der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund steht.  Eine digital erneuerte Version des „DABEI-Handbuch“ entstand 2009, die sich noch stark am Aufbau des ursprünglichen Handbuchs orientierte. Zeitweise wurde das Projekt dann am LMU Entrepreneurship Center in München weiterbearbeitet, wobei vor allem der aktuelle Wissensstand rund um das Thema „Nachhaltig Wirtschaften“ erarbeitet wurde. 2012 wurde dann das DABEI-Handbuch „digitalisiert“ und thematisch grundlegend ergänzt und für eine breitere Zielgruppe zugänglich gemacht.  Dies legte den Grundstein für das Projekt relaio, das als „Ideengarage“ gestartet wurde und dann 2015 als Plattform für nachhaltiges Unternehmertum online ging.  

Im Laufe der Zeit gewannen dabei aktuelle Themen der Stiftungsarbeit wie Social Design, Stadtentwicklung und Cirular Society immer mehr an Bedeutung. Diese Themen sind aktuell die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit geworden und werden nun auch redaktionell auf- und beabeitet. Wer die Stiftungsarbeit also weiterhin verfolgen möchte, ist herzlich eingeladen dies auf www.socialdesign.de zu tun.  Die Seite relaio.de wird daher nicht weiter aktualisiert, bleibt aber in ihrer aktuellen Form erhalten. Die Plattform hat viele angehende Sozialunternehmer*innen und Pioniere des Wandels begleitet, ihnen Wissen zur Verfügung gestellt und versucht, ihnen neue Richtungen aufzuzeigen, die hierfür erarbeiteten Inhalte sollen daher auch anderen noch zur Verfügung stehen.  
An dieser Stelle möchte sich relaio zudem bei allen Leser*innen, Interviewpartner*innen und ehemaligen Mitarbeiter*innen bedanken – ohne euch wäre diese Plattform nicht so bunt, vielseitig und spannend geworden.  

Für uns heißt es jetzt aber Abschied nehmen, mach´s  gut relaio! 

 

Hear How You Like To Hear

26. Mai 2020 By

Warum können Hearables nicht wie Brillen einfach als Modeaccessoires gelten?

Viele Feinheiten von Sinneseindrücken bemerkt man gar nicht, bis sie einem fehlen. So geht es vielen Menschen, die auf ein Hörgerät angewiesen sind: Diese sind oft schlicht nicht in der Lage, den von einem gesunden Gehör produzierten Sinneseindruck zu reproduzieren. Menschen mit Höreinschränkungen probieren sich oft jahrelang durch verschiedene Hörgerät-Typen, sind dabei aber mit vielfältigen Problemen konfrontiert: So können Hörgeräte schmerzen, blöd aussehen oder einen nicht die Dinge hören lassen, die man hören wollte. Eine Gruppe von Menschen mit und ohne Höreinschränkungen haben sich im Rahmen des bürgerwissenschaftlichen Projekts „Hear How You Like To Hear“ daran gemacht, ihre Bedürfnisse ans Hören zu erforschen und Grundlagen für das Hearable der Zukunft zu entwickeln.

Das Projekt „Hear How You Like To Hear” ist am Fraunhofer IDMT angesiedelt und wird von der Informatikerin und Künstlerin Peggy Sylopp geleitet. Im Mittelpunkt stehen dabei subjektives Hören, Bedürfnisse und Wünsche der User*innen mit und ohne Höreinschränkungen. Für die Anwendung in alltagsakustischen Umgebungen entwickelte das HHYL2H-Team die intuitive liketophear-App und eine stabile 3D-gedruckte Box. So konnten die Mitforschenden Open Source Hörgeräte-Algorithmen auf einem Raspberry Pi steuern. Konkret ermöglichte das den Interessierten die Mitarbeit an der Algorithmenentwicklung sowie die Sammlung ihrer Bedürfnisse zu Aussehen und „Kompetenzen“ des Geräts an sich. In Zukunft sollen Nutzer*innen im Alltag ihren Hörgerätealgorithmus damit auch ohne professionelle Hilfe anpassen können.

Die liketohear-App&. Foto: Peggy Sylopp CC PY-NC-ND 4.0

Grundlagenforschung für das Hearable der Zukunft

Ein Teil des Projekts fand als konkrete Feldforschung statt: Ausgestattet mit der Box und App erprobten Interessierte den Prototyp in Alltagsumgebungen. Auf Basis deren Rückmeldungen und Erfahrungen damit wurde erfasst, welche Features notwendig sind und was weiter verbessert werden sollte. Eine grundlegende Frage war dabei: Was erwartet man sich eigentlich vom Hören? Die Interessent*innen testeten das Gerät sowohl im Außenraum als auch im Restaurant in einer Gesprächssituation mit Geräuschkulisse und passten dabei das Gerät individuell an ihre Bedürfnisse an. Somit erlangten die Projektleitenden einen Überblick, was die Teilnehmer*innen in bestimmten Soundumgebungen eingestellt haben. Dabei war sowohl die erfasste Klangumgebung mit den jeweiligen Anpassungen, die zum besseren Hören daran gemacht wurden, relevant, als auch deren Verbindung zur Persona von den Leuten, also die ungefähre Einschätzung des jeweiligen Hörvermögen: trägt Hörgerät, ist technik-affin, wünscht sich bestimmte Sachen vom Hören oder vom Hearable. Insgesamt haben bei dieser Feldforschung etwa 60 Early Adopters mitgewirkt. Weitere Bereiche des Projekts waren ein Online-Fragebogen, Hackathons mit Workshops und Austauschrunden und „Maker“, die selbst an der Weiterentwicklung der Geräte im physischen Sinne arbeiten. 

Die Projektleiterin Peggy Sylopp beschreibt dabei auch auftretende Probleme: „Es fehlt da oft an Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Nehmen wir zum Beispiel mal Hörgeräte im Bereich Hörtechnologie: wie die entwickelt wurden, welche Ideen, Algorithmen, Regelwerke dahinter stecken, das hat eine lange Geschichte aus Sicht der Wissenschaft und neue Entwicklungen stehen damit in diesem Kontext. Personen aus der  „normalen“ Gesellschaft, auch die, die diese Entwicklungen vielleicht bereits nutzen, wissen aber meist relativ wenig darüber. Das sieht man dann in der Praxis: es gibt ein Riesendefizit an Grundlagen, wie überhaupt an Hörforschung ranzugehen wäre, wie die Hörforschung bisher konzipiert ist und wie sie zu begreifen ist.“ Diese zu vermitteln, erforderte ein neues Selbst-Verständnis der Interessent*innen: Statt als Proband*innen ein Produkt zu rezensieren, beteiligten sich die Nicht-Berufswissenschaftler*innen hier an Grundlagenforschung. Diese neue Rolle erforderte auch Geduld, weil die Teilnehmenden nicht ein fertiges Produkt, sondern die Entwicklung der wichtigen Forschungsfragen und die Artikulierung der Anforderungen an ein Hearable der Zukunft entwickelten.

Teilnehmende beim Soundwalk in Berlin. Foto: Peggy Sylopp CC PY-NC-ND 4.0

Technische Möglichkeiten, Erwartungen und Wirklichkeit sind oft widersprüchlich zueinander

Peggy Sylopp spricht dabei auch die Erwartungshaltung an die Technik an: „Es wird ganz viel kommuniziert, auch von Werbung und Wissenschaft, was die Technik alles lösen kann: Sie kann für dich denken, kann das Gehirn auslesen – genau genommen stimmt das aber so alles nicht. Was auch ein wenig fehlt, ist eine ehrliche, transparente, diskursive Kommunikation über das, was zum Beispiel Technik, IT, wirklich kann und was sie nicht kann. Also da werden noch viel zu viel Ideen und Erfolge gefeiert, die eigentlich aber nur in kleinen Bereichen und ganz dezidierter Anwendung funktionieren. Da gibt es diese riesige Erwartung, dass es sich damit total gut anhört, dass ich damit alles Mögliche steuern kann und dies und jenes, das ist aber eigentlich in diesem Sinne gar nicht machbar, aus einem komplexen Anforderungsstrauß heraus.“

Die Eindrücke der Teilnehmenden an der Feldforschung wurden mit einer Online-Umfrage angefüttert. In dieser wurde abgefragt, welche Wünsche und Erwartungen man an ein tragbares Gerät zum Hören hat, welche Erfahrungen man dazu bereits gesammelt hat und welche weiteren Ideen dabei bereits aufkamen. Mit 650 Teilnehmenden wurde damit eine breite Basis an Eindrücken und Bedürfnissen erfasst.

In der Erforschung von technischen Möglichkeiten war ein weiterer Teil des Projekts angesiedelt:  Es fanden zwei Hackathons mit verschiedenen Workshops statt, in denen es darum ging, ganz praktisch Produkte für Anwendungen zu konzipieren und in den Austausch zwischen Anwender*innen und Entwickler*innen zu gehen. Der erste Hackathon war dabei eher spielerisch angesetzt: Die praktische Anwendung von Hearables im Alltag wurde behandelt. Die Teilnehmenden tauschten sich dabei über Bedürfnisse, Möglichkeiten und aktuelle Schwierigkeiten aus.

 

„Feels like in a sound bubble“ – die Teilnehmenden des Hackathons erprobten ihre eigene Hörwahrnehmung im Laufe des Prozess. (c) Nick Fewing

Im zweiten Hackathon wurden Expert*innen aus dem Audio-Bereich, aus der Hörgeräteentwicklung, aus der Industrie und aus der Hacker- und Makerszene eingeladen. Die Projektleiterin beschreibt diese als „zwei Tage sehr intensiven Austausch. Das war wirklich spannend, wie groß das Bedürfnis ist, sich aus den verschiedenen Ebenen auseinanderzusetzen. Da sind die Wissenschaftler mal greifbar für die Leute, die die Probleme haben. Anfangs haben viele nicht verstanden, was jetzt beispielsweise die Entwicklung von Lautsprecherboxen mit dem Hörproblem zu tun haben. Am Ende der zwei Tage war es dann aber für alle klar, worin die Nähe zwischen Klangqualität, Hearable und Hörunterstützung liegt. Für mich war das ein sehr wichtiges Thema, diesen scharfen Schnitt zwischen disabled – also Behinderung, Hörschwäche – und gutem Hören aufzulösen, und da weicher ranzugehen: was kann ein Hearable? Was ist gut für Leute mit Hörproblemen, aber auch für andere? Zum Beispiel hilft diese Funktion der Geräuschunterdrückung auch Leuten, die relativ normal hören können im Gespräch, weil sie damit weniger Höranstrengung haben. Andererseits heißt das für jemanden, der ein Hörproblem hat, dass er überhaupt was verstehen kann oder viel besser verstehen und damit überhaupt an Gesprächen teilnehmen kann. Da ging es also darum, diesen offenen Diskurs zu starten, das war auch nochmal eine andere Ebene“.

Hemmschwellen überwinden

Mit dem Ziel der Forschung von „Hear How You Like To Hear“, neue Impulse für die Entwicklung von Hörunterstützungen zu geben und dabei das Wohlbefinden der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen, soll das Selbstbewusstsein von Menschen mit Höreinschränkungen gestärkt und ihr soziales Umfeld zu einem bewussten Umgang ermutigt werden. Denn der Umgang mit einem Hörgerät erfordert oft das Überwinden großer Hemmschwellen: Bei der Erstnutzung schon sich länger graduell verstärkender Hörschwäche erscheinen Töne, die schon lange weg waren, neu: das ist ungewohnt, fast störend. Zum anderen ist das Sichtbarmachen dieser Schwäche, die nun Teil von einem ist und Selbstvertrauen voraussetzt, ein schwieriger Schritt.

Das gelingt den Teilnehmenden auch dadurch, dass sie neben dem, was Hörgeräte können sollen, auch erforschen, wie diese aussehen könnten. Für viele Menschen mit Höreinschränkungen ist es wichtig, dass das Gerät sichtbar ist. Schwerhörigkeit erfordert auch von der Umgebung eine Umstellung im Umgang miteinander. Wenn das Gegenüber bemerkt, dass der/ die* Gesprächspartner*in eingeschränkt hört, kann ein Gespräch unter günstigeren Bedingungen stattfinden. Deshalb ist für manche Betroffene wichtig, dass das Gerät sichtbar ist. Andere arbeiten an einer neuen Auffassung von Höreinschränkungen: Während Brillen selbst als modische Accessoires breit akzeptiert sind, werden Hörgeräte oft versteckt. Die Teilnehmenden des zweiten Hackathons entwickelten daher beispielsweise als Lösung ein Haarband in Kombination mit einem Fingerring, in dem ein Mikrofon eingebaut ist.

Prototyp einer sichtbar getragenen Hörunterstützung beim 1. Hack4Ears-Hackathon. Foto: Peggy Sylopp CC PY-NC-ND 4.0

Mit partizipativer Forschung gesellschaftliche Herausforderungen angehen

Aktuell befindet sich das Projekt in der Auswertungsphase. Hear How You Like To Hear wurde im Rahmen des Förderbereichs Bürgerforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es gehört zu 13 Projekten, die bis Ende 2019 die Zusammenarbeit von Bürger*innen und Wissenschaftler*innen inhaltlich und methodisch voranbringen und Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen geben sollen.

