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Slow Fashion – Langlebig und zeitlos

4. Februar 2019 By

Die Slow Fashion-Bewegung will, dass auch im Bereich Mode ein Umdenken stattfindet: Weg vom Konsumieren, hin zur nachhaltigen Wertschätzung.

Jährlich kaufen die Deutschen im Durchschnitt 60 neue Bekleidungsteile – 20 Prozent der Kleidung, die wir besitzen, tragen wir überhaupt nicht und den Rest nur etwa vier Mal, bevor wir sie entsorgen. In wenigen Bereichen des Lebens kann sich der Mensch so offensichtlich individuell darstellen, wie mit dem, was er am Leibe trägt. Hinzu kommt, dass sich Trends immer wieder verändern, genauso wie der eigene Geschmack im Laufe der Zeit. Bis zu zwölf Kollektionen bringen Modelables jährlich raus. Damit wollen sie beim Kunden das Bedürfnis nach „mehr“ wecken: Oft mit Erfolg. Doch woher diese Kleidung eigentlich kommt, die wir so oft viel zu günstig und deshalb vor allem auf Kosten anderer konsumieren, das wurde sich lange nicht gefragt. Doch spätestens seit dem Fabrikunglück 2013 in Bangladesch in einer Textilfabrik, bei dem 1.135 Menschen starben und 2.438 verletzt wurden, interessieren sich mehr Menschen für die Herkunft und die Herstellungsbedingungen ihrer Kleidung. Ein Thema, das auch Andrew Morgan in seinem Dokumentarfilm „The True Cost“ behandelt“.

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Nach diesem Vorfall in Bangladesch, schlossen sich verschiedene internationale Gewerkschaftsdachverbände, wie UNI Global Union IndustriALL, und Nichtregierungsorganisationen, wie die Kampagne für Saubere Kleidung, zusammen und verfassten ein Abkommen, das bessere Arbeitsbedingungen, unabhängige Kontrollen und bessere Bezahlung für die Arbeiter in Bangladesch veranschlagte. Diese Richtlinien mussten innerhalb 45 Tage nach der Unterschrift umgesetzte werden. Zu den Unterzeichnern gehören auch H&M, Benetton, Aldi Süd, Tchibo und Mango. Doch auch wenn das erste Schritte waren, so änderte dies jedoch nichts an der Verkaufsstrategie der Firmen, die weiterhin ihre „Fast Fashion“ vorantreiben, anstatt auf einen nachhaltigeren Konsum mit mehr Qualität zu setzen. Dies soll jetzt jedoch mit einer neuen Art der Mode, der Slow Fashion, auch in der breiten Masse ankommen.

Bewusstsein schaffen

Geprägt hat den Begriff die Forscherin und Autorin des Buches „Sustainable Fashion and Textiles: Design Journeys“ Kate Fletcher. 2010 gründete die Professorin am Centre for Sustainable Fashion des London College of Fashion das Unternehmen Slow Fashion Consultancy, welches durch unterschiedliche Kampagnen auf nachhaltigen Konsum aufmerksam machen will. Grundgedanken ihres Slow-Fashion-Begriffs sind die Wiederverwendbarkeit, die Reduzierung und das Recycling von Textilien. Doch was unter Slow Fashion verstanden wird, ist sehr unterschiedlich. Für die einen ist es wichtig, dass vor allem im eigenen Land, also regional, hergestellt wird. Andere wiederum legen viel Wert auf die Langlebigkeit des Produkts und dessen Qualität, auch wenn es sich beispielsweise nicht immer um Bio-Baumwolle handelt. Das Ideal wäre wohl alle folgenden Kriterien unter einen Hut zu bringen:

  1. Langlebigkeit: Slow Fashion hat eine kurze Produktionskette, ist keine Saisonware und ist hochwertig verarbeitet. Die Langlebigkeit führt automatisch dazu, dass Ressourcen geschont werden und die Umwelt somit weniger belastet wird.
  2. Gesamtbild: Slow Fashion, das ist nicht nur das T-Shirt oder der Rock, sondern auch das ganze Drumherum. Die Arbeitsbedingungen, das soziale Gefüge der Arbeiter, das Material, die Lieferwege und die Geschichte, die dahinter steckt und sozusagen durch die Mode erzählt wird.
  3. Diversität: Slow Fashion ist nicht nur das nachhaltige Modelabel mit dem Öko-Zertifikat, Slow Fashion ist auch der Flohmarkt, der Tausch von Klamotten mit der besten Freundin, das Leihen von einem Kleid für einen besonderen Anlass oder das Upcycling von Klamotten, die man dadurch wieder aufwerten kann.
  4. Bewusstsein: Slow Fashion ist vor allem das Bewusstsein, was hinter der Produktion von Mode steckt und sich wirklich zu fragen, was man braucht und was nicht. Also nicht nur zu kaufen, sondern sich bewusst Fragen zu stellen und Verantwortung für seinen eigenen Konsum und seine Auswirkungen zu übernehmen.

Noch verbinden viele Leute faire, ökologische Mode mit einem eher unmodernen Still und mit höheren Preisen. Mittlerweile gibt es jedoch viele stylische Klamotten und Accessoires, die gut aussehen und zudem noch länger halten, als die Saisonware der Modeketten. Preislich sind sie natürlich noch gehoben, doch geht es bei der Slow Fashion schließlich auch darum, dass man nur ein T-Shirt und nicht drei kauft. Labels und Geschäfte, die Slow Fashion verkaufen sind unter anderem  Armedangels, Hess Natur, ThokkThokk und  Nudie Jeans. Viele Ideen in diesem Bereich sind aber auch erst im Entstehen und werden durch Crowdfunding- Kampagnen voran gebracht. Wie auch das Modelabel Khala.

Die Mode von Khala ist bunt, modern und nachhaltig. (c) Caroline Deidenbach

Entstanden ist die Idee zu Khala relativ spontan, als Gründerin Melanie Rödel mit Viva con Agua für ein Brunnenprojekt in Malawi war. Erst ist der Entstehungsphase stellte sie fest, wie kompliziert die Produktion von Mode ist, vor allem wenn sie nachhaltig und ökologisch sein soll. Das Start-Up verbindet europäische Schnitte mit malawischen Stoffen – zu bezahlbaren Preisen. Für sie ist der erste Schritt die soziale Nachhaltigkeit vor Ort in Malawi zu fördern. Das bedeutet am Ende faire Bezahlung, Urlaubstage und eine Krankenversicherung für die Schneider vor Ort. Zukünftige Schritte wären dann auch die Produktion von Bio-Baumwolle und eine nachhaltige Lieferkette. Über die Weiterentwicklung ihrer Geschäfte berichten die Macher von Khala übrigens auch auf relaio in ihrer Kolumne.

Die Kleidung ist für viele nachhaltige Modelables ein Weg die Informationen über Produktionsbedingungen und Nachhaltigkeit unter die Menschen in Europa zu bringen, in der Hoffnung, dass sich ihre Kunden mit dem Thema auseinandersetzen. Kritisch kann man dabei natürlich sehen, dass wieder etwas konsumiert wird – also Ressourcen verbraucht werden und damit eigentlich wieder nur der klassische Markt bedient wird. Doch genauso muss bedacht werden, dass sich, vielleicht auch nur im Kleinen, vor Ort etwas ändert, wenn beispielsweise ein malawischer Schneider mit dem Geld seine Kinder auf die Schule schicken kann. Nicht zu vergessen, wenn wenigsten ein Teil der Kunden anfängt sich Gedanken über den eigenen Konsum zu machen und diesen zu reduzieren, dann hat schon Wirkung gezeigt.

Gründen? Unbedingt! – Der Social Start-Up Guide

8. März 2019 By

Wer Gründen will, muss risikobereit sein und nimmt viel Mühen auf sich. Das kann sich lohnen, vor allem dann, wenn man weiß, wo es Hilfe gibt.

Einfach mal sein eigenes Ding durchziehen – ein Wunsch, den immer mehr Menschen haben, vor allem dann, wenn es um den eigenen beruflichen Werdegang geht. Ganz konkret nimmt so ein eigenes Ding dann ganz unterschiedliche Formen an. Die meisten etwa als Start-Up. So weit so gut, aber auch ziemlich schwierig. So sinkt laut dem deutschen Startup Monitor 2018  die Zahl der Start-Up-Neugründungen seit einigen Jahren stetig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ausschlaggebend dabei ist die gesamtmarktwirtschaftliche Situation. So führt die gegenwärtig positive konjunkturelle Entwicklung dazu, dass Notgründungen als Alternative zur Joblosigkeit rückgängig sind, da gleichzeitig eine bestehende Vielzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten lukrativer sind als die finanziellen Perspektiven, bei einer eigenen Gründung. Aber auch ein anderer Trend lässt sich beobachten. So stieg, nach dem KfW-Gründungsmonitor 2018 zu Folge, der Anteil der „Chancengründer“ am Gesamtanteil aller Entrepreneure in Deutschland auf 60 Prozent. Immer mehr Unternehmer und Unternehmerinnen ergreifen also nicht bloß aus pragmatischen Gründen die Initiative, sondern handeln aus voller Überzeugung zur Notwendigkeit ihrer Idee heraus. Ein großer Teil dieser Ideen wiederum ist nachhaltig geprägt und verfolgt das Ziel einen positiven Beitrag zu gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten. So ordnen sich 32 Prozent der im Startup Monitor befragten Entrepreneure dem Bereich der Green Economy oder des Social-Entrepreneurships zu.

Herausforderungen für Start-Ups gibt es viele, dafür aber auch genügend Unterstützung. (c) Deutscher Startup Monitor 2018

Gründen ist also nicht nur ökonomisch wertvoll, sondern auch aus ökologischer und sozialer Hinsicht von großer Bedeutung. So hat etwa das Start-Up RECUP den Nerv der Zeit getroffen, indem es mit einem smarten Pfandsystem einen nicht unwesentlichen Beitrag zum alltäglichen Umweltschutz leistet. Andere – darunter auch Vereine und Non-Profit Organisationen – wie die soziale Initiative Brot am Haken e.V.,stellen etwa Kunden einer Bäckerei eine Plattform zur Verfügung, um Nahrungsmittel an Andere zu spenden. Sicher, ob sozialer Verein oder Social-Start-Up – gründen bedeutet oft viel Arbeit bei nur wenig Sicherheit. Aber es gibt Unterstützung in jeder Phase der Verwirklichung des eigenen Projekts. relaio hat nachgesehen wer, wie, wann und wo die richtige Hilfe anbietet. Die wichtigsten Unterstützer haben wir in unserem Start-Up-Guide für Social-Entrepreneure festgehalten.

Auf die Idee kommt es an

In der ersten Phase der Gründung steht ganz klar die eigene Idee im Mittelpunkt. Sie auszuarbeiten und in ein ausgearbeitetes Konzept zu gießen, erfordert einige Anstrengung.  Aber das ist kein Grund in Panik zu geraten. Gründungswettbewerbe bieten beispielsweise eine geeignete Möglichkeit die eigene Idee einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen, bei der am Ende vielleicht sogar ein Preisgeld oder Mentoring-Programm wartet.

 

Fotostrecke – Die wichtigsten Wettbewerbe für Social Entrepreneure:

  • Der Hans Sauer Preis ist ein Forschungs-, Technik- und Praxispreis: Die Stiftung zeichnet herausragende Forschungsarbeiten, zukunftsweisende technische Erfindungen oder aber vorbildliche Praxis („Best Practices“) in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aus. Das Wettbewerbsthema wird jedes Jahr neu gewählt.

  • Mit ihrem Wettbewerb sucht das Team von Yooweedoo Changemaker Innovative Ideen, die eine aktiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in unserer Gesellschaft leisten. Auch hier warten auf die Gewinner verschiedene Preisgelder.

  • Bei den Green Tec Awards handelt es sich um einen der größten und wichtigsten Ideenwettbewerbe zum Thema Nachhaltigkeit. Ausgezeichnet werden etwa die Kategorien: "Innovation of the Year", "Rising Star of the Year", "Start-up of the Year" and "Game Changer of the Year".

  • Wer es erstmal national angehen will und noch in den Anfängen steckt, sollte seine Idee beim GENERATION-D Wettbewerb einreichen. Mit einem Preisgeld werden studentische Projekte gefördert, die sich durch Umsetzbarkeit, nachhaltige Wirksamkeit und Innovation auszeichnen.

  • Auch startsocial ist ein bundesweiter Wettbewerb, mit dessen Hilfe ehrenamtliches und soziales Engagement gefördert werden sollen. Der Wettbewerb steht unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zu gewinnen gibt es regelmäßig viermonatige Beratungsstipendien.

  • Ziel des 2014 ins Leben gerufenen Green Alley Awards ist es, den Weg von einer linearen hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu fördern und gleichzeitig die Abfall- und Recyclingindustrie, wie wir sie heute kennen, zu verändern.

  • Das Magazin ZEIT WISSEN, die Initiative "Mut zur Nachhaltigkeit", sowie die Aurubis AG verleihen jährlich den ZEIT WISSEN-Preis Mut zur Nachhaltigkeit. Gewinnchancen haben vor allem die, die eine herausragenden Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.

  • Der Next Economy Award prämiert Startups, die auf Nachhaltigkeit und die Green Economy setzen. Er soll grünen Gründern Rückenwind verschaffen und Startups fördern, deren innovative Geschäftsmodelle soziale und ökologische Verbesserungen anstreben.

 

Gründen, aber gemeinsam

Ist die Idee ausgereift, müssen Taten folgen: Website, Insta-Channel, Name und Logo wollen erstellt werden. Nebenbei gibt es dann noch eine ganze Menge weiterer Aufgaben zu erledigen. So sollte zudem noch der passende Businessplan erstellt werden. Ganz schön viel los also. Daher gilt: Egal wie gut die eigene Idee auch ist, niemand schafft das allein oder besser gesagt, niemand muss alleine gründen. Genau deshalb hat sich in den letzten Jahren ein großes und starkes Netzwerk von Gründern und Experten aus Wirtschaft, Hochschulen und Politik gebildet. Die Unterstützung, die sich aus so einer Community ergibt, kann ganz verschieden ausfallen. Hilfe bieten etwa sogenannte Acceleratoren (von engl. Accelerate= beschleunigen), die – wir der Name bereits verrät – die Entwicklung und Umsetzung des eigenen Projektes beschleunigen, in dem Projekte eine feststehendes Entwicklungsprogramm durchlaufen und dabei intensiv von Experten betreut werden. Auch Inkubatoren sollten GründerInnen auf der Suche nach einer helfenden Hand nicht außer Acht lassen. In solchen „Brutkästen“ können Mentoring-Programme mitsamt einer professionellen Infrastruktur genutzt werden. Meist ist die Beziehung zwischen Gründern und Experten dort nochmals intensiver und beginnt meist schon bei der Ideenentwicklung. Nicht zuletzt bieten Stiftungen gezielte Unterstützung indem sie Geld, Räumlichkeiten und Expertise bereitstellen. Online-Plattformen bieten letztlich den nötigen Raum zum Austausch im Gründungsnetzwerk selbst.

 

Fotostrecke – Die wichtigsten Förderer und Netzwerke:

  • Social Impact ist Experte für Gründungsberatung. Social Start-Ups erhalten Stipendien, die bis zu acht Monate professionelle Beratung, Coaching, Workshops und Coworking Arbeitsplätze umfassen. Ebenso bietet Social Impact zahlreiche Inclusive Entrepreneurship Programme an.

  • Impact HUBs im deutschsprachigen Raum wie in München oder Berlin sind Teil eines globalen Netzwerks mit über 100 Locations und 16.000 Mitgliedern. Gegen einen finanziellen Beitrag gibt es Zugang zu Co-Working Areas und anderen Veranstaltungen, wie etwa Workshops, zum Thema Gründen.

  • Die Social Entrepreneurship Akademie wurde als Kooperation und Netzwerkorganisation vier Münchner Hochschulen gegründet. Die Akademie, kurz SEA, bietet eine Vielzahl von Qualifizierungsprogrammen im akademischen Umfeld an.

  • Ashoka fördert Social-Entrepreneure durch ein umfangreiches Angebot an Dienstleistungen und Finanzierungsformen, sowie durch Vermittlungsprogramme. Zudem können soziale Unternehmen finanzielle Unterstützung in der Gründungsphase bekommen.

  • Project Together bietet ein individuelles Coaching für Menschen, die Ideen haben und Hilfe bei der Umsetzung brauchen. Dabei ist es egal, ob es ein einmaliges, kleines Projekt oder ein Social-Business ist. Mit nur wenigen Klicks kann man sich auf ihrer Website bewerben.

  • youvo bringt Kreative mit sozialen Organisationen zusammen, die Unterstützung bei der Digitalisierung oder Öffentlichkeitsarbeit benötigen. Studierende und Professionals aus dem Design-, Kommunikations- und Digitalbereich bekommen damit die Möglichkeit, sich mit ihren Fähigkeiten für soziale Projekte einzusetzen.

  • Als Initiative der Hans-Sauer-Stiftung ist socialdesign.de nicht an der gewinnorientierten Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen interessiert, sondern macht sich vielmehr zum Anwalt sozialer Anliegen. Nutzer, Experten und Stakeholder sollen dabei in alle Phasen der Gestaltung einbezogen werden. Social-Entrepreneure finden hier ein Angebot, das Wissen zu diesem Thema bündelt und Projekte sowie Tools zur Umsetzung vorstellt.

  • Das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) will die Anliegen von SozialunternehmerInnen stärken und soziale Innovationen vorantreiben. Mit Hilfe des Vereins können eigene Erfahrungen ausgetauscht werden, während dieser wiederum die politischen Forderungen sozialer Unternehmer vertritt.

  • Eine weitere wichtige Anlaufstelle der Gründungshilfe bilden die zahlreichen Gründerzentren an Fachhochschulen und Universitäten. Ein Beispiel dafür ist etwa das Strascheg Center for Entrepreneurship der Hochschule München. Angeboten werden dort etwa Vorlesungen zum Thema Entrepreneurship, Co-Working-Spaces sowie Mentoring-Programme.

  • Eine Anlaufstelle auf europäischer Ebene ist der One-Stop-Shop der Europäischen Kommission. Dort gibt es alle möglichen Neuigkeiten und Infos zu aktuellen Ausschreibungen, Wettbewerben und Summits zum Thema Gründen. Außerdem finden Entrepreneure hier eine umfassende Auflistung weiterer Netzwerke und Unterstützer in Europa.

  • Das europäische Netzwerk der Social Innovation Community hat die wichtigsten Ergebnisse und Tools ihrer Arbeit in einem sogenannten Silearning Repository zusammengestellt. Soziale Projekte können mit dessen Hilfe frei auf Workshop-Module zugreifen, um so ihre Fähigkeiten bei der Gestaltung sozialer Innovation zu verbessern.

 

Wer wachsen will, muss zahlen

Der grundlegenden Gründungsetappen sind absolviert. Die Initiative ist etabliert und das eigene Start-Up hat den Markteintritt gewagt. Dann heißt es ab jetzt: skalieren, investieren und kontrollieren. Eine helfende Hand kann dabei sicher nicht schaden. Vor allem deshalb nicht, da der richtige Umgang und die Planung mit Finanzierungsmitteln oftmals Expertenwissen benötigt. Das bedeutet aber keineswegs, dass einem in Sachen Finanzierung die Hände gebunden sind, ganz im Gegenteil: So erfreuen sich etwa Crowdfunding-Plattformen immer größerer Beliebtheit. Dort kann man in Eigenregie von der eigenen Idee überzeugen und damit eine Finanzierung mit Unterstützung der Crowd auf die Beine stellen. Jetzt ist es nur noch wichtig zu wissen wo:

Fotostrecke – Die wichtigsten Finanzierungsquellen für Gründer und Gründerinnen: 

 

Welche Unterstützung die richtige ist, hängt natürlich immer von den individuellen Bedürfnissen des eigenen Vorhabens ab und erfordert eine stetige Reflexion der eigenen Ziele und derer Umsetzbarkeit. Dabei darf man jedoch nie vergessen: Hilfe gibt es genug, man muss sie sich nur holen.  

Nachhaltiger Materialeinsatz

7. Dezember 2018 By

Über das wahre Gewicht eines Handys und was man bei dem Einsatz von Ressourcen beachten sollte

Plastiktüten sind schlecht. Baumwollbeutel sind besser. Oder etwa nicht? Eigentlich scheint es so einfach zu sein, doch leider ist es etwas komplizierter. Denn alles, was wir nutzen, ob nun eine Dienstleistung oder ein Produkt, verbraucht Ressourcen. Wie viele, das ist auf den ersten Blick oft nicht ersichtlich. Wie viel Wasser wurde verwendet? Wie viel Energie wurde verbraucht? Wie viele Tonnen Erde wurden umgewälzt? Das sind alles Fragen, die es bei einem nachhaltigen Einsatz von Materialen zu beantworten gilt.

Radikale Dematerialisierung

Bereits 1983 wurde von den Vereinten Nationen eine Kommission für Umwelt und Entwicklung eingerichtet, die 1987 ein Konzept zur „langfristigen umweltverträglichen Ressourcennutzung“ vorstellte. An der Umsetzung hapert es bis heute. Ein bedeutender Wissenschaftler, der sich mit dem Einsatz und der Verschwendung von Ressourcen auseinandergesetzt hat, ist Friedrich Schmidt-Bleek. Er stellte 1991 seine Theorie der radikalen Dematerialisierung um den Faktor 10 vor, die Ressourceneffizenz auf Dauer erheblich verbessern sollte. Problematisch sind die Stoffströme, die immer dann entstehen, wenn etwas produziert wird. Bisher wurde aber dem Input weniger Aufmerksamkeit zuteil als dem Output, also weniger bei der Herstellung als bei dem Abfall und den Emissionen und deren Auswirkungen auf die Umwelt. Der Input bei der Kohle-Gewinnung wäre zum Beispiel der Abraum, also Sand und Lehm, der bei der Gewinnung der Kohle bewegt werden muss. Der Output wiederum wären die Emissionen der Kohlekraftwerke. Die Folgen dieser massiven Bewegungen von Ressourcen sind bereits sichtbar: Ozonloch, Klimawandel, Bodenerosion.  Diese Stoffströme müssen laut Schmidt-Bleek radikal reduziert werden – und zwar beim Eingang, nicht beim Ausgang. Für diese Dematerialisierung braucht es nach Schmidt-Bleeks Berechnungen den Faktor 10.

Ökologischer Rucksack

Um zu verstehen, wie viel Ressourcen ein Produkt oder eine Dienstleitung kostet, hat Schmidt-Bleek 1994 den Begriff des Ökologischen Rucksacks eingeführt. Dieser zeigt, wie viel Gewicht durch die Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Ressourcen anfallen.

Wie schwer ist ein Handy?

Um das Gewicht des ökologischen Rucksacks eines Produkts auszurechnen, zum Beispiel von einem Handy, hat Schmidt-Bleek das Maß MIPS (Material-Input pro Einheit Service) eingeführt. Auch beim Ecodesign hat man sich mit ähnlichen Fragen auseinandergesetzt.

MIPS – die Berechnung eines Lebenszyklus

MIPS berechnet nicht nur das Gewicht des Ökologischen Rucksacks, sondern den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, von der Herstellung, über die Nutzung bis hin zur Entsorgung. Für den Material-Input (MI) gibt es fünf verschiedene Kategorien (abiotische Rohmaterialien, biotische Rohmaterialien, Landbewegungen durch Land- und Forstwirtschaft,  Wasser, Luft). Die Maßeinheiten des Ökologischen Rucksacks sind Gramm, Kilogramm und Tonne. Service (S) hingegen hat keine Dimension und definiert sich nach der Leistung des spezifischen Gutes. Ein durchschnittliches Handy wiegt beispielsweise 0,08 Kilogramm. Für die Produktion braucht es unter anderem viele unterschiedliche Rohstoffe aus der ganzen Welt und somit ergibt sich ein ziemlich hoher Material-Input-Faktor. Ein Deutscher wechselt durchschnittlich alle 18 bis 24 Monate sein Smartphone – somit hält sich die Dauer der Serviceleistung S auch in Grenzen. Am Ende bringt das kleine Gerät ein stolzes Gewicht von 75,3 Kilogramm auf seinen Ökologischen Rucksack.