Die Projektleiterin Peggy Sylopp betont die Vorteile partizipativer Forschung. Ihr war in allen Phasen des Projekts besonders wichtig, die Teilnehmer*innen als Mitforschende, nicht als Proband*innen wahrzunehmen, während sie betont, dass diese Vereinfachung natürlich aus Perspektive der Forschung, die ein Problem lösen will, zielführend ist. Obwohl Hear How You Like to Hear unkonventionelle Herangehensweisen nutzt, wird es am Institut ernst genommen und als relevanter Teil der Forschung gesehen. Peggy Sylopp sieht das als Teilerfolg für Citizen Science-Ansätze: „Ich würd behaupten, dass es sowas in allen Bereichen gut wäre, dass wirklich rausgegangen wird und die Sachen so frei gelassen werden, dass nicht nur Daten gesammelt werden, sondern auch Erfahrungen mit Forschung gesammelt werden. Es geht ja auch darum, dass Forschung neu gedacht wird und die konventionellen Forschungsideen oder deren Herangehensweisen nochmal neu gedacht werden, neu erprobt werden. Vielleicht können ja so nochmal neue Anstöße reingegeben werden, die mehr die subjektive Sicht von Usern oder von Betroffenen berücksichtigen. Das halte ich auch für eine grundlegende ethische Frage.“

Das Jahr der Nachhaltigkeit?! – Die wichtigsten Veränderungen 2020

15. Januar 2020 By

Klimaschutz, Mobilität, soziale Gerechtigkeit – 2020 ist das Jahr nachhaltiger Veränderung. Wir stellen wichtige Ereignisse und Themen vor. 

Ach wie schön! Das neue Jahr 2020 gewährt gleich zu Beginn seiner Tage ein bisschen Potential zu mehr Nachhaltigkeit. Jedenfalls dann, wenn man Teil einer Personengruppe ist, die eher zu den Aufheber*innen als zu den Wegwerfer*innen gehört. Zugegeben: Mag dem auch so sein, benötigt es zudem noch einer gewissen Verortung im extremen Flügel der ersten Gattung Mensch. Denn zur Entfaltung dieser Potentiale bedarf es einen Kalender aus keinem geringeren Jahr als 1992. Diese – und das ist nun die gute Nachricht – sind in ihrer Abfolge nämlich exakt identisch mit aktuellen Fabrikaten. Ehrlich gesagt, muss man aber zugegeben, dass es hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen, in Sachen Umwelt, Soziales oder Mobilität schon etwas mehr bedarf, als bloß den alten Kalender wiederzuverwenden und ein zweites Mal aufzuhängen.

Kleines Erbe, große Herausforderung

Das neue Jahr und die Menschen, die es gestalten, dürften es dabei nicht leicht haben, dieses gewisse „mehr“ auch zu erreichen. Denn es gibt einiges aufzuholen, was in 2019 versäumt wurde. So haben es etwa die Teilnehmer*innen der letzten UN-Klimakonferenz in Madrid versäumt, klare und verbindliche Verpflichtungen für starken und vor allem mehr Klimaschutz auf den Weg zu bringen. Stattdessen wurde – frei übersetzt – „bekräftigt“, effektive und langfristige Klimaschutzziele und -pläne auf den Weg zu bringen. Symbolpolitik also, während gleichzeitig das Eis der Antarktis sechs Mal schneller schmilzt als noch vor 40 Jahren und die US-amerikanische Regierung den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen besiegelt hat. Ebenso katastrophal waren und sind die antisemitischen und rechtsradikalen Terroranschläge, die nun untrennbar mit den Ortsnamen Christchurch und Halle an der Saale verbunden sind. 2020 wird daher zweifelsohne das Jahr, das sich genau damit auseinandersetzen muss; dass aufklären, vereinen und regeln muss.

Der Klimawandel bleibt auch in diesem Jahr eine wichtiges Thema. (c) Grafik/Bild: relaio/Markus Spiske, Datenquelle: ZDF-Politbarometer August, 2019

Klimaschutz auch weiterhin enorm wichtig

Klimaschutz dürfte dabei, wie auch schon 2019, weiterhin von der Allgemeinheit als wichtigstes Problem begriffen werden. Das nicht zuletzt angesichts des verheerenden Ausmaßes der australischen Buschbrände, die maßgeblich die ersten Schlagzeilen des Jahres 2020 geprägt haben. Auch politisch soll 2020 ein Jahr des Klimaschutzes werden. So beschloss die Bundesregierung im vergangenen Jahr einen Haushaltsplan für 2020, in dem das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit insgesamt mit Ausgaben von 2,97 Milliarden Euro planen kann, was eine Erhöhung um 30 Prozent der geplanten Vorjahresausgaben beträgt. Die gestiegenen Aufwendungen sollen unter anderem einen „signifikanten Mehraufwand“ für das Bundesministerium im Zuge der diesjährig anstehenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands bilden. Gleichzeitig sieht man darin eine „einzigartige Chance“, umweltpolitische Ziele „im Rahmen laufender Prozesse auf EU-Ebene voranzutreiben und eigene Prioritäten auf die EU-Agenda zu setzen.“ Weiter fallen verstärkt Ausgaben zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz an. Neben diesen und weiteren Haushaltspunkten stehen auch ganz konkret spürbare Veränderungen an.

Deutsche Konsumenten verbrauchen immer weniger Plastiktüten. (c) Grafik: relaio / bag by S. Salinas from the Noun Project, Datenquelle: Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung / kunststofftragetasche.info

So soll noch in diesem Jahr ein Gesetzentwurf ein Verbot von Plastiktüten an der Ladentheke durchsetzen. Im Klartext soll es ab diesem Jahr ein Verbot geben über das „Inverkehrbringen von leichten Kunststofftaschen“, die vor allem „dafür konzipiert und bestimmt sind, in der Verkaufsstelle gefüllt zu werden“. Gemeint sind damit Plastiktüten mit einer Wandstärke zwischen 15 und 50 Mikrometern, die meist schon nach einfacher Benutzung im Hausmüll landen. Die Bundesumweltministerin, Svenja Schulze, verspricht sich davon eine Reduzierung von rund 1,6 Milliarden Plastiktüten im Jahr.

Weniger ist mehr

Eine weitere, konkrete Veränderung sind die seit dem 01. Januar 2020, basierend auf einer neuen Verordnung der Europäischen Union, in Kraft getretenen, niedrigeren Grenzwerte für Neuwagen. Diese sinken nun auf 95 Gramm pro Kilometer sowie für kleinere Nutzfahrzeuge auf 145 Gramm CO2 pro Kilometer. Laut EU-Verordnung wird damit der Schadstoff-Ausstoß im Autoverkehr auf ein Level reduziert, mit dem nun „die im Übereinkommen von Paris verankerten Zielsetzungen“ verwirklicht werden.“ Ob das wirklich funktioniert, ist abzuwarten, denn letztlich handelt es sich hier nicht um die tatsächlich maximal erlaubte Emissions-Höchstwerte pro PKW und Nutzfahrzeug, sondern um einen „CO2-Emissionsdurchschnitt“. Konkret bedeutet das, dass ein neu zugelassenes Fahrzeug die angegeben Grenz-Durchschnittwerte durchaus überschreiten darf, solange diese von einem anderen Fahrzeug der sogenannten „EU-Flotte“ eines Automobilherstellers ausgeglichen werden. Buchstäblich gibt es aber trotzdem Grund zum Aufatmen.  Denn mehr als 120 Gramm CO2 darf kein PKW pro Kilometer erreichen, wenn dieser innerhalb der EU eine Neuzulassung erhalten will. Damit das auch wirklich passiert, gibt es ab diesem Jahr neue Messbedingungen für Neuzulassungen. Konkret dürfen die Grenzmesswerte an Stickoxiden unter realen Bedingungen nur das 1,5-Fache der Laborwerte betragen.

Bis 2030 sollen die Abgaswerte von KFZ-Neuzulassungen stark reduziert werden. (c) Grafik/Bild: relaio/Markus Spiske, Datenquelle: Europäische Union    

Verkehr soll aber insgesamt nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch günstiger werden. Wer mit der Bahn unterwegs ist, kann sich deshalb seit dem 01. Januar über gesunkene Ticketpreise freuen. Günstiger wird der Preis pro Bahnfahrt aufgrund eines niedrigeren Mehrwertsteuersatzes von nun sieben anstatt 19 Prozent. Hier gibt es jedoch eine Einschränkung. Denn der steuerlich reduzierte Fahrpreis gilt nur für Bahnfahrten mit einer Mindestlänge von 51 Kilometern. Wer beim Pendeln darunter liegt, zahlt also auch weiterhin den gewohnten Preis. Sparen lässt sich dann aber dennoch. Denn auch die Bahncard 25 und 50 werden ab dem 01. Februar rund 10 Prozent günstiger. Eine Bahncard 25 etwa kostest dann anstatt 62 Euro nur noch 55,70 Euro. Günstiger werden zudem die Preise für Streckenzeitkarten, zur Mitnahme von Fahrrädern sowie für die Sitzplatzreservierungen. Die Preissenkungen sind eine direkte Folge des 2019 vorgestellten Klimaschutzpaketes der Bundesregierung, in dem eine Senkung der Fahrpreise auf einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz vorgeschlagen wurde.

Abgase und Rücksichtslosigkeit werden teurer

Gar nicht günstiger, sondern teurer soll hingegen das Reisen mit dem Flugzeug werden. So erhöht sich ab dem ersten April 2020 pro Flugticket die sogenannte Luftverkehrssteuer. Konkret bedeutet dies, dass innereuropäische Flüge zukünftig mit 13,03 Euro besteuert werden, was einer Erhöhung von 5,53 Euro entspricht. Für Flüge mit einer mittleren Distanz bis zu 6.000 Kilometern ist eine Erhöhung um 9,58 Euro auf 33,01 Euro geplant. Wer einen Langstreckenflug in Anspruch nehmen will, muss zukünftig sogar 17,25 Euro mehr Steuern entrichten, was einer Summe von 59,43 Euro entspricht. Mit der Steuererhöhung will die Bundesregierung einen weiteren Eckpunkt ihres Klimaschutzprogramms verwirklichen und mehr Anreize dafür schaffen, auf klimafreundliche Fortbewegungsmittel umzusteigen.

Wer sich nachhaltig fortbewegen will, sollte lieber Bahn fahren. (c) Grafik/Bild: relaio/ Deniz Altin, Datenquelle: Umweltbundesamt

Teurer wird es auch für diejenigen, die auf andere Verkehrsteilnehmer bisher eher weniger Rücksicht genommen haben. Laut einer Gesetzes-Novelle des Bundesverkehrsministeriums soll für das verbotswidrige Zuparken eines Rad- oder Gehwegs in Zukunft anstelle eines Bußgeldes von 20 Euro mindestens 55 Euro fällig werden und in Fällen mit verbundener Behinderung anderer oder Sachbeschädigung zahlt man sogar bis zu 100 Euro und kassiert einen Punkt in Flensburg. Tiefer in die Tasche greifen muss auch, wer keine Rettungsgasse bildet oder mit schweren Kraftfahrzeugen an Kreuzungen schneller als in Schrittgeschwindigkeit abbiegt.

Mehr Zugang bitte

Eine Sache sollte bei all diesen Bestrebungen nicht vergessen werden: Mobilität wird nicht nur besser, indem sie sauberer und sicherer wird, sondern auch indem sie zugänglicher, das heißt, offenerer ist für alle. Das ist bisher leider noch keineswegs der Fall. Nichts anderes lässt sich jedenfalls vermuten, wenn man in Betracht zieht, dass die Preise für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehr, laut dem Statistischen Bundesamt, ab dem Jahr 2000 bis 2018 um ganze 79 Prozent gestiegen sind, während sich die durchschnittlichen Erwerbs- und Unterhaltungskosten für PKW im gleichen Zeitraum lediglich um 36 Prozent erhöhten. Wer in München etwa vom Stadtrand in die Innenstadt pendeln muss, der zahlt, ohne Ermäßigung, für eine Monatskarte mindestens 55,20 Euro pro Monat – nicht selten aber auch mehr. Das ist gefährlich, denn teure Mobilität kommt auch einer Gesellschaft teuer zu stehen. Wer nicht mobil ist, kann weniger an gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen – (denn) sie oder er kommt einfach nicht hin.

Seit dem Jahr 2000 haben sich die Kosten zur Nutzung des ÖPNV fast doppelt so stark verteuert, wie die Nutzungskosten für den Individualverkehr. (c) Grafik/Bild: relaio/Peter-Paul Moschik, Datenquelle: Statistisches Bundesamt

Dass Mobilität kein Luxusgut sein darf und eben auch für denjenigen mit schmalen Geldbeutel zugänglich sein sollte, haben jedoch bereits andere erkannt und nun in ersten, konkreten Maßnahmen umgesetzt. In Augsburg etwa können seit dem 01. Januar 2020 Fahrgäste in der sogenannten „City-Zone“ kostenfrei mit Bus und Straßenbahn fahren. In anderen Gegenden Europas wird die Gratisnutzung von Bus, Tram und Co sogar bald zur Ländersache. So kann man ab dem 01. März in ganz Luxemburg alle nationalen, öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, ohne dafür ein Ticket besitzen zu müssen.