Checkliste von Schmidt-Bleek

Ein Auszug aus der Checkliste von Schmidt-Bleek

  • Welche Materialien tragen die leichtesten ökologischen Rucksäcke?
  • Ist die Materialzusammensetzung so einfach wie möglich?
  • Wie können (bei kurzlebigen Produkten von weniger als 20 Jahren Lebensdauer) Verbundstoffe vermieden werden und Langlebigkeit anstreben/erhöhen
  • Sind Ersatzteile langfristig verfügbar?
  • Kann das Design so ausgelegt werden, dass das Produkt, nachdem es seinen ursprünglichen Zweck erfüllt hat, ganz oder teilweise für mögliche weitere Nutzungen eingesetzt werden? (Kaskadennutzung)
  • Wie können begleitende Produktanleitungen auf Papier vermieden werden? (Papier hat einen Rucksack von 15 für abiotische Rohmaterialien)

Weitere Oberpunkte der Checkliste sind

  • Abfall vermeiden oder minimieren
  • Transportaufwand verringern
  • Fragen an den Lieferanten (Materialaufwand, Energieaufwand, Entstehung von Abfall, Transportaufwand, Vermeidung von Gefahrenstoffen, Nutzungsintensität)
  • Achtung bei konfliktbeladenen Rohstoffen

Die Kritiker der Theorie von Schmidt-Bleek führen an, dass er die Belastung der Umwelt etwa durch Pestizide nicht genug Platz einräume. Doch auch die die Konfliktbeladenheit einiger Ressourcen bleiben unerwähnt. Denn Rohstoff ist nicht gleich Rohstoff – das ist klar. Es hängt nicht nur davon ab, bei wem das Unternehmen es bezieht, sondern auch von wo. Soja aus Deutschland ist beispielsweise anders zu bewerten als Soja, das in Borneo angepflanzt wird und wofür ganze Abschnitte des Regenwaldes gerodet und anschließend der Versteppung ausgesetzt werden. Es gibt aber einige Rohstoffe, bei denen man lieber zwei Mal hinschauen sollte. Dazu gehören vor allem konfliktbeladene Materialien wie Kassiterit, Coltan, Wolframit und Gold, die vor allem für Elektrogeräte (Computer und Handys) verwendet werden. Ein Unternehmen, das sich damit auseinandergesetzt hat, ist das Fairphone. Es wirbt damit, dass alle Rohstoffe für das faire Handy nur aus konfliktfreien Mienen stammen. Außerdem sei das Smartphone langlebig, da Die Nutzer einzelne Teile immer auswechseln könnten. Leider hat Fairphone den Support für sein erstes jedoch eingestellt 
Auch Diamanten, Edelhölzer und Drogenrohstoffe sind bekanntermaßen kritisch. Doch auch bei Kautschuk, Baumwolle und Kakao sollte man vorsichtig sein. Wieso? Was der Ökologische Rucksack nicht beachtet, ist, dass diese Produkte oft unter schlechten Arbeitsbedingungen gefördert werden. Ausbeutung, eine hohe Unfallgefahr, Kinderarbeit, Raubbau und Umweltschäden stehen hier auf der Tagesordnung. Betroffene Länder sind wie Sierra Leone und Kongo, sowie Burundi oder Afghanistan.

Bewusstsein schaffen

Egal ob es am Ende eine Dienstleistung ist oder ein fertiges Produkt, das verkauft werden soll: Wichtig ist, dass beim Kunden ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, wie wichtig der Einsatz nachhaltiger Materialien ist. Wenn ein Unternehmen bereits darauf achtet, dann sollte es das auch kommunizieren. Das gibt nicht nur dem Verbraucher ein gutes Gefühl, sondern führt dazu, dass er sich vielleicht auch bei anderen Produkten mehr Gedanken macht. Denn das ist auch nach Schmidt-Bleek eines der größten Faktoren: die Bevölkerung wird nicht genug darüber informiert, welche Probleme es bei der Ressourcenbeschaffung gibt und wie sich das bis zum Verbraucher hin zieht. Jeder Kauf beinhaltet also auch die Verantwortung für den Ökologischen Rucksack.

Die Gemüsekiste vom Kartoffelkombinat. (c) David Freudenthal

Plastik oder Baumwolle? –  Die Gemüsekiste vom Kartoffelkombinat.

Somit sind wir wieder am Anfang. Welches ist denn nun die bessere Variante? Das Gewicht des Ökologischen Rucksacks durchzurechnen ist nicht einfach — es bis zum Endprodukt durchzuexerzieren manchmal gar nicht möglich. Auch die Gründer vom Kartoffelkombinat haben sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Daniel Überall und Simon Scholl haben ein Unternehmen mit genossenschaftlicher Struktur für die regionale und ökologische Lebensmittelversorgung aufgebaut. Mittlerweile machen 650 Münchner mit, eine logistische Herausforderung, wenn man trotzdem nachhaltig sein möchte. Plastik will eigentlich keiner mehr zuhause haben, aber mit Alternativen erreicht man teilweise das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Dazu Simon: „Wir unterliegen Gesetzen und Regularien und vieles ist einfach gar nicht möglich. Würden wir zum Beispiel Tupperboxen mit ausgeben, dürften wir diese nicht gleich wieder verwenden, wenn sie von den Genossen wieder zurückkommen. Vorher müssten wir sie heiß durchspülen. Wir sind gerade dabei eine Lösung zu entwickeln, bei der der Feldsalat in Baumwollsäckchen verpackt wird und wir hätten hier die Möglichkeit, mit der Wäscherei nebenan eine kleine Zusatzlogistik aufzuziehen. Allerdings wird es wieder schwierig, wenn man da dann wieder eine Ökobilanz aufmacht!“

Nachhaltige Mobilität

4. Februar 2019 By

Der Weg zu einer Mobilitätskultur, die soziale und wirtschaftliche Grundbedürfnisse erfüllt und für Mensch und Umwelt verträglich ist

Unablässig zieht am Fenster des relaio-Redaktionsraum das geschäftige Treiben des Münchner Stadtverkehrs auf dem Mittleren Ring vorüber: Autos, Laster, Taxis, Lieferwägen, Busse. Zu Hochzeiten passieren fast 150.000 Fahrzeuge pro Tag den Abschnitt an der Landshuter Allee. Tausende Menschen pendeln zur Arbeit, werden mit Gütern und Waren versorgt und verschaffen sich Zugang zu Erholungsmöglichkeiten und Bildung. Die Verkehrswege sind gleichsam die Lebensadern unserer Gesellschaft. Mobilität ist ein Grundbedürfnis des Menschen, denn sie ermöglicht die Teilhabe am öffentlichen Leben.

Aber die Landshuter Allee zählt auch zu einer der am stärksten von Abgasen, Schadstoffen und Lärm belasteten Straßen Deutschlands, was ein hohes Gesundheitsrisiko für die Anwohner bedeutet. Mobilität bietet nicht nur eine gesellschaftliche Grundlage, sondern stellt auch eine Gefahrenquelle für Mensch und Umwelt dar. Der Verkehr ist in Deutschland für rund 20 Prozent des Ausstoßes der Treibhausgase verantwortlich und leistet damit einen erheblichen Beitrag zur Klimaerwärmung – Tendenz steigend. Innerhalb des Verkehrssektors fällt die Umweltbilanz des motorisierten Individualverkehrs, also der individuellen Nutzung von Kraftfahrzeugen, besonders gravierend aus. Hier kommen pro Kopf mehr Emissionen, ein höherer Flächenverbrauch und ein größeres Verkehrsaufkommen zusammen, als bei allen anderen Mobilitätsformen. Und fast drei Viertel aller täglichen Wege in Deutschland werden mit diesem Verkehrsträger unternommen. Unser Mobilitätsverhalten muss sich also dringend ändern: es muss emissionsarm, energiesparend und umweltverträglich sein, aber auch für alle Menschen die Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen. Wie kann das möglich sein? Und welche Rolle können dabei soziale und technische Innovationen spielen?

Luftmessstation an der Landshuter Allee in München

Das Elektroauto als Problemlöser?

Wie steht es zum Beispiel um das Elektroauto? Von den großen Autokonzernen und neuen Konkurrenten wird in letzter Zeit immer mehr die Weiterentwicklung von Elektromotoren vorangetrieben. Wenn zum Laden Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet wird, ist es in seinem Betrieb emissionsfrei und darüber hinaus leise und im Unterhalt günstig. Die Reichweiten steigen, die Anschaffungskosten werden langsam erschwinglicher und auch die Akkus laden schneller. Eine technologische Lösung, freilich noch nicht ausgereift, aber mit viel Potential.

Aber auch nur auf den ersten Blick, denn der reine Wechsel der Antriebsart löst nur einige Probleme von vielen. Der Elektroantrieb senkt zwar den Verbrauch von fossilen Energieträgern und minimiert Schadstoffemissionen, aber die Autos greifen immer noch auf die Infrastruktur für den motorisierten Individualverkehr zurück. In den 1960er Jahren wurde mit dem Konzept der autogerechten Stadt in vielen Städten der Industrieländer alles dem ungehinderten Verkehrsfluss von Automobilen untergeordnet. Getrennte Verkehrswege für motorisierten Verkehr, Radfahrer und Fußgänger wurden angelegt, die ein zügiges Vorankommen sicherstellen sollten. Schnellstraßen wurden in Richtung Stadtzentrum getrieben, wodurch bestehende Stadtviertel durchschnitten und schwer überwindbare Schneisen in über Jahrhunderte gewachsene Strukturen geschlagen wurden. Während das öffentliche Leben in den Innenstädten durch die Pendler erlahmte, kam es in den Randbezirken zur Herausbildung von nicht minder leblosen Trabantenstädten. Den Autos wurde die oberste Priorität in der Gestaltung des öffentlichen Raumes zugestanden, was die Städte bis heute prägt. Andere Formen der Mobilität dagegen müssen noch immer zurückstecken. Fußgänger sind gezwungen Umwege, Über- oder Unterführungen und lange Wartezeiten an Ampeln auf sich zunehmen. Radelnde müssen sich oft auf schmale Radwege zwängen, eingekeilt zwischen dem vorbeirauschenden Autoverkehr, sich öffnenden Türen von parkenden Autos und den Fußgängern. Dies stellt eine Gefahr für sie selbst und andere dar. Der öffentliche Personennahverkehr steckt zusammen mit den Autos im Stau fest oder musste in den Untergrund weichen – eine aufwändige und teure Lösung, die nicht überall umsetzbar ist. Damit nimmt das Konzept der autogerechten Stadt ihren Bewohnern die Möglichkeit, sich frei und sicher in ihr zu bewegen und sie damit zu beleben – eine planerische Sackgasse.

Schnellstraßen zerschneiden das Stadtbild und stellen schwer überwindbare Hindernisse für Fußgänger und Fahrradfahrende dar.

Der Weg zu einer Nachhaltigen Mobilität

Nachhaltige Mobilität bedeutet also mehr als Autos umweltfreundlich zu machen – es bedeutet auch Mobilität sozial und wirtschaftlich verträglich zu gestalten. Dafür müssen sich auch gewisse Grundvoraussetzungen in der Gesellschaft ändern, auch in Angelegenheiten, die auf den ersten Blick gar nicht so viel mit Verkehr an sich zu tun haben.

Die Reduzierung der Reiselänge und des Bedarfs sich fortzubewegen

Mobilität ist dann am umweltfreundlichsten, wenn man sie ganz vermeiden oder das Ziel bequem zu Fuß erreichen kann. Für das morgendliche Brötchen-Holen sind die wenigstens von uns aufs Auto angewiesen – für alles darüber hinaus kann es in manchen Gegenden schon schwieriger werden. Abhilfe dagegen kann die „Stadt der kurzen Wege“ bieten, die sich durch eine hohe Einwohnerdichte und diverse Nutzungsangebote auszeichnet. Eine solche menschengerechte Stadtplanung, in der neben Wohnungen auch Arbeits-, Versorgungs- und Erholungsmöglichkeiten zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sind, macht Mobilität nicht nur nachhaltiger, sondern auch Städte lebenswerter. Dass ein lebendiges Viertel auch zu einer umweltverträglichen Mobilität beitragen kann, beweist auch die Onlineplattform nebenan.de. Wenn man sich die Bohrmaschine beim Nachbarn ausleihen kann und nicht mit dem Auto zum Baumarkt fahren muss oder man über das gemeinsame Straßenfest neue Freundschaften im Viertel schließt, entfällt so mancher Weg durch die Stadt.