Ein maximales Minimum

Gerechter werden soll aber nicht nur der Zugang zu Mobilität, sondern auch die Bezahlung für die eigens erbrachte Arbeit. Man muss nicht Marx gelesen haben, um zu wissen, dass nicht alle eine gerechte Entlohnung ihrer Arbeit erhalten und nicht zuletzt aufgrund von Lohndumping unter prekären Lebensbedingungen ihren Alltag bestreiten müssen (und nicht selten als Folge an eben diesem scheitern) . Um dem einen Riegel vorzuschieben wurde 2014 mit dem „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie“ ein Mindestlohn gesetzlich verankert. Dieser startete 2015 in einer Höhe von 8,50 Euro brutto pro geleisteter Zeitstunde. Nach mehreren Anpassungen wurde dieser ab dem 01. Januar 2020 nun auf 9,35 Euro angehoben. Neu ist ab diesem Jahr auch ein Mindestlohn für Auszubildende: So bekommen diese seit dem 01. Januar mindestens 515 Euro pro Monat im ersten Lehrjahr ausgezahlt.

Erstmals gibt es ab diesem Jahr auch für Auszubildende eine gesetzlichen Mindestlohn. (c) Grafik/Bild: relaio/Imelda, Datenquelle: §1 MiloG

Dass diese Anpassungen notwendig sind dürfte kaum zu bestreiten sein, ob sie hingegen ausreichen, steht auf einen anderen Blatt. In Angesicht der bundesweit stark steigenden Mietpreise, dürften hier berechtigte Zweifel bestehen. Die Folge: Für immer mehr Menschen geht der Großteil ihrer Einkünfte für die eigene Miete drauf, was bei durchschnittlichen Mietpreisen von bald schon 20 Euro pro Quadratmeter in Städten wie München kaum verwundern dürfte. Um das Leben in beliebten Ballungszentren trotz solcher Entwicklungen auch für Menschen ohne hohen Einkommen zu ermöglichen, greift seit dem 01. Januar die von der Bundesregierung initiierte Wohngeldreform. Nach dieser besitzen nun 180.000 Haushalte erstmals oder erneut Anspruch auf ein erhöhtes Wohngeld. Ob diese Anpassungen tatsächlich Gentrifizierung, Armut oder den Klimawandel aufhalten können, wird zu diskutieren sein. In 2020 gibt es dazu zum Glück noch genügend Zeit.


(c) Titelbild: Jon Tyson

Einsteigen, bitte: Wie können Bahn und Bus alle mitnehmen?

8. Januar 2020 By

Bessere Zugangsmöglichkeiten zu klimafreundlicher Mobilität beinhalten das Potential, soziale Ungerechtigkeiten ein Stück weit aufzubrechen

In München wurde der öffentliche Nahverkehr seit Mitte Dezember umgestellt – die Zeichen stehen auf einfacher Bedienung für die Nutzer*innen und pendlerfreundliche Bedingungen. Das ist ein wichtiges Signal für diejenigen, die sich auch nach jahrelangem S-Bahn-Haltestelle-Frieren und Entschuldigungen wegen wiederholten Zu-Spät-Kommens – weil die S-Bahn mal wieder 30 Minuten auf sich warten ließ – nicht für die Nutzung eines eigenen PKWs entschieden haben. Die Tarifumstellung verspricht günstigere Preise und bessere Verbindungen, insbesondere für Vielfahrer und damit noch mehr Anreize, das Auto stehen zu lassen oder gar nicht erst zu kaufen. Das ist ein guter Anlass, um sich zu fragen: Wie ungleich gestaltet sich der Zugang zum öffentlichen Nah- und Fernverkehr eigentlich bezüglich dem eigenem Einkommen?

Mobilität ist Voraussetzung für soziale Teilhabe: Ausflüge, Arbeit, Gesundheit, Kultur – das alles findet nicht direkt vor der eigenen Wohnungstür statt, sondern erfordert meist die Nutzung irgendeines Verkehrsmittels, sei es das Fahrrad, ein eigenes oder mit anderen geteiltes Fahrzeug oder der öffentliche Nahverkehr. Dabei birgt ein verlässlicher, für alle leistbarer ÖPNV die Chance, das Mittel der Wahl für alle Menschen unabhängig von Einkommen, sozialem Hintergrund und Lebensstil zu sein – ganz im Zeichen der Effizienz bringt ein Fahrzeug zu festgelegten Zeiten bei jedem Wetter maximal viele Menschen pünktlich zum Ort ihrer Wahl.

Unfair verteilte Gesundheitsrisiken belasten besonders mobilitätsarme Menschen

Die Emissionen aus dem PKW-Verkehr belasten Gesundheit und Klima. Besonders betroffen sind von den Konsequenzen oft Menschen, die durch geringes Einkommen vergleichsweise wenig zu den Emissionen beitragen. Ein Beispiel: Geringverdienende leben durch hohe Mietpreise oft an Stadträndern ( durch hohe Mobilitätskosten bleiben sie dort oft auch.) Dort sind sie den Lärm- und Abgasbelastungen durch Hauptverkehrsrouten an den Pforten der Stadt überproportional ausgesetzt. Somit sind diejenigen, die besonders wenig Zugang zu Mobilität haben, überproportional Schädigungen durch die Mobilität anderer ausgesetzt. Das belegen Zahlen einer repräsentativen Befragung zum Umweltbewusstsein des Umweltbundesamt und des Bundesumweltministeriums: 40 Prozent der Befragten mit niedrigem Einkommen fühlen sich demnach durch Lärm besonders belastet, aber nur 27 Prozent der Befragten mit hohen Einkommen. Auch von Luftverschmutzung fühlen sich Befragte mit niedrigem Einkommen (45 Prozent) deutlich stärker belastet als Menschen mit hohem Einkommen (28 Prozent).

Menschen mit geringerem Einkommen leben oft an den Rändern von Städten. (c) Pavel Nekoranec

Menschen mit geringen Einkommen wohnen also in Deutschland häufig dort, wo es laut, dreckig und wenig grün ist. Mögliche Langzeitfolgen von dauerhafter Lärm- und Abgasbelastung sind beispielsweise Gehörschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Herzinfarkte.In der Verkehrsökologie nennt man dies „externe Effekte“ – das heißt, Kosten einer individuellen Handlung werden auf die Allgemeinheit, andere Räume oder Zeiten abgewälzt. Von einer Verkehrswende und damit weniger PKW-Verkehr könnten Bewohner*innen an den Stadträndern also direkt gesundheitlich profitieren, indem Lärm und Luftverschmutzung unter ihren Fenstern deutlich reduziert würden.

Auch Belastungen durch Klimaschädigungen treffen global und lokal, derzeit und in Zukunft als erstes diejenigen, die weniger auf ökonomische Resilienz zurückgreifen können: Sie sind es, die Wasserknappheit, Schädigungen durch Unwetter oder Preissteigerungen am stärksten und meist unmittelbar ausgesetzt sind.

Zwang zur Mobilität

Sozialpolitische Maßnahmen wie der Arbeitszwang bei Sozialhilfempfänger*innen verschärfen den Druck zur Mobilität und zwingenteilweise zu kriminalisiertem Verhalten – Schwarzfahren: Von den Hartz-VI-Empfänger*innen wird maximale Flexibilität bei der Arbeitssuche und -aufnahme verlangt, während der finanzielle Preis dafür teilweise schwer zu stemmen ist und mögliche Ausgaben in anderen Bereichen kürzt. Damit erfolgt weitere Ausgrenzung.

Das Münchner Sozialticket ist mit 30 Euro pro Monat eines der günstigeren in Deutschland: Trotzdem lässt die Differenz zur geplanten Hartz-VI-Ausgabe für Mobilität mit 34,95 Euro keine weiteren Ausflüge zu. In Hamburg kostet ein solches ermäßigtes Ticket 66,10 Euro. Dort könnte sich ein Hartz-IV-Empfänger dieses Monatsticket also gar nicht leisten, ohne in anderen Lebensbereichen (noch exzessiver) zu sparen. Um am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, sind bezahlbare, klimafreundliche Optionen für alle nötig.

In vielen ländlichen Regionen gibt es nur werktags Busverbindungen. (c) Jan Huber

Besonders im ländlichen Raum gestaltet sich Fortbewegung über weitere Strecken ohne eigenen PKW problematisch, meist unmöglich. Dadurch sind viele Menschen quasi „zwangsmobil“, denn eine Alternative zur Fortbewegung mit dem eigenen Auto ist eine Busverbindung am Tag nicht wirklich, wenn die Bushaltestelle zehn Kilometer entfernt ist.

Aber eine Bereitschaft zum Umdenken ist wohl da: 91 Prozent der Befragten in einer Studie zum Umweltbewusstsein sagen aus, dass das Leben besser werde, wenn der oder die Einzelne nicht mehr auf ein Auto angewiesen ist. Das Auto ist laut Studie nach wie vor das wichtigste Verkehrsmittel in Deutschland. 70 Prozent der Befragten nutzen es mehrmals in der Woche. Je nach Größe des Wohnorts – und damit je nach infrastrukturellen Möglichkeiten – können sich zudem zwischen 46 und 61 Prozent der Autofahrer vorstellen, auf Busse und Bahnen umzusteigen.

Die Frage der Finanzierung

Der öffentliche Verkehr ist teuer und nicht immer zuverlässig – bei einer Befragung des ARD-Deutschlandtrends wünschte sich die Hälfte der Deutschen den Ausbau von Bus- und Bahnlinien, um die Verkehrsprobleme in Deutschland in den Griff zu bekommen. Dafür muss selbstverständlich ein tragfähiges Konzept zur Finanzierung her, das die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse und -belastungen miteinbezieht.

Dabei könnte miteinberechnet werden, wie viel das Autofahren die Allgemeinheit kostet. 180 Euro betragen die Schäden, die bei jeder Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid entstehen. Damit verursachte der Kohlendioxidausstoß im Jahr 2016 164 Milliarden Euro Schaden in Deutschland. Umgerechnet würde damit ein Liter Benzin mit CO2-Emissionen von 2,37 kg 0,43 Euro mehr kosten – somit könnte die finanziell aufzubringende Leistung für das Autofahren durch diese Miteinberechnung immens steigen.

Studien des Umweltbundesamtes zeigen, dass Besserverdienende größere Autos besitzen, weitere Strecken fahren und häufiger Fernreisen via Flugzeug antreten. Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und einem klimaschädlichen Verhalten. Eine Finanzierungsmöglichkeit könnte eine höhere CO2-Steuer im Verkehr sein. Das würde dazu führen, dass Personen, die viel mit dem eigenen PKW fahren oder oft das Flugzeug nutzen, dementsprechend mehr zahlen. Dieses Geld könnte wiederum für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs genutzt werden. Dabei ist aber darauf zu achten, dass diese Steuer nicht Geringverdienende oder wenig verdienende Mittelständler empfindlich trifft – ein Ausblick auf mögliche Auswirkungen ist die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich.

Ausbau des Nahverkehrs

Eine Sorge bei dem Vorstoß, öffentlichen Nahverkehr kostenlos anzubieten, ist eine massive Überlastung des Nahverkehrs. Die Sorge der Überbelastung ist hingegen aber auf vielen Straßen sowohl auf der Stadt als auf dem Land schon lange Realität (Staus, Abgas- und Lärmbelastung für Anwohner*innen, Belastung der Natur) und führt trotzdem ständig zu deren Ausbau. Ganz abgesehen von riesigen Parkplätzen und Straßen, die Quartiere und Landstriche durchtrennen und dadurch massiv einschränken und dem Umbau von öffentlichen Plätzen als Straßen, die Fußgänger und Radfahrer an den Rand drängen.

Realität auf vielen Straßen zur Rush Hour (c) Alexander Popov

In Deutschland gilt in der Verkehrspolitik die Parallelfinanzierung: Wenn der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wird, wird gleichzeitig in den Ausbau von Möglichkeiten des Individualverkehrs mit dem Pkw investiert. Um aber den öffentlichen Verkehr tatsächlich als attraktivere Option gegenüber dem Individualverkehrs zu etablieren, müssten verkehrspolitische Entscheidungen für den öffentlichen Nahverkehr und gegen den Automobilverkehr getroffen werden. Beispielweise könnten milliardenschwere steuerliche Anreize für die Fahrt mit dem eigenen PKW wie die Pendlerpauschale, das Dienstwagenprivileg und die Dieselbesteuerung dem privaten Autoverkehr entzogen und dem öffentlichen Verkehr übertragen werden.

Einer aktuellen Studie des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen zufolge wurden seit der Bahnreform 1994 rund 150-mal mehr Straßenkilometer als Schienenkilometer gebaut. Wenn Prioritäten dahingehend anders gefällt werden, könnte das einer klimafreundlichen und sozial gerechteren Mobilität zugute kommen.

Mobilität für alle?

Eine Verkehrswende über Nacht ist wegen derzeitig nicht ausreichender Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs noch nicht möglich. Die Mobilitätsforscherin Sophie Becker etwa schlägt als Übergangslösung eine einkommensabhängige Entfernungspauschale vor. Sie könnte für Geringverdiener, denen die Alternative zum Auto fehlt, auf 40 Cent pro Kilometer steigen, für Haushalte mit hohem Einkommen aber auf 15 Cent pro Kilometer sinken. Das könnte dazu führen, dass diejenigen, die sich das auch unmittelbar leisten könnten, das Auto durch diesen attraktiven Anreiz öfter stehen lassen. Fair wäre das insofern, da Besserverdienende in der Regel häufiger und in größeren Fahrzeugen unterwegs sind und somit durch das Nutzen vom eigenen Pkw dem Klima und der allgemeinen Gesundheit bisher stärker schaden als Geringverdienende. 

In Luxemburg wird kostenloser Nahverkehr ab März 2020 Realität: Einerseits, um die Städte leiser, schöner und sicherer zu machen, aber auch, um Mobilität für wirklich alle zu ermöglichen. Dafür sollen Bus oder Bahn zuverlässig und bequem fahren und dabei viel, viel billiger werden, als ins Auto zu steigen. Städte mit besten Verbindungen können somit wiederum mit gutem Gewissen viel Geld fürs Parken oder eine Innenstadt-Maut nehmen. In der estnischen Hauptstadt Tallinn können gemeldete Einwohner*innen schon seit 2013 kostenlos mit Bahn, Bus und Tram fahren. Auch in deutschen Städten wurde Vorstöße in diese Richtung zaghaft angegangen: In Hannover fuhren am ersten Adventssamstag alle kostenlos mit Bus und Bahn. Seit Dezember 2018 sind in Aschaffenburg für einen Zeitraum von zwei Jahren Busse und die Tram an jedem Samstag gratis. In Tübingen ist das gleiche seit Februar 2019 der Fall.              

Es ist lohnenswert und dringend notwendig, in öffentlichen Nah- und Fernverkehr zu investieren und damit tatsächlich klimafreundliche und sozial gerechte Politik zu betreiben. Denn: Zugang zu Mobilität darf nicht vom Wohnort, Autobesitz, Gesundheitszustand oder Geldbeutel abhängen. Leistbare und klimafreundliche Mobilität kann mehr Menschen mitnehmen und somit zu einer Verringerung des Umfangs der Schere zwischen Arm und Reich beitragen.

Nachhaltigkeit in der Baubranche

10. Oktober 2019 By

Die Baubranche gehört zu den größten Ressourcen- und Energieverbrauchern weltweit: ein Interview über die Rolle der Wissenschaft bei der Entwicklung von Konzepten mit dem Ziel, Bauen nachhaltiger zu gestalten.

Prognosen zufolge wird sich die Stadtbevölkerung bis 2050 weltweit von heute knapp 4 Milliarden auf 6,5 Milliarden Menschen vergrößern. Etwa zwei Drittel der Menschheit wird dann in Städten leben und auf eine entsprechende urbane Infrastruktur angewiesen sein. Der Trend zur Urbanisierung ist weltweit spürbar – etwa in gesteigerten Bauaktivitäten. Aber bereits jetzt ist der Bau- und Gebäudesektor in Europa für fast die Hälfte des Ressourcen- und Energieverbrauchs, ein Drittel des Wasserverbrauchs und ein Drittel des Abfallaufkommens verantwortlich. Ob der Menschheit ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingt, wird sich also maßgeblich in Städten entscheiden. Kann es gelingen, die Umweltauswirkungen im Gebäudesektor zu minimieren und gleichzeitig einer steigenden Anzahl von Menschen den nötigen Raum für ein gutes und gerechtes Leben bieten? Gerade der universitären Forschung kommt dabei eine herausragende Rolle zu, Lösungen für diese Herausforderungen zu entwickeln. Wir haben mit Christian Hepf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen von Professor Thomas Auer der Technischen Universität München über die Forschung im Kontext zum nachhaltigen Bauen gesprochen.

 

Christian Hepf im relaio Interview. (c) Hannah Wolf

relaio: Die Baubranche ist der Wirtschaftszweig, der weltweit einen Großteil vorhandener Ressourcen verbraucht, einen hohen Anteil an Treibhausgasen ausstößt und für ein hohes Abfallaufkommen sorgt: Welche Strategien existieren, um Bauen nachhaltiger zu gestalten?

Christian Hepf: Es gibt hier ganz verschiedene Herangehensweisen, daher lohnt sich zunächst einmal ein Blick auf die Ausgangssituation. Wenn man sich in internationalen Großstädten umsieht, egal ob das Helsinki, London oder Abu Dhabi ist, dann sieht man vor allem eins: Das Gleiche. Gläserne Hochhäuser  – die sich vielleicht von Land zu Land in ihrer Höhe übertreffen – aber die gleichen Charakteristika aufweisen, unabhängig von den lokalen klimatischen Bedingungen. Die Gebäude müssen gekühlt, beheizt und mit Frischluft versorgt werden. Das erfordert eine aufwändige Anlagetechnik und viel Energie, um den lokalen, thermischen und visuellen Komfort für den Nutzer herzustellen. Die Gebäude erfordern zudem große Mengen an energieintensiven oder schwer zu recycelnden Rohstoffen wie Stahl, Glas und Beton. Sie gelten oftmals als Sinnbild einer modernen, westlichen Architektur, aber die Wahrheit ist, dass dadurch oft einfachere, dem lokalen Klima besser angepasste Materialien und Bauformen verdrängt werden. Das hat den Effekt, dass der Ressourcen- und Energieverbrauch sowie das Abfallaufkommen steigen.

Beim nachhaltigen Bauen geht es jetzt aber nicht darum, reinen Tisch zu machen und Gebäude mit möglichst geringen Umweltauswirkungen neu zu errichten. Es geht darum, sich mit unserer bestehenden, gebauten Umwelt auseinanderzusetzen und Zusammenhänge von Architektur und Technik, von Gebäude und Stadt zu erkennen. Es geht darum, dass Stadtplaner, Architekten und Ingenieure versuchen ihre Planungen an die lokalen Bedingungen anzupassen und gemeinsam einfache, flexible und robuste Lösungen für komplexe Zusammenhänge finden. Wir müssen ein ganzheitliches Verständnis für unsere gebaute Umwelt finden und diese dann entsprechend optimieren.

Wie muss man sich diese ganzheitliche Herangehensweise vorstellen?

Zu allererst natürlich einmal ganzheitlich im Sinne der drei Säulen der Nachhaltigkeit: ökologisch, ökonomisch und sozial. Man muss sich fragen: Wenn ich ein Wohngebäude saniere, verbessert sich dann die Ökobilanz? Lohnt sich das Investment für den Eigentümer? Führen die Kosten eventuell zu einer sozialen Verwerfung, weil die Kosten auf den Mieter umgelegt werden und er sich die Wohnung nicht mehr leisten kann?

 Ganzheitlich bedeutet aber auch, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. Das beginnt mit der Rohstoffgewinnung, der Herstellung von Baustoffen und -teilen sowie der Planung und Errichtung des Gebäudes. Wie viel Energie wird während des Baus verbraucht – wie viel im Betrieb? Wie wirkt sich eine Sanierung aus? Kann das bestehende Gebäude für eine Umnutzung mit neuen Anforderungen adaptiert werden? Es geht aber nicht nur um Energie, sondern auch um Materialflüsse: Was passiert beim Abbruch des Gebäudes? Können einzelne Bauteile rückgebaut und wiederverwendet oder die Baustoffe recycelt werden, kommt es zu einem Downcycling oder müssen die Stoffe sogar als Sondermüll deponiert werden? Bedenkt man im Vorfeld den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes, kann man versuchen, Materialen auf eine langfristige Nutzung und Wiederverwendung auszulegen, so dass sich idealerweise eine Kreislaufnutzung ergibt.

Darüber hinaus kann man das Gebäude als Baustein auf verschiedenen Ebenen des urbanen Lebens betrachten. Ein Gebäude steht nie alleine da, es wirkt immer auf seine Umgebung. Es ist Teil eines urbanen Systems, Teil eines Quartiers und auch die einzelnen Teile eines Gebäudes wirken aufeinander. Auf urbaner Ebene betrifft das viele politische, kulturelle und soziale Fragen. Wenn ich in die gebaute Umwelt eingreife, was löse ich damit aus? Erzeuge ich andere Mobilitätsmuster oder treibe ich zum Beispiel die Gentrifizierung voran? Auf Quartiersebene steht das Gebäude im Austausch mit einer begrenzten Zahl von anderen Gebäuden. Wird ein historisches Ensemble und damit ein Stück lokaler Identität zerstört? Oder sorge ich durch Begrünung für eine Verbesserung des Mikroklimas in der Nachbarschaft? Diese Fragen setzten sich im Gebäude fort. Kann ich Energieflüsse im Gebäude möglichst effizient aufeinander abstimmen und durch Synergieeffekte den thermischen Komfort der Nutzer verbessern und dabei sogar Energie einsparen?

Christian Hepf ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen. (c) Hannah Wolf

Coffee-to-go-Becher, Autos mit Verbrennungsmotoren oder Billigfleisch stehen vielmehr in der öffentlichen Debatte um Nachhaltigkeit als der Bausektor. Dabei wäre hier aber die Hebelwirkung viel größer?

So ein Coffee-to-go-Becher ist etwas sehr Unmittelbares. Ich kaufe ihn, benutze ihn für ein paar Minuten und bekomme sehr schnell das Feedback: Der Becher landet im Müll. Beim Bauen ist die Perspektive sehr viel länger – oft fällt der Abriss oder eine veränderte Nutzung eines Gebäudes gar nicht in die Lebenspanne der Erbauer oder Planer. Feedback kommt also oft erst nach vielen Jahren, wodurch Entscheidungen über die Veränderungen oder das Ende der Nutzung bei der Planung zum Teil nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aber auch wenn versucht wird an dieser Stelle vorzudenken und beispielsweise möglichst energieeffizient zu bauen, gilt es in der Baubranche die sogenannte Performance Gap zu schließen. Diese beschreibt den Unterschied zwischen der ursprünglich geplanten Zielgröße und der tatsächlichen Performance im Betrieb eines Gebäudes. Durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren, unter anderem mangelnde Kommunikation zwischen Planern, aber auch durch fehlende Bauqualität entstehen hier oft sehr große Differenzen. Was zum Beispiel dazu führt, dass mitunter Gebäude mit herausragendem Nachhaltigkeitszertifikat ihre geplant niedrigen Energieverbrauchswerte im Betrieb nicht ansatzweise erreichen.
Vor allem aber ist Bauen ein komplexes Zusammenspiel von verschiedensten Akteuren, da kann ich als Einzelperson nicht so einfach durch meine Entscheidung einen Unterschied machen, wie das vielleicht beim Coffee-to Go Becher der Fall ist. Oftmals spielt für den Architekten die Ästhetik eine viel größere Rolle als die spätere Entsorgung der Baustoffe und für den Investor sind möglichst geringe Baukosten wichtiger als später einmal der Energieverbrauch, gerade wenn die Energiepreise niedrig sind. Deswegen ist es wichtig, hier Expertenwissen einzubringen und konsequent interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Hier an der Universität arbeiten wir interdisziplinär mit anderen Lehrstühlen und Fachrichtungen zusammen. So sind wir etwa im Zentrum für nachhaltiges Bauen vertreten, einem Zusammenschluss aus mehreren Lehrstühlen der Fakultäten Architektur, Ingenieurwesen sowie Elektro- und Informationstechnik.

In der freien Wirtschaft spielen solche Ansätze aber leider noch eine eher untergeordnete Rolle und gerade als Privatperson hat man vor dem Hintergrund einer steigenden Urbanisierung mit dem Bau oft gar nichts mehr zu tun: Man kann sich auf angespannten Wohnungsmärkten nicht aussuchen wo man wohnt und ob man Klimagesichtspunkte in seine Wohnungswahl mit einbezieht. Da kann ich als Nutzer keinen Druck aufbauen, was sich natürlich auch auf die öffentliche Debatte durchschlägt. Das heißt aber nicht, dass ich als Privatperson nichts damit zu tun habe. Ich kann im Haushalt Energie einsparen und durch einen pfleglichen Umgang für Langlebigkeit sorgen. Und ich kann mich mit der Frage der Suffizienz auseinandersetzen. Wie viel Platz benötige ich wirklich? Brauche ich im Alter eine ganze Wohnung in der Stadt, ist ein Einfamilienhaus notwendig?

Die Carbon Roadmap der EU sieht vor, dass im Vergleich zu 1990 die CO2-Emissionen des Gebäudesektors bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent reduziert werden: Wie sieht eure Arbeit hierzu aus, welche Strategien habt ihr?

Wir sind hier am Lehrstuhl ein interdisziplinäres Team mit mehr als 20 wissenschaftlichen Mitarbeitern mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen wie Architektur, Bau- oder Umweltingenieurwesen. Grundsätzlich kann man unsere Tätigkeiten in zwei Felder gliedern: Lehre und Forschung. Die Lehre ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit mit dem Ziel, angehenden Architekten und Ingenieuren ein Verständnis für klimagerechtes Bauen und praktisches Methodenwissen mitzugeben. Vor allem aber ist uns wichtig, das interdisziplinäre Zusammenarbeiten im Planungsprozess von Anfang an in die Ausbildung zu integrieren.

Die Forschung findet anwendernah und praxisorientiert statt – deswegen unterscheiden sich auch hier die Herangehensweisen je nach Projekt ganz stark. Generell spielen aber die Universitäten eine ganz zentrale Rolle dabei, den Bauprozess nachhaltiger zu gestalten, da hier der finanzielle Profit nicht im Vordergrund steht. Ideen können so erst einmal ausprobiert werden und Erfahrungen in kleineren Testumgebungen gesammelt werden. Damit unterstützen wir dann innovative Architekten und Bau- oder Ingenieurunternehmen, die an der Grenze von gesetzlichen Richtlinien und bestehenden Baunormen an neuen Konzepten arbeiten.