Auch andere Fahrten lassen sich substituieren oder reduzieren: Online-Shopping und eine zentrale City Logistik können Fahrten zumindest bündeln, gemeinschaftliche und integrative Wohnformen sparen Wegstrecken und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ersetzten zunehmend persönliche Treffen. Sie werfen aber auch die Frage auf, bis zu welchem Grad eine Vermeidung des Bedarfs sich fortzubewegen noch persönlich und gesellschaftlich wünschenswert ist.

Die Herbeiführung eines Wechsels der Verkehrsmittel

Geschwindigkeit ist alles im Straßenverkehr! Könnte man meinen, wenn man das hektische Treiben des Großstadtverkehrs beobachtet. Doch für welches Verkehrsmittel sich jemand entscheidet, hängt oft von ganz anderen Faktoren ab – neben Zeit und Kosten auch von ganz subjektiven Gründen wie Bequemlichkeit oder Attraktivität. Oft aber hinterfragen wir gar nicht mehr, welches Verkehrsmittel uns am besten zum Ziel bringt, sondern die Macht der Gewohnheit lässt uns ins Auto einsteigen. Mit den bekannten Problemen für Umwelt und Gesellschaft und eben nicht unbedingt schneller.

Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen, die Aufhebung von Parkplätzen sowie Maut- und Besteuerungssyteme sind restriktive Maßnahmen, die Autofahrer zum Wechsel auf andere Verkehrsmittel bewegen sollen. Damit solche Maßnahmen aber nicht zum Ausschluss von Verkehrsteilnehmern führen, müssen andere Verkehrsformen mit entsprechenden Kapazitätssteigerungen aufwarten können. Als Lösungen dafür werden häufig Neuzuteilungen von Verkehrsflächen für den öffentlichen Personennahverkehr, ein Ausbau des Radwegenetzes und Sharing Konzepte für Fahrräder und Autos angeführt. Städte wie Zürich, Münster oder Wien zeigen, dass man zu Fuß, mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Teil einfacher, schneller und umweltschonender ans Ziel kommen kann. Doch noch sind diese Städte Ausnahmen, in denen darüber hinaus jeweils nur ein Verkehrsträger über die anderen herausragt.

Ziel ist es aber, einen Verbund der umweltverträglichen Verkehrsmittel zu schaffen, um die Umwelt- und Gesundheitsbelastung des motorisierten Individualverkehrs zu senken. Dafür sind innovative Lösungen gefragt, die vielfältige Angebote vernetzten, flexibel nutzbar machen und dem Anwender unkompliziert vermitteln. So kann die Benutzung mehrerer Verkehrsmittel für eine Reise bequem und attraktiv gestaltet werden – und damit kann eine echte Alternative zum Auto geboten werden.        

Die Steigerung der Effizienz von Verkehrsmitteln

Neben der Vermeidung und der Verlagerung von Verkehr auf andere Mobilitätsformen kommt es auch darauf an, Verkehrsmittel effizienter zu gestalten. Soziale und technische Innovationen können dazu beitragen, negative Effekte zu reduzieren, wenig Nachgefragtes attraktiver zu gestalten und Lösungen für neue Probleme zu bieten. Ansätze wie Alternative Antriebstechniken, die Verwendung regenerativer Energien und die Minimierung von Emissionen dominieren oft die Verbesserungsstrategien. Doch dieses Feld bietet noch viel mehr Raum für Ideen. Die Nutzung von Big Data Analysen, digitaler Automatisierung und der Vernetzung von Fahrzeugen und Nutzern können alle dazu beitragen, unsere Mobilität in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Das Münchner Start-Up Sono Motors zeigt, wie so etwas aussehen kann. Sie haben nicht nur ein bezahlbares Elektroauto entwickelt, sondern dieses lädt sich auch mit integrierten Solarzellen selber auf. Darüber hinaus kann man mithilfe der integrierten Carsharing-Funktion das Auto auch anderen zu Verfügung stellen.

Über nachhaltige Mobilität wird gerade in der Politik heftig diskutiert. Aber nachhaltige Mobilität bedeutet mehr als nur Fahrverbote und Schadstoffgrenzwerte für Dieselmotoren. Nachhaltige Mobilität betrifft viele Bereiche des öffentlichen Lebens, Wohnens und Arbeitens. Vor allem aber ist Mobilität ein Feld, das gerade einem starken Wandel unterworfen ist und das sich auch verändern muss, um zu einem nachhaltigeren Leben beizutragen. Soziale und technische Innovationen werden hier dringend benötigt.

 


(c) Alle Bilder Sebastian Preiß

Upcycling

4. Dezember 2018 By

Wirklich nachhaltig oder doch nur ein Modetrend?

Aus etwas Altem wird etwas Neues. Aus etwas Kaputtem, etwas Funktionierendes und aus über Generationen vererbten Lieblingsstücken völlig neue Wertgegenstände. Dinge die auf den ersten Blick so aussehen, als müssten sie auf dem Müllplatz landen, könnten vielleicht doch noch zu einem unverhofften Schmuckstück werden. So ließe sich einfach mal die Lebensdauer von dem ganzen Schrott, den wir über die Jahre und Jahrzehnte produziert haben und weiterhin produzieren, verlängern. Es klingt so einfach. Natürlich steckt hinter der Idee, Dinge lieber nochmal genauer anzuschauen, statt sie zu ersetzen, doch mehr Arbeit, als nur ein motivierter Blick.

Upcycling geht im Vergleich zur Restauration von Dingen noch einen Schritt weiter. Entscheidend ist, dass der vermeintliche Abfall zu etwas Neuem, Höherwertigem verarbeitet wird. Also kreativ einen neuen Zweck in einem Gegenstand erkennen. So werden beispielsweise aus LKW-Planen Taschen und Handyhüllen und Fahrradfelgen werden zu hippen Lampen umfunktioniert. Das Ergebnis hat mit seiner ursprünglichen Nutzung häufig nicht mehr viel gemein. Schön ist, dass so auch ganz neue Einrichtungsstile – quasi eine Art neue Mode entsteht. Die nachhaltige Zweckentfremdung von Gegenständen findet sich in vielfältigen Themengebieten und Größenordnungen wieder. Während Modedesigner ihre Kleidungsstücke gegebenenfalls nur um kleine Applikationen für das gewisse Extra verfeinern, werden in der Architektur ganze Häuser aus gepresstem Plastik gebaut oder Hausfassaden aus Abfallprodukten der Industrie gefertigt.

Hinter Upcycling versteckt sich im Endeffekt eine Kritik an unserer Wegwerfgesellschaft. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs leben die Industrienationen im Überfluss. Die westliche Welt lebt die Utopie – alles steht immer und überall zur Verfügung. Jahrzehntelang galt: aus alt macht neu ist knauserig und sparen an der falschen Stelle. Wer was auf sich hält, der kauft es neu. So lassen sich auch jährlich 100.000 Tonnen Textilabfall allein in Deutschland erklären. Durch die Abhängigkeit der Wirtschaft vom maßlosen Konsum ist es auch gar nicht gewollt, dass Dinge repariert oder sogar noch weiter verbessert werden können. Im besten Fall gehen die gekauften Geräte so schnell wie möglich kaputt, damit sie wieder neu gekauft werden müssen. Upcycling durchbricht aber nicht nur diesen Kreislauf des Wegwerfens, es veredelt Müll auf eine kluge Art und Weise, findet sich schlussendlich aber auch in einem Nischenmarkt wieder. 

 

100 000 Tonnen Textilabfall kommen jährlich in Deutschland zusammen. (c) Vasiliki Mitropoulou

Es machen sich aber nicht nur Konsumenten durch ihr Kaufverhalten und Hersteller durch die Art der Produktion zu Treibern der Wegwerfgesellschaft. Jedes Produkt hat einen Lebenszyklus, dessen Ursprung schon viel früher beginnt:

Das Design – der Produktursprung und Beginn des Lebenslaufs eines Objekts

In allem steckt Design. Alles was wir an Gebrauchsobjekten besitzen, ob Küchengeräte, sämtliche Verpackungsmaterialien, das Haus in dem wir wohnen, die Technik, die das Haus bewohnbar macht, wurde gestaltet oder befindet sich in einem immerwährenden Gestaltungsprozess. Verbraucher bemerken gar nicht, dass Designern und Konstrukteuren in unserer komplexen Welt ein hohes Maß an Verantwortung zugesprochen wird. Meistens ist den Designern diese Verantwortung nicht einmal selbst bewusst.

Von dem „wie“ Objekte gestaltet werden hängt ab, ob das Produkt effizient und somit energiesparend oder sogar energieproduzierend arbeitet. Aber auch, ob es irgendwann einmal auf dem Sondermüll landet, verbrannt wird oder wiederverwertet werden kann. Nachhaltiges Design bezieht sich auf den gesamten Produktlebenszyklus. Schon im Gestaltungsprozess wird entschieden, ob einzelne Materialien wiederverwertet oder sogar dem ganzen Produkt nach seiner Gebrauchsphase eine neue Aufgabe zugeschrieben werden kann. Entscheidend wird das gute Design somit unteranderem dafür, wie viele Ressourcen künftig eingespart werden können, wenn sie heute sinnvoll eingesetzt werden. Im Endeffekt handelt es sich um eine gesteigerte Form des Upcyclings: Cradle to Cradle. Während es im Upcycling vorsätzlich darum geht, aus Müll ein Objekt mit höherwertigem Sinn zu produzieren, versteht sich das Prinzip des Cradle to Cradle darin, erst gar keinen Müll mehr zu verursachen, indem die Objekte „von der Wiege zur Wiege“ immer weiter verwertet werden. Das Design soll so konzipiert werden, dass sich der Gegenstand leicht und einfach zerlegen lässt, um es wieder für den gleichen oder aber auch für völlig neue Zwecke verwenden zu können. Demnach könnten es die Designer sein, die Anstöße setzen, für eine Wirtschaft, die zwar nicht auf Konsum verzichtet, aber nach rohstoff- und energieschonenden Prämissen funktioniert.

Von der Konstruktion hängt ab, ob die Produktbestandteile anschließend wiederverwendet werden können. (c) Vadim Sherbakov

Ein Kritikpunkt: Ist Upcycling wirklich nachhaltig oder doch nur ein (Mode)-Trend für Individualisten?

Auf der Suche nach Designern und Kleinbetrieben, die schicke Upcycling-Produkte gestalten und vertreiben, finden sich vor allem Luxusprodukte im Hochpreissegment. Sämtliche Designermöbel wie Sessel, die aus alten, zusammengebundenen Lappen bestehen oder Stühle, die aus Elementen kaputter Tische gebaut wurden, kosten teilweise mehrere tausend Euro. Ähnlich wie im Designermöbelladen lassen sich diese serienmäßig online kaufen. Aber auch im Modebereich findet sich einiges, beispielsweise edle Abendkleider, die mit kleinen Elementen, wie Ziffernblättern alter Filmstreifen verfeinert sind, werden zu scheinbar nachhaltigen Kleidungsstücken; Explizit als Premium-Produkt ausgewiesen. Im niedrigeren Preissegment findet sich nur wenig, vielleicht noch Schallplatten die zu Uhren wurden. Doch auch hierbei handelt es sich um Konsumartikel, die ein netter Hingucker in der Wohnung sein können, aber keinesfalls unseren Umgang mit Gebrauchsgegenständen verändern. Im Gegenteil, bei einigen Designern fragt man sich, ob es nicht einfach verkaufsfördernd ist, wenn man eine schicke Upcycling-Geschichte rund um das Produkt erzählen kann. Eine Handtasche aus U-Bahn Sitzbezügen der Heimatstadt bleibt einem einfach eher im Kopf, als wenn sie aus konventioneller Baumwolle hergestellt wird. Es stellt sich die Frage, ob Upcycling ein kluger Trend für Individualisten mit viel Zeit und Geld ist oder aber eine wirkliche Möglichkeit der Widerverwertung darstellt, altes „cool“ und langlebig werden zu lassen. Fest steht, dass Upcycling realistisch betrachtet im Großen und Ganzen nicht wirklich ressourcensparend ist, sondern eher eine Art des Umdenkens in der Gesellschaft bewirken kann. Sozusagen eine Art Werbung, die dazu anspornen soll, Dinge genauer anzuschauen, bevor man sie wegschmeißt. 