In einem Prüfstand werden Versuche mit verschiedenen Verglasungen durchgeführt. (c) Christian Hepf

 Wie sehen solche Forschungsprojekte dann aus?

 Eines meiner aktuellen Projekte adressiert die Fassade von Gebäuden. Die ist im Bauwesen von ganz maßgeblicher Bedeutung. Sie repräsentiert das Gebäude nach außen – ist aber auch aus Umweltgesichtspunkten sehr bedeutend: vier Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Europa sind auf Wärmeverluste über Fernster zurückzuführen. Gleichzeitig führt die Sonneneinstrahlung dazu, dass ein Sonnenschutz angebracht und gekühlt werden muss, um den visuellen und thermischen Komfort für den Nutzer bereitzustellen. Das kostet Energie, beeinträchtigt die Form der Fassade und ist wartungs- und reparaturintensiv. Wir machen gerade Versuche mit speziellen Fensterverglasungen. Diese kombinieren eine Heat-Mirror Folie, welche die Isoliereigenschaft der Scheibe optimiert, mit einer elektrochromen Scheibe, die beim Anlegen einer sehr geringen elektrischen Spannung die Lichtdurchlässigkeit verändert. Je nach Bedarf kann Licht und somit Energie hineingelassen werden, was unter Umständen Heizung oder künstliches Licht überflüssig macht oder die Scheibe verdunkelt werden, was Kühlung und zusätzlichen Sonnenschutz unnötig macht. Der Fokus des Projektes liegt dabei auf der Entwicklung einer intelligenten Steuerung der dimmbaren Scheibe, sodass die Fassade sich smart an die lokalen Wetterbedingungen anpassen kann. Das Projekt geht sogar noch einen Schritt weiter und versucht wetterprädikativ, also vorrausschauend, zu handeln um zusätzlich noch Energieeinsparungen erzeugen zu können. Das klingt jetzt zunächst nach einer hochkomplexen Lösung. Die Einfachheit besteht aber darin, dass ich so die ohnehin vorhandene Sonnenstrahlung als Energiequelle nutzen kann und so auf eine umfangreiche Anlagentechnik verzichtet werden kann.

In einem weiteren Projekt begleiten wir die Errichtung der Firmenzentrale einer großen Bio-Supermarktkette. Ein Großteil des Gebäudes wurde aus Stampflehm errichtet, der direkt aus der Baugrube gewonnen und auch im Falle des Abrisses des Gebäudes einfach wiederverwendet werden kann. Der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes ist so mit einem sehr geringen Energieaufwand verbunden. Lehm kann aber auch besonders gut Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen und abgeben, was natürlich regulierend auf das Raumklima wirkt. So können wir die Gebäudetechnik auf ein Minimum reduzieren. Wir als Wissenschaftler führen dazu Messungen durch, um die begrenzte Datengrundlage zu Stampflehmbauten zu erweitern. Das Gebäude kann so zu einem Vorbild für nachhaltiges Bauen werden.

https://www.relaio.de/inhalt/uploads/Timelaps-14.08.19_18.00_130�.mp4

Durch die Entwicklung intelligenter Fassadenverglasungen kann Energie eingespart werden. (c) Christian Hepf

Ganz oft müssen wir uns aber mit Bestandsgebäuden auseinandersetzen, da müssen wiederum ganz andere Strategien her. So zum Beispiel ein Projekt, das wir in Kooperation mit der TU Delft durchführen. Es adressiert das Problem der im europäischen Raum sehr geringen Renovierungsraten. In den Niederlanden leben zum Beispiel ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung in Nachkriegsgebäuden aus den 1950ern bis 1970ern Jahren, die dringend eine energetische Sanierung benötigen, wenn wir die Klimaziele für 2050 einhalten wollen. Eine Renovierung krankt aber oft an der Frage eines mangelnden Zuständigkeitsgefühls – der Hausbesitzer müsste dafür ein beträchtliches Investment aufbringen. Im Projekt Leasing Fassade wird die Sanierung in Form einer modularen Fassade von einer externen Firma bereitgestellt, die sich gegen eine regelmäßige Leasingrate um die Produktion, Instandhaltung und irgendwann auch die Weiterverwertung kümmert. So wird nicht nur eine optimale Nutzung der Baustoffe über den Lebenszyklus erreicht, sondern auch die anfängliche Investitionshürde entschärft und eine Kreislaufwirtschaft im Bauwesen vorangetrieben.

Der Preis des Klimawandels – Die CO2-Steuer

14. August 2019 By

Der Klimawandel ist längst alltäglich spürbar. Höchste Zeit also richtige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine davon könnte die CO2-Steuer sein. Ob sie funktionieren kann oder scheitert, hängt auch von politischen Entscheidungen ab.

Rekord! In kaum einem Sommer zuvor ist die Temperaturanzeige vieler Außenthermometer öfters über die 30 Grad-Marke gestiegen als in diesem. Dabei leuchtete aber nicht nur ihre gut sichtbare Signalfarbe rot auf, sondern ganze Landstriche. So war bereits der Sommer 2018 ein Rekordsommer der Waldbrände und es scheint nicht unwahrscheinlich zu sein, dass sich auch 2019 dieser verheerende Trend weiter fortsetzen wird. Alarmstufe Rot also. Aber wer jetzt denkt, das alles sei nur das Ergebnis von natürlichen Zufällen wie Blitzschlägen oder Ergebnis unachtsam weggeworfener Kippenstummel der oder die irrt. Denn als Ursache lässt sich durchaus ein weiterer Bekannter anführen: der Klimawandel. Er lässt die Polkappen schmelzen und somit wichtige Wetteraktivitäten, wie die Starkwindbänder des globalen Jetstreams versiegen. Verschwinden diese Winde, bleibt ein Wetterhoch länger bestehen als sonst, was eben letztlich zu Dürren und zu einem erhöhten Waldbrandrisiko führt.

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CO2-Steuer: Was ist das?

Das Entscheidende dabei ist, dass solche Umweltkatastrophen zu einem Großteil menschengemacht sind. Es liegt demnach nahe, dass der Mensch dafür auch aufkommen muss. Und der Preis ist dafür ziemlich hoch. Die ökonomischen und ökologischen Kosten, die durch Waldbrände entstehen, sind dabei nur ein Beispiel von vielen. Man könnte also die Rechnung beliebig weiterführen. Wer kommt aber dafür auf? Die Antwort scheint klar zu sein: Wir. Bezahlt werden soll dabei in Form einer Steuer, genauer gesagt mit Hilfe einer sogenannten CO2-Steuer. Denn schließlich ist es der übermäßige Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) der als Ausgang des Klimawandels verantwortlich gemacht werden kann. Die CO2-Steuer lässt sich dabei als Abgabe verstehen, die dann an den Fiskus entrichtet werden muss, sobald Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Konkret heißt das, dass der Staat einen bestimmten Preis festlegt, der pro Tonne CO2 anfällt und dann in Form erhöhter Steuerbeiträge auf fossile Heiz- und Kraftstoffe  von Industrie und Konsumenten entrichtet werden muss. Offiziell spricht dabei die Bundesregierung und allen voran Bundesumweltministerin Svenja Schulze von einer „CO2-Bepreisung“ .

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Wie so eine Bepreisung für Unternehmen und Privathaushalte funktionieren kann, steht noch nicht endgültig fest, mehrere Gutachten verraten aber, welche offiziellen Absichten und Ziele hinter der Maßnahme stecken. So etwa das vom Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen ausgearbeitete Sondergutachten „Aufbruch in eine neue Klimapolitik“.  Auf dessen Grundlage will die Bundesregierung mit Hilfe des neu geschaffenen Klimakabinetts bis zum 20. September ein umfangreiches und konkretes Klimaschutzgesetz vorlegen. Ziel einer solchen CO2-Bepreisung soll es sein, stärkere Anreize für Unternehmen zu schaffen, mehr Investitionen in umweltfreundlichere emissionsärmere Geräte und Anlagen zu tätigen. Auch für Privathaushalte soll die CO2-Steuer vor allem ein Mittel darstellen, das Ressourcennutzungsverhalten so zu verändern, dass diese weniger verschwenderisch mit Kraft- und Heizstoffen umgehen. Ganz offiziell soll die CO2-Steuer also „eine effiziente Lenkungswirkung erzielen, um die Treibhausgase über Verhaltensanpassungen zu reduzieren.“

Ist eine CO2-Steuer überhaupt möglich?

Ob so eine CO2-Steuer letztlich eine gute Idee ist oder nicht, hängt auch davon ab, ob sie gerecht und somit sozialverträglich ist. Das ließe sich erstmal anzweifeln. Denn wird Benzin und Heizöl teurer, werden vor allem diejenigen unfair behandelt, die für ihren Job täglich in deutsche Großstädte pendeln müssen oder generell auf dem Land auf ihr Auto angewiesen sind. Nicht ganz fair dürfte es auch für die zugehen, die in schlecht isolierten Altbauten die Heizung auf Fünf drehen müssen. Aber stimmt das? Nicht ganz. Denn mag zwar noch nicht endgültig feststehen, wie so eine Bepreisung konkret zu realisieren ist, doch aber, dass durch eine CO2-Bepreisung keine Mehreinnahmen für den staatlichen Geldbeutel geschaffen werden sollen. Vielmehr sollen die erzielten Einnahmen zur Entlastung von Bürger*innen und Unternehmen verwendet werden.

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Laut einem weiteren Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung funktioniert das so: Bei einem einheitlichen anfänglichen Steuersatz (2020) von 35 Euro pro Tonne CO2 steigt dieser jährlich bis 2030 um 14,50 Euro auf insgesamt 180 Euro pro Tonne. Die ohnehin anfälligen Energiesteuern werden anteilig um diesen steigenden Betrag erhöht. Gleichzeitig soll aus diesen erhöhten Steuereinnahmen ein Klimabonus von 80 Euro pro Kopf und Jahr ausgezahlt werden, um somit Privathaushalte fair zu entlasten. Zudem sollen die aus der CO2-Steuer gewonnenen Mehreinnahmen eine Senkung der Stromsteuer bewirken und somit für weitere Entlastungen sorgen. Aber neben der verfolgten Sozialverträglichkeit steckt dahinter noch eine weitere Absicht. Denn so sollen höhere Kosten für fossile Brennstoffe und gleichzeitig niedrigere Strompreise die Menschen zum Umstieg auf alternative Mobilitäts- und Energiekonzepte bewegen. Aber auch zur Sparsamkeit soll angeregt werden. Denn wer am Ende weniger verbraucht, hat mehr von seinem Klimabonus.

Ob es dieses oder ein anderes Modell in den endgültigen Gesetzesentwurf schaffen wird, bleibt abzuwarten– auf allzu große Akzeptanz dürfte es aber so oder so nicht stoßen. So gaben zwar in einer Umfrage von ARD und Infratest dimap 81 Prozent der Befragten an, dass sie der Meinung sind, dass es hinsichtlich des Klimaschutzes einen großen oder sehr großen Handlungsbedarf gibt. Außerdem sind 85 auch Prozent der Befragten der Ansicht, dass dieser Handlungsbedarf nicht ohne persönliche Einschränkungen möglich sei. Zugleich sind jedoch 34 Prozent der Befragten gegen die Einführung von konkreten Maßnahmen wie der Realisierung einer CO2-Steuer. Es gibt also noch so einigen Diskussionsbedarf.

Wo geht die Reise hin, relaio?

12. April 2019 By

relaio entwickelt sich weiter und wird die Onlineplattform für gesellschaftlichen Wandel.

relaio verändert sich und erscheint jetzt nicht nur in neuem Design, sondern stellt sich auch inhaltlich breiter auf. Bisher war nachhaltiges Unternehmertum das Hauptaugenmerk von relaio: Soziale Innovationen und nachhaltige Produkte, die eine Alternative zu gegenwärtigen Konsum- und Lebensweisen bieten und Aufmerksamkeit für Probleme und gesellschaftliche Missstände schaffen. Doch oft können sie nur einen kleinen Beitrag dazu leisten, das dahinterliegende Problem zu lösen. Nachhaltige Innovationen verbreiten sich in der Gesellschaft oft nicht weit genug, um sich als echter Gegenentwurf zu etablieren und alte, nicht nachhaltige Praktiken werden nicht abgelegt – die Probleme bleiben bestehen. Auch viele Gründer*innen, die eine Menge Herzblut in ihre Projekte stecken und den persönlichen Profit dahinter weit zurückstellen, stehen vor dieser Herausforderung. Ein gutes Beispiel hierfür sind Einwegkaffeebecher. Obwohl es nachhaltigere Alternativen gibt, nämlich den eigenen Becher mitzubringen oder Pfandsysteme mit Mehrwegbechern, ändert sich wenig an der Menge der weggeworfenen und schwer recyclebaren to-go Becher. Auch gehen die nachhaltigen Komponenten der Innovation oft in bestehenden technischen und ökonomischen Dynamiken unter: Produkte, die die Welt ein Stück besser machen sollen, gekauft aus den besten Absichten, mögen vielleicht ökologischer oder sozialer sein als konventionelle Massenware. Aber im bestehenden Wirtschaftssystem werden sie meist genauso nur konsumiert. Dies geschieht zum Beispiel oft mit nachhaltig und fair produzierten Klamotten, die dann genau wie die Fast Fashion nach einer Saison im Schrank hängen bleiben. Dabei hätten viele Innovationen sehr wohl das Potential, etwas zu ändern und Probleme nachhaltig zu lösen. Doch dafür müssten sich gewisse gesellschaftliche Grundvoraussetzungen ändern.