(C) Titelbild: Dietmer Becker

Sustainable Branding

20. November 2018 By

Schritt für Schritt zu einer nachhaltigen Markenidentität

Treffen Nachhaltigkeit und Marketing aufeinander, fallen oftmals Begriffe wie Sustainable Branding oder Green Marketing. Doch was macht überhaupt eine erfolgreiche Marke aus? Und wann genau wird sie nachhaltig? Jungen Start-Ups fällt es meist nicht leicht, auf Anhieb die richtigen Antworten auf solche Fragen zu finden. Die Verbindung von Nachhaltigkeit und Marketing wird zudem oft, aufgrund vermeintlich verschiedener Zielsetzungen, kritisch oder gar als unmöglich betrachtet. Aber warum eigentlich? Sicher, Marketing kann Menschen dazu bringen, tagelang in überfüllten Einkaufspassagen zu kampieren, um überteuerte Smartphones zu kaufen. Ebenso ließe sich behaupten, Marketing wecke nur Bedürfnisse für Dinge, die niemand braucht und nur den Geldbeutel so manch eines Managers voller machen. Viel Nachhaltigkeit steckt da noch nicht drin. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Marketing kann mehr.  So beinhaltet es ebenso die Planung, Steuerung und Kontrolle einer Marke. Mit dessen Hilfe werden Werte eines Unternehmens gelebt und vermittelt. Und die können durchaus nachhaltig sein.

Eine Marke ist Charaktersache

Genauer gesagt, geschieht das durch die Integration von ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten in die Identität einer Marke und deren anschließende Kommunikation. Die Identität oder auch das Selbstbild einer Marke beschreibt dabei ihre Wesensmerkmale, die in Form eines Markennutzenversprechens kommuniziert werden. Ziel sollte es dabei sein, Versprochenes auch zu halten. Das schafft Vertrauen bei der Zielgruppe und somit die Grundlage einer langfristigen Kundenbindung. Außerdem dient die Markenidentität dazu, sich im Markt klar abzugrenzen, um nicht in einem Meer von Wettbewerbern unterzugehen. Ob ihre Entwicklung erfolgreich ist, kann daran gemessen werden, inwieweit sie mit der Wahrnehmung der Konsumenten, also dem Image einer Marke, übereinstimmt. Die Beachtung einiger Schritte kann dabei hilfreich sein, Nachhaltigkeit in das Bewusstsein und die Wahrnehmung einer Marke zu integrieren.

Erster Schritt: Die Situationsanalyse

Wissen ist Macht! Daher sollte zu Beginn des Aufbaus einer Marke die Schaffung einer Informationsgrundlage zu allen für sie relevanten Nachhaltigkeitsthemen erfolgen. Auf deren Basis werden dann Entscheidungen zur Markenentwicklung getroffen. Die Bildung solch einer Entscheidungsgrundlage ist enorm wichtig, da sie dabei hilft, Ausgangssituationen und Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer Marke zu erkennen und besser zu verstehen. Denn wie soll man angemessen auf Kundenbedürfnisse reagieren, wenn man diese nicht kennt oder nicht weiß, welche Möglichkeiten einem als Unternehmen und Marke selbst zur Verfügung stehen? Eine Situationsanalyse sollte somit stets aus interner und externer Perspektive erfolgen. Mögliche Maßnahmen sind dabei:

Maßnahmen zur eigenen Situationsanalyse

Die Möglichkeiten an Informationen heranzukommen sind vielseitig. Grundvoraussetzung sollte aber immer die Bereitschaft zum Dialog sein – ganz egal, ob Kunde oder Mitarbeiter, Facebook-Chat oder Vieraugengespräch.

Zweiter Schritt: Die richtige Positionierung entwickeln

Auf dem Fundament der Situationsanalyse kann nun überlegt und festgelegt werden, welches Konzept hinter einer Marke stehen soll und wie es sich in den Köpfen der Zielgruppe verankern lässt. Doch wie kann man so ein formuliertes Markenziel erreichen? Um diese Frage zu beantworten, muss klar sein, wie sich eine Markenidentität zusammensetzt. Daher sollten zunächst die folgenden Fragen zu den Bausteinen einer Markenidentität beantwortet werden.

  • Vision (Wohin wollen wir?): Sie gibt eine langfristig gewünschte Entwicklungsrichtung der Marke vor.
  • Persönlichkeit (Was kommunizieren wir?): Sie beinhaltet die Charakteristik einer Marke und findet ihren Ausdruck in der Art und Weise der Kommunikation.
  • Werte (Woran glauben wir?): Sie bestehen aus den Überzeugungen des Unternehmens und bilden ein sinnhaftes Grundgerüst der Marke.
  • Kompetenz (Was können wir?): Sie umfasst die organisatorischen Fähigkeiten eines Unternehmens mitsamt dessen Marke.
  • Herkunft (Woher kommen wir?): Sie stellt die Herkunft einer Marke aus ökonomischer, sozialer und ökologischer Perspektive dar.
  • Leistung (Was vermarkten wir?): Sie beschreibt, wie eine Marke funktional oder symbolisch für Konsumenten nutzbar wird.

Geschafft! Doch bevor es mit dem nächsten Schritt weitergehen kann, müssen die einzelnen Bausteine in einem Nutzenversprechen verpackt werden. Durch die Bündelung in funktionale und symbolische Nutzen wird die zuvor erarbeitete Markenidentität kommunizierbar gemacht. Besonders Start-Ups, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben, sollten darauf achten soziale und ökologische Nutzen hervorzuheben.

Water is more important than clothing! That’s why we’re working on a compostable sweater that uses 90% less water than a conventional cotton sweater. We completely abstain from artificial irrigation, cotton, plastics, long transport routes and wage dumping. From the raw material to the finished sweater we stay in Europe. Our vision? A wardrobe with essentials that save and give water. That’s why we pay reparations to countries that have suffered from the textile industry.

Das Nutzenversprechen des Starts-Ups Blue Ben zeigt, wie sich die einzelnen Bausteine einer Markenidentität klar formulieren lassen. (zur Quelle geht’s hier)

Dritter Schritt: Nachhaltigkeit selber Leben

Du bist, wer du bist! Mag dieser Spruch auf den ersten Blick belanglos wirken, hat er doch das Zeug zum Leitsatz jeder nachhaltigen Marke. Denn um Kunden langfristig zu binden, benötigt es Vertrauen und das entsteht wiederum nur durch Glaubwürdigkeit. Denn wie soll eine Marke glaubwürdig sein, wenn sie nicht hält, was sie verspricht? Kurzum: Nachhaltigkeit muss selbst gelebt werden. Alles andere ist Greenwashing. Mitarbeiter und Produktleistungen sind Herz und Kopf eine Marke und bilden zugleich den Ausgangspunkt zur Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeit. So ist es das Team, das mit Kunden in Berührung kommt und das Markennutzenversprechen angemessen nach außen trägt. Dafür ist es notwendig, dass im Team Zuspruch und Bewusstsein für eine nachhaltige Markenidentität bestehen und das Verhalten der Mitarbeiter sich danach ausrichtet.

Ein gutes Beispiel, wie sich soziales und ökologisches Engagement mit wirtschaftlichen Zielen vereinbaren lassen, liefert der Hersteller von Naturkosmetik und anthroposophischer Arzneimittel Weleda. Das bereits 1921 gegründete Unternehmen stellt Nachhaltigkeit als Kern ihrer Markenphilosophie in den Mittelpunkt unternehmerischen Handelns. Dass dabei gehalten wird, was der Hersteller verspricht, zeigt sich unter anderem bei der freiwilligen Einhaltung von Ethikstandards. So richtet sich die Auswahl von Rohstoffen nach nachhaltigen Zielen wie dem Erhalt der natürlichen Vielfalt und der fairen Entlohnung aller Partner entlang der Lieferkette. Dazu gehört auch, dass die eigenen Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens selbst verantwortungsvoll mit Umweltressourcen umgehen, etwa durch besonders ökologisch optimierte Arbeitsflächen und starken Unternehmensausrichtung auf die sozialen Bedürfnisse der der eigenen Angestellten. Die konsequente Ableitung eines nachhaltigen Markennutzenversprechens zahlt sich aus. Das zeigen nicht nur zahlreiche Auszeichnungen für soziales und ökologisches Handeln, sondern auch das fast 100-jährige Bestehen des Unternehmens und seiner Marke.

Ob Nachhaltigkeit selbst gelebt und nicht nur versprochen wird, lässt sich anhand folgender Fragen beantworten:

  • Habe ich alle Mitarbeiter ausreichend über die eigenen Nachhaltigkeitsziele informiert?
  • Können alle Mitarbeiter etwas zur erstrebten Nachhaltigkeit beisteuern?
  • Lebe ich selber Nachhaltigkeit vor?

Zuletzt sollten natürlich auch die mit der Marke in Verbindung stehenden Produkte und Dienstleistungen nachhaltig sein.  Dabei ist es wichtig zu verinnerlichen, dass Nachhaltigkeit während des gesamten Entstehungsprozesses einer Leistung gewährleistet sein muss. Denn Nachhaltigkeit findet nicht erst in der Ladentheke statt. Besonders Start-Ups sollten sich also von vornherein überlegen, wie sie soziale und ökologische Aspekte in die einzelnen Schritte ihrer Wertschöpfungskette integrieren können.

Das Prinzip der identitätsbasierten Markenführung. Quelle: Christoph Burmann et al. – Identitätsbasierte Markenführung

Vierter Schritt: Nachhaltigkeit kommunizieren.

Nach der Entwicklung und Umsetzung eines nachhaltigen Markenbewusstseins kommt es im nächsten Schritt nun auf dessen Vermittlung nach außen an. Denn schließlich können nur so Information zu den eigenen sozialen und ökologischen Aktivitäten von relevanten Zielgruppe wahrgenommen werden. Ziel sollte es dabei immer sein, die Bekanntheit als nachhaltige Marke zu steigern, sowie eine größtmögliche Deckung des inneren Bewusstseins mit ihrer äußeren Wahrnehmung zu erreichen. Für eine erfolgreiche und somit glaubwürdige Markenkommunikation ist die Einhaltung von Ehrlichkeit und Transparenz enorm wichtig. Das zeigt letztlich, dass es nichts zu verbergen gibt, was wiederum der Glaubwürdigkeit und dem Vertrauern der Nachhaltigkeitsmarke zu Gute kommt. Nicht zuletzt lassen sich ebenso Bedürfnisse und Kritik leichter mit der richtigen Kommunikation aufspüren und behandeln.

Ein geeignetes Kommunikationsmittel sind hier soziale Medien. Facebook, Twitter und Co. sind mittlerweile zu gesellschaftlichen Leitmedien mutiert und bieten mit ihren vielseitigen Funktionen einfache und schnelle Einsatzmöglichkeiten für die Markenkommunikation an. Gute Beispiele dafür sind:

  • Die Vermittlung von nachhaltigen Markenaktivitäten auf sogenannten Brand Pages.
  • Die Markendarstellung durch Videobeiträge auf Youtube, Instagram und Co.
  • Die Informationsgewinnung zu gegenwärtigen Trends in verschiedenen Blogs.
  • Die Führung von Dialogen mithilfe von Foren, Chats und Microblogs.

Fünfter Schritt: Kontrolle und Bewertung

Vertrauen ist gut! Kontrolle ist besser? Vielleicht nicht besser, aber mindestens genauso wichtig. So zeigt der Blick in die Gründerszene, dass auch gute Ideen und glaubwürdige Marken floppen können. Umso wichtiger ist es, die Schritte zum Aufbau einer nachhaltigen Markenidentität auf Herz und Nieren zu prüfen und gegebenen Falls an neue Rahmenbedingungen anzupassen. Neben dem Blick in die Geschäftsbücher hilft dabei ebenso ein offenes Ohr für interne und externe Stakeholder sowie ein Blick in die Gesellschaft.  Denn am Ende bleibt nichts so wie es ist. Und somit muss dieser letzte Schritt auch gleichzeitig wieder der erste sein.


Lesetipps //

Christoph Burmann: Identitätsbasierte Markenführung.

Teresa Mangold: Social Media im Nachhaltigkeitsmarkenmanagement.

(c) Titelbild: Joanna Kosinka

System Entrepreneurship – Zeit umzudenken

14. November 2018 By

Wie sich gesellschaftliche Missstände nicht nur vermindern, sondern beheben lassen.

Es könnte alles so schön sein: Fossile Brennstoffe liefern uns die Energie für grenzenlose Mobilität, Konzerne mit neunstelligen Gewinnsummen schaffen, dank stetig steigender Produktion, mehr und mehr Arbeitsplätze und sorgen so für Wohlstand und unser tägliches Wohlergehen. Doch der Konjunktiv ist verräterisch: denn die Wahrheit – das heißt die Welt in der wir leben – sieht anders aus. Der Abbau von Braunkohle und Erdöl zerstört uralte Infrastrukturen von Mensch und Natur und der Aberglaube von der Notwendigkeit eines über allen Dingen stehendenden Wirtschaftswachstums bringt die ökologischen, ökonomischen und sozialen Strukturen, in denen wir leben, ins Schwanken.

Ein Fehler im System

Diese Strukturen bestehen aus wechselseitigen, voneinander abhängigen Beziehungen verschiedener Elemente, aus deren Art der Verknüpfung bestimmte Regeln, Normen und Prinzipien resultieren und letztlich ein System bilden. Systeme bergen also die Gefahr selbst fehlerhaft zu sein oder Fehlverhalten zu ermöglichen, was wiederum anderen Elementen des gleichen oder eines verknüpften Systems schadet. So wurden beispielsweise Finanzsysteme vermeintlich immer effizienter, was jedoch daran lag, dass sie sich durch Spekulationen immer mehr von der Realwirtschaft lösten und mittlerweile viel mehr eine Gefahr für unser Wirtschaftssystem darstellen, als zu dessen nachhaltiger Existenz beizutragen.

We can define systemic innovation as an interconnected set of innovations, where each influences the other, with innovation both in the parts of the system and in the ways in which they interconnect.

Geoff Mulgan & Charlie Leadbeater

Das große Ganze

Zugegeben, neu ist das nicht. Außerdem haben Social Entrepreneure bereits unzählige Tools und Konzepte entwickelt, die ein derartiges Fehlverhalten beheben sollen, indem sie etwa die Effizienz von Elektromotoren steigern, Altes zu Neuem upcyclen oder eben nachhaltige Banken gründen. Das ist wichtig und richtig, vor allem aber schwierig. Denn will ein Social-Start-Up innerhalb eines Systems eine soziale Wirkung erzeugen, gelingt das meist nur, indem man ein Projekt skaliert. Doch ein Skaleneffekt lässt oft lange auf sich warten, da das dazu nötige Kapital erstmal verdient werden muss und selbst danach der Einfluss des jeweiligen Produkts oder Dienstleistung sich oft auf das unmittelbare Umfeld des Start-Ups beschränkt. Das liegt mitunter daran, dass ein Blick für das große Ganze dem Fokus auf den Erfolg des eigenen Unternehmens zum Opfer fällt oder die soziale Wirkung nicht über die Unternehmensgrenzen hinausgeht, da es keine Strahlkraft auf andere Elemente eines Systems besitzt. Problematisch ist also: So gut ein Social-Start-Up auch agiert, es lindert oft nur die Folgen, heißt, die Symptome eines systembezogenen Fehlverhaltens, nicht aber dessen Ursachen.

Was also tun? Eine Antwort liegt in der Generierung eines „System Change“. Er umfasst eine Änderung oder Neuschaffung von Interaktionsmustern, also der Zusammensetzung des Systems an sich, sowie der Art und Weise wie seine einzelnen Bestandteile darin miteinander kommunizieren. Erreicht werden kann das vor allem mit einer Reihe von Innovationen, die sich auf alle Bestanteile eines Systems auswirken, sie gegenseitig beeinflussen und langfristig ihre Regeln, Normen und Werte so gestalten, dass sie mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit vereinbar und funktionstüchtig sind.

Ein System Change umfasst die Änderung oder Neuschaffung der Zusammensetzung eines Systems an sich. Fotocredit: William Bout

Eine neue Generation

Um dieses Ziel zu erreichen, kommt „System Entrepreneurship“ ins Spiel. Dafür arbeiten System Entrepreneure aktiv daran, Paradigmen in verschiedenen Bereichen sozialer Systeme – wie Politik, Kultur und Wirtschaft – so zu verändern, dass gesellschaftliche Innovationen langanhaltend und systemisch übergreifend etabliert werden. Vorweg: Das schließt die Entwicklungen von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen nicht aus, vor allem dann nicht, wenn sie ein Mittel zum systemischen Zweck sind, denn sie können einen umfassenden Impact auf andere Systemelemente erzielen und so grundlegende, normative Strukturen eines Systems zum Positiven verändern. Wie das ganz konkret in der Realität aussehen kann, zeigt das Münchener Start-Up Sono Motors. Begonnen als Bastler-Projekt in der eigenen Werkstatt zweier Schulfreunde, ist daraus innerhalb weniger Jahre ein Unternehmen entstanden, das mit dem Sion – ein marktreifes Elektroauto entwickelt hat. Das kann nicht nur zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes beitragen, sondern mithilfe einer zusätzlich integrierten und simplen Handy-App zum Mietwagen, zur Mitfahrgelegenheit oder sogar zu einer autarken Stromquelle werden. Das verändert die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Interaktionen eines Systems, indem vorhandene Akteure ihre Rollen tauschen oder neue einnehmen und damit die Chance entsteht, fehlerhafte Systemstrukturen in Hinsicht auf Mobilität, Energiewirtschaft und deren politischen Gestaltung grundlegend neu zu gestalten.

Aber welche Qualitäten werden benötigt, um Schritt für Schritt gesellschaftliche Bereiche in einem Ausmaß zu verändern, das über die Reichweite einer einzigen Organisation hinausgeht? Die Bewegungen aufbauen können und alle betroffenen Stakeholder erfolgreich in kollaboratives Handeln einbinden?

Schritt für Schritt zum System Entrepreneur

Erstens: Die eigenen Potentiale kennen

Zugegeben, ressourcenverschlingende Industriesysteme oder ein komplexes Gesundheitssystem nachhaltig umzugestalten ist nicht leicht. Umso wichtiger ist es, von Beginn an zu klären, ob das eigene Vorhaben überhaupt das Potential besitzt, ein Türöffner für einen Systemwandel zu sein. Um das zu prüfen, sollte man sich folgende Fragen stellen:

  1. Kann mein Vorhaben einen echten Wandel initiieren, indem ich mit dem Status Quo eines Systems breche und nicht nur die vorherrschenden Gegebenheiten verbessere?

  2. Kann ich mit meinem Vorhaben aktiv einen Systemwandel mitgestalten und die für einen Wandel benötigten Ressourcen bündeln und steuern?

Dazu gehört auch, die Art des anvisierten Systems zu bestimmen. Nur so lässt sich erkennen, ob ein hypothetisches Potential auch in der Realität Bestand hat. Denn es ist nicht unwichtig, ob ein System komplex oder einfach, geschlossen oder offen, lebend oder mechanisch ist. So kann eine neue Technologie mit einer guten Idee in der Realität trotzdem scheitern, da sie aufgrund der Geschlossenheit eines Systems von außen keine innovative Wirkung entfaltet. So ist vielleicht die für den Systemeintritt oder -Anschluss benötigte Infrastruktur nicht vorhanden oder es fehlen die finanziellen Mittel um sie aufzubauen. Währenddessen können andere Ideen sich zwar an bestehenden Infrastrukturen bedienen, laufen aber dort möglicherweise Gefahr, aufgrund mangelnden Know-hows, die Situation eines komplexen Systems nicht ausreichend analysieren und steuern zu können und somit wichtige Faktoren wie eine Marktakzeptanz zu gering ausfallen.

Indikatoren für die Veränderungen eines Systems

Zweitens: Die Umwelt und sich selbst reflektieren

Ein System zu verändern oder neu zu etablieren bedeutet auch, eigene Denkmuster und die des Systemumfelds zu durchbrechen, um Platz zur Selbstreflexion und Toleranz für Neues zu schaffen. Kein leichtes Unterfangen. Wir werden in Systeme hineingeboren: Ganz gleich ob Kapitalismus oder parlamentarische Demokratie, Bildungssysteme und Industrien – sie werden über Generationen weitergegeben und ihr Narrativ nicht weiter hinterfragt. Nur, anthropogene Systemmechanismen sind keine in Stein gemeißelten Naturgesetze. Wer Denkmuster durchbrechen will, muss zunächst mit den eigenen beginnen. Das funktioniert indem System Entrepreneure mit dem geistigen Auge über die Grenzen eines Systems hinausgehen. Nur so lässt es sich auch als Ganzes sehen, als Ganzes verstehen und mit Alternativen vergleichen. Ein Blick in die Geschichte, also auf die Ursachen zur Entstehung von Systemstrukturen, ist ein geeignetes Mittel dafür. So eine Reflexion zeigt, dass Systeme endlich sind, indem sie auf den Beginn – folglich auf die Grenzen eines Systems –  schaut und somit ein Vorher-Nachher-Sichtweise ermöglicht, die Strukturen leichter nach Moral und Zweckmäßigkeit bewertbar macht.

Systematiken wie „Twelve Leverage Points“ nach Donella Meadows bieten besonders für komplexe Systeme eine gute Orientierung (Quelle: Donella H. Meadows: Thinking in Systems).

Nicht minder wichtig ist die Reflexion des eigenen Verhaltens in einem System. Nur wer bereit ist, seinen eigenen Ansichten den Spiegel vorzuhalten, ist auch bereit andere Sichtweisen zuzulassen und sie gemeinsam zu diskutieren. Eine tiefe, gemeinsame Reflexion ist ein entscheidender Schritt, um Gruppen oder einzelne Personen in die Lage zu versetzen, einen Standpunkt zu hören, der sich von ihrem eigenen unterscheidet. Das hilft letztlich die Realität des anderen emotional und kognitiv schätzen zu lernen. Das ist ein fundamentaler Weg, um Vertrauen aufzubauen, wo Misstrauen vorherrschte und um kollektive Kreativität zu fördern. Dabei ist es die Aufgabe von System Entrepreneuren aus vagen Absichten konkrete Ziele und Visionen zu formulieren und aus dem Spannungsverhältnis mit der Realität neue nachhaltige Ansätze zu schaffen.

Drittens: Einen gemeinsamen Raum schaffen

Sind nach Analyse und Reflexion die Ziele und Visionen des eigenen Vorhabens festgelegt, kommt es nun darauf an, einen Raum für dessen Umsetzung zu schaffen. Dafür ist der Aufbau einer Infrastruktur ein wesentlicher Bestandteil des System Entrepreneurships. Vor allem deshalb, da sie eines ermöglicht: Kollaborationen – die Zusammenarbeit aller Stakeholder eines Systemwandels zugunsten eines gemeinsamen, nachhaltigen Ziels. Es sollte klar sein, dass sich ein Systemwandel kaum alleine bewältigen lässt. Das liegt im Wesentlichen daran, dass ein einzelner Akteur – wie etwa ein Social Startup – kaum in der Lage ist, das dazu notwendige Spektrum an Fähigkeiten und Mitteln abzudecken. System Entrepreneurship beinhaltet demnach immer Allianzen aus verschieden Co-Innovatoren und Distributoren, die eine gemeinsam entwickelte Innovation systemisch etablieren. Ein Merkmal für ein erfolgreiches System Entrepreneurships ist demnach die Schaffung einer optimalen Konstellation der am Wandel beteiligten Akteure. Dazu benötigt es Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, branchen-, kulturen- und perspektivübergreifend zu übersetzen, Beziehungen aufzubauen und Workshops und Veranstaltungen zur Unterstützung des Veränderungsprozesses zu konzipieren und zu moderieren. Das alles mit dem Ziel ein möglichst breites Publikum in den Wandel einzubinden.