Warum brauchen wir gesellschaftlichen Wandel?

Das mag auf den ersten Blick zwar nicht als die oberste Priorität erscheinen, besonders wenn es sich um ökologische Probleme handelt, die vermeintlich nach einer technischen Herangehensweise verlangen. So wie das zum Beispiel CO2-Emissionen sind, die scheinbar gut durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden können. Um zu verstehen, warum gesellschaftliche Veränderungen notwendig sind, ist deshalb zunächst ein Blick zurück hilfreich. Wir befinden uns gerade in einem Epochenwechsel, dem Beginn des Anthropozäns, in dem die Menschheit erstmals in ihrer Geschichte dabei ist, globale geoökologische Prozesse selbst zu beeinflussen, während sie zuvor einseitig der Beeinflussung durch die natürliche Umwelt unterworfen war. Zwei große Transformationen haben die Menschheit dorthin geführt, wo sie jetzt ist: die neolithische Revolution und die industrielle Revolution. Der Wandel zur Agrargesellschaft und schließlich zur Industriegesellschaft hat die menschliche Existenz zunehmend von den Begrenzungen der Natur emanzipiert und weiten Teilen der Menschheit ein Leben jenseits des bloßen Überlebens ermöglicht. Diese beiden großen Umbrüche waren weitgehend ungesteuerte Ergebnisse evolutionären Wandels, in denen neue technologische und ökonomische Möglichkeiten den Takt vorgaben – mit weitreichenden Folgen für die Gesellschaft. Im Kontext der industriellen Revolution kam es zu einem Prozess, den der ungarisch-österreichische Wirtschaftswissenschaftler Karl Polanyi bereits 1944 als „Die große Transformation“ bezeichnet hat. Damit bezeichnete er die stetig fortschreitende Verselbstständigung und Entbettung des Wirtschaftssystems gegenüber der Gesellschaft und den Regeln des sozialen Zusammenlebens. Dadurch, dass Geld, Arbeit und Boden als Waren kapitalistisch in Wert gesetzt und am Markt gehandelt werden, sind sie traditionellen sozialen Kontrollmechanismen entzogen. Die stetig voranschreitende technologische und wirtschaftliche Entwicklung wurde so mit einer wachsenden sozialen Ungleichheit und einem individuellen Gewinnstreben ohne Rücksicht auf den Rest der Gesellschaft oder die Umwelt verbunden. Die zeitgleich entstehenden Nationalstaaten haben es dabei nicht geschafft, diese Entwurzelung abzudämpfen, sondern eher sogar aktiv vorangetrieben, so dass am Ende dieser Entwicklung eine Marktgesellschaft steht, in der Wirtschafts- und Konsumweisen weltweit soziale und ökologische Probleme verursachen, aber nicht dem Wohl der Menschheit dienen. Dies bedeutet mitnichten, dass früher alles besser gewesen wäre oder es frühere soziale Kontrollmechanismen geschafft hätten, soziale Gerechtigkeit für die Bevölkerung zu bringen, aber sie hielten die Kräfte des Marktes im Griff. Um eine Wende in Richtung Nachhaltigkeit zu erzielen, ist es daher notwendig, die Leitidee in den Vordergrund zu stellen, ein gutes Leben für die gesamte Weltbevölkerung zu organisieren. Dazu müssten Wirtschaft und Technologie wieder in einen gesellschaftlichen Ordnungsrahmen eingebettet werden, der es aber ermöglicht, soziale Gerechtigkeit zu schaffen und einen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.

 

relaio ist ein Projekt der Hans Sauer Stiftung

Doch wie kann eine Gesellschaft aussehen, die ein gerechtes Leben für alle schafft und dabei die Belastungsgrenzen unseres Planeten achtet? Welche Werte, Praktiken und Technologien müssen sich ändern, damit wir die Welt und die Gesellschaft, in der wir leben, nachhaltig gestalten können? Und wer sind die Akteure, die dazu beitragen können, dass sich in unserer Gesellschaft ein Wandel in Richtung Nachhaltigkeit im ganzheitlichen Sinne vollzieht? relaio möchte mit der Erweiterung des Themenfeldes dazu beitragen, Antworten auf diese Fragen zu finden und einen gesellschaftlichen Wandel aktiv vorantreiben. Dazu vermitteln wir auf unserer Plattform nicht nur Wissen über gesellschaftliche Transformationen und Nachhaltigkeit, sondern liefern unter anderem auch Ansätze, wie Wohnen oder Bildung in Zukunft aussehen könnte, setzen uns mit alternativen Wirtschaftsweisen auseinander oder diskutieren politische Konzepte und demographische Entwicklungen. Außerdem stellen wir Akteure vor, die aktiv Gesellschaftlichen Wandel vorantreiben und zeigen Möglichkeiten, wie man selbst Wandel mitgestalten kann.

Betreiber und Initiator von relaio ist die Hans Sauer Stiftung, die im Jahr 1989 von dem Erfinder und Unternehmer Hans Sauer gegründet wurde. Die weitgehend operativ arbeitende Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, gezielt technische und soziale Innovationen zu fördern, ethische, ökologische und interkulturelle Fragestellungen in den Innovationsprozess zu integrieren und die Entwicklung von Kompetenzen für verantwortungsbewusstes Denken und Handeln zu fördern. Hans Sauer war der Meinung, dass Innovationen generell aus einer sozialen und ethischen Motivation heraus entstehen sollten und dabei von spürbaren gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen sein sollen. relaio will mit seiner inhaltlichen Entwicklung dieser Sichtweise Rechnung tragen.


(c) Alle Bilder Sebastian Preiß

Wie wir wohnen wollen

8. Oktober 2019 By

Integration, Inklusion und Kollaboration im Wohnen bieten das Potential, gesamtgesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Hier werden unterschiedliche Ansätze vorgestellt.

Im Wohnen kann man Heimat finden – gerade für benachteiligte Gruppen in unserer Gesellschaft Geflüchtete, Migrant*innen oder körperlich und geistig behinderte Menschen kann dabei die Wohnung als persönlicher Rückzugsraum, aber auch als Tor zu einer fürsorgenden Gemeinschaft enormen Halt geben. Im besten Fall wird dabei Wohnraum nicht nur bewohnt, sondern es wird darin gelebt.

Der Bedarf an würdigen, verfügbaren Wohnraum geht immer einher mit den gegenwärtigen Herausforderungen einer Region, Stadt oder Gesellschaft. Es gilt dabei, die Waage zwischen Kriterien wie Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit und dem Anspruch, lebenswerten und ermöglichenden Wohnraum zu halten. Fragen, wie lebenswertes Wohnen zu gestalten ist und welche Kriterien uns für unsere Lebensqualität wichtig sind, müssen dabei immer wieder neu ausgehandelt werden.

Formen urbanen Lebens befinden sich in kontinuierlichem Wandel und bieten dabei das Potential, neue Angebote des Übergangs und der Inklusion zu machen: Angebote, die im Kontext der Zerteilung und Individualisierung in modernen Gesellschaften als neue Begegnungsorte des Übergangs fungieren können.

Ankommen und Verwurzeln – das ist auch für Wohnverhältnisse, die nur temporär bestehen sollen, von hoher Bedeutung. Für lebenswerten Wohnraum spielen Aspekte wie die Verteilung des Einkommens in Häusern und Vierteln, Bildungschancen und eine integrierte, zugängliche und erlebbare Umwelt eine entscheidende Rolle. Die Wohnung beeinflusst den Alltag der Bewohner*innen, deren individuelle Entfaltungsmöglichkeiten und die Chance auf Sozialisation, Gesundheit und Wohlbefinden. Die Wohnung ist auch Ort und Medium von Selbstdarstellung und Selbstwertgefühl. Ob das erreicht wird, hängt unter anderem davon ab, in welchem Maße Intimität und Privatsphäre gewahrt werden können.

Die Umgebung der Wohnräume prägt die Möglichkeiten deren Bewohner*innen. (c) Tim Trad

Gegenwärtige, gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie Integration, Inklusion, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit müssen auch im Bereich Wohnen berücksichtigt werden. Ein Zuhause will mehr als bloße Unterkunft und Behälter sein – es ist der Ausgangspunkt zu gesellschaftlicher Teilhabe. Dabei kann man neben der eigenen Wohnung oder dem privaten Zimmer auch in weiteren Räumen wohnen oder zuhause sein, so zum Beispiel in Gemeinschaftsräumen im Haus. Fördern kann das eine Anbindung und Einbindung der Wohnräume an die Umgebung und gute Anschlussmöglichkeiten. Um Inklusion und Integration schaffen zu können, muss Raum für flexible Nutzungstransformationen und sich ändernde Lebensentwürfe geschaffen werden. Dieser Bedarf kann Treiber von Innovationen in einem Prozess sein, der neue Fragen und Antworten finden muss.

Für funktionierende soziale Durchmischung muss Wohnraum in die Umgebung integriert werden

Bei der Studie „Wie brüchig ist unsere soziale Architektur?“ des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung wurde in den untersuchten Jahren von 2005-2014 ein Anstieg von Armutssegregation mit dem Bau von Sozialwohnungen festgestellt. Dies liegt daran, dass Sozialwohnungen hauptsächlich in Vierteln gebaut werden, in denen es schon viele Sozialwohnungen gibt – damit entstehen hohe Unterschiede in Einkommen, Lebensstil und Zugang zu Einrichtungen zwischen unterschiedlichen Vierteln. Für eine soziale Mischung und das Teilen von Ressourcen wäre es demnach sinnvoll, vermehrt Sozialwohnungen in Quartieren zu bauen, in denen man bis jetzt noch keine findet.

Soziale Durchmischung kann für viele, besonders für marginalisierte Gruppen, als Sozialkapital fungieren. Zum Beispiel kann der Austausch mit Nachbar*innen Informationen über einen vakanten Arbeitsplatz, über Know-How im Umgang mit Vermietern und Behörden liefern oder kann in verbesserten Artikulationsmöglichkeiten zum Ausdruck kommen. Für eine gelebte soziale Durchmischung reicht aber nicht nur die räumliche Nähe von unterschiedlichen Bewohner*innen einer Stadt. Dafür braucht es Situationen, die Kontakt ermöglichen und dazu ermuntern: Geteilte Einrichtungen wie Werkstätten, Kindergärten, Schulen und Projekte eröffnen gemeinsamen Raum.

Dafür muss der Raum erstmal gefunden werden, aber: Auch in dichten Städten gibt es Leerstand – warum nicht einfach bereits bestehenden Raum zum Wohnen nutzen und mit eigenen Ressourcen füllen? In dem gemeinschaftlichen Projekt Traudi/HAWI der Caritas Wien, der TU Wien, der TU Berlin und der Hans-Sauer-Stiftung wurde ein ehemaliges Bürogebäude nach mehrjährigem Leerstand in einem kollaborativen Prozess in ein gemischtes Wohnheim für Geflüchtete und Studierende transformiert. Die Bewohner*innen haben sich ganz nach dem Motto „Trau Di!“ getraut und bauten Schlaf- und Gemeinschaftsräume in Zusammenarbeit mit Architekt*innen selber, was mit jedem zusätzlich angebrachten Brett Identifikation und Ankommen an dem neuen Ort erleichterten. Grundgedanke war dabei, dass sowohl Geflüchtete als auch Studierende, die neu in der Stadt Wien waren, Schwierigkeiten hatten, eine bezahlbare Wohnmöglichkeit und Anschluss in der Stadt zu finden. Das Wohnprojekt Traudi/ HAWI fungiert so als gebauter Vorschlag, wie durch Architektur gesellschaftspolitische Impulse gesetzt werden können.

Durch die als zweite Etage angebrachten Betten steht in den Zimmern des Wohnprojekts HAWI/ Traudi unten ausreichend Raum zum Lernen, Lesen und Entspannen zur Verfügung. (c) Hans Sauer Stiftung, Petra Panna Nagy

Freiräume lassen sich finden

In Deutschland entstehen immer noch neue Wohnungsbaugenossenschaften – eine Wohnform mit einer mehr als 100-jährigen Tradition. Damit entkoppeln die Bewohner*innen die Gebäude aus dem Immobilienmarkt und schaffen so Wohnraum mit stabilen Mietpreisen. Außerdem können die Bewohner bei allem, was das Zusammenleben und die eigene Wohnung betrifft, direkt mitentscheiden. Teure, aber nachhaltige Anschaffungen können gemeinsam finanziert und genutzt werden und durch das Teilen einiger Räumlichkeiten wie Werkstätten oder Küchen vergrößert sich für jeden einzelnen der Wohnraum. Dieses gemeinsame Nutzen eröffnet Austausch unter Generationen, Kulturen und Lebensstilen und kann Menschen dabei helfen, sich als mündiger Teil einer Gesellschaft zu fühlen. . Damit entkoppeln die Vereine Häuser und damit Wohnraum aus dem allgemeinen Profitdruck. Einer profitorientieren Ausrichtung von Stadt, die sich nicht mit den Bedürfnissen deren Bewohner*innen deckt, wird so etwas entgegensetzt.