Viertens: Mit den richtigen Tools ein Systemwandel steuern

Soweit so gut, doch geht es um die konkrete Umsetzung, stellt sich leicht die Frage: Welche Tools eignen sich am besten? Und nach welchem sollte vorgegangen werden? Eine einheitliche Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Die Wahl einer der unzähligen Methoden und Ansätze ist abhängig von Merkmalen wie Art, Alter und Größe eines Systems. Etabliert haben sich aber unter anderem: Theory U, Collective Impact oder Change Labs. Ein Werkzeug, das oft sehr hilfreich ist, ist zudem das sogenannte Mapping. Hierbei werden die Hauptakteure eines Systems und ihrer Beziehungen zueinander illustriert. Das kann helfen, Systeme besser zu verstehen, indem sie in einfacher Form dargestellt, beschrieben und, für weitere Überlegungen, dokumentiert werden. Letztlich bildet der Prozess des Mappings, durch seinen kollaborativen Gestaltungsprozess an sich, eine Plattform zur gemeinsamen Reflexion und Analyse.

Die Methodik des Mappings kann Startpunkt, von Analyse, Reflexion und Koalitionsbildung sein. (Hier nach dem Panarchy-Modell).

Beim Steuern, das heißt dem Anwenden von Tools und Werkzeugen, gibt es zwei essentielle Herausforderungen. Zum einem ist der Ausgang eines Systemwandels, aufgrund mangelnder Erfahrungswerte, oft ungewiss, zum anderen sind Lern -und Steuerungsprozesse oft verschieden und komplex. Für den Bruch mit dem Status Quo eignet sich etwa eine Führungspersönlichkeit, die wie ein Pirat eine Crew anführt und Schlachtzüge von den Seitenrändern eines Systems startet, während der Aufbau von Allianzen jedoch eine Führungspersönlichkeit erfordert, die eher einem Gemeinschaftsorganisator gleicht.

Fünftens: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein

Systeme sind immer mehrdimensional. Unabhängig davon, ob es sich um abstrakte oder konkret greifbare Strukturen handelt: Raum und Zeit spielen bei ihrer Zusammensetzung eine wesentliche Rolle. Umso einleuchtender scheint es, diese beiden Parameter in das eigene Handeln einzubeziehen. Kurzum: Wer einen Systemwandel erfolgreich umsetzen will, muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Dafür identifizierte die einflussreiche Systemtheoretikerin Donella Meadowskonkrete Punkte, die eine größtmögliche Hebelwirkung versprechen – die sogenannten Leverage Points (eng.: „leverage“= deutsch: Hebelwirkung)Das Prinzip dahinter ist es, Orte in einem System zu definieren, deren minimale Veränderung zu einem größtmöglichen Wandel im Systemverhalten führt.

Systematiken wie „Twelve Leverage Points“ nach Donella Meadows bieten besonders für komplexe Systeme eine gute Orientierung. (Quelle: Donella H. Meadows: Thinking in Systems).

Ein Wirkungsmaximum wird am besten erzielt, sobald sich ein System im Umschwung befindet. Vollzieht ein System beispielsweise den Übergang von Aufschwang zu Abschwung, werden feste und resistente Strukturen durch deren Umorientierung elastischer und offener für neue Ansätze. Demnach ist die Aufgabe eines System Entrepreneurs herauszufinden, wann sich Bedürfnisse und Wünsche in einem System ändern, um dann adäquate Vorschläge zu deren Erfüllung vorschlagen zu können. Wo ein Hebel die größte Wirkung erzielt, ist abhängig vom eigenen Vorhaben. Die Möglichkeiten sind also vielseitig. So krempeln nicht nur smarte Elektroautos festgefahrenen Systeme um, sondern kann ein Systemwandel auch durch Dienstleistungen oder durch reine non-profit Initiativen bewirkt werden. So versorgt etwa das Projekt Child & Youth Finance International (CYFI) Kinder und Jugendliche aus prekären Lebensverhältnissen mit Bildungsinhalten zu Finanz -und Wirtschaftssystem. Die Idee: Jungen Menschen wird eine bessere Lebensgrundlage gewährt, indem sie lernen, wie sie Zugang zu finanziellen Mitteln bekommen, eigenes Geld sparen und es in ihre Zukunft investieren können. Um das zu erreichen, sollen langfristig bildungs- und finanzpolitische Systemstrukturen, gemeinsam mit relevanten Systemakteuren, nachhaltig verändert werden. Das Projekt übernimmt dabei die Rolle des Change Leaders und ist damit Befürworter, Experte und Netzwerker zugleich. Operativ erfordert das besonders: die Schaffung eines Problembewusstseins, das Generieren und Teilen von relevantem Wissen, sowie der Aufbau von Allianzen. Letztlich ist dies nur ein Beispiel von vielen, aber es zeigt, dass ein Systemwandel mit den richtigen Schritten machbar ist und das für ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt.


Lesetipp //

Donella Meadows: Thinking in Systems – A primer.

(c) Titelbild: Deva Darshan

Suffizienz, Konsistenz und Effizienz – Drei Wege zu mehr Nachhaltigkeit

12. November 2018 By

Wie Nachhaltigkeit nur im Zusammenspiel bestimmter Prinzipien erreicht werden kann.

Das Thema Nachhaltigkeit ist omnipräsent. Um den Begriff besser zu fassen, verwenden Nachhaltigkeitsmodelle oft drei Standbeine, die sogenannten Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Da aller guten Dinge drei sind, gibt es wiederum drei Strategien, die darauf hinarbeiten, Nachhaltigkeit zu erreichen. Diese Strategien sind Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Kurz zusammengefasst lassen sich die drei Prinzipien wie folgt beschreiben:

  1. Effizienz: Sie richtet sich auf eine ergiebigere Nutzung von Materie und Energie, also auf Produktivität von Ressourcen.
  2. Konsistenz: Sie richtet sich auf naturverträgliche Technologien, welche die Stoffe und die Leistungen der Ökosysteme nutzen ohne sie zu zerstören.
  3. Suffizienz: Sie richtet sich auf einen geringeren Ressourcenverbrauch durch eine Verringerung der Nachfrage nach Gütern.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass auch bei konsequenter Anwendung aller drei Prinzipien nicht alle Felder der Nachhaltigkeit abgedeckt sind. Soziale Faktoren wie Geschlechtergleichheit oder soziale Sicherheit werden nicht beachtet.

Effizienz

Effizienz ist sicherlich das in der öffentlichen Wahrnehmung bekannteste der drei Prinzipien. Es will das Verhältnis der eingesetzten Ressourcen zu den, mit ihnen, erzielten Ergebnissen verbessern. Umgangssprachlich formuliert lautet das Prinzip der Effizienz: Aus weniger mach‘ mehr. Und gerade weil Effizienzsteigerungen aus technischen Innovationen hervorgehen und meistens keine Änderung des eigenen Lebensstils erfordern, erfreuen sich diese über große Zustimmung in der Bevölkerung.

Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit wird häufig von der sogenannten Öko-Effizienz gesprochen. Diese strebt vor allem nach einem geringeren Einsatz von Rohstoffen und Energien pro Ware oder Dienstleistung und damit letztendlich auch nach einem verringerten Naturverbrauch. Erreicht werden soll das vor allem durch technische Innovationen und modernere Arbeitsweisen. Die Achillesferse der Öko-Effizienz liegt jedoch in den sogenannten Rebound-Effekten. Hierbei werden potenzielle Einsparungen, die durch effizienteres Wirtschaften realisiert werden, durch einen erhöhten Verbrauch wieder aufgefressen. Ein gutes Beispiel dafür stellt der Stromverbrauch dar: Wenn durch Effizienzsteigerungen aus der gleichen Rohstoff-Menge mehr Energie produziert werden kann, sinkt der Energiepreis und damit auch der Strompreis. Billigerer Strom führt jedoch häufig zu einem vermehrten Stromverbrauch. Sobald der erhöhte Verbrauch die Effizienzeinsparungen erreicht hat, schwindet der Nutzen von Effizienzsteigerungen. Hier stößt das Prinzip der Effizienz an seine Grenzen. Bereits an diesem Punkt ist ersichtlich, dass Effizienz-Bemühungen alleine nicht zielführend für eine nachhaltige Entwicklung sind. Auf diesen Punkt soll an späterer Stelle noch genauer eingegangen werden.

Konsistenz

Konsistenz-Strategien beschäftigen sich mit der Vereinbarkeit von Natur und Technik. Es wird sogar von einer neuen industriellen Revolution gesprochen, welche zu einem dauerhaft nachhaltigen menschlichen Leben und Wirtschaften führen kann. Zentral ist dabei die Abkehr von der momentan vorherrschenden Industriekultur hin zu einer fruchtbaren Symbiose von Natur und Technik. Natürliche Prozesse sollen durch industrielle Prozesse nicht mehr gestört, sondern sogar gestärkt werden.

Naturgefährdende Stoffe sollen in einem engen technischen Umlauf gehalten werden oder aussortiert werden. Intelligente Wirtschaftssysteme sollen entstehen, die ohne Abfälle auskommen – also weg von der linearen Produktwirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft. In der Öffentlichkeit hat sich das Cradle-to-Cradle-Prinzip bereits einen Namen gemacht. Hierbei dienen die End- und Abfallprodukte einer Produktionskette als Eingangsstoffe für die nächste, ganz nach dem Motto: „Abfall ist Nahrung“ (Michael Braungrat).

Konsistenz-Strategien erfordern keine Verringerung des Energieverbrauchs oder Materialflüssen, sondern es geht vielmehr darum, diese naturverträglich zu gestalten. Theoretisch ließe sich mit konsistentem Wirtschaften ein flächendeckender Wohlstand auf hohem Konsumniveau erreichen, der dabei noch die Umwelt schont. Diese Aussichten verhelfen Konsistenz-Strategien zu einem hohen Ansehen und einer breiten Zustimmung in der Bevölkerung. In der Tat tragen Konsistenz-Strategien einen wichtigen Teil zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Im Bereich der erneuerbaren Energien sind erste Konsistenz-Ansätze bereits erfolgreich.

Die zentrale Herausforderung der Konsistenz-Strategie ist und bleibt ihre Machbarkeit. Es lässt sich derzeit noch nicht absehen, ob sich alle Erwartungen und Hoffnungen, die in Konsistenz-Technologien gesetzt werden, erfüllen oder jemals realisieren lassen. Mit dem momentanen Stand der Technik ist beispielsweise eine komplette Kreislaufwirtschaft in allen Industriezweigen nicht möglich. Konsistenz bleibt also vorerst eher ein Silberstreif am Horizont hin zu einer nachhaltigen Lebensweise aller Menschen.

Suffizienz

Der Grundgedanke von Suffizienz-Strategien ist es durch eine Veränderung des menschlichen Lebensstils Ressourcen einzusparen. Anders als die beiden Prinzipien zuvor liegt die Grundlage der Suffizienz nicht in technischen Neuerungen, sondern im Verhalten der Menschen selbst. Bereits seit der Antike gibt es den Suffizienz-Gedanken. Die oft angeprangerte Verzichtsrhetorik oder das Streben nach einer asketischen Lebensweise spiegeln das Gedankengut hinter Suffizienz-Überlegungen aber nur unzureichend wieder. Diese Fehlinterpretationen drängten Suffizienz in die Öko-Nische.

Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar, dass Suffizienz nicht nur auf Verzicht beruht, sondern vielmehr die Frage nach dem rechten Maß stellt. Suffizienz soll ein gutes Leben für alle ermöglichen und fordert dafür einen klugen Umgang mit Ressourcen um auch für kommende Generationen eine gute Lebensgrundlage zu erhalten. Ein konkretes Beispiel für die Anwendung von Suffizienz zeigt die Diskussion über den Fleischkonsum von uns Menschen. Suffizienz verlangt keinen kompletten Verzicht auf Fleisch, jedoch einen klügeren und nachhaltigeren Umgang damit. Es geht darum, bewusst zu konsumieren, den Fleischkonsum zu reduzieren, aber auch darauf zu achten wo das Fleisch herkommt und wie es produziert wird. Suffizienz fordert also keinen absoluten Verzicht von uns, sondern einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen. Doch auch das stellt einen deutlichen Einschnitt in die Gewohnheiten vieler Menschen dar. Entsprechend kritisch stehen die meisten Menschen der Suffizienz gegenüber.

Zusätzlich liegt das Hauptaugenmerk der meisten Unternehmen auf einer Gewinnmaximierung und nicht auf einem suffizienten Umgang mit Ressourcen. Verkaufsfördernde Instrumente wie modernes Marketing tragen zudem dazu bei, dass immer mehr konsumiert wird. Dies drängt Suffizienz stark in den Hintergrund.