München, Glockenbachviertel: Tagescafés, Luxuswohnungen, ehemaliger Hotspot der Münchner Schwulen- und Lesbenszene. Mitten in der Stadt zwischen Bowl-Bars und schicken Fassaden hat eine Sozialgenossenschaft das Bellevue di Monaco als Unterbringungs- und Kulturzentrum für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge und interessierte Münchner gegründet. Die Organisationsform der offiziell eingetragenen Genossenschaft ermöglichte die Renovierung und das für den Umbau nötige Grundkapital durch Mitgliedereinlagen. Der Umbau des renovierungsbedürftigen Gebäude wurde dabei öffentlichkeitswirksam inszeniert und zu einem großen Teil von Ehrenamtlichen und Künstler*innen getragen. Gerade dadurch wurde Aufmerksamkeit auf die vormals leerstehenden Gebäude, die zentral in der Stadt liegen, gelenkt. Damit wurden die Bauten für alle zugänglich und ein wichtiger Ort für Diskussion, Information und kulturelles Angebot. Bürgerinitiative hat hier gewirkt – daraus ist staatlich subventionierte und alternative Stadtentwicklung geworden. Die lokale Bürgerbewegung konnte so den gesamten Gebäudekomplex vor dem Abriss und Verkauf an höchst-bietende Privatinvestoren retten und langfristig zur Nutzung für soziale Zwecke zur Verfügung stellen.

Inklusion und Integration im Wohnen kann gesellschaftliche Mitbestimmung fördern

Werte- und Identitätskonflikte bestimmen Diskurse in unserer Gesellschaft und dennoch wird die Welt vor unseren Augen größer und dichter. Wohnraum gemeinsam gestalten hat das Potential, uns aktiv in unser Umfeld einzubringen, gegenwärtige Herausforderungen anzugehen und einander solidarisch und hilfsbereit zu begegnen und somit aus einer Tätigkeit, die wir alle in unterschiedlichsten Formen teilen – dem Wohnen – den Weg hin zu einer aufmerksamen, fairen Gesellschaft ebnen.

Gemeinschaftlich genutzte Räume können je nach Nutzungsbedürfnissen ausgestattet werden.

Inklusion im Wohnen kann dabei ganz unterschiedliche Grade und Formen von Benachteiligung wie Behinderung, Herkunft und Armut berücksichtigen. Auch Menschen mit diesen Benachteiligungen haben das Recht, darüber mitzubestimmen, wo, wie und mit wem sie wohnen – das wird ihnen aber oft abgesprochen, indem man sie lediglich unterbringt. Andererseits ergeben sich aus den unterschiedlichen Graden von Benachteiligungen auch unterschiedliche Bedarfe, denen gerecht werden muss. Dabei gibt es schon eine Vielzahl inklusiver WGs, die gleichzeitig neue, eigenständigere Betreuungs- und Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum für Menschen ohne Behinderung schaffen. Das Wiener Wohnprojekt VinziRast-mittendrin bietet ebenso Raum für unterschiedliche Bedarfsgruppen: Dort leben Student*innen und ehemalige Obdachlose in günstigen Wohngemeinschaften zusammen. Entstanden ist das Projekt aus einem Studierendenprotest im Wiener Audimax 2009, bei denen sich auch Obdachlose anschlossen. So entstand ein Miteinander, das einige der Student*innen weitertragen wollten – und die Initiative für ein gemeinsames Wohnprojekt starteten. Die gemeinnützige Vinzenzgemeinschaft stellt den Hausbewohner*innen zusätzlich bei Konflikten eine geschulte Ansprechperson zur Seite.

Das Zusammenleben verschiedener sozialer Gruppen bringt sozial-kulturelle Dynamik und Austausch. Trotz aller dieser Vorteile und der Schönheit von Begegnungen, die aufzeigen, dass neben der eigenen Lebenswelt unzählige andere existieren – Wohnraum teilen bietet Konfliktpotential und ist oft unglaublich anstrengend. Außerdem ist immer darauf zu achten, dass gerade innovative Wohnprojekte auch nach außen wirken und mit ihrer Umgebung interagieren – sonst werden auch diese schnell zu Gated Communities, die wiederum Isolierung und Ausgrenzung befeuern können. Diese Konflikte auszutragen und versuchen, damit zu arbeiten, kann längerfristig zu einer positiven Debattenkultur und einer offeneren, experimentierfreudigen Gesellschaft beitragen. Denn indem wir immer wieder überlegen, wie wir leben wollen, können gesellschaftliche und soziale Hierarchien und manifestierte Ungerechtigkeiten aufgebrochen werden.

 

Nachhaltige Mobilität

4. Februar 2019 By

Der Weg zu einer Mobilitätskultur, die soziale und wirtschaftliche Grundbedürfnisse erfüllt und für Mensch und Umwelt verträglich ist

Unablässig zieht am Fenster des relaio-Redaktionsraum das geschäftige Treiben des Münchner Stadtverkehrs auf dem Mittleren Ring vorüber: Autos, Laster, Taxis, Lieferwägen, Busse. Zu Hochzeiten passieren fast 150.000 Fahrzeuge pro Tag den Abschnitt an der Landshuter Allee. Tausende Menschen pendeln zur Arbeit, werden mit Gütern und Waren versorgt und verschaffen sich Zugang zu Erholungsmöglichkeiten und Bildung. Die Verkehrswege sind gleichsam die Lebensadern unserer Gesellschaft. Mobilität ist ein Grundbedürfnis des Menschen, denn sie ermöglicht die Teilhabe am öffentlichen Leben.

Aber die Landshuter Allee zählt auch zu einer der am stärksten von Abgasen, Schadstoffen und Lärm belasteten Straßen Deutschlands, was ein hohes Gesundheitsrisiko für die Anwohner bedeutet. Mobilität bietet nicht nur eine gesellschaftliche Grundlage, sondern stellt auch eine Gefahrenquelle für Mensch und Umwelt dar. Der Verkehr ist in Deutschland für rund 20 Prozent des Ausstoßes der Treibhausgase verantwortlich und leistet damit einen erheblichen Beitrag zur Klimaerwärmung – Tendenz steigend. Innerhalb des Verkehrssektors fällt die Umweltbilanz des motorisierten Individualverkehrs, also der individuellen Nutzung von Kraftfahrzeugen, besonders gravierend aus. Hier kommen pro Kopf mehr Emissionen, ein höherer Flächenverbrauch und ein größeres Verkehrsaufkommen zusammen, als bei allen anderen Mobilitätsformen. Und fast drei Viertel aller täglichen Wege in Deutschland werden mit diesem Verkehrsträger unternommen. Unser Mobilitätsverhalten muss sich also dringend ändern: es muss emissionsarm, energiesparend und umweltverträglich sein, aber auch für alle Menschen die Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen. Wie kann das möglich sein? Und welche Rolle können dabei soziale und technische Innovationen spielen?

Luftmessstation an der Landshuter Allee in München

Das Elektroauto als Problemlöser?

Wie steht es zum Beispiel um das Elektroauto? Von den großen Autokonzernen und neuen Konkurrenten wird in letzter Zeit immer mehr die Weiterentwicklung von Elektromotoren vorangetrieben. Wenn zum Laden Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet wird, ist es in seinem Betrieb emissionsfrei und darüber hinaus leise und im Unterhalt günstig. Die Reichweiten steigen, die Anschaffungskosten werden langsam erschwinglicher und auch die Akkus laden schneller. Eine technologische Lösung, freilich noch nicht ausgereift, aber mit viel Potential.

Aber auch nur auf den ersten Blick, denn der reine Wechsel der Antriebsart löst nur einige Probleme von vielen. Der Elektroantrieb senkt zwar den Verbrauch von fossilen Energieträgern und minimiert Schadstoffemissionen, aber die Autos greifen immer noch auf die Infrastruktur für den motorisierten Individualverkehr zurück. In den 1960er Jahren wurde mit dem Konzept der autogerechten Stadt in vielen Städten der Industrieländer alles dem ungehinderten Verkehrsfluss von Automobilen untergeordnet. Getrennte Verkehrswege für motorisierten Verkehr, Radfahrer und Fußgänger wurden angelegt, die ein zügiges Vorankommen sicherstellen sollten. Schnellstraßen wurden in Richtung Stadtzentrum getrieben, wodurch bestehende Stadtviertel durchschnitten und schwer überwindbare Schneisen in über Jahrhunderte gewachsene Strukturen geschlagen wurden. Während das öffentliche Leben in den Innenstädten durch die Pendler erlahmte, kam es in den Randbezirken zur Herausbildung von nicht minder leblosen Trabantenstädten. Den Autos wurde die oberste Priorität in der Gestaltung des öffentlichen Raumes zugestanden, was die Städte bis heute prägt. Andere Formen der Mobilität dagegen müssen noch immer zurückstecken. Fußgänger sind gezwungen Umwege, Über- oder Unterführungen und lange Wartezeiten an Ampeln auf sich zunehmen. Radelnde müssen sich oft auf schmale Radwege zwängen, eingekeilt zwischen dem vorbeirauschenden Autoverkehr, sich öffnenden Türen von parkenden Autos und den Fußgängern. Dies stellt eine Gefahr für sie selbst und andere dar. Der öffentliche Personennahverkehr steckt zusammen mit den Autos im Stau fest oder musste in den Untergrund weichen – eine aufwändige und teure Lösung, die nicht überall umsetzbar ist. Damit nimmt das Konzept der autogerechten Stadt ihren Bewohnern die Möglichkeit, sich frei und sicher in ihr zu bewegen und sie damit zu beleben – eine planerische Sackgasse.

Schnellstraßen zerschneiden das Stadtbild und stellen schwer überwindbare Hindernisse für Fußgänger und Fahrradfahrende dar.

Der Weg zu einer Nachhaltigen Mobilität

Nachhaltige Mobilität bedeutet also mehr als Autos umweltfreundlich zu machen – es bedeutet auch Mobilität sozial und wirtschaftlich verträglich zu gestalten. Dafür müssen sich auch gewisse Grundvoraussetzungen in der Gesellschaft ändern, auch in Angelegenheiten, die auf den ersten Blick gar nicht so viel mit Verkehr an sich zu tun haben.

Die Reduzierung der Reiselänge und des Bedarfs sich fortzubewegen

Mobilität ist dann am umweltfreundlichsten, wenn man sie ganz vermeiden oder das Ziel bequem zu Fuß erreichen kann. Für das morgendliche Brötchen-Holen sind die wenigstens von uns aufs Auto angewiesen – für alles darüber hinaus kann es in manchen Gegenden schon schwieriger werden. Abhilfe dagegen kann die „Stadt der kurzen Wege“ bieten, die sich durch eine hohe Einwohnerdichte und diverse Nutzungsangebote auszeichnet. Eine solche menschengerechte Stadtplanung, in der neben Wohnungen auch Arbeits-, Versorgungs- und Erholungsmöglichkeiten zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sind, macht Mobilität nicht nur nachhaltiger, sondern auch Städte lebenswerter. Dass ein lebendiges Viertel auch zu einer umweltverträglichen Mobilität beitragen kann, beweist auch die Onlineplattform nebenan.de. Wenn man sich die Bohrmaschine beim Nachbarn ausleihen kann und nicht mit dem Auto zum Baumarkt fahren muss oder man über das gemeinsame Straßenfest neue Freundschaften im Viertel schließt, entfällt so mancher Weg durch die Stadt.

Auch andere Fahrten lassen sich substituieren oder reduzieren: Online-Shopping und eine zentrale City Logistik können Fahrten zumindest bündeln, gemeinschaftliche und integrative Wohnformen sparen Wegstrecken und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ersetzten zunehmend persönliche Treffen. Sie werfen aber auch die Frage auf, bis zu welchem Grad eine Vermeidung des Bedarfs sich fortzubewegen noch persönlich und gesellschaftlich wünschenswert ist.

Die Herbeiführung eines Wechsels der Verkehrsmittel

Geschwindigkeit ist alles im Straßenverkehr! Könnte man meinen, wenn man das hektische Treiben des Großstadtverkehrs beobachtet. Doch für welches Verkehrsmittel sich jemand entscheidet, hängt oft von ganz anderen Faktoren ab – neben Zeit und Kosten auch von ganz subjektiven Gründen wie Bequemlichkeit oder Attraktivität. Oft aber hinterfragen wir gar nicht mehr, welches Verkehrsmittel uns am besten zum Ziel bringt, sondern die Macht der Gewohnheit lässt uns ins Auto einsteigen. Mit den bekannten Problemen für Umwelt und Gesellschaft und eben nicht unbedingt schneller.

Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen, die Aufhebung von Parkplätzen sowie Maut- und Besteuerungssyteme sind restriktive Maßnahmen, die Autofahrer zum Wechsel auf andere Verkehrsmittel bewegen sollen. Damit solche Maßnahmen aber nicht zum Ausschluss von Verkehrsteilnehmern führen, müssen andere Verkehrsformen mit entsprechenden Kapazitätssteigerungen aufwarten können. Als Lösungen dafür werden häufig Neuzuteilungen von Verkehrsflächen für den öffentlichen Personennahverkehr, ein Ausbau des Radwegenetzes und Sharing Konzepte für Fahrräder und Autos angeführt. Städte wie Zürich, Münster oder Wien zeigen, dass man zu Fuß, mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Teil einfacher, schneller und umweltschonender ans Ziel kommen kann. Doch noch sind diese Städte Ausnahmen, in denen darüber hinaus jeweils nur ein Verkehrsträger über die anderen herausragt.

Ziel ist es aber, einen Verbund der umweltverträglichen Verkehrsmittel zu schaffen, um die Umwelt- und Gesundheitsbelastung des motorisierten Individualverkehrs zu senken. Dafür sind innovative Lösungen gefragt, die vielfältige Angebote vernetzten, flexibel nutzbar machen und dem Anwender unkompliziert vermitteln. So kann die Benutzung mehrerer Verkehrsmittel für eine Reise bequem und attraktiv gestaltet werden – und damit kann eine echte Alternative zum Auto geboten werden.        

Die Steigerung der Effizienz von Verkehrsmitteln

Neben der Vermeidung und der Verlagerung von Verkehr auf andere Mobilitätsformen kommt es auch darauf an, Verkehrsmittel effizienter zu gestalten. Soziale und technische Innovationen können dazu beitragen, negative Effekte zu reduzieren, wenig Nachgefragtes attraktiver zu gestalten und Lösungen für neue Probleme zu bieten. Ansätze wie Alternative Antriebstechniken, die Verwendung regenerativer Energien und die Minimierung von Emissionen dominieren oft die Verbesserungsstrategien. Doch dieses Feld bietet noch viel mehr Raum für Ideen. Die Nutzung von Big Data Analysen, digitaler Automatisierung und der Vernetzung von Fahrzeugen und Nutzern können alle dazu beitragen, unsere Mobilität in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Das Münchner Start-Up Sono Motors zeigt, wie so etwas aussehen kann. Sie haben nicht nur ein bezahlbares Elektroauto entwickelt, sondern dieses lädt sich auch mit integrierten Solarzellen selber auf. Darüber hinaus kann man mithilfe der integrierten Carsharing-Funktion das Auto auch anderen zu Verfügung stellen.

Über nachhaltige Mobilität wird gerade in der Politik heftig diskutiert. Aber nachhaltige Mobilität bedeutet mehr als nur Fahrverbote und Schadstoffgrenzwerte für Dieselmotoren. Nachhaltige Mobilität betrifft viele Bereiche des öffentlichen Lebens, Wohnens und Arbeitens. Vor allem aber ist Mobilität ein Feld, das gerade einem starken Wandel unterworfen ist und das sich auch verändern muss, um zu einem nachhaltigeren Leben beizutragen. Soziale und technische Innovationen werden hier dringend benötigt.

 


(c) Alle Bilder Sebastian Preiß

Du bist, was du isst

4. Februar 2019 By

Wissen woher das Essen auf dem eigenen Teller kommt und gleichzeitig Kleinbauern unterstützen. Wie das geht zeigen SolaWi und Co.

In den letzten zwei Jahren wurde auch der deutschen Bevölkerung klar: das Klima verändert sich und es hat direkte Auswirkungen auf uns. 2017 war die Apfelernte extrem schlecht, aber auch Erdbeeren und Co waren teurer. Ein Jahr später ist die Apfelernte in Deutschland super, aber es hat zu wenig geregnet und daher fällt das Wurzelgemüse kleiner aus und kostet mehr. Den Wetterbedingungen waren die Landwirte schon immer ausgesetzt, daran sind sie gewohnt. Die Konsumenten betrifft es oft nicht, solange er seine Ware noch günstig aus Spanien beziehen kann. Die klimatischen Veränderungen sorgen aber auch für höhere Preise. Und selten haben die Menschen so wenig Geld für Essen ausgegeben, wie heutzutage. Waren es einst 70 Prozent des Gehalts, sind es heute in Deutschland nur noch zehn Prozent. Waren die Landwirte einst die, die an der Spitze der Nahrungskette standen, sind sie jetzt ganz unten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eine neue Verordnung der EU und ein Kleinbetrieb kann dicht machen: Hygienevorschriften, Verpackung und Modernisierung. Das alles kostet Geld, das viele Kleinbauern nicht auftreiben können. Sie leben immer am Limit. Ihr einziger Vorteil ist, wenn ihnen das Land, das sie bewirtschaften, gehört.

Großbetriebe haben es da leichter neue Auflagen umzusetzen – die Masse macht’s. Doch es geht auch anders. Die Bauern haben kein Geld – die Städter schon. Und die wollen eben nicht mehr immer die billige Massenware. Sie wollen wissen, woher ihr Fleisch kommt, wie die Tiere aufgewachsen sind, wie der Bauer mit ihnen umgeht, aber genauso wollen sie manchmal auch mit anpacken, etwas für ihr Essen tun, die Arbeit nachfühlen und nicht nur konsumieren. Für diese Städter gibt es ganz unterschiedliche Modelle, wie sie wieder Teil des Entstehungsprozesses werden können. Sie heißen Solidarische Landwirtschaft, Foodfunding oder Genussgemeinschaft.

Solidarische Landwirtschaft

Die Solidarische Landwirtschaft, auch SolaWi genannt, findet immer mehr Zuspruch. Dabei geht es nicht nur darum, dem Landwirt seine Produkte abzukaufen, sondern den ganzen Hof zu unterstützen. Auch dann, wenn die Ernte einmal nicht so gut ausfällt – sich solidarisch zu zeigen, den Wert des Essen und die Arbeit dahinter wieder zu schätzen. Dafür schließt sich ein Landwirt mit einer Gruppe von Privathaushalten zusammen. Im Gegenzug für einen monatlichen- oder jährlichen Beitrag bekommen die Mitglieder ihren Essensanteil direkt vom Hof. Je nachdem helfen sie auch einige Tage im Jahr bei der Ernte, entscheiden mit, was angebaut wird, teilen sich die Aufgabe das Essen abzuholen und zu verteilen. Die finanzielle Sicherheit erlaubt es dem Bauern, besser zu wirtschaften. Er hat bereits zu Beginn der Saison eine feste Einnahmequelle, die er für die Saat und das Viehfutter ausgeben kann. So kann er eventuell auch etwas kreativer sein, neue Sachen ausprobieren oder auch etwas produzieren, dass in einem gewöhnlichen Landwirtschaftsbetrieb unrentabel wäre, wie beispielsweise alte Tierrassen halten oder eine kleine Menge an Brot backen.

Das eigentliche Konzept stammt aus Japan und wird dort bereits seit den 1960er Jahren umgesetzt. Ein Viertel der Japaner sind mittlerweile Teil einer solchen Teikei (deutsch: Partnerschaft). In den USA entwickelte sich 1985 unabhängig davon die Idee der Community-Supported Agriculture (CSA) und auch in der Schweiz gibt es das Konzept, das sich „Schlaraffengärten“ nennt. In Deutschland verbreitete sich die Idee der SolaWi nur sehr langsam. Mittlerweile ist sie aber angekommen. Seit 2011 gibt es den Trägerverein Solidarische Landwirtschaft e.V., ein Netzwerk für Bauernhöfe und Gärtnereien, aber auch interessierte Städter.

Die Produkte des Kartoffelkombinats. (c) David Freudenthal

 

Ein Start-Up, das den Weg einer Solidarischen Landwirtschaft in Form einer Genossenschaft geht, ist das Kartoffelkombinat. 2012 haben die Gründer Simon Scholl und Daniel Überall ihre Idee in die Tat umgesetzt– und versorgen nun fast 1.000 Haushalte mit Obst, Gemüse und sogar Honig. Jedes Mitglied zahlt hier einmalig einen Beitrag von 150 Euro und anschließend 68 Euro monatlich für seinen Ernteanteil. Diesen gibt es dann an verschiedenen Verteilerpunkten in München abzuholen. Dabei war klar: Irgendwann soll die Genossenschaft eine eigene Gärtnerei oder einen Hof besitzen. Die Lebensmittel werden fair, ökologisch und nachhaltig produziert. Die Genossen können sich aktiv in Form der Mitgliederversammlung und Seminaren einbringen – müssen sie aber nicht.

Unter der Webseite ernte-teilen.org, kann jeder Interessent die passende Gemeinschaft in seiner Nähe finden.

Genussgemeinschaft

Auch bei der Genussgemeinschaft Städter und Bauer e.V. geht es darum, wieder eine Verbindung zwischen denen, die landwirtschaftliche Produkte produzieren, und denen, die sie konsumieren, zu schaffen. Der Verein ist aus einer Arbeitsgruppe des SlowFood e.V. entstanden. Hier hat man verschiedene Konzepte unter einen Hut gepackt. Der Verein selber macht viel Öffentlichkeitsarbeit, veranstaltet Infoabende und Seminare zu den verschiedenen Themen oder gibt Veranstaltungstipps wie Führungen auf beteiligten Höfen oder Imkerkurse. Die Umsetzung erfolgt dann in privaten Einkaufsgemeinschaften, finanzieller Beteiligung oder in einer Solidarischen Landwirtschaft.

Ein Grundproblem für kleine Bauern ist, dass sie im Vergleich zu den Großen bei staatlichen Förderungen benachteiligt werden. So werden Umbauten und Modernisierungen oft nur unterstützt, wenn das Ergebnis rentabel ist. Ändern sich beispielsweise die Hygienevorschriften, ist es für kleine Betriebe oft schwer, das Geld für die verlangten Umstrukturierungen aufzubringen. Die Lösung der Genussgemeinschaft? Eine finanzielle Beteiligung, ein Genussschein. Der Verbraucher kauft Anleihen, von mindestens 500 Euro, und bekommt jährlich fünf Prozent Zinsen in Form von Produkten ausgezahlt.

So auch beim Leitzachtaler Ziegenhof in Oberbayern von Werner Haase. Auch er sollte seinen 530 Jahre alten Hof den neuen Hygienevorschriften anpassen. Hätte er das alleine stemmen müssen, hätte sich die Ziegenhaltung nicht mehr gelohnt. Durch das Konzept gewann er neue Kunden und der Verbraucher weiß genau, woher sein Essen kommt. Wenn die dann auch noch persönlich vorbei kommen, um die Ware abzuholen und es nicht über einen dritten verkauft wird, kann der Bauer sich auch die Verkaufsmarge sparen. Etwas, das oft den Unterschied zwischen Überleben und Aufgeben ausmachen kann. Nach dem Ablauf einer gewissen Frist, kann der Genuss-Schein-Besitzer entscheiden, ob er das Geld ausgezahlt bekommen will, oder es dem Landwirt weiter leiht.

Foodfunding

Crowdfunding ist ein Konzept, das viel Anklang gefunden hat und für alle möglichen Projekte genutzt wird. Die Schwarmfinanzierung funktioniert für Startups, aber auch Privatleute, die sich eine Reise finanzieren wollen. Beim Essen finanziert die Crowd – die Masse – ihr Essen. Im Voraus. Dabei hat das viele verschiedene Vorteile: Landwirt und Käufer kommunizieren direkt und nicht über Dritte. Die Packungen sind größer – somit spart man sich Verpackung und Lieferkosten, was wiederum das Produkt günstiger macht. Einer der ersten, die dieses Konzept umgesetzt hat, ist Günther Faltin mit seinem Unternehmen Tee-Kampagne. Zu Beginn war es „nur“ ein Projekt an der Freien Universität Berlin, an der er Professor für Entrepreneurship war. Er wollte aber nicht nur die Theorie vermitteln, sondern praktisch zeigen, wie man seine Ideen umsetzen kann. In der Projektwerkstatt entstand so die Idee, Darjeeling-Tee in bester Qualität, in großen Packungen und ohne Zwischenhändler direkt an den Verbraucher zu bringen. Was als Universitätsprojekt begann, ist heute ein Unternehmen mit zweistelligen Millionenumsätzen, die aber auch in nachhaltige Projekte der Anbauregion in Indien teilweise zurückfließen.

Noch sind sie grün, aber bald werden die Früchte am Baum zu saftigen Orangen. Bei Citrusricus wartet man aber mit der Ernte, bis sie wirklich reif sind. (c) Citrusricus

Das Prinzip wird aber nicht nur für Tee angewendet, sondern mittlerweile auch von dem spanischen Familienbetrieb CitrusRicus für Orangebäume in Valencia oder Honig direkt vom Imker. Das Start-Up KaufneKuh.de hat es sogar geschafft, das Prinzip auf das Fleisch umzumünzen. Der Käufer kann Fleischpakete kaufen und erst wenn eine komplette Kuh verkauft ist, wird sie geschlachtet. Dabei kann sich der Käufer die Fleischart nicht aussuchen, sondern bekommt von allem etwas. So wird weniger weggeschmissen und die Kuh bestmöglich genutzt. Eine Plattform, die sich vor allem dem Foodfunding verschrieben hat, ist die Seite Erzeugerwelt.de, worüber auch die Orangen- und Mandarinenbaum-Patenschaften laufen. Sie soll auch als Plattform für Austausch untereinander dienen.

Und jetzt?

Und jetzt kann sich jeder entscheiden, ob er weiter im Supermarkt, im Bioladen oder bei einer dieser und noch vielen weiteren Projekten mitmacht. Schlussendlich muss sich der Verbraucher nämlich auch fragen, wie viel Zeit er investieren möchte, und natürlich, wie viel Geld. Einige Konzepte sind noch im Aufbau. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass viel Interesse besteht und die Community stetig wächst. Ein schöner Nebenaspekt aller Projekte: Es entsteht wieder ein Kontakt mit den realen Lebensmittelproduzenten – nicht mit der Kühltheke -, ein Miteinander und auch eine wiederkehrende Wertschätzung gegenüber der Arbeit in der Landwirtschaft. Da schmeckt das Essen doch gleich besser. Mahlzeit!


(c) Titelbild: Caroline Deidenbach

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