Gemeinsam ans Ziel

Effizienz- und Konsistenzideen erfreuen sich also einer hohen Zustimmung in der Bevölkerung, während Suffizienz eher kritisch betrachtet wird. Die Erklärung ist einfach: Die meisten Menschen sehen den Handlungsbedarf, wollen jedoch selbst nichts an ihrem Lebensstil ändern. Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass jede Strategie für sich alleine aus unterschiedlichen Gründen nicht zielführend ist. Werden jedoch alle drei Prinzipien gemeinsam angewendet, werden zumindest die ökologischen und ökonomischen Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung erfüllt. Wie bereits erwähnt sind soziale Komponenten der Nachhaltigkeit differenziert zu betrachten. Alle drei Prinzipien lassen sich theoretisch gemeinsam anwenden und schließen sich gegenseitig nicht aus. Nur wenn naturverträgliche, technische Neuerungen auf eine Veränderung unseres Lebensstils treffen und diesen begünstigen lässt sich Nachhaltigkeit erreichen.

Du bist, was du isst

4. Februar 2019 By

Wissen woher das Essen auf dem eigenen Teller kommt und gleichzeitig Kleinbauern unterstützen. Wie das geht zeigen SolaWi und Co.

In den letzten zwei Jahren wurde auch der deutschen Bevölkerung klar: das Klima verändert sich und es hat direkte Auswirkungen auf uns. 2017 war die Apfelernte extrem schlecht, aber auch Erdbeeren und Co waren teurer. Ein Jahr später ist die Apfelernte in Deutschland super, aber es hat zu wenig geregnet und daher fällt das Wurzelgemüse kleiner aus und kostet mehr. Den Wetterbedingungen waren die Landwirte schon immer ausgesetzt, daran sind sie gewohnt. Die Konsumenten betrifft es oft nicht, solange er seine Ware noch günstig aus Spanien beziehen kann. Die klimatischen Veränderungen sorgen aber auch für höhere Preise. Und selten haben die Menschen so wenig Geld für Essen ausgegeben, wie heutzutage. Waren es einst 70 Prozent des Gehalts, sind es heute in Deutschland nur noch zehn Prozent. Waren die Landwirte einst die, die an der Spitze der Nahrungskette standen, sind sie jetzt ganz unten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eine neue Verordnung der EU und ein Kleinbetrieb kann dicht machen: Hygienevorschriften, Verpackung und Modernisierung. Das alles kostet Geld, das viele Kleinbauern nicht auftreiben können. Sie leben immer am Limit. Ihr einziger Vorteil ist, wenn ihnen das Land, das sie bewirtschaften, gehört.

Großbetriebe haben es da leichter neue Auflagen umzusetzen – die Masse macht’s. Doch es geht auch anders. Die Bauern haben kein Geld – die Städter schon. Und die wollen eben nicht mehr immer die billige Massenware. Sie wollen wissen, woher ihr Fleisch kommt, wie die Tiere aufgewachsen sind, wie der Bauer mit ihnen umgeht, aber genauso wollen sie manchmal auch mit anpacken, etwas für ihr Essen tun, die Arbeit nachfühlen und nicht nur konsumieren. Für diese Städter gibt es ganz unterschiedliche Modelle, wie sie wieder Teil des Entstehungsprozesses werden können. Sie heißen Solidarische Landwirtschaft, Foodfunding oder Genussgemeinschaft.

Solidarische Landwirtschaft

Die Solidarische Landwirtschaft, auch SolaWi genannt, findet immer mehr Zuspruch. Dabei geht es nicht nur darum, dem Landwirt seine Produkte abzukaufen, sondern den ganzen Hof zu unterstützen. Auch dann, wenn die Ernte einmal nicht so gut ausfällt – sich solidarisch zu zeigen, den Wert des Essen und die Arbeit dahinter wieder zu schätzen. Dafür schließt sich ein Landwirt mit einer Gruppe von Privathaushalten zusammen. Im Gegenzug für einen monatlichen- oder jährlichen Beitrag bekommen die Mitglieder ihren Essensanteil direkt vom Hof. Je nachdem helfen sie auch einige Tage im Jahr bei der Ernte, entscheiden mit, was angebaut wird, teilen sich die Aufgabe das Essen abzuholen und zu verteilen. Die finanzielle Sicherheit erlaubt es dem Bauern, besser zu wirtschaften. Er hat bereits zu Beginn der Saison eine feste Einnahmequelle, die er für die Saat und das Viehfutter ausgeben kann. So kann er eventuell auch etwas kreativer sein, neue Sachen ausprobieren oder auch etwas produzieren, dass in einem gewöhnlichen Landwirtschaftsbetrieb unrentabel wäre, wie beispielsweise alte Tierrassen halten oder eine kleine Menge an Brot backen.

Das eigentliche Konzept stammt aus Japan und wird dort bereits seit den 1960er Jahren umgesetzt. Ein Viertel der Japaner sind mittlerweile Teil einer solchen Teikei (deutsch: Partnerschaft). In den USA entwickelte sich 1985 unabhängig davon die Idee der Community-Supported Agriculture (CSA) und auch in der Schweiz gibt es das Konzept, das sich „Schlaraffengärten“ nennt. In Deutschland verbreitete sich die Idee der SolaWi nur sehr langsam. Mittlerweile ist sie aber angekommen. Seit 2011 gibt es den Trägerverein Solidarische Landwirtschaft e.V., ein Netzwerk für Bauernhöfe und Gärtnereien, aber auch interessierte Städter.

Die Produkte des Kartoffelkombinats. (c) David Freudenthal

 

Ein Start-Up, das den Weg einer Solidarischen Landwirtschaft in Form einer Genossenschaft geht, ist das Kartoffelkombinat. 2012 haben die Gründer Simon Scholl und Daniel Überall ihre Idee in die Tat umgesetzt– und versorgen nun fast 1.000 Haushalte mit Obst, Gemüse und sogar Honig. Jedes Mitglied zahlt hier einmalig einen Beitrag von 150 Euro und anschließend 68 Euro monatlich für seinen Ernteanteil. Diesen gibt es dann an verschiedenen Verteilerpunkten in München abzuholen. Dabei war klar: Irgendwann soll die Genossenschaft eine eigene Gärtnerei oder einen Hof besitzen. Die Lebensmittel werden fair, ökologisch und nachhaltig produziert. Die Genossen können sich aktiv in Form der Mitgliederversammlung und Seminaren einbringen – müssen sie aber nicht.

Unter der Webseite ernte-teilen.org, kann jeder Interessent die passende Gemeinschaft in seiner Nähe finden.

Genussgemeinschaft

Auch bei der Genussgemeinschaft Städter und Bauer e.V. geht es darum, wieder eine Verbindung zwischen denen, die landwirtschaftliche Produkte produzieren, und denen, die sie konsumieren, zu schaffen. Der Verein ist aus einer Arbeitsgruppe des SlowFood e.V. entstanden. Hier hat man verschiedene Konzepte unter einen Hut gepackt. Der Verein selber macht viel Öffentlichkeitsarbeit, veranstaltet Infoabende und Seminare zu den verschiedenen Themen oder gibt Veranstaltungstipps wie Führungen auf beteiligten Höfen oder Imkerkurse. Die Umsetzung erfolgt dann in privaten Einkaufsgemeinschaften, finanzieller Beteiligung oder in einer Solidarischen Landwirtschaft.

Ein Grundproblem für kleine Bauern ist, dass sie im Vergleich zu den Großen bei staatlichen Förderungen benachteiligt werden. So werden Umbauten und Modernisierungen oft nur unterstützt, wenn das Ergebnis rentabel ist. Ändern sich beispielsweise die Hygienevorschriften, ist es für kleine Betriebe oft schwer, das Geld für die verlangten Umstrukturierungen aufzubringen. Die Lösung der Genussgemeinschaft? Eine finanzielle Beteiligung, ein Genussschein. Der Verbraucher kauft Anleihen, von mindestens 500 Euro, und bekommt jährlich fünf Prozent Zinsen in Form von Produkten ausgezahlt.

So auch beim Leitzachtaler Ziegenhof in Oberbayern von Werner Haase. Auch er sollte seinen 530 Jahre alten Hof den neuen Hygienevorschriften anpassen. Hätte er das alleine stemmen müssen, hätte sich die Ziegenhaltung nicht mehr gelohnt. Durch das Konzept gewann er neue Kunden und der Verbraucher weiß genau, woher sein Essen kommt. Wenn die dann auch noch persönlich vorbei kommen, um die Ware abzuholen und es nicht über einen dritten verkauft wird, kann der Bauer sich auch die Verkaufsmarge sparen. Etwas, das oft den Unterschied zwischen Überleben und Aufgeben ausmachen kann. Nach dem Ablauf einer gewissen Frist, kann der Genuss-Schein-Besitzer entscheiden, ob er das Geld ausgezahlt bekommen will, oder es dem Landwirt weiter leiht.

Foodfunding

Crowdfunding ist ein Konzept, das viel Anklang gefunden hat und für alle möglichen Projekte genutzt wird. Die Schwarmfinanzierung funktioniert für Startups, aber auch Privatleute, die sich eine Reise finanzieren wollen. Beim Essen finanziert die Crowd – die Masse – ihr Essen. Im Voraus. Dabei hat das viele verschiedene Vorteile: Landwirt und Käufer kommunizieren direkt und nicht über Dritte. Die Packungen sind größer – somit spart man sich Verpackung und Lieferkosten, was wiederum das Produkt günstiger macht. Einer der ersten, die dieses Konzept umgesetzt hat, ist Günther Faltin mit seinem Unternehmen Tee-Kampagne. Zu Beginn war es „nur“ ein Projekt an der Freien Universität Berlin, an der er Professor für Entrepreneurship war. Er wollte aber nicht nur die Theorie vermitteln, sondern praktisch zeigen, wie man seine Ideen umsetzen kann. In der Projektwerkstatt entstand so die Idee, Darjeeling-Tee in bester Qualität, in großen Packungen und ohne Zwischenhändler direkt an den Verbraucher zu bringen. Was als Universitätsprojekt begann, ist heute ein Unternehmen mit zweistelligen Millionenumsätzen, die aber auch in nachhaltige Projekte der Anbauregion in Indien teilweise zurückfließen.

Noch sind sie grün, aber bald werden die Früchte am Baum zu saftigen Orangen. Bei Citrusricus wartet man aber mit der Ernte, bis sie wirklich reif sind. (c) Citrusricus

Das Prinzip wird aber nicht nur für Tee angewendet, sondern mittlerweile auch von dem spanischen Familienbetrieb CitrusRicus für Orangebäume in Valencia oder Honig direkt vom Imker. Das Start-Up KaufneKuh.de hat es sogar geschafft, das Prinzip auf das Fleisch umzumünzen. Der Käufer kann Fleischpakete kaufen und erst wenn eine komplette Kuh verkauft ist, wird sie geschlachtet. Dabei kann sich der Käufer die Fleischart nicht aussuchen, sondern bekommt von allem etwas. So wird weniger weggeschmissen und die Kuh bestmöglich genutzt. Eine Plattform, die sich vor allem dem Foodfunding verschrieben hat, ist die Seite Erzeugerwelt.de, worüber auch die Orangen- und Mandarinenbaum-Patenschaften laufen. Sie soll auch als Plattform für Austausch untereinander dienen.

Und jetzt?

Und jetzt kann sich jeder entscheiden, ob er weiter im Supermarkt, im Bioladen oder bei einer dieser und noch vielen weiteren Projekten mitmacht. Schlussendlich muss sich der Verbraucher nämlich auch fragen, wie viel Zeit er investieren möchte, und natürlich, wie viel Geld. Einige Konzepte sind noch im Aufbau. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass viel Interesse besteht und die Community stetig wächst. Ein schöner Nebenaspekt aller Projekte: Es entsteht wieder ein Kontakt mit den realen Lebensmittelproduzenten – nicht mit der Kühltheke -, ein Miteinander und auch eine wiederkehrende Wertschätzung gegenüber der Arbeit in der Landwirtschaft. Da schmeckt das Essen doch gleich besser. Mahlzeit!


(c) Titelbild: Caroline Deidenbach

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